Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2019, Az. AK 37/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4910

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Gegenstand

Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus bei Beteiligung an terroristischer Vereinigung in Sri Lanka


Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

Der Angeschuldigte wurde am 16. Januar 2019 aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Januar 2019 (5 [X.] 3/19) festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des Haftbefehls sind die Vorwürfe, der Angeschuldigte habe sich vom 30. August 2002 bis mindestens 19. Mai 2009 in [X.] Lanka in drei Fällen als Mitglied an der [X.][X.]" (fortan: [X.]) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) oder Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, davon in einem Fall zugleich gemeinschaftlich handelnd einen Menschen heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet und in einem weiteren Fall zugleich unmittelbar dazu angesetzt, einen Menschen aus niedrigen Beweggründen zu töten (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 211 Abs. 2, §§ 22, 23, 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB).

3

Der [X.] hat am 9. Juli 2019 Anklage zum [X.] Stuttgart erhoben.

4

Über den Antrag des [X.]s vom 4. Juli 2019, den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des [X.] vom 15. Januar 2019 nach Maßgabe der Anklageschrift neu zu fassen, hat das [X.] bislang nicht entschieden. Es hat am 17. Juli 2019 Haftfortdauer angeordnet.

II.

5

1. Gegenstand der Haftprüfung des Senats sind ausschließlich die Tatvorwürfe der zwei tatmehrheitlichen Fälle der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 53 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe (vormals Mittäterschaft) zum Mord (§ 211 Abs. 2, §§ 27, 52 StGB). Denn der Verfolgungswille des [X.]s im vorliegenden Strafverfahren bezieht sich ausweislich der Anklageschrift vom 4. Juli 2019 nicht mehr auf den weiteren Tatvorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit versuchtem Mord zu Lasten des Führers der [X.] ([X.]), [X.]. Insoweit hat er das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Dieser Tatvorwurf kann daher seiner Funktion, Auskunft über den Grund der Untersuchungshaft im vorliegenden Verfahren zu geben, nicht mehr weiter gerecht werden.

6

2. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

7

a) Der Angeschuldigte ist der verbleibenden, ihm im Haftbefehl vom 15. Januar 2019 vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.

8

aa) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist derzeit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

9

(1) Die [X.] entstanden im Jahre 1976 durch den Zusammenschluss verschiedener tamilischer Bewegungen in [X.] Lanka, deren gemeinsames Ziel die Loslösung des mehrheitlich von [X.] besiedelten Nord- und [X.] der Insel vom [X.] geprägten [X.] war. Dabei verstanden sie sich als allgemeine Vertretungsmacht der [X.] [X.]bewegung weltweit. Hierarchisch auf die Person ihres Führers [X.] und dessen Ideologie ausgerichtet, verfolgten sie ihr Ziel eines selbständigen "[X.]" in erster Linie durch bewaffneten Kampf, der sich nicht nur gegen die [X.] Regierungstruppen, sondern auch gegen rivalisierende Gruppierungen richtete. Bis 1986 gelang es ihnen, neben der Halbinsel [X.] weite Teile der Nord- und der Ostprovinzen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen, wo sie nach und nach eigene staatsähnliche Strukturen schufen. Ab 2002 wurden dort ein zentrales "politisches Büro" mit Sitz in [X.] sowie "Ministerien" für Justiz, Polizei, Finanzen und Verteidigung errichtet. Der von den [X.] erhobene Alleinvertretungsanspruch für alle [X.] weltweit führte in der Zuständigkeit eines "Außenministeriums" zur Entwicklung von Organisationsstrukturen auch über [X.] Lanka hinaus. Militärisch verfügten die [X.] über [X.] ("[X.]") sowie über eine Anzahl zu Kampfzwecken umgerüsteter Schnellboote ("Sea [X.]") und Flugzeuge ("Air [X.]"). Daneben unterhielten sie eine Spezialeinheit ("Black [X.]"), deren Aufgabe neben militärischen Kommandoaktionen auch (Selbstmord-)Anschläge auf zivile Ziele waren.

Im Guerillakampf mit den Truppen des abtrünnigen Kommandeurs [X.] ("Karuna") verloren die [X.] ab 2004 zunächst die Ostprovinzen. Verstärkte Offensiven der [X.] Regierungsarmee ab 2007 drängten sie weiter zurück, bis es im Frühjahr 2009 zu ihrer militärischen Zerschlagung kam. Insbesondere im [X.] fanden zwischen den Konfliktparteien ausgedehnte bewaffnete Auseinandersetzungen mittels Bodentruppen, zur See und zur Luft statt, im Verlauf derer tausende Menschen getötet und mehr als 200.000 Personen aus ihren angestammten Wohngebieten vertrieben wurden. Der Führer der [X.] Prabhakaran und weitere 18 hochrangige Funktionäre wurden am 19. Mai 2009 von Regierungstruppen getötet.

Zwischen dem 5. Juli 1987 und dem Ende des [X.] verübten die [X.] eine Vielzahl von Anschlägen, darunter in der [X.] von März 1991 bis Februar 2009 zumindest 17 [X.]e auf zivile Einrichtungen, bei denen 457 Zivilpersonen ihr Leben verloren. Zu den Anschlägen zählten etwa die Ermordung des [X.] Premierminister [X.] am 21. Mai 1991 bei [X.] sowie die des [X.] Staatspräsidenten [X.] am 1. Mai 1993 in [X.]. Bei einem weiteren dort kurz vor dem Ende des [X.] verübten Selbstmordanschlag wurden 17 Menschen getötet.

(2) Spätestens von 30. August 2002 an und jedenfalls bis 19. Mai 2009 gliederte sich der Angeschuldigte in die [X.] ein und betätigte sich zur Förderung deren Ziele in [X.] Lanka.

(a) Der Angeschuldigte, der seit 1995 eine spezielle Nachrichtendienstschule der [X.] besucht hatte und umfassend als Agent ausgebildet worden war, wurde im Jahr 2002 von seinem unmittelbaren Vorgesetzten und alleinigen Ansprechpartner "[X.] " zur Durchführung nachrichtendienstlicher Tätigkeiten vom [X.] nach [X.] entsandt. Er sollte Informationen über Personen sammeln, die "gegen die [X.]" waren und deshalb liquidiert werden sollten. In dieser Eigenschaft leitete er unter anderem Erkenntnisse über Mitglieder der mit der [X.] konkurrierenden und mit der Regierung kooperierenden [X.] an "[X.] " weiter.

In der Endphase des bewaffneten [X.] zwischen der [X.] und der [X.] Armee wurde der Angeschuldigte Ende 2008 oder Anfang 2009 in das [X.] zurückbeordert, um vor dem Hintergrund seiner detaillierten Ortskenntnis (einschließlich nicht allgemein bekannter Wege und Routen) und seiner persönlichen Verbindungen zu Mitgliedern und Sympathisanten der [X.] zur Evakuierung mehrerer Führungspersönlichkeiten der [X.] aus dem [X.] und deren Flucht aus [X.] Lanka beizutragen. Unter anderem brachte der Angeschuldigte "N.       ", der die [X.] nach der militärischen Niederlage neu organisieren sollte, im Juni 2009 nach [X.].

(b) Während seiner Tätigkeit für die Geheimdiensteinheit der [X.] traf sich der Angeschuldigte im Juni 2003 mit "[X.]" im [X.]. Er erhielt anlässlich dieser Gelegenheit Fotos des [X.] Außenministers [X.] mit dem Auftrag, Informationen über dessen Person und Umfeld zu sammeln. Dabei war dem Angeschuldigten bekannt, dass die [X.] den Außenminister durch ein [X.] töten wollte, weil sich [X.] als Tamile an der [X.] Regierung beteiligte und sich in dieser Funktion für die Bekämpfung der [X.] einsetzte.

Über einen [X.]raum von mehr als einem Jahr kundschaftete der Angeschuldigte die Tagesabläufe und Gewohnheiten des späteren Opfers und die Gegebenheiten an dessen [X.] in [X.] aus. Er begab sich hierzu unter anderem in eine leerstehende Wohnung auf einem zur Liegenschaft des [X.] benachbarten Grundstück. Von dort aus stellte er unter anderem fest, dass die Zielperson zwar außerhalb ihres [X.] streng bewacht wurde, sie die Mehrzahl ihrer Sicherheitskräfte aber nur bis zum Eingang ihres Privathauses begleitete. Insbesondere bot der auf dem Grundstück gelegene Swimmingpool wenig Schutz vor Attentätern. Über seine Erkenntnisse unterrichtete er fortwährend "[X.]". Zur Überprüfung der Validität der Angaben des Angeschuldigten entsandte dieser eine Person aus dem [X.] namens "[X.]   " nach [X.]. Der Angeschuldigte zeigte "[X.]   " in der genannten Wohnung das Fenster mit Blick auf das Anwesen des Außenministers und wies dabei insbesondere auf die freie Sicht auf den Swimmingpool und die sich daraus ergebende Gelegenheit zu einem Schusswaffengebrauch für einen Scharfschützen hin. Anfang 2005 erhielt der Angeschuldigte von "[X.]" die Weisung, die Observation einzustellen.

Unter Verwendung der von dem Angeschuldigten beschafften Informationen wurde [X.] am späten Abend des 12. August 2005 von einem bislang unbekannten Scharfschützen erschossen, als er sich in oder in der Nähe des Swimmingpools im Innenhof seines [X.] aufhielt.

bb) Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus Folgendem:

(1) Hinsichtlich der außereuropäischen Vereinigung [X.] beruht er auf den Gutachten des Sachverständigen Dr. W.    vom 26. Juli 2011, 15. März 2019 und 20. Mai 2019, öffentlich zugänglichen Quellen und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, insbesondere der Behördenerklärung des [X.] vom 19. Januar 2010.

(2) Betreffend die dem Angeschuldigten zur Last gelegten Taten ergibt sich der dringende Tatverdacht aus seinen eigenen Einlassungen im Asylverfahren sowie seinen verantwortlichen Vernehmungen vom 1. und 3. April 2019. Wegen der Einzelheiten der jeweils getätigten Äußerungen wird auf die ausführliche Darstellung in der Anklageschrift des [X.]s vom 4. Juli 2019 Bezug genommen.

Die Angaben des Angeschuldigten sind - nachdem sein Prozessbevollmächtigter im Asylverfahren erstmals mit Schreiben vom 27. März 2017 die dem Haftprüfungsverfahren gegenständlichen Sachverhalte dargelegt hatte - im Hinblick auf das [X.]geschehen im Wesentlichen konsistent und insgesamt glaubhaft.

So hat der Angeschuldigte in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] am 5. Juli 2017 den komplexen, mehraktigen Geschehensablauf präzisiert, ohne inhaltliche Brüche geschildert und dabei eine Vielzahl von Details genannt, die auf eine erlebnisbasierte Schilderung schließen lassen. Er hat sich detailliert zu seinem Werdegang in der [X.], den Gründen für seine wechselnden Verwendungen und seine Spezialisierung im Bereich "geheimdienstliche" Tätigkeit geäußert. Überdies hat er ergänzende Angaben zum Aufbau und zu den Führungspersönlichkeiten der [X.] gemacht und dabei vertieftes Insiderwissen offenbart. Durch das Verwaltungsgericht ist der Sachvortrag des Angeschuldigten im Urteil vom 5. Juli 2017 daher als erlebnisbasiert bewertet worden.

Die Genese und das weitere [X.] des Angeschuldigten sprechen gegen die Annahme, dieser habe bewusst falsche Angaben gemacht, um sich einen Asylgrund in der [X.] zu verschaffen. So hat er zunächst im Asylverfahren anlässlich seiner Erstanhörung mit Informationen zu seiner eigenen mitgliedschaftlichen Beteiligung an der [X.] aus Furcht davor zurückgehalten, deswegen als Asylbewerber abgelehnt zu werden. Ein in der Wohnung des Angeschuldigten aufgefundener schriftlicher Lebenslauf, der zumindest teilweise den falschen Angaben anlässlich der Erstanhörung entspricht, ist ein weiteres Indiz dafür, dass diese Informationen nicht der Wahrheit entsprachen. Überdies hat der anwaltlich beratene Angeschuldigte eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der [X.] und seine Beteiligung an dem [X.] den damaligen Außenminister [X.] unter dem Eindruck seiner Festnahme und der im [X.] vollstreckten Untersuchungshaft in seinen verantwortlichen Vernehmungen am 1. und 3. April 2019 wiederholt und im Detail berichtigt bzw. ergänzt. Die insoweit bestehenden geringfügigen Abweichungen und Widersprüche im [X.] vermögen angesichts der genannten Aspekte den Erlebnisbezug der im [X.] konsistenten Aussage nicht in Frage zu stellen.

Die Angaben des Angeschuldigten werden durch bei ihm aufgefundene Märtyrerbilder, Dokumente und Fotos hinsichtlich seiner Mitgliedschaft in der [X.] bestätigt. Der Umstand, dass der seinerzeitige Außenminister [X.] am 12. August 2005 in seinem Wohnanwesen durch einen Scharfschützen ermordet wurde, ist überdies durch offen zugängliche Informationen belegt.

cc) Der Angeschuldigte hat sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Beihilfe zum Mord strafbar gemacht (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 211 Abs. 2, §§ 27, 52, 53 StGB).

(1) Die [X.] stellen nach den vorliegenden Erkenntnissen eine terroristische Vereinigung im außereuropäischen Ausland im Sinne des § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB aF dar, der sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit spätestens im August 2002 anschloss und für die er sich bis mindestens 19. Mai 2009 vielfach betätigte (zu den Voraussetzungen der mitgliedschaftlichen Beteiligung s. [X.], Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, juris Rn. 22 f.).

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung des [X.] liegt seit dem 20. April 2010 vor.

Angesichts dessen, dass der Angeschuldigte einräumte, noch im Juni 2009 einer hochrangigen [X.]-Führungspersönlichkeit Hilfe zur Flucht nach [X.] geleistet zu haben, ist - ungeachtet etwaiger kurzer "Ruhepausen" - von einer durchgängigen mitgliedschaftlichen Beteiligung zumindest bis zur Ermordung des Führers [X.] am 19. Mai 2009 auszugehen (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2001 - StB 4 und 5/01, [X.]St 46, 349). Verjährungsbeginn ist damit frühestens am 19. Mai 2009 (vgl. MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 129 Rn. 169), so dass die Tat bei Erlass des gegenständlichen Haftbefehls am 15. Januar 2019 noch nicht verjährt war (§ 78 Abs. 3 Nr. 3, § 78c Abs. 1 Nr. 5, Abs. 3 StGB).

(2) Die - oben unter II .2. a) aa) (2) (b) geschilderte - Tötung des ehemaligen Außenministers erfüllt zudem den Straftatbestand des Mordes nach § 211 Abs. 2 StGB. Mit hoher Wahrscheinlichkeit leistete der Angeschuldigte hierzu zumindest Beihilfe (§ 27 StGB), indem er die Lebensgewohnheiten des späteren Opfers und einen günstigen Ort für die Tötung der Zielperson in Kenntnis der Zielsetzung der [X.] auskundschaftete.

(a) Das [X.] wurde aus niedrigen Beweggründen verübt, mithin aus einem nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert und auf tiefster Stufe stehenden Motiv (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 1). Eine politische Tatmotivation ist jenseits des Widerstandsrechts aus Art. 20 Abs. 4 GG nach allgemeiner sittlicher Anschauung grundsätzlich verachtenswert und steht auf tiefster Stufe, da die bewusste Missachtung des Prinzips der Gewaltfreiheit der politischen Auseinandersetzung durch physische Vernichtung politischer Gegner mit der Rechtsordnung schlichtweg unvereinbar ist (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Mai 2018 - 3 StR 355/17, [X.], 342 Rn. 12; MüKoStGB/[X.], 3. Aufl., § 211 Rn. 93 f.). Die Tötung des [X.] durch die [X.] erfolgte aus politischer Zielsetzung. Denn dieser war als Tamile an der demokratisch legitimierten Regierung [X.] Lankas beteiligt, durch die sich die [X.] an der einseitigen Durchsetzung ihrer Interessen gehindert sah, und sollte aus diesem Grund liquidiert werden.

Offen bleiben kann, ob auch der Angeschuldigte selbst aus politischer Motivation handelte, denn mit hoher Wahrscheinlichkeit wusste er zumindest um die Tatmotivation seiner Vorgesetzten und des ausführenden Attentäters (vgl. [X.], Urteil vom 12. Januar 2005 - 2 [X.], [X.]St 50, 1, 5).

(b) Auch das Mordmerkmal der Heimtücke ist gegeben, da der Attentäter eine zum [X.]punkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers mit hoher Wahrscheinlichkeit bewusst zur Tat ausnutzte (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar 2005 - 5 StR 14/04, [X.]St 50, 16, 18). Als die Schüsse auf [X.] abgegeben wurden, befand sich dieser in der geschützten Umgebung seines von einer hohen Mauer umgebenen und von Wachen gesicherten Wohnhauses, so dass er nicht mit einem Angriff auf sein Leben rechnete und infolgedessen keine Abwehrbereitschaft an den Tag legte. Der Annahme von Heimtücke steht dabei auch nicht entgegen, dass [X.] durch sein Amt in der [X.] Regierung mit einem Anschlag der [X.] auf sich rechnen konnte oder musste, denn ein berufs- oder rollenbedingtes generelles Misstrauen führt als solches noch nicht zum dauerhaften Ausschluss der Arglosigkeit (vgl. [X.], Beschluss vom 19. April 2017 - StB 9/17, juris Rn. 22).

Diese Tatumstände waren dem Angeschuldigten auch bekannt, da gerade er diese ihm günstig erscheinende Möglichkeit zur Schussabgabe aufzeigte.

(3) Die mitgliedschaftlichen Beteiligungshandlungen des Angeschuldigten, die allgemein dem Zusammenhalt und der "Arbeit" der Organisation dienen, ohne für sich betrachtet strafbar zu sein, sind in einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammenzufassen. Der Tatbestand der Beihilfe zum Mord, idealkonkurrierend mit der eigenständigen Erfüllung der §§ 129a, 129b StGB, tritt hierzu in [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, [X.]St 60, 308 Rn. 38 f.).

(4) [X.] Strafrecht ist anwendbar. Hinsichtlich des Vereinigungsdelikts folgt dies jedenfalls aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB, weil sich der Angeschuldigte in [X.] befindet (zum Strafanwendungsrecht einer Straftat nach § 129b StGB s. im Einzelnen [X.], Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Hinsichtlich der Beihilfe zum Mord folgt die Anwendbarkeit [X.] Strafrechts aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 StGB. Mord und Totschlag standen auch im Tatzeitraum nach [X.] Recht unter Strafe (§§ 293 ff. [X.] Lanka Penal Code in der Fassung von 1998). Entsprechend dem Schreiben des [X.] vom 16. April 2019 ([X.] - 9352 [X.]/2019) ist eine Auslieferung des Angeschuldigten nach [X.] Lanka bis auf Weiteres nicht durchführbar.

Die Zuständigkeit des [X.]s Stuttgart ist gemäß § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG, § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB gegeben.

b) Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO ([X.], Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) - derjenige der Schwerkriminalität.

Der Angeschuldigte hat im Fall seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Der Angeschuldigte verfügt weder über familiäre Beziehungen im Inland noch sonstige hinreichend tragfähigen [X.] Bindungen. Es besteht vielmehr die hohe Wahrscheinlichkeit, dass er, nachdem ihm nunmehr die Intensität des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekannt ist, in ein anderes Land ausreisen oder in [X.] untertauchen könnte, um sich dem weiteren Verfahren zu entziehen. Dies gilt auch eingedenk des seit dem [X.] in der [X.] bestehenden Aufenthalts, des durch das [X.] in Bezug auf [X.] Lanka rechtskräftig festgestellten Abschiebeverbots (§ 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 [X.]) und des Umstandes, dass der Angeschuldigte bislang in [X.] nicht straffällig geworden ist. Diese Umstände sind nicht ausreichend, um dem von der hohen Straferwartung ausgehenden erheblichen Fluchtanreiz nachhaltig entgegenzuwirken.

Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als deren Vollzug erreicht werden (§ 116 StPO).

c) Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor.

Der Umfang und die Schwierigkeiten der Ermittlungen haben ein Urteil innerhalb von sechs Monaten seit der Inhaftierung des Angeschuldigten noch nicht zugelassen. Ein erstes Rechtshilfeersuchen des [X.]s an die zuständige Justizbehörde der [X.] [X.] Lanka vom 14. März 2018 ist trotz mehrmaliger Erinnerungen zunächst unerledigt geblieben, weshalb umfangreiche Ermittlungen in öffentlich zugänglichen Quellen betreffend die Angaben des Angeschuldigten zu dem [X.] [X.] erforderlich geworden sind. Die vornehmlich in [X.] und tamilischer Sprache abgefassten Quellen haben zudem übersetzt werden müssen. Am 11. Februar 2019 ist der Sachverständige Dr. W.    mit der Erstattung eines Gutachtens zur Vereinigung der [X.] beauftragt worden. [X.] haben in Abstimmung mit dem Verteidiger erst am 1. und 3. April 2019 erfolgen können. Die Angaben des Angeschuldigten in den Vernehmungen haben sodann durch den beauftragten Sachverständigen einer Plausibilitätskontrolle unterzogen werden müssen. Das vorläufige Gutachten des [X.]    ist am 20. Mai 2019 bei dem [X.] eingegangen. Schließlich hat das [X.] [X.] am 17. Juni 2019 umfangreiche Erledigungsstücke zu dem vorgenannten Rechtshilfeersuchen übersandt. Der [X.] hat am 9. Juli 2019 Anklage zum [X.] Stuttgart erhoben. Unmittelbar nach Eingang der Anklageschrift hat der Vorsitzende des 7. Strafsenats die Zustellung derselben verfügt und dem Angeschuldigten gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 StPO eine angemessene Frist zur Stellungnahme innerhalb eines Monats eingeräumt. Für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens sind [X.] ab Oktober 2019 in Aussicht gestellt worden.

In Anbetracht dessen ist das Verfahren bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

d) Schließlich steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

[X.]                      [X.]

Meta

AK 37/19

31.07.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

§ 53 StGB, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129b Abs 1 StGB, § 211 Abs 2 StGB, Art 20 Abs 4 GG, § 112 Abs 2 Nr 2 StPO, § 116 StPO, § 121 Abs 1 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2019, Az. AK 37/19 (REWIS RS 2019, 4910)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4910

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3 StR 355/17

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