Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 3 StR 435/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 8764

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Gegenstand

Beihilfe zum Computerbetrug: Anforderungen an den Gehilfenvorsatz beim "Phishing"


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte E.     wegen Beihilfe zum Computerbetrug in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Gegen den Angeklagten [X.]hat es wegen Beihilfe zum Computerbetrug in zwei Fällen auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten erkannt, deren Vollstreckung es ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts geltend machen, haben Erfolg.

2

1. [X.] hat keinen Bestand, weil die Feststellungen des [X.]s seine Annahme, beide Angeklagten hätten mit [X.] gehandelt, nicht tragen.

3

a) Nach den Urteilsgründen leisteten die Angeklagten in unterschiedlichem Umfang durch das Bereitstellen von Bankkonten, durch Weiterüberweisung und die Abhebung eingegangener Geldbeträge Beihilfe zum Computerbetrug zum Nachteil von Online-Banking-Nutzern durch sogenanntes "Phishing". Zur subjektiven Tatseite hat das [X.] festgestellt, den Angeklagten sei bewusst gewesen, "dass die Zahlungseingänge einen illegalen Hintergrund hatten". Die Angeklagte E.     habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, da "sie bewusst in Kauf genommen" habe, "jedwede, den Umständen nach nicht fernliegende [X.], insbesondere auch Delikte des [X.] durch ihr Verhalten zu unterstützen". Ebenso habe der Angeklagte [X.]den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Computerbetrug erfüllt. Auch wenn er Einzelheiten dazu, wie die Gelder auf die Konten gelangt seien, nicht "konkret" gekannt habe, sei ihm doch bewusst gewesen, dass es sich um etwas "Illegales" gehandelt habe. Er habe dies nicht weiter hinterfragt und damit "bewusst in Kauf genommen, irgendeine, nicht fernliegende [X.], darunter auch einen etwaigen Computerbetrug, durch sein Verhalten zu unterstützen".

4

b) Damit ist der [X.] der Angeklagten nicht belegt. Zwar braucht der Gehilfe Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben ([X.], Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 [X.], [X.], 399, 400; Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, [X.]St 42, 135, 137). Eine andere rechtliche Einordnung der Tat ist für den [X.] unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 22). Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Dieses Mindestmaß einer Konkretisierung des [X.]es hat das [X.] nicht festgestellt. Dass die Angeklagten "jedwedes" oder "irgendein" [X.] fördern wollten, reicht nicht aus.

5

c) Eine Änderung des Schuldspruchs in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO kommt aufgrund der unzureichenden Feststellungen, die ihrerseits der Aufhebung unterliegen (§ 353 Abs. 2 StPO), nicht in Betracht. Im Übrigen schließt der [X.] nicht aus, dass ein neuer Tatrichter weitergehende Feststellungen zur Frage des [X.]es treffen kann.

6

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] auf Folgendes hin:

7

a) Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des § 257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von einer materiellen Beendigung solcher Taten des [X.], bei denen aufgrund einer Manipulation des [X.] Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom Empfängerkonto abgehoben oder auf ein zweites Konto [X.] worden ist.

8

b) Bei der Bestimmung des [X.] der der Angeklagten E.     zur Last gelegten Taten wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Förderung mehrerer rechtlich selbständiger Taten durch eine Beihilfehandlung nur als eine Beihilfe im Rechtssinne zu werten ist. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (vgl. [X.], Beschluss vom 4. März 2008 - 5 [X.], [X.]R StGB § 27 Abs. 1 Konkurrenzen 1; Beschluss vom 22. September 2008 - 1 [X.], [X.]R AO § 370 Abs. 1 Beihilfe 8). Sollte der neue Tatrichter daher feststellen, dass die Angeklagte E.     nicht nur im Sinne einer Beihilfehandlung für mehrere Haupttaten Konten zur Verfügung gestellt oder einen [X.] als Empfänger von durch Computerbetrug erlangter Überweisungen gewonnen, sondern im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung der Haupttat durch das Abheben von [X.] vom ersten Empfängerkonto Hilfe geleistet hätte, hätte er auf dieser Grundlage von mehreren Beihilfetaten im Sinne des § 53 StGB auszugehen.

[X.]

                  [X.]

Meta

3 StR 435/11

28.02.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 29. März 2011, Az: 26 KLs 14/11

§ 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.02.2012, Az. 3 StR 435/11 (REWIS RS 2012, 8764)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8764

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