Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.07.2010, Az. 27 W (pat) 85/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 4940

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Konstanzer Konzilgespräch" – zu Gesprächsbezeichnungen als Herkunftshinweis - Unterscheidungskraft auch für Dienstleistungen, die sich auf Angebote beziehen, die in einer mit der Marke bezeichneten Lokation stattfinden - zur Unterscheidungskraft von Etablissementbezeichnungen   


Leitsatz

Konstanzer Konzilgespräch

Das Publikum ist daran gewöhnt, Gesprächsbezeichnungen als Herkunftshinweis zu nehmen, wenn keine reine Angabe zu einem Gesprächsthema oder zu einer Gesprächsform vorliegt.

Unterscheidungskraft ist auch gegeben für Dienstleistungen, die sich auf Angebote beziehen, die in einer mit der Marke bezeichneten Lokation stattfinden können. Etablissementbezeichnungen, die für das Etablissement selbst unterscheidungskräftig sowie nicht beschreibend sind, sind auch für Dienstleistungen um Veranstaltungen, die dort nur im Einverständnis mit dem Betreiber stattfinden können, unterscheidungskräftig.

Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 28 891.9

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 13. Juli 2010 durch [X.] [X.], [X.] und [X.]

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 30. März 2003 wird insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke der Schutz versagt wurde.

Gründe

I.

1

Die Anmeldung der Wortmarke "[X.]" für die Dienstleistungen "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten" hat die Markenstelle mit Beschluss vom 30. März 2010 hinsichtlich "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; kulturelle Aktivitäten" zurückgewiesen.

2

Das ist damit begründet. Bei der Wortzusammensetzung "[X.]" liege ein beschreibender Hinweis dahingehend vor, dass es sich um Dienstleistungen handle, die mit einer in der [X.] stattfindenden Versammlung kirchlicher Repräsentanten zu tun hätten. Es liege also ein beschreibender Hinweis auf Art, Thematik und Erbringungsort der beanspruchten Dienstleistungen vor. Die angesprochenen Verkehrskreise könnten sehr breit sein. Sie würden die Wortkombination allerdings ohne Weiteres verstehen, da eine sprachüblich gebildete Wortzusammensetzung aus einer geographischen Angabe sowie bekannten Wörtern der [X.] vorliege. Wer sich mit Erziehung, Ausbildung, kulturellen Aktivitäten u. ä. beschäftige, werde sich zumindest über das Thema informieren und wissen, dass es sich bei einem [X.] um eine Versammlung kirchlicher Repräsentanten handle, die als Gespräch bezeichnet werde. Die angemeldete Wortkombination werde daher ohne Weiteres im Sinn von Dienstleistungen verstanden, die mit einem solchen [X.] in [X.] zu tun hätten, seiner Durchführung dienten, usw. Dies könne sich auch auf die Ausbildung des geistlichen Nachwuchses beziehen und ebenso auf das historische [X.] von [X.]. Es komme dabei nicht darauf an, welche Bedeutung die einzelnen Bestandteile hätten und ob die Kombination lexikalisch nachweisbar sei, sondern wie die Kombination in ihrer Gesamtheit verstanden werde. Alle vorliegend beanspruchten Dienstleistungen könnten mit einem [X.]gespräch in [X.] zu tun haben.

3

eine Institution gibt, die ein [X.]gespräch in [X.] anbiete. Dies könnten kirchliche Gremien sein, die [X.], sonstige Verbände usw.

4

Da der angemeldete Markenbegriff nicht geeignet sei, die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden, fehle ihm jegliche Unterscheidungskraft.

5

Ob auch ein Freihaltungsbedürfnis im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] vorliege, könne dahingestellt bleiben.

6

Im Übrigen führten die vergleichbaren Anmeldungen 398 10 028.4 "[X.]", 302 60 994.6 "[X.] [X.]", 304 16 923.4 "[X.] Gespräch", 304 16 923.4 "[X.] Gespräch" 305 03 821.4 "[X.] Gespräch", 306 72 076.0 "[X.] Gespräch", 399 27 129.5 "[X.]er Mischung" und 305 08 461.5 "[X.]er Seenachtsfest"" nicht zu einer Eintragung als Marke.

7

Nur hinsichtlich der Dienstleistungen "sportliche Aktivitäten" könnten Schutzhindernisse derzeit nicht festgestellt werden.

8

Der Beschluss ist der Anmelderin am 9. April 2010 zugestellt worden.

9

Die Anmelderin hat am 3. Mai 2010 Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, die [X.] habe die Namensrechte an "[X.]". Das [X.]er [X.] habe im 15. Jahrhundert in dem Gebäude in [X.] stattgefunden, das noch "[X.]" heiße. Darin fänden heute kulturelle Veranstaltungen statt, die als "[X.]" bezeichnet und gesendet würden.

Die Anmelderin beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.

II.

1) Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen für die streitgegenständlichen Dienstleistungen keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

a) Die Bezeichnung "[X.]er [X.]gespräch" entbehrt für die noch strittigen Dienstleistungen nicht jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Dienstleistungen, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie von denjenigen anderer zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum Einen im Hinblick auf die angemeldeten Dienstleistungen und zum Anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken nur dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Dienstleistungen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern bestehen, die stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.

Die Markenstelle hat nicht belegt, dass "[X.]gespräch" ein Fachbegriff für eine bestimmte Gesprächsform, wie etwa "Podiumsdiskussion" ist. "[X.]" ist im Zusammenhang mit [X.] heute ein Etablissementname, aber nicht vergleichbar mit allgemein gebräuchlichen Bezeichnungen, wie "Kulturzentrum" o. ä.

Das Publikum ist daran gewöhnt, [X.] als Herkunftshinweis zu nehmen, wenn keine reine Angabe zu einem Gesprächsthema oder/und zu einer Gesprächsform vorliegt.

Das Publikum wird deshalb auch in "[X.]" einen betrieblichen Herkunftshinweis sehen (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Juli 2008, [X.]: 33 W (pat) 91/06 - [X.]; Beschluss vom 27. Januar 2009, [X.]: 27 W (pat) 43/09 – [X.]). Selbst bei Sportstätten hat das [X.] für Namen wie "Bodensee-Arena" angenommen, dass sie trotz örtlicher Bezüge auf einen bestimmten Anbieter hinweisen ([X.], Beschluss vom 30. Mai 2001, [X.]: 32 W (pat) 11/01 - Bodensee-Arena).

In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass sich in einzelnen Branchen die Übung herausgebildet hat, Unternehmenskennzeichnungen bzw. Betriebsbezeichnungen zu verwenden, die sich aus dem Namen einer Region oder Gemeinde und einem weiteren, am Unternehmensgegenstand orientierten Begriff zusammensetzen. Die Verbraucher sind deshalb daran gewöhnt, einen betrieblichen Herkunftshinweis in dieser Form vermittelt zu bekommen.

Unterscheidungskraft ist auch gegeben für Dienstleistungen, die sich auf Angebote beziehen, die im [X.]er [X.] stattfinden (können). [X.], die für das Etablissement selbst unterscheidungskräftig sowie nicht beschreibend sind, sind auch für Dienstleistungen um Veranstaltungen, die dort nur im Einverständnis mit dem Betreiber stattfinden können, unterscheidungskräftig.

b) Die angemeldete Marke unterliegt auch keinem Freihaltungsbedürfnis im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], weil "[X.]er [X.]gespräch" keine Merkmalsbezeichnung ist.

Unter die Vorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] fallen nämlich nur solche Angaben, die im normalen Sprachgebrauch die angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen entweder unmittelbar oder durch Hinweis auf eines ihrer wesentlichen Merkmale bezeichnen können. Bei Zeichen aus mehreren Wörtern müsste ein etwaiger beschreibender Charakter nicht nur gesondert für jedes Wort, sondern auch für das durch die Wörter gebildete Ganze festgestellt werden.

Bei der angemeldeten Bezeichnung handelt es sich auch nicht um eine freihaltungsbedürftige, geographische Angabe. Als Herkunftsangaben kommen zwar auch [X.] in Betracht, die einen Ort hinreichend deutlich bezeichnen. Für Benennungen bekannter Bauwerke und Wahrzeichen gilt dies jedoch nur, wenn sie einen Ort ohne Weiteres identifizieren. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das [X.]er [X.] ist nämlich kein allgemein bekanntes Gebäude. Zudem wird es durch den Zusatz "[X.]" zu einer Veranstaltungsbezeichnung. An einer solchen aber reduziert die Art der beanspruchten Dienstleistungen das Bedürfnis an der freien Verwendung.

Eine beschreibende Aussage liegt auch nicht bei Dienstleistungen vor, die sich auf Angebote beziehen, die im [X.]er [X.] stattfinden können. Zwar beschreibt "[X.]er [X.]" hier den Ort, an dem die Veranstaltung stattfindet. [X.] sind jedoch für Dienstleistungen um Veranstaltungen, die dort nur im Einverständnis mit dem Inhaber des Hausrechts stattfinden können, nicht freihaltungsbedürftig.

2) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Meta

27 W (pat) 85/10

13.07.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 13.07.2010, Az. 27 W (pat) 85/10 (REWIS RS 2010, 4940)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4940

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