Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.01.2013, Az. 5 C 24/11

5. Senat | REWIS RS 2013, 9130

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Gegenstand

Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben; Aufwendungen für eine Kommunikationshilfe


Leitsatz

1. Die Gewährung eines persönlichen Finanzbudgets für den Einsatz einer fachkompetenten Kommunikationshilfe mit dem Ziel, dem Leistungsempfänger die Teilhabe am Berufsschulunterricht als schulischem Teil einer dualen Ausbildung zu ermöglichen, ist eine sonstige Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX (juris: SGB 9).

2. § 103 Satz 1 SGB III (juris: SGB 3) a.F. (= § 118 Satz 1 SGB III) findet entsprechende Anwendung auf in § 33 Abs. 8 SGB IX nicht näher konkretisierte sonstige Hilfen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der [X.]n die Erstattung von Aufwendungen, die durch die vorläufige Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angefallen sind.

2

Der im Jahr 1991 geborene Leistungsempfänger leidet an einer Hörminderung. Die Versorgungsverwaltung erkannte im Jahr 1994 unter anderem wegen dieser Beeinträchtigung auf einen Grad der Behinderung von 100. Zwischen August 2008 und Januar 2012 war der Leistungsempfänger zur Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker beschäftigt. Den schulischen Teil der dualen Ausbildung absolvierte er zuletzt in einer [X.]. Da die an dieser Schule unterrichtenden Lehrer nicht über eine Gebärdensprachkompetenz verfügten, beantragte er im Oktober 2009 bei dem Integrationsamt des [X.], ihm eine "Arbeitsassistenz für die Berufsschulbegleitung in Gebärdensprache" zu bewilligen. Der Kläger leitete den Antrag der nach seiner Auffassung sachlich zuständigen [X.]n zu. Diese lehnte das Begehren gegenüber dem Kläger mit der Begründung ab, das klagende Land trage die Finanzierungsverantwortung für die Sicherstellung des Schulbesuchs. Daraufhin bewilligte der Kläger dem behinderten Auszubildenden "für die notwendige Arbeitsassistenz (fachkompetente Kommunikationshilfe)" unter Hinweis auf die Vorläufigkeit der Leistungserbringung ein persönliches Finanzbudget. Das Verwaltungsgericht hat der nach erneuter erfolgloser Leistungsaufforderung erhobenen Klage stattgegeben und die [X.] verurteilt, dem Kläger die vorläufig erbrachten Aufwendungen für die Gestellung eines Kommunikationshelfers zu erstatten.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der [X.]n zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des von dem Kläger geltend gemachten Erstattungsanspruchs lägen vor. Als Trägerin der Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation sei die [X.] verpflichtet, nicht nur die für den praktischen, sondern auch die für den schulischen Teil der dualen Berufsausbildung anfallenden Aufwendungen für die Gestellung eines Kommunikationshelfers zu tragen. Der Erstattungspflicht der [X.]n stehe die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für den Schulbereich nicht entgegen, da die Finanzierung eines Kommunikationshelfers für den Berufsschulbesuch eine von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 12 GG erfasste eigene Aufgabe des Bundes sei.

4

Zur Begründung ihrer Revision trägt die [X.] im Wesentlichen vor: Sie sei weder nach den Regelungen des [X.] noch nach den Bestimmungen des [X.] des [X.] zur Erbringung der in Rede stehenden Leistung verpflichtet. Die Begleitung durch einen Kommunikationshelfer sei insbesondere nicht als besondere Leistung in Form der Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme nach § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] zu qualifizieren. Ebenso wenig folge eine Leistungspflicht aus § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.]. Der Einsatz eines Kommunikationshelfers sei gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 [X.] als Arbeitsassistenz nur in den Fällen des § 33 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 6 [X.], nicht jedoch auch in denjenigen des § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.] förderfähig. Ihre Leistungspflicht werde zudem durch § 7 [X.] i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 1 [X.] beschränkt. Beiden Normen lasse sich der Grundsatz entnehmen, dass jeder Rehabilitationsträger endgültig nur nach dem für ihn selbst geltenden materiellen Recht leistungspflichtig sei. § 109 Abs. 1 Satz 1 [X.] betreffe nur die Teilnahmekosten für die in § 102 [X.] genannten Maßnahmen; die Aufwendungen seien zudem auf die in § 103 [X.] aufgeführten Leistungen beschränkt. Dass der Schulträger nicht verpflichtet sei, die Kosten für einen Integrationshelfer zu tragen, bedeute nicht, dass er nicht andere Aufwendungen wie etwa die Kosten eines Kommunikationshelfers zu tragen habe. Es sei Aufgabe des [X.], hierfür die notwendigen Haushaltsmittel bereitzustellen. Nichts anderes folge aus § 33 Abs. 8 Satz 2 bis 4 [X.]. [X.] sie, die [X.], in die Leistungsgewährung ein, käme es zu einem Trägerwechsel, der durch diese Norm gerade habe vermieden werden sollen.

5

Der Kläger und der Beigeladene zu 1. verteidigen das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Zwar verletzt das angefochtene Urteil [X.]recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht die Beklagte für auf der Grundlage des § 103 Satz 1 Nr. 3 des [X.] vom 24. März 1997 ([X.]) i.d.[X.] vom 27. Dezember 2003 ([X.]) - [X.]. § 33 Abs. 3 Nr. 4 des [X.] Buches Sozialgesetzbuch vom 19. Juni 2001 ([X.] 1046) i.d.[X.] vom 30. Juli 2009 ([X.] 2495) - [X.] - verpflichtet gehalten hat, die für den schulischen Teil der Ausbildung anfallenden Aufwendungen für die Gestellung eines [X.]s zu erbringen. Die Entscheidung stellt sich jedoch im Ergebnis als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Dem [X.]läger steht nach der hier anwendbaren Gesetzeslage, die im Zeitraum der Erbringung der Aufwendungen für den [X.] Geltung beanspruchte, ein Erstattungsanspruch gegenüber der [X.] zu.

7

Nach § 102 Abs. 6 Satz 4 [X.] i.d.[X.] vom 22. Dezember 2008 ([X.] 2959) - [X.] (2008) - erstattet für den Fall, dass das Integrationsamt eine Leistung erbracht hat, für die ein anderer Träger zuständig ist, dieser die auf die Leistung entfallenden Aufwendungen. Der Erstattungsanspruch bezieht sich auf Leistungen, die rechtmäßig nach § 102 Abs. 6 Satz 3 [X.] (2008) erbracht wurden (vgl. [X.] in: [X.] (Hrsg.), [X.], § 102 Rn. 89 m.w.[X.]). Gemäß § 102 Abs. 6 Satz 3 [X.] (2008) kann das Integrationsamt eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vorläufig erbringen, wenn deren unverzügliche Erbringung erforderlich ist. Der [X.]läger hat eine solche Leistung erbracht (1.). Ihre Erbringung war eilbedürftig (2.) und erfolgte lediglich vorläufig (3.). Der Leistungserbringung durch den [X.]läger stand nicht entgegen, dass dieser zuvor den Antrag des Hilfebedürftigen auf Übernahme der [X.]osten für einen [X.] an die Beklagte weitergeleitet hatte (4.). Für die erbrachte Leistung war die Beklagte zuständig (5.).

8

1. Der [X.]läger hat eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht. Die Übernahme der Aufwendungen für den Einsatz einer fachkompetenten [X.] zur Ermöglichung der Teilnahme des Leistungsempfängers an dem Berufsschulunterricht als schulischem Teil einer dualen Ausbildung ist eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33 Abs. 1 [X.] a.F. (a). Zwar unterfällt die Leistung weder § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.] a.F. (b) noch § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. (c). Jedoch handelt es sich um eine sonstige Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. (d).

9

a) Die Finanzierung des Einsatzes eines [X.]s diente der beruflichen Rehabilitation des Leistungsempfängers.

Gemäß § 33 Abs. 1 [X.] a.F. werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Der Begriff "Arbeitsleben" erstreckt sich - wie aus § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.] a.F. folgt - grundsätzlich auch auf die berufliche Ausbildung.

Der [X.] sollte dem Leistungsempfänger eine erfolgreiche Teilnahme am Berufsschulunterricht ermöglichen. Sein Einsatz war deshalb auf die Herstellung der Erwerbsfähigkeit gerichtet.

b) Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei den Aufwendungen für einen [X.] nicht um eine Leistung der beruflichen Ausbildung nach § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.] a.F.

Berufliche Ausbildung im Sinne dieser Bestimmung ist die erste zu einem Abschluss führende berufliche Bildungsmaßnahme, die ihrem objektiven [X.]harakter nach nicht auf bereits erworbenen [X.]enntnissen aufbaut (vgl. [X.], Urteile vom 27. Februar 1980 - 1 RJ 4/79 - [X.]E 50, 33 <35> und vom 17. November 2005 - [X.] [X.] 23/05 R - juris Rn. 17). Als Leistungen zur beruflichen Ausbildung sind nur solche Maßnahmen bewilligungsfähig, die Teil der Ausbildung sind ([X.], Urteil vom 29. Januar 2008 - [X.]/5 R 20/06 R - [X.]E 100, 1 ).

Hierzu zählt die fachkompetente [X.] nicht, da diese nicht integrierter Bestandteil der Ausbildung ist, sondern lediglich im Zusammenhang mit der Ausbildung des Leistungsempfängers gewährt wird.

c) Die Förderung des Einsatzes eines [X.]s ist auch keine sonstige Hilfe im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F.

Gemäß § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere auch sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen unter anderem eine angemessene und geeignete Beschäftigung zu ermöglichen beziehungsweise zu erhalten. Leistungen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. werden in § 33 Abs. 8 Satz 1 [X.] a.F. beispielhaft konkretisiert.

§ 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. erfasst die [X.]osten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Im Rahmen einer solchen Arbeitsassistenz kann grundsätzlich auch die Gestellung eines Gebärdensprachdolmetschers finanziert werden. Hier diente die Förderung des Einsatzes des [X.]s indes nicht der Erlangung eines Arbeitsplatzes, sondern der Ermöglichung der Teilnahme des Leistungsempfängers an dem Berufsschulunterricht als schulischem Teil der dualen Ausbildung. Zwar ist der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung Voraussetzung für die Erlangung eines Arbeitsplatzes. Jedoch wird der schulische Teil der Berufsausbildung von § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. nicht erfasst. Dies folgt schon daraus, dass § 33 [X.] a.F. zwischen der beruflichen Ausbildung (Absatz 3 Nr. 4) und dem Arbeitsplatz (Absatz 3 Nr. 1 und Absatz 8 Satz 1 Nr. 3) unterscheidet. Dies verbietet es, die schulische Berufsausbildung (auch) als Maßnahme zur Erlangung eines Arbeitsplatzes i.S.d. § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. anzusehen.

d) Die Förderung des Einsatzes der [X.] ist ein in § 33 Abs. 8 [X.] a.F. nicht näher konkretisierter Fall einer sonstigen Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F.

Der Einsatz des [X.]s dient der Förderung der Teilhabe des Leistungsempfängers am Arbeitsleben und ist darauf gerichtet, dem Hilfebedürftigen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen. Die sonstigen Hilfen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. stehen im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit behinderter Menschen. Ihr Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit und damit die berufliche Eingliederung behinderter Menschen in die Gesellschaft zu fördern. Dieser Zweck erstreckt sich auch auf die der beruflichen Tätigkeit vorangehende schulische Berufsausbildung. Diese dient der Erlangung der beruflichen Handlungsfähigkeit (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 des Berufsbildungsgesetzes vom 23. März 2005 - BBiG - <[X.] 931>) und ist darauf gerichtet, eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit zu ermöglichen. Dementsprechend wurde im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich hervorgehoben, dass das Ziel der dauerhaften Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben nur erreicht werden kann, wenn auch ausbildungsbegleitende persönliche Hilfen zur Verfügung stehen (vgl. BTDrucks 14/5074 S. 108).

§ 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. schließt nicht aus, den Einsatz eines den Berufsschulunterricht begleitenden [X.]s als nicht benannte "sonstige Hilfe" im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. anzusehen. Die in § 33 Abs. 3 und Abs. 8 Satz 1 [X.] a.F. enthaltenen Leistungskataloge sind nicht abschließend. Dies folgt für § 33 Abs. 3 [X.] a.F. aus der Wendung "insbesondere" und mit Blick auf § 33 Abs. 8 Satz 1 [X.] a.F. aus dem Wort "auch". Dass die Leistungskataloge offen sind, ist Ausdruck des Bestrebens des Gesetzgebers, die Möglichkeiten einer beruflichen Eingliederung des behinderten Menschen jedenfalls grundsätzlich auszuschöpfen. Aus dem Umstand, dass § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. die Übernahme der [X.]osten einer notwendigen Arbeitsassistenz nur für den Fall vorsieht, dass es sich um eine Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes handelt, kann daher nicht geschlossen werden, dass die Finanzierung eines Assistenten auf diese Fallgestaltung beschränkt ist. Vielmehr sind Leistungen für den Einsatz eines Assistenten zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben in anderen Fallgestaltungen auf der Grundlage der die "sonstigen Hilfen" generell regelnden Bestimmung des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. zu erbringen, wenn dessen Voraussetzungen - wie hier - erfüllt sind.

2. Die unverzügliche Leistungserbringung war auch im Sinne des § 102 Abs. 6 Satz 3 [X.] (2008) erforderlich. Dies ist unter anderem der Fall, wenn ohne die betreffende Leistung die Teilhabe des schwerbehinderten Menschen am Arbeitsleben akut und konkret gefährdet wäre (BTDrucks 15/1783 S. 6 und 17 sowie BTDrucks 15/2357 S. 25). So verhält es sich hier. Das Oberverwaltungsgericht ist - in Einklang mit dem erstinstanzlichen Urteil - erkennbar von der Eilbedürftigkeit ausgegangen. Diese Annahme wird von den Beteiligten auch nicht in Zweifel gezogen. Anhaltspunkte, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

3. Die Leistung erfolgte zudem "vorläufig" im Sinne des § 102 Abs. 6 Satz 3 [X.] (2008). Nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 137 Abs. 2 VwGO) hat der [X.]läger die Leistung gegenüber der [X.] als vorläufig gekennzeichnet, diese als die seiner Ansicht nach im Außenverhältnis Verpflichtete entsprechend informiert und zur Leistungserbringung aufgefordert sowie anschließend an ihrer Stelle auch tatsächlich vorläufig geleistet.

4. Der Leistungserbringung durch den [X.]läger stand nicht entgegen, dass dieser den Antrag des Leistungsempfängers an die Beklagte weitergeleitet hatte. Zwar bewirkte die Weiterleitung, dass die Beklagte die Leistung selbst dann zu erbringen hatte, wenn sie insoweit unzuständig gewesen wäre (§ 102 Abs. 6 Satz 1 [X.] <2008> i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 1 [X.] i.d.[X.] vom 23. April 2004 <[X.] 606> - [X.]> -). Dass sie es dem [X.]läger gegenüber abgelehnt hatte zu leisten, hinderte diesen nicht, die Leistung seinerseits zu erbringen (vgl. Urteil vom 12. September 1991 - BVerwG 5 [X.] 42.87 - [X.] 436.61 § 28 [X.] Nr. 2 S. 16 f. und vom 26. September 1991 - BVerwG 5 [X.] 24.89 - [X.] 436.61 § 28 [X.] Nr. 4 S. 32; [X.], in: [X.]/[X.], [X.], Stand: März 2011, § 102 [X.] Rn. 250; Spiolek, in: [X.] zum Sozialgesetzbuch, Stand: Mai 2012, § 102 [X.] Rn. 85a).

Die umfassende Vorleistungsbefugnis des Integrationsamtes ist Ausfluss des "staatlichen Wächteramtes", das der Gesetzgeber diesem gegenüber den Trägern der Leistungen zur Teilhabe im Interesse des Schutzes des behinderten Menschen zugewiesen hat (Urteile vom 12. September 1991 a.a.[X.] und vom 26. September 1991 a.a.[X.]). Die hiermit verfolgte Zielsetzung, die unverzügliche Einleitung erforderlicher Rehabilitationsmaßnahmen zu gewährleisten, ermächtigt das Integrationsamt, von seiner Vorleistungsbefugnis auch dann Gebrauch zu machen, wenn es einen Leistungsantrag gemäß § 102 Abs. 6 Satz 1 [X.] (2008) i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 2 [X.] (2004) an den seiner Auffassung nach zuständigen Leistungsträger abgegeben hat, dieser jedoch - wie hier - eine Entscheidung über die Leistungsgewährung gegenüber dem Leistungsempfänger entgegen § 14 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 2 [X.] (2004) nicht trifft.

5. Der [X.]läger hat mit der Förderung des Einsatzes der fachkompetenten [X.] eine Leistung erbracht, für die die Beklagte im Sinne des § 102 Abs. 6 Satz 4 [X.] (2008) zuständig war (a). Dass die Förderung den schulischen Teil der dualen Ausbildung betrifft, steht der Annahme einer sachlichen Zuständigkeit der [X.] nicht entgegen (b). Die Zuständigkeit der [X.] steht auch mit höherrangigem Recht in Einklang (c).

a) Die sachliche Zuständigkeit der [X.] für die Übernahme der [X.]osten des Einsatzes des [X.]s folgt aus dem Ineinandergreifen der Regelungen des [X.] und des [X.].

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Nr. 2 [X.] i.d.[X.] vom 23. Dezember 2003 ([X.] 2848) kann die [X.] Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sein. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen (§ 7 Satz 2 [X.] i.d.[X.] vom 19. Juni 2001 <[X.]1046>). Hier ist das Dritte Buch Sozialgesetzbuch maßgeblich.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 [X.] i.d.[X.] vom 15. Juli 2009 ([X.] 1939) beziehungsweise vom 20. Dezember 2011 ([X.] 2854) erhalten behinderte Arbeitnehmer allgemeine und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und diese ergänzende Leistungen nach dem [X.] und [X.] Buch Sozialgesetzbuch. Gemäß § 98 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.] i.d.[X.] vom 19. Juni 2001 ([X.] 1046) - [X.] (2001) - können für behinderte Menschen allgemeine Leistungen und besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie diese ergänzende Leistungen erbracht werden. Nach § 98 Abs. 2 [X.] (2001) werden besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann. Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (2001) sind besondere Leistungen anstelle der allgemeinen Leistungen insbesondere zur Förderung der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu erbringen, wenn die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen. So lag es hier. Der Einsatz des [X.]s war erforderlich. Hiervon ist das Oberverwaltungsgericht, das das Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] (2001) bejaht hat, erkennbar ausgegangen. Daran ist der Senat ebenso gebunden wie an die von der Vorinstanz ersichtlich getroffene Annahme, dass dieser Bedarf durch allgemeine Leistungen, die in § 100 [X.] i.d.[X.] vom 21. Dezember 2008 ([X.]) - [X.] (2008) - abschließend aufgeführt sind, nicht gedeckt werden kann.

Die besonderen Leistungen umfassen gemäß § 103 Satz 1 [X.] a.F. 1. das Übergangsgeld, 2. das Ausbildungsgeld, wenn ein Übergangsgeld nicht erbracht werden kann, und 3. die Übernahme der Teilnahmekosten für eine Maßnahme. § 103 Satz 1 [X.] a.F. führt die besonderen Leistungen im Sinne von § 98 Abs. 1 Nr. 2 [X.] (2001) abschließend auf. Die Aufwendungen für den [X.] werden vom Wortlaut des § 103 Satz 1 [X.] a.F. nicht erfasst.

Insbesondere unterfällt dessen Einsatz nicht den Teilnahmekosten im Sinne des § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. Diese beziehen sich auf diejenigen [X.]osten, die durch die Teilnahme an einer Maßnahme entstanden sind. Hierzu zählen nur solche Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Durchführung einer behindertenspezifischen Maßnahme entstehen. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. und seiner systematischen Stellung. Die Regelung steht im Zusammenhang mit den die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben regelnden Normen. § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F. erfasst nur solche Maßnahmen, die sich auf die berufliche Rehabilitation behinderter Menschen beziehen. Ein [X.] nach § 14 Abs. 2 Satz 1 [X.] (2004) muss festgestellt sein. Übernahmefähig sind nur die durch diese Maßnahme unmittelbar entstehenden [X.]osten. Aus der Aufzählung der übernahmefähigen Teilnahmekosten in § 109 Abs. 1 [X.] (2008) folgt nichts anderes, da diese Regelung eine Maßnahme im Sinne des § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] (2001) voraussetzt. Gemessen daran unterfallen Aufwendungen, die - wie hier - im Zusammenhang mit dem Besuch einer regulären Berufsschule entstehen, nicht dem Anwendungsbereich des § 103 Satz 1 Nr. 3 [X.] a.F.

§ 103 Satz 1 [X.] a.F. findet indes entsprechende Anwendung auf in § 33 Abs. 8 [X.] a.F. nicht näher konkretisierte sonstige Hilfen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.]. a.F. Die erstgenannte Bestimmung enthält insoweit eine planwidrige Regelungslücke, die im Wege der Analogie durch Einbeziehung der hier interessierenden sonstigen Hilfen in den Geltungsbereich des § 103 Satz 1 [X.] a.F. zu schließen ist.

§ 103 [X.] i.d.[X.] vom 24. März 1997 ([X.]) - [X.] (1997) - erfasste in Nummer 4 ausdrücklich auch "sonstige Hilfen". § 114 [X.] (1997) konkretisierte diese Hilfen in Gestalt eines nicht abschließenden [X.], der im Wesentlichen § 33 Abs. 8 [X.] a.F. entsprach. Von § 114 [X.] (1997) waren auch sonstige Hilfen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. erfasst. Im Zuge der Einführung des [X.] durch das Gesetz vom 19. Juni 2001 ([X.] 1046) wurde § 103 Nr. 4 [X.] (1997) gestrichen. Dies führte dazu, dass Aufwendungen für sonstige Hilfen im Sinne von § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F., die - wie hier - keine Teilnahmekosten sind, nicht mehr als besondere Leistungen anzusehen sind. Diese Regelungslücke erweist sich als planwidrig. Sie entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers. Bei der mit der Einführung des [X.] Buches Sozialgesetzbuch einhergehenden Änderung des § 103 [X.] (1997) und Aufhebung sollte es sich lediglich um eine "redaktionelle Anpassung handeln", wie in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich hervorgehoben wird (BTDrucks 14/5074 [X.]). Mithin wollte der Gesetzgeber trotz der Streichung des § 103 Nr. 4 [X.] (1997) insoweit die materielle Rechtslage beibehalten. Die Regelungslücke ist im Wege eines Analogieschlusses zu § 103 Satz 1 [X.] a.F. in der Weise zu schließen, dass diese Bestimmung auf auch nicht näher konkretisierte sonstige Hilfen im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 6 [X.] a.F. erstreckt wird.

b) Dass die Förderung den schulischen Teil der dualen Ausbildung betrifft, steht der Annahme einer sachlichen Zuständigkeit der [X.] nicht entgegen.

Bedenken ergeben sich insbesondere nicht mit Blick auf § 60 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 [X.] (2008), der nach § 99 [X.] (2008) auch im Bereich der Förderung behinderter Menschen Anwendung findet. Danach ist eine erste Berufsausbildung förderungsfähig, sofern sie unter anderem in einem nach der Handwerksordnung staatlich anerkannten Ausbildungsberuf betrieblich durchgeführt wird und der dafür vorgeschriebene Berufsausbildungsvertrag abgeschlossen worden ist. § 60 Abs. 1 [X.] (2008) liefert keinen Hinweis darauf, dass der schulische Teil einer entsprechenden dualen Ausbildung von einer Förderung durch die Beklagte ausgeschlossen werden sollte. Das Merkmal der betrieblichen Durchführung der Berufsausbildung dient nicht der Differenzierung zwischen dem betrieblichen und dem schulischen Teil der dualen Ausbildung, sondern der Abgrenzung zwischen der dualen "Lehrlingsausbildung" und den rein schulischen oder schulisch geprägten Ausbildungen und [X.], welche nach dem [X.] über individuelle Förderung der Ausbildung ([X.] - [X.]) förderungsfähig sind (vgl. § 2 [X.] i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. Juni 1983 <[X.] 645, 1680> beziehungsweise der Bekanntmachung vom 7. Dezember 2010 <[X.] 1952 und 2012 I S. 197> sowie hierzu Urteil vom 12. Juni 1987 - BVerwG 5 [X.] 2.83 - [X.] 436.36 § 11 [X.] Nr. 11 S. 4; [X.], in: [X.]/Noftz, Sozialgesetzbuch [X.], 2. Aufl., Stand: Dezember 2012, [X.] § 57 Rn. 10; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2005, § 2 Rn. 3).

Darauf, dass der schulische Teil einer dualen Ausbildung einer Förderung durch die Beklagte nicht grundsätzlich entzogen ist, weist zudem § 33 Abs. 3 Nr. 4 [X.] a.F. hin, der nach seinem eindeutigen, einer Auslegung nicht zugänglichen Wortlaut nicht allein den betrieblichen Teil der dualen Ausbildung erfasst, sondern sich auch auf deren schulischen Teil erstreckt, sofern dieser jenen zeitlich nicht überwiegt.

c) Ebenso wenig widerstreitet der Aufgaben- und Leistungszuständigkeit der [X.] für die Förderung des Einsatzes einer fachkompetenten [X.] im Rahmen des schulischen Teils der dualen Ausbildung die bundesstaatliche [X.]ompetenzordnung. Das Oberverwaltungsgericht nimmt zutreffend an, dass die auf dem [X.] und [X.] Buch Sozialgesetzbuch beruhenden Leistungsansprüche auf einer konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des [X.] gründen. Die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Schulwesen steht einer Pflicht der [X.], den Einsatz eines [X.]s zur Ermöglichung der Teilhabe an dem Berufsschulunterricht zu fördern, nicht entgegen.

Die Gesetzgebungszuständigkeit für die duale Ausbildung ist gespalten. Soweit deren betrieblicher Teil berührt ist, ist sie dem [X.] zugewiesen ([X.], Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 [X.] - [X.]E 55, 274 <308 f.>; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 1956 - BVerwG 1 [X.] 107.53 - BVerwGE 4, 51 <53> = [X.] 418.20 Nr. 3 S. 18). Soweit der schulische Teil betroffen ist, obliegt sie weitgehend den Ländern.

Die Gesetzgebungskompetenz des [X.] für das Dritte Buch Sozialgesetzbuch beruht auf seinem Recht zur konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 12 GG. Die Befugnis zum Erlass des [X.] Buches Sozialgesetzbuch gründet in Art. 74 Abs. 1 Nr. 7, [X.] und Nr. 12 GG. Auf diese [X.]ompetenztitel geht auch die Aufgaben- und Leistungszuständigkeit der [X.] im Bereich des Rechts der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zurück. Im Bereich der Berufsbildung ist sie auf die betriebliche und unmittelbar im betrieblichen Zusammenhang stehende Berufsbildung beschränkt (vgl. § 3 Abs. 1 BBiG sowie hierzu BTDrucks V/4260 S. 2 und 4).

Von Art. 74 Abs. 1 Nr. 7, [X.] und Nr. 12 GG nicht erfasst ist die Regelung der Organisation und Ausgestaltung des Unterrichts an Berufsschulen. Dies gilt auch, soweit dieser Bestandteil der dualen Ausbildung oder Gegenstand einer rein schulisch ausgestalteten Berufsbildung ist. [X.] sind insoweit die Länder. Deren [X.]ompetenz für das Schulwesen gründet in Art. 30 und Art. 70 Abs. 1 GG ([X.], Urteil vom 26. März 1957 - 2 [X.]/55 - [X.]E 6, 309 <354>). Sie erstreckt sich insbesondere auf die Festlegung des Ausbildungssystems, der Schulorganisation, der Erziehungsprinzipien, des didaktischen Programms der Lernvorgänge, der Lernziele und der Unterrichtsgegenstände ([X.], Beschluss vom 26. Februar 1980 - 1 BvR 684/78 - [X.]E 53, 185 <196>, Urteile vom 9. Februar 1982 - 1 BvR 845/79 - [X.]E 59, 360 <377>, vom 8. April 1987 - 1 BvL 8, 16/84 - [X.]E 75, 40 <67> und vom 14. Juli 1998 - 1 BvR 1640/97 - [X.]E 98, 218 <248>).

Gemessen daran ist die Förderung des Einsatzes einer fachkompetenten [X.], der die effektive Teilnahme an dem schulischen Teil der dualen Ausbildung ermöglicht, nicht Gegenstand der Regelungsbefugnis der Länder im Bereich des [X.]. Er berührt nicht die inhaltliche und organisatorische [X.]onzeption des Unterrichts, sondern unterfällt als sonstige Hilfe zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben der Regelungszuständigkeit des [X.]. Dieser hat von seiner Befugnis im Rahmen des [X.] und [X.] Buches Sozialgesetzbuch Gebrauch gemacht.

Meta

5 C 24/11

10.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 27. Oktober 2011, Az: 7 A 10405/11, Urteil

§ 102 Abs 6aF SGB 9, § 33 Abs 3 Nr 4aF SGB 9, § 33 Abs 3 Nr 6aF SGB 9, § 33 Abs 8 S 1 Nr 3aF SGB 9, § 103 S 1aF SGB 3, Art 74 Abs 1 Nr 7 GG, Art 74 Abs 1 Nr 10 GG, Art 74 Abs 1 Nr 12 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.01.2013, Az. 5 C 24/11 (REWIS RS 2013, 9130)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9130

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Referenzen
Wird zitiert von

B 11 AL 8/12 R

Zitiert

1 BvR 1640/97

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