Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.10.2022, Az. B 5 R 101/22 B

5. Senat | REWIS RS 2022, 6277

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Urteilsinhalt - Fehler bei der Abfassung des Tatbestands


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 5. April 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig die Weitergewährung einer bis zum 31.10.2016 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung.

2

Die im Jahr 1982 geborene Klägerin bezog von der Beklagten in der [X.] vom 1.11.2013 bis zum 31.10.2016 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ihren im Juli 2016 gestellten Antrag auf Weitergewährung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 7.7.2017; Widerspruchsbescheid vom 7.12.2017).

3

Im Klageverfahren hat das [X.] Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und medizinische Sachverständigengutachten auf psychosomatisch/psychotherapeutischem Fachgebiet (Gutachten W vom [X.] mit testpsychologischer Zusatzuntersuchung [X.] und ergänzender Stellungnahme vom 12.10.2020) sowie auf [X.] Fachgebiet (Gutachten Z2 vom [X.] und ergänzende Stellungnahme vom [X.]) eingeholt. Nach den Feststellungen der Sachverständigen ist die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich leichte körperliche Tätigkeiten mit q[X.]litativen Einschränkungen auszuüben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.5.2021). Das L[X.] hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 5.4.2022).

4

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde beim B[X.] eingelegt. Sie macht verschiedene Verfahrensmängel geltend (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G).

5

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G gebotenen Form begründet ist. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 [X.]G zu verwerfen.

6

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), so müssen zur Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich, darzulegen, dass und warum die Entscheidung des L[X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbsatz 2 [X.]G kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

7

1. Die Klägerin macht zunächst geltend, das L[X.] sei bei Erlass seines Urteils nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 547 [X.] 1 ZPO iVm § 202 Satz 1 [X.]G), weil ein wegen Besorgnis der Befangenheit [X.] bei der Entscheidung mitgewirkt habe. Das L[X.] habe mit Beschluss vom 31.3.2022 ihr Ablehnungsgesuch unter willkürlichen Erwägungen zurückgewiesen und Bedeutung sowie Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt. Mit diesem Vorbringen hat die Klägerin einen Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.

8

Wie die Klägerin zutreffend ausführt, kann die Zurückweisung eines [X.] grundsätzlich nicht als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend gemacht werden, es sei denn, sie beruhte auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen oder die Zurückweisung des [X.] deutet darauf hin, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (stRspr; vgl [X.] B[X.] Beschluss vom 23.2.2022 - [X.] SB 74/21 B - juris Rd[X.] 16 mwN). Inwiefern dem Beschluss des L[X.] vom 31.3.2022 grob fehlerhafte Erwägungen zugrunde lagen (zu einem solchen Fall vgl zB auch B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 51/09 B - [X.] 4-1500 § 60 [X.] 6 Rd[X.] 7 ff), geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor. Der Vortrag der Klägerin, das L[X.] sei auf die Begründung ihres [X.] "völlig unzureichend bzw. überhaupt nicht eingegangen", genügt dafür nicht. Sie wiederholt lediglich die für sie maßgeblichen Gründe für eine Befangenheit des von ihr abgelehnten Richters in Stichpunkten (zu einem ähnlichen Fall nach Ablehnung eines Sachverständigen vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 149/21 B - juris Rd[X.] 12 ff).

9

2. Die Klägerin rügt zudem eine verkürzte Darstellung des Tatbestands im Urteil vom 5.4.2022. Der Sachverhalt sei in wesentlicher Hinsicht verzerrt und erwecke den Anschein, sie habe eine bis zum 25.1.2022 gesetzte Frist zur Stellung eines Antrags auf Anhörung eines Arztes nach § 109 [X.]G verstreichen lassen. Damit hat die Klägerin jedoch keine Verletzung von § 136 Abs 1 [X.] 5, Abs 2 [X.]G hinreichend bezeichnet. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass die Fehler, die dem L[X.] bei der Abfassung des Tatbestands unterlaufen sein sollen und die durch den eine [X.] ablehnenden Beschluss vom [X.] nicht korrigiert wurden, auch schwerwiegend sind. Die Schwere eines Verstoßes gegen § 136 Abs 1 [X.] 5 [X.]G entscheidet darüber, ob er als Verfahrensmangel im Rahmen des § 160 Abs 2 [X.] [X.]G erfolgreich gerügt werden kann. Ob ein Fehler schwerwiegend ist, ist ausgehend von der Funktion des Tatbestands zu beurteilen, der [X.] die Grundlage für die Nachprüfung des Berufungsurteils in der Revisionsinstanz bildet (vgl B[X.] Beschluss vom [X.]/14 AS 393/21 B - juris Rd[X.] 9). Die Klägerin formuliert die Sorge, dass ein unrichtig beurkundeter [X.] Grundlage für eine Entscheidung des B[X.] sein könnte. Aus welchen Gründen ihr "das nähere Darlegen der Verfahrensmängel" ohne entsprechende Feststellungen im Urteil nicht möglich sein sollte, erschließt sich dem Senat aus ihren Ausführungen jedoch nicht.

Soweit die Klägerin als weiteren Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.]G geltend macht, ihr Antrag auf Berichtigung des Tatbestands sei nicht verbeschieden worden, weil der wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnte Richter an dem eine [X.] ablehnenden Beschluss vom [X.] mitgewirkt habe, erschließt sich dem Senat schon nicht, inwiefern das angegriffene Urteil des L[X.] vom 5.4.2022 darauf beruhen kann.

3. Schließlich hat die Klägerin auch keinen Verfahrensfehler aufgrund einer Verletzung von § 103 [X.]G hinreichend bezeichnet. Dazu hat sie schon nicht vorgetragen, in der mündlichen Verhandlung vor dem L[X.] am 5.4.2022 einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (zu den Anforderungen im Einzelnen vgl zB B[X.] Beschluss vom [X.] - B 5 R 248/20 B - juris Rd[X.] 7). Soweit die Klägerin als weitere Beweismittel für ein unter dreistündiges Leistungsvermögen auf "beizuziehende ärztliche Befundberichte" verweist, legt die Klägerin schon nicht dar, welche Ärzte zusätzlich hätten befragt werden sollen. Auch zum Antrag auf ein beizuziehendes neurologisch-psychiatrisches Sachverständigengutachten bzw eine Stellungnahme eines namentlich benannten Facharztes für Neurologie/Psychiatrie hat die Klägerin nicht vorgetragen, einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben. Liegen wie im Falle der Klägerin bereits mehrere Gutachten zum Gesundheitszustand und zum verbliebenen Leistungsvermögen vor und hat sich dadurch schon ein gewisses Leistungsbild manifestiert, bedarf es besonderer Angaben, weshalb die Einholung eines weiteren Gutachtens erforderlich sein soll. Hierfür muss ein Beschwerdeführer gezielt zusätzliche Auswirkungen auf das verbliebene (q[X.]ntitative und/oder q[X.]litative) Leistungsvermögen durch weitere - oder (ggf auch in ihrem Zusammenwirken) anders zu beurteilende - dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen möglichst genau bezeichnen (vgl B[X.] Beschluss vom 5.2.2015 - [X.]3 R 372/14 B - juris Rd[X.] 12 mwN). Allein der Umstand, dass die Klägerin ihr Gesundheitsbild und Leistungsvermögen anders einschätzt als die im Verfahren bereits gehörten medizinischen Sachverständigen, und dazu vorträgt, sie sei auch über den 31.10.2016 hinaus nicht mehr in der Lage, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, genügt nicht. Soweit sie schließlich geltend macht, das Gutachten auf psychosomatisch-psychotherapeutischem Fachgebiet von W vom [X.] sei mangelhaft und deshalb nicht verwertbar gewesen, fehlen auch dazu nähere Ausführungen. Die pauschale Bezugnahme auf den Inhalt eines Schriftsatzes im erstinstanzlichen Verfahren vom [X.] ist nicht ausreichend (vgl zur ohnehin nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässigen Bezugnahme auf vorinstanzlich eingereichte Schriftsätze zB B[X.] Beschluss vom 15.2.2011 - [X.]2 KR 53/10 B - juris Rd[X.] 5 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 13. Aufl 2020, § 160a Rd[X.] 13a).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]G).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 5 R 101/22 B

26.10.2022

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Chemnitz, 7. Mai 2021, Az: S 13 R 20/18, Gerichtsbescheid

§ 103 SGG, § 136 Abs 1 Nr 5 SGG, § 136 Abs 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 26.10.2022, Az. B 5 R 101/22 B (REWIS RS 2022, 6277)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6277

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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