Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2021, Az. XII ZB 513/20

12. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 5147

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Gegenstand

Familiensache: Vollstreckbarkeit einer gerichtlichen Regelung des begleiteten Umgangs gegen einen mitwirkungsbereiten Dritten; Beteiligter des Umgangsverfahrens


Leitsatz

1. Gegen einen mitwirkungsbereiten Dritten im Sinne von § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 BGB kann eine gerichtliche Regelung des begleiteten Umgangs nicht vollstreckt werden.

2. Das gilt auch, wenn dieser (hier das Jugendamt) in anderer Funktion Beteiligter des Umgangsverfahrens war (Abgrenzung von Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - XII ZB 165/13, FamRZ 2014, 732).

Tenor

Der Antragstellerin wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. [X.] des [X.] vom 23. Juni 2020 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist die Mutter des im August 2017 geborenen Kindes. Das Amtsgericht entzog den Kindeseltern im Jahr 2019 (vorläufig) das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge sowie das Recht zur Beantragung und Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen und übertrug diese dem zuständigen [X.] (Antragsgegner) als Ergänzungspfleger. Das Kind befindet sich in einer Pflegefamilie.

2

Durch Beschluss vom 14. November 2019 regelte das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung den Umgang der Eltern mit dem Kind. Der Umgang sollte danach wöchentlich donnerstags in der [X.] von 9 Uhr bis 11.30 Uhr in den Räumlichkeiten des [X.] in Begleitung eines Mitarbeiters/einer Mitarbeiterin des [X.] stattfinden.

3

Im März 2020 teilte das Jugendamt den Kindeseltern mit, dass die ab 12. März 2020 angesetzten begleiteten [X.] im Hinblick auf die [X.] mit dem [X.] nicht mehr stattfinden könnten. Die Antragstellerin hat daraufhin die Festsetzung eines Ordnungsgelds gegen das Jugendamt beantragt.

4

Das Amtsgericht hat dem entsprochen und ein Ordnungsgeld von 5.000 € festgesetzt. Auf die Beschwerde des [X.] hat das [X.] die Anträge der Antragstellerin zurückgewiesen. Dagegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 87 Abs. 4 FamFG iVm § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Dass die Vollstreckung sich auf eine einstweilige Anordnung bezieht, steht der [X.] nicht entgegen. Denn § 70 Abs. 4 FamFG gilt nicht für das Vollstreckungsverfahren, das als selbständiges Verfahren mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (Senatsbeschluss vom 30. September 2015 - [X.] 635/14 - FamRZ 2015, 2147 Rn. 5 f. mwN).

6

In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg.

7

1. Nach Auffassung des [X.]s, dessen Entscheidung in [X.], 1376 veröffentlicht ist, kommen in der vorliegenden Fallkonstellation als Verpflichtete einer Umgangsregelung nur die - vom Amtsgericht nicht beteiligten - Pflegepersonen und der [X.] in Betracht. In seiner Funktion als Allgemeiner Sozialer Dienst ([X.]) sei das Jugendamt dagegen nicht [X.] der Umgangsregelung.

8

Dass sich das Jugendamt zur Begleitung des Umgangs bereiterklärt habe und es als umgangsbegleitende Institution in die Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB aufgenommen worden sei, führe nicht dazu, dass die [X.] zu einer familiengerichtlich vollstreckbaren Verpflichtung erwachsen würde. Der [X.] sei keiner Vollstreckung nach § 89 Abs. 1 FamFG zugänglich, weil seine Mitwirkung stets von seinem jederzeit widerruflichen Einverständnis abhänge. Dies gelte auch dann, wenn nicht ein ehrenamtlich Tätiger oder ein freier Träger der Jugendhilfe zum [X.] bestimmt worden sei, sondern das Jugendamt in seiner Eigenschaft als zur jugendhilferechtlichen Bewilligung der Leistung nach § 18 Abs. 3 Satz 4 [X.] zuständige Behörde. Das Jugendamt könne im Hinblick auf das Mitwirkungserfordernis nach § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB durch das [X.] auch nicht gegen seinen Willen zur Begleitung des Umgangs verpflichtet werden. Wenn es sich zur Durchführung der [X.] bereiterklärt habe, liege hierin nur die Erklärung seiner Mitwirkungsbereitschaft gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB und gegenüber den Umgangsberechtigten eine verwaltungsrechtliche Zusicherung der Gewährung einer Leistung nach § 34 SGB X iVm § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 [X.].

9

Ob das Jugendamt dann zum Verpflichteten würde, wenn es nach § 162 Abs. 2 Satz 2 FamFG am Umgangsverfahren auf seinen Antrag hin beteiligt worden sei, könne offenbleiben, weil es hier keinen Antrag auf Beteiligung im Umgangsverfahren gestellt habe. Auch der im Umgangsbeschluss gegenüber dem Jugendamt erteilte [X.] nach § 89 Abs. 2 FamFG führe nicht zu einer Beteiligung am Verfahren, zumal schon unklar sei, ob dieser an den [X.] oder an den [X.] gerichtet gewesen sei.

Das Jugendamt als [X.] habe seine Mitwirkungsbereitschaft in familienrechtlicher Hinsicht jederzeit widerrufen können, so dass es auf die Frage, ob dies durch die öffentlich-rechtlichen Kontaktbeschränkungen infolge Corona-[X.] tatsächlich geboten gewesen sei, nicht ankomme.

Auch gegen das Jugendamt in seiner Funktion als [X.] könnten keine Ordnungsmittel verhängt werden, weil es durch den Widerruf des Einverständnisses zur [X.] an einer dazu bereiten Person oder Institution gemangelt habe und [X.] in der festgelegten Form nicht hätten stattfinden können.

2. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.

Die Verhängung eines Ordnungsgelds aufgrund einer vollstreckbaren gerichtlichen Umgangsregelung setzt nach § 89 Abs. 1 Satz 1 FamFG die Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel voraus. Die Person oder Behörde (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - [X.] 165/13 - FamRZ 2014, 732 Rn. 13 ff.), gegen die das Ordnungsgeld festgesetzt werden soll, muss dabei Verpflichtete der Umgangsregelung sein.

Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Soweit das Jugendamt nach der getroffenen Umgangsregelung seine Räumlichkeiten und Mitarbeiter zur Durchführung des jeweiligen Umgangs als [X.] zur Verfügung stellt, nimmt dies nicht am vollstreckbaren Inhalt des Beschlusses teil. Soweit es in seiner Funktion als Ergänzungspfleger am Verfahren beteiligt und für die Durchführung der Umgangskontakte verantwortlich war, liegt keine schuldhafte Zuwiderhandlung gegen eine ihm insoweit obliegende Verpflichtung vor.

a) Die Regelung des § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 BGB ist (seinerzeit noch als Satz 2 und 3) durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 19. Dezember 1997 ([X.]) eingeführt worden. § 1684 BGB beruht auf der vorangegangenen Vorschrift des § 1634 [X.], die eine ausdrückliche Regelung zum begleiteten Umgang noch nicht enthalten hatte (zur historischen Entwicklung - auch in Verbindung mit dem früheren Jugendwohlfahrtsrecht - vgl. [X.]/[X.] BGB [2019] § 1684 Rn. 350).

aa) Übereinstimmend mit dem Wortlaut der Norm („mitwirkungsbereiter Dritter“) ist der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass sich der Dritte im familiengerichtlichen Verfahren zur Mitwirkung bereit erklären muss und nicht gegen seinen Willen zur Anwesenheit bei der Ausübung des Umgangsrechts gezwungen werden kann (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 106; [X.] FamRZ 2015, 1686 Rn. 5; OVG Münster FamRZ 2017, 808; [X.]/[X.] BGB [2019] § 1684 Rn. 370 mwN). Daraus folgt, dass auch das Jugendamt insoweit im Rahmen einer vom [X.] getroffenen Umgangsregelung nicht in zulässiger Weise zur Mitwirkung verpflichtet werden kann. Hat sich das Jugendamt - wie im vorliegenden Fall - zunächst zur Mitwirkung bereit erklärt, hält es daran aber nach Erlass des Beschlusses über den begleiteten Umgang nicht mehr fest, liegt darin ein jederzeit möglicher Widerruf seines Einverständnisses mit der [X.]. Auf die Tragfähigkeit der vom Jugendamt hierfür angeführten Gründe kommt es nicht an, denn die Einverständniserklärung entfaltet keine Bindungswirkung. Wie die erstmalige Mitwirkung unterliegt daher im familiengerichtlichen Verfahren auch deren Fortsetzung durch das Jugendamt als mitwirkungsbereiter Dritter seiner freien Entscheidung (vgl. [X.] 2013, 142; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 5. Aufl. § 89 Rn. 15).

bb) Ein etwaiger öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen das Jugendamt oder den Jugendhilfeträger auf Mitwirkung bei den [X.] kann im familiengerichtlichen Verfahren nicht durchgesetzt werden und begründet daher keine Ausnahme von der in § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB geregelten Freiwilligkeit der Mitwirkung.

Zwar hat der umgangsberechtigte Elternteil ein aus § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 [X.] abgeleitetes verwaltungsgerichtlich einklagbares subjektives Recht gegen den staatlichen Träger der Jugendhilfe auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts, welches er nötigenfalls im Wege des Eilrechtsschutzes durchsetzen kann. Dies kann unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Gewährleistungspflicht des § 79 Abs. 2 [X.] auch die Pflicht des Jugendhilfeträgers einschließen, seine Mitwirkungsbereitschaft vor dem [X.] zu erklären. Eine Abstimmung zwischen diesen beiden Verfahren kann etwa dadurch erreicht werden, dass das Umgangsverfahren gemäß § 21 FamFG ausgesetzt und dem umgangswilligen Elternteil unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit gegeben wird, seinen etwaigen Mitwirkungsanspruch verwaltungsgerichtlich durchzusetzen (vgl. [X.] FamRZ 2015, 1686 Rn. 5 f. mwN; OVG Münster FamRZ 2017, 808; [X.] 2021, 76 mwN zum einstweiligen Rechtsschutz). Daraus folgt aber zugleich, dass vor dem [X.] ein Mitwirkungsanspruch gegen das Jugendamt oder den Träger der Jugendhilfe nicht geltend gemacht werden kann. Das [X.] ist im Rahmen der Vollstreckung der Umgangsregelung folglich auch nicht zur zwangsweisen Durchsetzung eines etwa bestehenden öffentlich-rechtlichen Mitwirkungsanspruchs befugt.

cc) Wenn das Jugendamt in anderer Funktion, etwa als Amtsvormund oder Ergänzungspfleger, am Umgangsverfahren beteiligt war, führt auch das nicht zu einer Erstreckung der diesem obliegenden Verpflichtung auf eine im familiengerichtlichen Verfahren darüber hinausgehend zugesagte [X.] (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - [X.] 165/13 - FamRZ 2014, 732 Rn. 20 mwN). Eigenständige Verpflichtungen des [X.] ergeben sich dementsprechend auch nicht aus dessen auf Antrag nach § 162 Abs. 2 Satz 2 BGB erfolgter Verfahrensbeteiligung ([X.], 809). [X.] Mitwirkungspflichten bei der Durchführung von [X.] können sich vielmehr nur aus den dem Jugendamt vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben ergeben, wenn und soweit diese einen Bezug zum Verfahrensgegenstand haben und ihrer Rechtsnatur nach einer Vollstreckung nach §§ 88 ff. FamFG zugänglich sind. Allein aus der Verfahrensbeteiligung des [X.] lässt sich eine solche vollstreckbare Verpflichtung mithin nicht ableiten.

Dass die [X.] durch das Jugendamt in den die Umgangsregelung enthaltenden Beschluss aufgenommen wird, dient der erforderlichen Konkretisierung der [X.] und begründet keine eigenständige vollstreckbare Pflicht zur [X.] (vgl. [X.] 2013, 142; Prütting/[X.]/[X.] FamFG 5. Aufl. § 89 Rn. 15). Ein vom [X.] gegenüber dem Jugendamt ausgesprochener [X.] nach § 89 Abs. 2 FamFG bleibt in diesem Fall auf die gesetzlichen Aufgaben des [X.] im Hinblick auf die Durchführung des Umgangs beschränkt, wie sie diesem etwa in seiner Funktion als Amtsvormund obliegen (vgl. Senatsbeschluss vom 19. Februar 2014 - [X.] 165/13 - FamRZ 2014, 732 Rn. 13, 20). Sollte ein Hinweis darüber hinausgehend auch auf die Begleitung des Umgangs seitens des [X.] gerichtet sein, so ginge dieser mangels einer entsprechenden vollstreckbaren Verpflichtung ins Leere.

b) Unter Beachtung dieser Maßstäbe stellt der die Umgangsregelung enthaltende Beschluss vom 14. November 2019 keine taugliche Grundlage für eine Vollstreckung gegen das Jugendamt nach §§ 88 ff. FamFG dar.

Da dieses hinsichtlich der [X.] keine vollstreckbare Pflicht trifft, liegt in der Einstellung der [X.] keine zur Festsetzung eines Ordnungsgelds führende Zuwiderhandlung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund seiner Verfahrensbeteiligung als Ergänzungspfleger. Soweit seine diesbezügliche Verpflichtung reicht, ist ihm, wie vom [X.] zutreffend herausgestellt, keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Der Antragstellerin bleibt demnach - abgesehen vom verwaltungsrechtlichen Rechtsschutz - nur die Möglichkeit, eine Abänderung nach § 54 FamFG anzuregen, bei der die Frage der [X.] neu zu prüfen sein wird.

Dose     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Botur     

      

Guhling     

      

Meta

XII ZB 513/20

09.06.2021

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 23. Juni 2020, Az: 5 WF 107/20, Beschluss

§ 1684 Abs 4 S 3 BGB, § 1684 Abs 4 S 4 BGB, § 89 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2021, Az. XII ZB 513/20 (REWIS RS 2021, 5147)

Papier­fundstellen: MDR 2021, 1270-1271 REWIS RS 2021, 5147

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