Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2022, Az. VIa ZR 115/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 8781

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 23. Dezember 2021 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Fahrzeugherstellerin wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin erwarb im Februar 2011 von einem Händler einen neuen [X.] zum Preis von 33.078,91 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor der Baureihe [X.] ausgestattet. Dieser enthielt eine Motorsteuerungssoftware, die das Durchfahren des [X.] auf dem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stick-oxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte. Die Software wurde im [X.] 2015 öffentlich bekannt und vom [X.] als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet. Die Klägerin erfuhr spätestens durch ein Kundenanschreiben im Jahr 2016 von der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeugs.

3

Mit ihrer im Jahr 2020 erhobenen Klage hat die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 13.679,45 € nebst Zinsen und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen sowie die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 11.522,05 € nebst Zinsen ab dem 14. Dezember 2020 "Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung" des Fahrzeugs verurteilt und den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

6

Der Anspruch der Klägerin aus §§ 826, 31 BGB sei nicht durchsetzbar, weil er vor Klageerhebung verjährt sei. Der Klägerin stehe allerdings ein Herausgabeanspruch nach § 852 Satz 1 BGB in Höhe von 11.522,05 € zu. "[X.]" im Sinne des § 852 Satz 1 BGB habe die Beklagte den von der Klägerin gezahlten und vom Händler an sie weitergeleiteten [X.] (33.071,91 €). Diesen könne die Klägerin abzüglich der [X.] beanspruchen, die ausgehend von einer geschätzten Gesamtfahrleistung von 250.000 km und unter Berücksichtigung einer Laufleistung von 162.920 km im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 21.556,86 € betrügen. Eine Händlermarge habe die Beklagte nicht geltend gemacht. Sie habe - trotz entsprechender Aufforderung durch die Klägerin auf Seite 5 ihres Schriftsatzes vom 27. Januar 2021 - nicht vorgetragen, sie habe den Kaufpreis nicht in Gänze erhalten. Zinsen seien gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB seit dem 14. Dezember 2020, dem Zeitpunkt der Klagezustellung, zu zahlen.

II.

7

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

8

1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass die Klägerin einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihr für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs habe, dem die Beklagte die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 24 ff. [X.]). Dies wird von den Parteien im Revisionsverfahren auch nicht in Zweifel gezogen.

9

2. Ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB in den Fällen des sogenannten "[X.]" ausgegangen. Insbesondere ist der Anwendungsbereich der Vorschrift entgegen der Ansicht der Revision nicht - einen Anspruch der Klägerin ausschließend - teleologisch zu reduzieren (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 54 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 12). Dass die Klägerin das Fahrzeug über eine Absatzkette im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung erworben habe ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], aaO, Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27 f.), zieht die Revision nicht in Zweifel.

3. Durchgreifenden Bedenken begegnet indessen die Bezifferung des Restschadensersatzanspruchs durch das Berufungsgericht. Denn es hat rechtsfehlerhaft verkannt, dass es, was der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat ([X.], Urteil vom 12. September 2022 - [X.], [X.], 2237 Rn. 27 [X.]), dem Geschädigten als der für den Grund und die Höhe eines Restschadensersatzanspruchs nach §§ 826, 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Partei obliegt, Vortrag zu dem nach Eintritt der Verjährung noch durchsetzbaren Umfang ihres Restschadensersatzanspruchs und damit zu dem Gegenstand und der Höhe des vom Schädiger erlangten [X.] zu halten. Dies schließt Vortrag zu einer Händlermarge mit ein, die zur Ermittlung des [X.] von dem vom Geschädigten gezahlten Kaufpreis abzuziehen ist. Zur Verteidigung kann sich der beklagte Hersteller gegenüber dem Tatsachenvortrag des Geschädigten im Grundsatz auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Eine sekundäre Darlegungslast trifft ihn entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nur, wenn der Geschädigte keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 36 f. [X.]). Die zuletzt genannte Voraussetzung ist jedenfalls nicht erfüllt, solange der Geschädigte sich die erforderlichen Informationen durch eine Nachfrage bei seinem Verkäufer selbst beschaffen kann.

Dieser Rechtsfehler des Berufungsgerichts bei der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ist im Revisionsverfahren auch ohne ausgeführte Verfahrensrüge der Revision beachtlich, weil er hier das sachliche Recht betrifft und § 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB verletzt, nicht § 286 ZPO (vgl. [X.], Urteil vom 15. Januar 2004 - [X.]/00, NJW 2004, 2232, 2233; Urteil vom 11. März 2014 - [X.], NJW 2014, 2275 Rn. 11). Dass die Klägerin vorgetragen habe, die Beklagte habe den von der Klägerin gezahlten Händlerverkaufspreis in Gänze erhalten, und die Beklagte diesen Vortrag nicht bestritten habe, ergeben die - aufgrund der konkreten Bezugnahme auf das anderslautende schriftsätzliche Vorbringen der Klägerin im Übrigen widersprüchlichen und auch deshalb nicht bindenden (vgl. [X.], Urteil vom 29. November 2019 - [X.], [X.]Z 224, 89 Rn. 34 ff.) - Feststellungen des Berufungsgerichts nicht.

4. Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung überdies nicht stand, soweit das Berufungsgericht der Klägerin Zinsen bereits ab dem 14. Dezember 2020 zuerkannt hat. Die Klage ist der Beklagten am 14. Dezember 2020 zugestellt worden. [X.] kann die Klägerin daher nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, § 187 Abs. 1 BGB nicht ab dem 14. Dezember 2020, sondern erst ab dem 15. Dezember 2020 verlangen (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 1990 - [X.], NJW-RR 1990, 518, 519; [X.], Urteil vom 15. November 2000 - 5 [X.], [X.]E 96, 228, 233).

III.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig erweist. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das die erforderlichen Feststellungen zur Höhe eines Anspruchs der Klägerin aus §§ 826, 852 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB nachzuholen haben wird.

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 115/22

19.12.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Dezember 2021, Az: I-12 U 21/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.12.2022, Az. VIa ZR 115/22 (REWIS RS 2022, 8781)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8781

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIa ZR 406/21 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 702/21 (Bundesgerichtshof)

Berechnung des Anspruchs auf Restschadensersatz im sogenannten Dieselskandal


VIa ZR 213/22 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 474/21 (Bundesgerichtshof)


VIa ZR 24/22 (Bundesgerichtshof)

Berechnung des Anspruchs auf Restschadensersatz im sogenannten Dieselskandal


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 252/19

X ZR 150/11

VIII ZR 285/18

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.