Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2014, Az. 2 B 78/13

2. Senat | REWIS RS 2014, 3398

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Gegenstand

Aufhebung eines Verwaltungsaktes bei Zurruhesetzungsverfügung; medizinisches Gutachten; Gleichstellungsbeauftragtenprüfung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] für das [X.] vom 14. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 40 985,40 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

Der 1950 geborene Kläger war [X.] (zuletzt [X.], [X.]esoldungsgruppe [X.]) im Dienst des [X.]. Er war seit 1988, abgesehen von den Jahren 1997 bis 2004, im Wesentlichen dienstunfähig erkrankt. Ab 1991 unternahm der [X.]eklagte mehrere Versuche, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Auf der Grundlage eines polizeiärztlichen Gutachtens stellte der [X.]eklagte im Juni 2007 die Polizeidienstunfähigkeit und die allgemeine Dienstunfähigkeit des [X.] fest und versetzte ihn zum Ablauf des Monats Juni in den vorzeitigen Ruhestand. Während des Widerspruchsverfahrens erhielt die Gleichstellungsbeauftragte zur Nachholung der bislang unterlassenen [X.]eteiligung Gelegenheit, zu der Zurruhesetzung des [X.] Stellung zu nehmen. Sie erklärte im September 2007 ihr Einverständnis mit der Maßnahme. Das nach erfolglosem Widerspruchsverfahren angerufene Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Die [X.]erufung des [X.] beim Oberverwaltungsgericht, das seinerseits ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt hat, hatte keinen Erfolg.

3

Das Oberverwaltungsgericht hat zur [X.]egründung darauf abgestellt, dass die Versetzung des [X.] in den Ruhestand mangels [X.]eteiligung der Gleichstellungsbeauftragten zwar formell rechtswidrig sei, weil die [X.]eteiligung erst nach dem Erlass des [X.] nachgeholt worden sei. Der Kläger könne aber nach § 46 VwVfG [X.] die Aufhebung der Zurruhesetzungsverfügung nicht verlangen, weil dieser formelle Fehler die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Es handele sich nicht um eine Ermessensentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung. Nach dem im [X.]erufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten stehe fest, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids polizeidienstunfähig und allgemein dienstunfähig gewesen sei.

4

1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

5

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der [X.]eschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der [X.]eschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die [X.]erufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des [X.]erufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn eine von der [X.]eschwerde aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann (stRspr; vgl. [X.]eschluss vom 6. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] - [X.] 2012, 104 Rn. 6).

6

Die [X.]eschwerde wirft nicht ausdrücklich eine Frage als grundsätzlich bedeutsam auf, sondern kommt in [X.]etrachtung des konkreten Einzelfalls zu dem Schluss, dass die Voraussetzungen des § 46 VwVfG [X.] - wonach ein Verfahrens- oder Formfehler nicht zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führt, wenn offensichtlich ist, dass er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat - hinsichtlich der vor der Zurruhesetzung des [X.] unterbliebenen [X.]eteiligung der Gleichstellungsbeauftragten nicht vorliegen. Damit rügt sie aber lediglich die einzelbezogene Rechtsanwendung des [X.] und wirft keine - möglicherweise grundsätzlich bedeutsame - Frage auf.

7

Selbst wenn man das [X.]eschwerdevorbringen dahingehend verstehen sollte, dass geklärt werden soll, ob § 46 VwVfG auf eine Zurruhesetzungsverfügung anwendbar ist, wenn die Gleichstellungsbeauftragte im Verfahren nicht beteiligt worden ist, kann die Revision nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zugelassen werden. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des [X.] dahingehend geklärt, dass § 46 VwVfG oder entsprechende Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrens-rechts (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO) auch auf Verwaltungsakte anwendbar sind, die einen [X.]eamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzen (Urteile vom 26. Januar 2012 - [X.]VerwG 2 C 7.11 - [X.] 237.95 § 208 [X.] Nr. 1 Rn. 20 f. und vom 30. Mai 2013 - [X.]VerwG 2 C 68.11 - [X.]VerwGE 146, 347 Rn. 31 bis 33; [X.]eschluss vom 5. November 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 60.13 - NVwZ 2014, 530 Rn. 11).

8

Von diesen Grundsätzen ist auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen. Ob es diese Grundsätze auf den konkreten Einzelfall zutreffend angewendet hat, ist keine Frage von rechtsgrundsätzlicher [X.]edeutung.

9

2. Die Revision ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Die [X.]eschwerde hält es für einen Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO, dass das Oberverwaltungsgericht auf das im [X.]erufungsverfahren erstellte Sachverständigengutachten zur [X.]eurteilung der Dienstfähigkeit des [X.] abgestellt hat. Das sei fehlerhaft gewesen, weil der Gutachter auf die vorhandene Aktenlage zurückgegriffen habe, in der sich Vermerke, Stellungnahmen und dienstliche Äußerungen der im vorgerichtlichen Verfahren involvierten und entscheidungsfindenden [X.]eteiligten befunden hätten, die ohne Überprüfung durch die Gleichstellungsbeauftragte ergangen seien. Der behördliche Verfahrensfehler der Nichtbeteiligung der Gleichstellungsbeauftragten setze sich damit im gerichtlichen Verfahren fort. Das Oberverwaltungsgericht sei gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten erstatten zu lassen, das sich nicht auf Unterlagen aus einem rechtswidrigen Verfahren beziehe.

Mit diesem Vorbringen ist ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts nach § 86 Abs. 1 VwGO oder ein sonstiger Verfahrensfehler nicht dargetan.

Ein Sachverständigengutachten hat den Zweck, dem Gericht die zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und ihm dadurch die [X.]ildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Es kann diesen Zweck nicht erfüllen und deshalb für die Überzeugungsbildung des Gerichts ungeeignet oder jedenfalls unzureichend sein, wenn es grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweist, wenn es von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgeht oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht. Einwendungen eines Verfahrensbeteiligten, der das bereits vorliegende Gutachten als Erkenntnisquelle für unzureichend hält, verpflichten das [X.] für sich genommen nicht, einen anderen Sachverständigen zu beauftragen (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 14. April 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 80.10 - juris Rn. 7 -, vom 31. Oktober 2012 - [X.]VerwG 2 [X.] 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 34 m.w.N. - und vom 25. Februar 2013 - [X.]VerwG 57.12 - juris Rn. 5 m.w.N.).

Abgesehen davon, dass der im [X.]erufungsverfahren anwaltlich vertretene Kläger diesen Aspekt in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift ([X.]l. 655 ff. der Gerichtsakte) nicht gerügt hat, und unabhängig davon, dass die unterbliebene [X.]eteiligung der Gleichstellungsbeauftragten die im Verwaltungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachten nicht unverwertbar macht, lag im Zeitpunkt der Gutachtenserstattung durch den im [X.]erufungsverfahren bestellten Sachverständigen die im Widerspruchsverfahren nachgeholte Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten bereits vor. Dass mit dieser Nachholung keine Heilung im Sinne des § 45 VwVfG [X.] verbunden war, ist auch in diesem Zusammenhang unerheblich. Es ist auch nicht ersichtlich, wie die verspätete - ebenso wie eine völlig unterbliebene - [X.]eteiligung der Gleichstellungsbeauftragten Auswirkungen auf die ärztliche [X.]egutachtung der Polizeidienstfähigkeit sowie allgemeine Dienstfähigkeit des [X.] hätte haben können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 1 und 2, § 47 und § 40 GKG.

Meta

2 B 78/13

20.08.2014

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Mai 2013, Az: 6 A 1883/09, Urteil

§ 46 VwVfG, § 86 VwGO, § 137 Abs 1 Nr 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.08.2014, Az. 2 B 78/13 (REWIS RS 2014, 3398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3398

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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M 5 K 19.6414

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