Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.01.2022, Az. 5 C 6/20

5. Senat | REWIS RS 2022, 2090

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Gegenstand

Arbeitsassistenzleistungen für Selbstständige, die als begleitende Hilfen im Arbeitsleben gewährt werden, unterliegen keiner Altersgrenze


Leitsatz

Der Anspruch auf Gewährung einer notwendigen Arbeitsassistenz zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F.) wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der schwerbehinderte Mensch die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschreitet. Denn eine zu gewährende Arbeitsassistenzleistung verliert ihren Charakter als "begleitende Hilfe im Arbeitsleben" (§ 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB IX n.F.) nicht deshalb, weil der Berechtigte das Rentenregelalter oder eine nach dem Gesichtspunkt der Üblichkeit zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 27. Februar 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den [X.] zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz.

2

Der ... geborene Kläger ist blind und mit einem Grad der Behinderung von 100 als schwerbehindert anerkannt. Die Leistungen für eine Assistenzkraft in Höhe von monatlich 1 650 Euro (22 Wochenstunden), die er für seine selbstständige Tätigkeit als Lehrer, Berater und Gewerbetreibender erhielt, erbrachte der beklagte [X.] nur bis zum 30. Juni 2016, weil der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine Altersrente beziehe. Den Antrag des weiterhin erwerbstätigen [X.], die Kosten für seine Arbeitsassistenz auch vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 zu übernehmen, lehnte er ab und wies den Widerspruch des [X.] zurück.

3

Die daraufhin erhobene Verpflichtungsklage des [X.] hat weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg gehabt. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine weitere Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz. Mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters entfalle der Zweck der Förderung, die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben zu ermöglichen. Der Begriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. knüpfe ebenso wie derjenige in dem seit dem 1. Januar 2018 geltenden § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. an den gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase des menschlichen Lebens an. Insofern sei bei einer generalisierenden Betrachtung für das Ende des Arbeitslebens primär auf die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften abzustellen, sodass das Arbeitsleben in der Regel mit dem Renteneintrittsalter ende, das derzeit sukzessive von 65 auf 67 Jahre ansteige. Abweichungen davon könnten sich nur aufgrund einer berufsfeldspezifisch differenzierten Betrachtung der Lebenswirklichkeit ergeben. Für den vom Kläger betriebenen Vertrieb sogenannter Bio-Feedbackgeräte sei aber ebenso wenig wie für dessen Schulungs- und Unterrichtstätigkeit erkennbar, dass der Ruhestandseintritt in der Praxis mehrheitlich von der Regelaltersgrenze abweiche.

4

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision und trägt insbesondere vor, der Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz sei nach Wortlaut, Systematik, Geschichte sowie nach dem vom Gesetzgeber definierten Ziel, die Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit zu verbessern, nicht an das Erreichen einer Lebensaltersgrenze gebunden. Bei der Auslegung des Begriffs Arbeitsleben komme in besonderem Maße seine grundrechtlich geschützte Position aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG zum Tragen. Die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Entscheidung des [X.] in der Sache 5 C 26.04 betreffe einen anderen Sachverhalt und könne keine Orientierung bieten. Bei der Altersgrenze in § 35 und § 235 [X.] handele es sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung für einen sozialversicherungsrechtlichen Anspruch, bei deren Erreichen ein Arbeitsverhältnis arbeitsrechtlich nicht "automatisch" ende.

5

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.], über die der [X.] mit Einverständnis der [X.]eteiligten gemäß § 101 Abs. 2, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 141 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs steht mit [X.]undesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 des [X.] [X.] behinderter Menschen - [X.] - in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung ([X.] a.F.) wird entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs durch das Erreichen der [X.] und den [X.]ezug einer Altersrente nicht ausgeschlossen. Aus dem [X.]egriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 [X.] a.F. folgt nicht, dass begleitende Hilfen nur in einem berufsfeldabhängigen gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich die [X.]erufstätigkeit vollzieht, und im Übrigen regelmäßig nur bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu gewähren sind. Ob sich das Urteil aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO), kann der [X.] mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen.

7

1. Gegenstand der revisionsgerichtlichen Prüfung ist der Anspruch des [X.] auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz für die [X.] vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017.

8

Allein der darauf gerichtete Antrag des [X.] bildete mit dem diesem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt den Streitgegenstand des [X.]erufungsverfahrens, der wegen der unbeschränkt zugelassenen Revision in das Revisionsverfahren übergegangen ist. Dabei unterliegt die inhaltliche [X.]ewertung des Klageantrags durch das [X.]erufungsgericht der uneingeschränkten Überprüfung in der Revisionsinstanz. Denn es steht die Auslegung einer Prozesserklärung in Rede, die das Revisionsgericht ohne [X.]indung an eine Auslegung durch die Vorinstanz vornehmen darf ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 24. Februar 2015 - 5 P 1.14 - [X.] 250 § 25 [X.]PersVG Nr. 18 Rn. 9 m.w.N.; vgl. auch [X.], Urteil vom 21. Juni 2016 - [X.]/14 - [X.], 1599 Rn. 13 m.w.N.).

9

Anders als der Sache nach vom Verwaltungsgerichtshof angenommen, erfasst der dort gestellte, auf einen [X.]raum "über den 30. Juni 2016 hinaus" gerichtete [X.] nicht auch die [X.] nach dem 30. Juni 2017. Die am objektiven Empfängerhorizont ausgerichtete Auslegung des insoweit offen formulierten Klageantrags ergibt nicht, dass der Kläger damit seine Klage auf einen zukünftigen [X.]raum erstrecken wollte, der von dem [X.]eklagten bisher nicht beschieden worden ist. Die zeitlich offene Formulierung erklärt sich vielmehr daraus, dass der [X.]raum, für den der Kläger die Übernahme der Kosten für seine Arbeitsassistenz beantragt hatte, zum [X.]punkt der Klageerhebung am 23. November 2016 noch nicht abgelaufen war, sodass der Antrag nur dahin verstanden werden kann, dass der Kläger die Verpflichtung des [X.]eklagten für den an den 30. Juni 2016 anschließenden [X.]ewilligungszeitraum von einem Jahr begehrt, für den er Leistungen beantragt hat und auf den sich der verfahrensgegenständliche [X.]escheid bezieht.

Geregelt hat der [X.]eklagte mit dem [X.]escheid vom 6. Juni 2016 allein den [X.]raum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017. An die weitergehende Auslegung des [X.]escheids durch den Verwaltungsgerichtshof ist der [X.] nicht gebunden, weil sie jedenfalls auf einem unzutreffenden rechtlichen Ansatz beruht. Nach der Rechtsprechung des [X.]s kann zwar auch ein in die Zukunft reichender [X.]raum Gegenstand einer behördlichen Entscheidung sein, wenn die [X.]ehörde diesen [X.]raum auch tatsächlich regeln wollte. Hierfür kann sprechen, dass sie ihre Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt stützt, der einer Leistungsgewährung dauerhaft (oder jedenfalls bis zum [X.]punkt der gerichtlichen Entscheidung) entgegensteht. Dies bedeutet aber entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass ein solcher Regelungswille stets im Wege der Auslegung aus einer solchen [X.]egründung abzuleiten wäre. Denn sie trägt in gleicher Weise auch die Versagung des Anspruchs für einen kürzeren [X.]raum. Anhaltspunkte für einen solchen Regelungswillen können sich zwar im Fall eines zeitlich nicht eingegrenzten Antragsbegehrens im Verwaltungsverfahren, an das die [X.]ehördenentscheidung anknüpft, oder einer ausdrücklich von der [X.]ehörde so bezeichneten "Vorabentscheidung" ergeben (vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 14. Juli 1998 - 5 [X.] 2.97 - [X.] 436.0 § 120 [X.] Nr. 17 S. 9 und vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - [X.]VerwGE 161, 145 Rn. 7 m.w.N.). An derartigen Anknüpfungspunkten fehlt es hier aber. Schon der Kläger selbst hat seinen Weiterbewilligungsantrag vom 6. April 2016 ausdrücklich auf den [X.]raum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 beschränkt. Diese [X.]eschränkung des Antragsbegehrens wurde sowohl im [X.] als auch in der Entscheidung der Widerspruchsbehörde erkannt und beiden Entscheidungen zugrunde gelegt. Dies spricht dafür, dass die Regelung eines weitergehenden [X.]raums gerade nicht gewollt war.

Das so verstandene Klagebegehren hat sich auch nicht erledigt, weil dem Kläger in dem bezeichneten [X.]raum nach den aktenkundigen und nicht bestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, auf die dieser in der angegriffenen Entscheidung [X.]ezug genommen hat, Aufwendungen für eine Arbeitsassistenzkraft entstanden sind, die Gegenstand eines Übernahmeanspruchs sein können (vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 28. Juni 2010 - 5 [X.] - juris Rn. 7).

2. Die Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Kosten für die Arbeitsassistenz des [X.] in dem [X.]escheid vom 6. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Oktober 2016 kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die [X.] oder eine nach Üblichkeitsgesichtspunkten zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht.

Da sich der ablehnende [X.]escheid des [X.]eklagten vom 6. Juni 2016 nur auf den [X.]raum vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 bezieht, kommt als Rechtsgrundlage der begehrten Leistung allein § 102 Abs. 4 [X.] a.F. in [X.]etracht. Danach haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.

Zwischen den [X.]eteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass der Kläger als schwerbehinderter Mensch im Sinne des § 2 Abs. 2 [X.] a.F. grundsätzlich einen nicht im Ermessen der [X.]ehörde stehenden Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz hat und dass dies auch für eine selbstständige Tätigkeit gilt, die nachhaltig betrieben wird und dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet ist (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - [X.]VerwGE 161, 145 Rn. 10; [X.]eschluss vom 27. Juli 2018 - 5 [X.] 1.18 - juris Rn. 10). Unstreitig ist auch, dass es sich bei der begehrten Leistung der Sache nach um eine Arbeitsassistenzleistung handelt. Diese muss außerdem notwendig gewesen sein und im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (vgl. § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F.) geltend gemacht werden, die von den Zuständigkeiten anderer Leistungsträger abzugrenzen ist. Erforderlich ist insoweit, dass die Arbeitsassistenzleistung sich ihrem [X.]harakter nach als "begleitende Hilfe im Arbeitsleben" darstellt (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - [X.]VerwGE 161, 145 Rn. 10). Entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanz wird der Anspruch auf Gewährung einer notwendigen Arbeitsassistenz zur Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (§ 102 Abs. 4 [X.] a.F.) nicht dadurch ausgeschlossen, dass der schwerbehinderte Mensch die Regelaltersgrenze für Rentenleistungen überschreitet. Denn eine zu gewährende Arbeitsassistenzleistung verliert ihren [X.]harakter als "begleitende Hilfe im Arbeitsleben" (§ 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F.) nicht deshalb, weil der [X.]erechtigte das [X.] oder eine nach dem Gesichtspunkt der Üblichkeit zu bestimmende Altersgrenze erreicht hat und eine Altersrente bezieht. Dies erschließt sich im Wege der Auslegung aus Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Für die inzwischen geltende wortgleiche Regelung des § 185 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 [X.] n.F. gilt nichts anderes (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 - 5 [X.] 2.21 -).

a) Für das genannte Auslegungsergebnis spricht bereits der Wortlaut des § 102 Abs. 4 [X.] a.F. Eine Altersbeschränkung findet sich dort nicht und folgt auch nicht aus dem [X.]egriff des Arbeitslebens, der lediglich den durch die Erwerbstätigkeit geprägten Teil des Lebens eines Menschen bezeichnet. Ihm ist ebenso wie dem [X.]egriff der Arbeitsassistenz zwar im Zusammenhang des § 102 Abs. 4 [X.] a.F. insofern eine zeitliche [X.]egrenzung immanent, als die begleitende Hilfe nicht lebenslang, sondern nur solange geleistet wird, wie sich der [X.]erechtigte in der Arbeitsphase seines Lebens befindet. Wann diese Phase endet und welche Kriterien dafür außer dem Umstand maßgeblich sein sollen, dass der [X.]etreffende tatsächlich und nachhaltig einer Erwerbstätigkeit nachgeht, ergibt sich daraus jedoch nicht.

b) Die systematische Auslegung des § 102 Abs. 4 [X.] a.F. bestätigt, dass es für die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz nicht darauf ankommt, ob der schwerbehinderte Mensch die gesetzliche [X.] oder eine nach Üblichkeitsgesichtspunkten zu bestimmende Altersgrenze überschritten hat oder nicht.

aa) Der [X.]egriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 [X.] a.F. ist zunächst im systematischen Zusammenhang mit § 10 Nr. 3 SG[X.] I zu sehen. Nach dieser Vorschrift haben Menschen mit einer [X.]ehinderung unabhängig von der Ursache der [X.]ehinderung zur Förderung ihrer Selbstbestimmung und gleichberechtigten Teilhabe ein Recht auf Hilfe, die notwendig ist, um ihnen einen ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Platz im Arbeitsleben zu sichern. Als Hilfebedarf wird damit der Gesamtbereich dessen umschrieben, was Arbeit in ihrer [X.]edeutung für das menschliche Leben auch in seinem [X.] [X.]ezug ausmacht. Umfasst sind von ihm nicht nur die auf eine gezielte Verbesserung der individuellen beruflichen Fähigkeiten des behinderten Menschen abzielenden Leistungen der beruflichen Rehabilitation, sondern auch der [X.]ereich der behinderungsgerechten Arbeitsbedingungen (vgl. [X.], in: [X.], SG[X.] I, 6. Aufl. 2019, § 10 Rn. 5). Der [X.]egriff Arbeitsleben verweist dabei auf einen [X.]eruf oder eine sonstige Tätigkeit, die dem [X.]etroffenen die [X.]hance zur größtmöglichen Entfaltung seiner Persönlichkeit bietet und zu deren Erlangung die Hilfe auch mit dem Ziel der (wirtschaftlichen) Selbstbestimmung dienen soll (vgl. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/Meßling/[X.], [X.]eckOK Sozialrecht, Stand 01.09.2021, SG[X.] I, § 10 Rn. 31). Eine einheitliche zeitliche [X.]egrenzung des an eine berufliche [X.]etätigung in diesem Sinne anknüpfenden [X.] bezogen auf alle seine denkbaren Ausgestaltungen lässt sich dem in § 10 Nr. 3 SG[X.] I verwendeten [X.]egriff des Arbeitslebens nicht entnehmen.

bb) Auch bei systematischer [X.]etrachtung der Regelungen über die in die Zuständigkeit der Integrationsämter fallenden "begleitenden Hilfen im Arbeitsleben" im Sinne des § 102 [X.] a.F. und der Vorschriften über die Leistungen zur "Teilhabe am Arbeitsleben" nach § 33 und § 39 [X.] a.F., für die die Rehabilitationsträger im Sinne des § 6 Abs. 1 [X.] a.F. zuständig sind, fehlt es an Anhaltspunkten für eine an das Lebensalter oder den [X.]ezug von Rentenzahlungen anknüpfende einheitliche zeitliche [X.]egrenzung des [X.].

Gemäß § 33 Abs. 1 [X.] a.F. werden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von [X.]ehinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Eine ähnliche Funktion haben Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, die gemäß § 39 [X.] a.F. erbracht werden, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit der behinderten Menschen zu erhalten, zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen, die Persönlichkeit dieser Menschen weiterzuentwickeln und ihre [X.]eschäftigung zu ermöglichen oder zu sichern. Die Werkstatt für behinderte Menschen ist gemäß § 136 Abs. 1 Satz 1 bis 3 [X.] a.F. eine Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben im Sinne des Kapitels 5 des Teils 1 und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie hat denjenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der [X.]ehinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können, eine angemessene berufliche [X.]ildung und eine [X.]eschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten (Nr. 1) und zu ermöglichen, ihre Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und dabei ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln (Nr. 2). Sie fördert außerdem durch geeignete Maßnahmen den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Sowohl die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 [X.] a.F. als auch die Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen zielen damit auf eine möglichst dauerhafte berufliche (Wieder-)Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt, also auf berufliche Rehabilitation im Sinne einer gezielten Verbesserung der individuellen beruflichen Fähigkeiten oder, soweit das nicht möglich ist, auf berufliche Integration. Dieser Zweckrichtung der Teilhabeleistungen entspricht eine grundsätzliche zeitliche [X.]eschränkung der Rehabilitationsleistungen jedenfalls insoweit, als auf sie kein Anspruch mehr besteht, wenn das Eingliederungsziel erreicht ist oder dessen Erreichung sich als unmöglich erweist (vgl. [X.], in: [X.], SG[X.] I, 6. Aufl. 2019, § 29 Rn. 5), was gegebenenfalls auch aus Altersgründen der Fall sein kann. Die hierauf beruhende grundsätzliche [X.]egrenzung der Teilhabeleistungen kommt im Übrigen auch darin zum Ausdruck, dass die Gewährung von Arbeitsassistenzleistungen als Teilhabeleistungen gemäß § 33 Abs. 8 [X.] [X.] a.F. zeitlich befristet ist. Sie beruht aber nicht auf einem entsprechenden Verständnis des [X.]egriffs "Arbeitsleben".

Im Gegensatz dazu zielen die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben darauf, behinderte Menschen zu unterstützen, die bereits in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert sind. [X.]ei dieser [X.] geht es darum, ausführbare und durchführbare Arbeit für den [X.]etroffenen besser, zumutbarer und erfolgreicher zu gestalten, also seine Arbeitssituation individuell und konkret zu verbessern (vgl. [X.], [X.] 2001, 577 <590 f.>). Eine zeitliche [X.]eschränkung ergibt sich aus dieser Zweckrichtung nur insoweit, als die von ihnen erbrachte Arbeitsleistung von Arbeitgebern oder [X.] (noch) abgenommen wird und die [X.]etreffenden insofern im weiteren Sinne am Arbeitsleben teilnehmen. Solange dies noch der Fall ist, ist auch der rechtliche [X.]ezugspunkt für die Erbringung von begleitenden Hilfen gegeben. Deshalb lässt sich auf die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben auch nicht das vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Urteil des [X.]s vom 21. Dezember 2005 - 5 [X.] 26.04 - ([X.] 436.0 § 41 [X.] Nr. 1 Rn. 14) übertragen, wonach mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze kein Anspruch mehr auf die Eingliederungshilfe gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 [X.] in einer Förderwerkstatt im Sinne des § 41 [X.] besteht. Denn deren spezifischer Zweck, den behinderten Menschen in das Arbeitsleben zu integrieren bzw. ihm die Tagesstruktur einer im Arbeitsprozess integrierten Person zu vermitteln, entfällt mit Erreichen des [X.]. Ihm liegt als rechtlicher [X.]ezugspunkt nicht der [X.]harakter einer "begleitenden Hilfe" zugrunde. Die zwischenzeitliche Kodifizierung dieser Rechtsprechung in § 58 Abs. 1 Satz 3 [X.] n.F. zeigt im Übrigen, dass der Gesetzgeber eine Normierung von Altersgrenzen vornimmt, wenn er sie für notwendig hält.

cc) Gegen eine zeitliche [X.]eschränkung der Hilfeleistung auf das Erreichen des Rentenalters spricht außerdem das in § 102 Abs. 2 [X.] [X.] a.F. formulierte Ziel der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, dahin zu wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer [X.] Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Die Hilfen beziehen sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und zielen darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung und Weiterentwicklung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im [X.]eruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Ist es deshalb (ebenso wie bei einem nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem [X.]eruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt, und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - [X.]VerwGE 161, 145 Rn. 15), muss dies auch für den [X.]punkt seines Ausscheidens aus dem Arbeitsleben gelten.

dd) Systematisch gegen eine [X.]egrenzung des Anspruchs auf Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz durch das Erreichen der gesetzlichen [X.] ist außerdem einzuwenden, dass das jeweilige gesetzliche Regelrentenalter gemäß §§ 35 ff. i.V.m. §§ 235 f. SG[X.] VI lediglich eine anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung für den [X.]ezug der Rente darstellt, aber kein "Arbeitsverbot" beinhaltet. Das Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung führt auch bei sozialversicherungspflichtig [X.]eschäftigten nicht kraft Gesetzes zur [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses und lässt insofern auch nicht das "Arbeitsleben" enden. Im Gegenteil verfolgt der Gesetzgeber seit einiger [X.] die Absicht, den Übergang vom Arbeitsleben in den Ruhestand flexibler zu gestalten. Die damit einhergehenden Erleichterungen zielen neben einer Verbesserung der Kombinierbarkeit von Einkommen aus Teilzeitarbeit und vorgezogener Altersrente insbesondere auf die [X.]eseitigung von arbeits- und rentenversicherungsrechtlichen Hemmnissen für die Fortsetzung von bestehenden Arbeitsverhältnissen über die rentenrechtliche Regelaltersgrenze hinaus (vgl. etwa § 41 Satz 3 SG[X.] VI). Von diesen Erleichterungen können auch abhängig beschäftigte Empfänger von begleitenden Hilfen im Arbeitsleben profitieren, wenn die [X.]ereitschaft für eine solche Fortsetzung auch auf Seiten des Arbeitgebers besteht. Hinzu kommt, dass diejenigen, die eine [X.]erufstätigkeit selbstständig ausüben, von der rentenrechtlichen Regelaltersgrenze überhaupt nicht betroffen sind.

ee) Gegen eine Höchstaltersgrenze für die als begleitende Hilfe im Arbeitsleben gewährten Arbeitsassistenzleistungen spricht außerdem die "[X.]" von Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe, wie sie in § 77 Abs. 5 [X.] a.F. zum Ausdruck kommt. Das frühere Schwerbehindertengesetz ([X.]) kannte grundsätzlich keine Altersgrenze und der Arbeitgeber konnte deshalb seine Pflicht nach § 4 Abs. 1 [X.] auch durch [X.]eschäftigung eines Schwerbehinderten erfüllen, der das 65. Lebensjahr bereits vollendet hat ([X.]VerwG, Urteil vom 13. Dezember 1990 - 5 [X.] 74.86 - [X.]VerwGE 87, 205 <209>). Das gilt für die [X.]eschäftigungspflicht des Arbeitgebers gemäß §§ 71 ff. [X.] a.F. in gleicher Weise. Kann sich der Arbeitgeber aber durch die [X.]eschäftigung eines behinderten Menschen, der die [X.] bereits überschritten hat, von der Ausgleichsabgabe befreien, spricht das umgekehrt auch dafür, dass die Verwendung dieser Mittel für begleitende Hilfen im Arbeitsleben keiner Altersgrenze unterliegt, sondern behinderte Menschen auch noch im Rentenalter aus der Ausgleichsabgabe zu fördern sind, wenn und solange sie noch "im Arbeitsleben" stehen und die sonstigen Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz gemäß in § 102 Abs. 2 [X.] [X.] a.F. (bzw. § 185 Abs. 2 [X.] [X.] n.F.) erfüllen.

ff) Das entspricht außerdem dem in Art. 27 des [X.] über die Rechte von Menschen mit [X.]ehinderungen (UN-[X.]ehindertenrechtskonvention - UN-[X.]RK) zum Ausdruck kommenden Menschenbild. Die UN-[X.]ehindertenrechtskonvention ist nach dem Gesetz vom 21. Dezember 2008 ([X.]G[X.]l. II [X.]419) seit dem 1. Januar 2009 als innerstaatliches Recht im Rang einfachen [X.]undesrechts anzuwenden und kann als Auslegungshilfe für die [X.]estimmung und den Inhalt der Grundrechte und des einfachen Gesetzesrechts herangezogen werden (vgl. [X.]VerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - [X.]VerwGE 161, 145 Rn. 16). Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 UN-[X.]RK beinhaltet das Recht von Menschen mit [X.]ehinderungen auf Arbeit auch das Recht, diese frei zu wählen. Dies steht der Annahme entgegen, dass ein Leistungsanspruch, der gerade der Verwirklichung dieses Rechts dienen soll, an eine Altersgrenze anknüpft.

c) Die Entstehungsgeschichte und der sich hieraus ergebende Sinn und Zweck der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 [X.] a.F. bestätigen die systematische Auslegung, dass dieser Anspruch zeitlich weder durch das Erreichen des Regelrentenalters noch durch eine nach dem Gesichtspunkt der "Üblichkeit" zu bestimmende Altersgrenze beschränkt ist. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist danach die Herstellung von [X.]hancengleichheit für behinderte Menschen auf dem Arbeitsmarkt ein selbstständiges Ziel der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz, das gleichrangig neben deren arbeitsmarktpolitischer Zielsetzung steht, durch Sicherung und Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben und Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen zu bekämpfen.

[X.]ereits in seinem Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - ([X.]VerwGE 161, 145 Rn. 17 f.) hat der [X.] ausgeführt, dass nach der insofern heranzuziehenden allgemeinen [X.]egründung zum Entwurf des Gesetzes zur [X.]ekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 16. Mai 2000 mit den Regelungen des Gesetzes dem [X.]enachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 [X.] GG Rechnung getragen werden sollte. Vor dem Hintergrund einer vom Gesetzgeber festgestellten seit Jahren bestehenden überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen sollte die [X.]hancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und [X.]erufsleben verbessert und ihre Arbeitslosigkeit schnellstmöglich abgebaut werden ([X.]T-Drs. 14/3372 [X.]). Dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen kam und kommt damit im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Neunten [X.]uches Sozialgesetzbuch zwar eine wesentliche [X.]edeutung zu. Das bedeutet aber nicht, dass drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit zugleich eine notwendige [X.]edingung für das Eingreifen dieser Regelungen im Allgemeinen und speziell der Vorschriften des § 102 Abs. 4 [X.] a.F. (bzw. § 185 Abs. 5 [X.] n.F.) wäre. Dies ergibt sich schon aus dem ebenfalls verfolgten Ziel der Verbesserung der [X.]hancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und [X.]erufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen, dem nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer [X.]eschäftigung, sondern während der gesamten [X.]dauer der Erwerbstätigkeit Rechnung getragen werden soll.

Dass die Herstellung von [X.]hancengleichheit ein gleichberechtigtes Ziel neben der [X.]ekämpfung der Arbeitslosigkeit ist, wird durch den späteren Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit [X.]ehinderungen ([X.]undesteilhabegesetz - [X.]THG) vom 5. September 2016 bestätigt, mit dem das [X.] Recht im Hinblick auf die am 26. März 2009 in [X.] getretene UN-[X.]ehindertenrechtskonvention weiterentwickelt wurde. Hinsichtlich der Zielsetzung und Notwendigkeit der gesetzlichen Regelungen knüpft der Gesetzgeber dort zur [X.]egründung seiner Maßnahmen nicht nur an das [X.]enachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 [X.] GG an, sondern auch an die UN-[X.]ehindertenrechtskonvention und formuliert als Leitlinie der [X.]n [X.]ehindertenpolitik, dass nicht nur gut ausgebaute [X.] die gleichberechtigte Teilhabe Schwerbehinderter ermöglichen sollen, sondern auch die möglichst gleichberechtigte Teilhabe Schwerbehinderter am politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben anzustreben sei, sodass ein selbstbestimmtes Leben mit freiem Zugang zu allen [X.]erufen stattfinden könne und Diskriminierungen jedweder Art unterblieben. Dabei solle namentlich [X.]hancengleichheit gewährt und gemäß Art. 27 UN-[X.]RK größtmögliche Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend dem individuellen Leistungsvermögen des [X.]ehinderten erreicht werden ([X.]T-Drs. 18/9522, insbes. [X.], 188 ff., 193 f. und [X.]T-Drs. 19/13399 insbes. [X.]). Dem entspricht die [X.]egründung der Ergänzung des § 185 Abs. 5 [X.] n.F. in dem Entwurf eines Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 23. September 2019. In dem neu eingefügten [X.] wird unter [X.]ezugnahme auf das Urteil des [X.]s vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - ([X.]VerwGE 161, 145 Rn. 10) klargestellt, dass für den Anspruch auf Arbeitsassistenzleistungen weder dem Grunde noch der Höhe nach Ermessen besteht, sondern sich der Anspruch auf die Übernahme der vollen Kosten richtet, die für eine notwendige Arbeitsassistenz entstehen. Zur [X.]egründung wird einleitend auf den Zweck des Anspruchs aus § 185 Absatz 5 [X.] n.F. abgestellt, Menschen mit [X.]ehinderungen gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben zu lassen.

Dieses Verständnis der allgemeinen Zweckbestimmung der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes [X.]uch, die auch für den Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gilt, ist zuletzt durch den [X.]eschluss des [X.]undesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 2021 - 1 [X.]vR 1541/20 - (NVwZ 2022, 139) noch einmal bestätigt worden. Danach liegt eine [X.]enachteiligung wegen einer [X.]ehinderung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 [X.] GG vor, wenn einem Menschen wegen einer [X.]ehinderung Entfaltungs- und [X.]etätigungsmöglichkeiten vorenthalten werden, die anderen offenstehen, soweit dies nicht durch eine auf die [X.]ehinderung bezogene Fördermaßnahme hinlänglich kompensiert wird. Art. 3 Abs. 3 [X.] GG beinhaltet außer einem [X.]enachteiligungsverbot auch einen Förderauftrag. Er vermittelt einen Anspruch auf die Ermöglichung gleichberechtigter Teilhabe nach Maßgabe der verfügbaren finanziellen, personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 [X.]vR 1541/20 - NVwZ 2022, 139 Rn. 93, 94 m.w.N.). Für die UN-[X.]ehindertenrechtskonvention gilt nichts anderes. Die Vertragsstaaten sind nach Art. 4 Abs. 1 UN-[X.]RK verpflichtet, die Verwirklichung aller Menschenrechte für alle Menschen mit [X.]ehinderungen ohne jede Diskriminierung aufgrund von [X.]ehinderung zu gewährleisten und zu fördern. Zu diesem Zweck sind nach Art. 4 Abs. 1 [X.] [X.]uchst. e UN-[X.]RK alle geeigneten Maßnahmen zur [X.]eseitigung der Diskriminierung aufgrund von [X.]ehinderung durch Personen, Organisationen oder private Unternehmen zu ergreifen ([X.]VerfG, [X.]eschluss vom 16. Dezember 2021 - 1 [X.]vR 1541/20 - NVwZ 2022, 139 Rn. 104 m.w.N.).

Ziel der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz gemäß § 102 Abs. 4 [X.] a.F. ist es danach auch, die [X.]hancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und [X.]erufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer [X.]eschäftigung, sondern während der gesamten [X.]dauer der Erwerbstätigkeit zu verbessern. Können nichtbehinderte Menschen frei und nach eigenem Gutdünken darüber entscheiden, bis zu welchem Lebensalter sie dem von ihnen gewählten [X.]eruf nachgehen wollen, kann für schwerbehinderte Menschen nichts anderes gelten. Insbesondere kann es für die Dauer der Förderung entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht darauf ankommen, in welchem Alter [X.]erufstätige in einem bestimmten Tätigkeitsbereich üblicherweise in den Ruhestand treten.

Eine andere Auslegung ist auch nicht deshalb geboten, weil für die Arbeitsassistenzleistungen gemäß § 102 Abs. 4 [X.] a.F. die aus der Ausgleichsabgabe im Sinne von § 77 Abs. 1 [X.] a.F. zur Verfügung stehenden und insoweit begrenzten Mittel einzusetzen sind. Wie bereits in dem Urteil vom 23. Januar 2018 - 5 [X.] 9.16 - ([X.]VerwGE 161, 145 Rn. 21 f.) dargelegt, unterscheidet sich die [X.]ewirtschaftung dieser Mittel nicht grundlegend von der [X.]ewirtschaftung anderer Finanzmittel, sodass damit der generelle Ausschluss einer bestimmten Gruppe berufstätiger schwerbehinderter Menschen von der Unterstützungsleistung nicht gerechtfertigt werden kann. Daran hält der [X.] fest.

3. Da der Verwaltungsgerichtshof - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - ausdrücklich keine Feststellungen dazu getroffen hat, in welchem Umfang die beantragte Kostenübernahme Arbeitsassistenzleistungen betrifft und ob diese notwendig sind, kann der [X.] nicht selbst abschließend über die Sache entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen, damit er die erforderlichen Feststellungen im Rahmen der ihm obliegenden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nachholen kann.

Meta

5 C 6/20

12.01.2022

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 27. Februar 2020, Az: 10 A 1852/18, Urteil

Art 3 Abs 3 S 2 GG, § 101 Abs 2 VwGO, § 125 Abs 1 S 1 VwGO, § 137 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 141 S 1 VwGO, § 144 Abs 3 S 1 Nr 2 VwGO, § 10 Nr 3 SGB 1, § 3 SGB 6, §§ 35ff SGB 6, § 35 SGB 6, § 41 S 3 SGB 6, § 235 SGB 6, § 236 SGB 6, § 2 Abs 2 SGB 9 vom 05.04.2017, § 6 Abs 1 SGB 9 vom 05.04.2017, § 33 Abs 1 SGB 9 vom 05.04.2017, § 33 Abs 8 S 2 SGB 9 vom 05.04.2017, § 39 SGB 9 vom 05.04.2017, § 77 Abs 1 SGB 9 vom 05.04.2017, § 77 Abs 5 SGB 9 vom 05.04.2017, § 102 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 9 vom 05.04.2017, § 102 Abs 2 S 2 SGB 9 vom 05.04.2017, § 102 Abs 4 SGB 9 vom 05.04.2017, § 136 Abs 1 S 1 SGB 9 vom 05.04.2017, § 58 Abs 1 S 3 SGB 9, § 160 Abs 1 SGB 9, § 185 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 9, § 185 Abs 2 S 2 SGB 9, § 185 Abs 5 SGB 9, § 39 Abs 1 S 1 BSHG, § 41 BSHG, § 4 Abs 1 SchwbG, Art 4 Abs 1 S 2 Buchst e UNBehRÜbk, Art 27 Abs 1 S 1 Halbs 2 UNBehRÜbk

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.01.2022, Az. 5 C 6/20 (REWIS RS 2022, 2090)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 2090

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II ZR 305/14

1 BvR 1541/20

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