Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 29.07.2015, Az. 1 BvR 1468/15

1. Senat 1. Kammer | REWIS RS 2015, 7351

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Nichtannahmebeschluss: Anordnung begleiteten Umgangs (§ 1684 Abs 4 S 3 BGB) setzt mitwirkungsbereiten Dritten voraus - keine Anordnungskompetenz des FamFG gegenüber Jugendamt oder freien Jugendhilfeträgern zur Begleitung von Umgängen


Gründe

I.

1

Der nicht sorgeberechtigte Beschwerdeführer begehrt Umgang mit seinem im Jahr 2014 geborenen [X.].

2

1. Mit angegriffenem Beschluss vom 21. Mai 2015 wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Regelung des Umgangs zurück. Ein unbegleiteter Umgang komme nicht in Betracht, da sich zwischen dem Beschwerdeführer und seinem [X.] bislang keine Bindung habe entwickeln können und eine Herausnahme des Kindes aus seinem gewohnten Umfeld ohne vertraute Begleitperson, sei es auch nur für wenige Stunden, das Kind in seiner gegenwärtigen Situation zu stark verunsichern würde. Zwar sei ein begleiteter Umgang grundsätzlich zu befürworten. Ein solcher könne allerdings nicht angeordnet werden, da begleiteter Umgang nach § 1684 Abs. 4 Satz 3 [X.] die Bereitschaft einer Begleitperson an seiner Durchführung voraussetze und sich bislang kein mitwirkungsbereiter Dritter habe finden lassen. Der Jugendhilfeträger habe die Begleitung des Umgangs wegen fehlender Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers abgelehnt. Für das Familiengericht bestehe nach der geltenden Gesetzeslage keine Möglichkeit, einen [X.] gegen seinen Willen zur Umgangsbegleitung zu verpflichten.

3

2. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG und beantragt gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Umgangsregelung. Wenn das Gericht zu der Auffassung gelange, dass begleitete Umgangskontakte grundsätzlich kindeswohldienlich seien, hätte es diese auch anordnen müssen. Es dürfe nicht sehenden Auges eine sachlich falsche Entscheidung treffen und vor der Ablehnung des [X.] und der Träger öffentlicher Hilfen, die Umgänge zu begleiten, kapitulieren.

II.

4

1. Die mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbundene Verfassungsbeschwerde wird gemäß § 93a Abs. 2 [X.] nicht zur Entscheidung angenommen, weil ihr keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und deren Annahme nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Rechte angezeigt ist. Die Verfassungsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.

5

a) Frei von verfassungsrechtlichen Bedenken sind insbesondere die Ausführungen des Amtsgerichts zur Auslegung von § 1684 Abs. 4 Satz 3 [X.], soweit sie das Erfordernis eines mitwirkungsbereiten [X.] betreffen. Das Amtsgericht hat in vertretbarer Weise angenommen, dass die Anordnung eines begleiteten Umgangs - als mildere Maßnahme gegenüber einem vollständigen Umgangsausschluss - einen mitwirkungsbereiten [X.] voraussetzt (vgl. auch [X.], Beschluss vom 24. März 2015 - 5 UF 270/14 -, juris, Rn. 9 m.w.N.; [X.], Beschluss vom 23. März 2015 - 10 UF 6/15 -, juris, Rn. 28, 34; [X.]/[X.], [X.], 74. Aufl. 2015, § 1684 Rn. 35; [X.], in: [X.], [X.], 2014, § 1684 Rn. 319) und dass dem Familiengericht weder gegenüber dem Jugendamt noch gegenüber freien Jugendhilfeträgern eine Anordnungskompetenz zur Begleitung von Umgängen zukommt (ebenso jüngst [X.], Beschluss vom 24. März 2015 - 5 UF 270/14 -, juris, Rn. 9; [X.], Beschluss vom 23. März 2015 - 10 UF 6/15 -, juris, Rn. 34).

6

b) Eine [X.] zum Nachteil des Beschwerdeführers besteht deshalb nicht, weil dem Umgang beanspruchenden Elternteil in der Rechtsprechung der Fachgerichte ein aus § 18 Abs. 3 Satz 3, 4 [X.] abgeleitetes verwaltungsgerichtlich einklagbares subjektives Recht gegen den staatlichen Träger der Jugendhilfe auf Beratung und Unterstützung bei der Ausübung des Umgangsrechts eingeräumt wird, welches er nötigenfalls im Wege des Eilrechtsschutzes durchsetzen kann (vgl. OVG des [X.], Beschluss vom 4. August 2014 - 1 [X.]/14 -, juris, Rn. 21 ff. m.w.N.; OVG für das [X.], Beschluss vom 27. Juni 2014 - 12 [X.]/14 -, juris, Rn. 8). Dies kann unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Gewährleistungspflicht des § 79 Abs. 2 [X.] auch die Pflicht des Jugendhilfeträgers einschließen, seine Mitwirkungsbereitschaft vor dem Familiengericht zu erklären (siehe OVG des [X.], Beschluss vom 4. August 2014 - 1 [X.]/14 -, juris, Rn. 23 ff. m.w.N.). Eine Abstimmung zwischen diesen beiden Verfahren mag im Einzelfall auch dadurch erreicht werden, dass das Umgangsverfahren gemäß § 21 FamFG ausgesetzt und dem umgangswilligen Elternteil unter Setzung einer angemessenen Frist Gelegenheit gegeben wird, seinen etwaigen Mitwirkungsanspruch verwaltungsgerichtlich durchzusetzen (so [X.], Beschluss vom 23. März 2015 - 10 UF 6/15 -, juris, Rn. 34).

7

2. Mit der Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. [X.] 102, 197 <198, 224>).

8

3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 [X.] abgesehen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

1 BvR 1468/15

29.07.2015

Bundesverfassungsgericht 1. Senat 1. Kammer

Nichtannahmebeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend AG Bremen, 21. Mai 2015, Az: 68 F 1086/15 EAUG, Beschluss

Art 6 Abs 2 GG, § 1684 Abs 4 S 3 BGB, § 18 Abs 3 S 3 SGB 8, § 18 Abs 3 S 4 SGB 8, § 79 Abs 2 SGB 8

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Nichtannahmebeschluss vom 29.07.2015, Az. 1 BvR 1468/15 (REWIS RS 2015, 7351)

Papier­fundstellen: NJW 2015, 3563 REWIS RS 2015, 7351

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