Bundessozialgericht, Urteil vom 12.01.2010, Az. B 2 U 21/08 R

2. Senat | REWIS RS 2010, 10575

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Feststellungsklage - fehlendes Feststellungsinteresse des Sonderrechtsnachfolgers - kein Anspruch des Versicherten auf weitere Geldleistung - gesetzliche Unfallversicherung - Hinterbliebenenleistung - Berufskrankheit - Kehlkopfkrebs gem BKV Anl 1 Nr 4101 - Wie-Berufskrankheit - Erkrankung im äußeren Bereich des Kehlkopfes


Leitsatz

1. Der Klage eines Sonderrechtsnachfolgers auf Feststellung, eine weitere Gesundheitsstörung sei Folge einer Berufskrankheit des Versicherten, fehlt das Feststellungsinteresse, wenn aus der begehrten Feststellung keine Ansprüche auf (weitere) Geldleistungen erwachsen können.

2. Der Begriff "Kehlkopfkrebs" im Sinne der Berufskrankheit 4104 oder einer Wie-Berufskrankheit umfasst keine Erkrankungen, die außerhalb des Kehlkopfes entstanden sind.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Feststellung eines [X.] ([X.]) des Versicherten sowie die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ([X.]).

2

Die Klägerin ist die Witwe des 1941 geborenen und am [X.] verstorbenen Versicherten. Am [X.] war bei diesem eine Krebserkrankung festgestellt worden. Er litt unter einem Tumor des Schlundes (Hypopharynx), der bis in die seitliche äußere Wand des [X.]es vorgedrungen war. Die [X.] ([X.]) als Krankenversicherungsträger des Versicherten zeigte im Oktober 1992 der Berufsgenossenschaft ([X.]) für Nahrungsmittel und Gaststätten den Verdacht einer [X.] an. Im Rahmen der Ermittlungen vertrat der [X.] ([X.]) der [X.] zunächst die Auffassung, beim Versicherten habe eine ausreichende Exposition gegenüber Asbest nicht vorgelegen. Nach Abschluss der Ermittlungen wurden die Akten zuständigkeitshalber an die [X.] der Chemischen Industrie weitergeleitet. Diese lehnte die Feststellung einer [X.] ab (Bescheid vom 27.6.1995, Widerspruchsbescheid vom 6.2.1996).

3

Der Versicherte hat deswegen beim [X.] ([X.]) Klage erhoben ([X.] U 439/96). Zu dem Verfahren ist die jetzige beklagte [X.] der Bauwirtschaft ([X.] Bau) notwendig beigeladen worden. Durch den Tod des Versicherten am [X.] ist das Verfahren unterbrochen worden.

4

Inzwischen führte die [X.] Bau weitere Ermittlungen durch. Sie nahm an, beim Versicherten habe eine Exposition gegenüber [X.] im Umfang von 33 [X.] vorgelegen. Deshalb nahm sie den Bescheid der [X.] Chemie vom 27.6.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.2.1996 zurück und stellte beim Versicherten eine Wie-[X.] nach § 551 Abs 2 Reichsversicherungsordnung ([X.]) mit der [X.] "Zustand nach [X.]entfernung" fest; die Feststellung einer "Krebserkrankung der Mandeln (Tonsillen)" als Folge der Wie-[X.] lehnte sie ab (Bescheid vom 3.7.1998). Die beklagte [X.] zahlte der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten für die [X.] vom 22.11.1993 bis 31.3.1997 Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 67.331,85 DM. Einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente lehnte sie durch weiteren Bescheid vom 3.7.1998 ab. Der Widerspruch blieb im Widerspruchsbescheid vom 12.5.1999 ohne Erfolg.

5

Die Klägerin hat wegen der Feststellung des [X.] als [X.]-Folge das Verfahren [X.] U 439/96 beim [X.] wieder aufgenommen. Sie hat zudem beim [X.] Klage wegen Zahlung von Hinterbliebenenrente ([X.] U 1013/99) erhoben. Das [X.] hat mit getrennten Urteilen vom 22.1.2001 die Klagen abgewiesen. Das Tonsillenkarzinom sei keine Folge einer [X.]; der Versicherte sei auch nicht an den Folgen einer [X.] verstorben.

6

Die Klägerin hat gegen beide Urteile Berufung eingelegt. Das [X.] (L[X.]) hat die Berufungen unter dem Aktenzeichen L 1 U 309/01 verbunden. Es hat die [X.] Chemie aus dem Berufungsverfahren entlassen und an ihrer Stelle die [X.] Bau als Beklagte geführt. Das L[X.] hat die Berufungen zurückgewiesen. Die dem Versicherten gegenüber ausgesprochene Anerkennung einer Wie-[X.] [X.]krebs entfalte für die Entscheidung über Leistungen an Hinterbliebene keine Bindungswirkung. Eine Wie-[X.] sei wegen der Lokalisation des Tumors nicht gegeben, da beim Versicherten keine Krebserkrankung im Bereich des inneren [X.]s vorgelegen habe. Der Versicherte sei an den Folgen des [X.] verstorben, das weder Folge einer [X.] 4101 noch einer [X.] 4104 gewesen sei. Da die finale Erkrankung weder eine [X.] noch deren Folge sei, bestehe kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente.

7

Die Klägerin hat die von Senat zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 63 Abs 1 und 2 [X.]B VII und § 551 [X.]. Das L[X.] habe den Anspruch der Klägerin an der Regelung des § 551 [X.] messen müssen, da die Erkrankung schon 1992 aufgetreten sei. Bei dem Versicherten sei ein Versicherungsfall bindend festgestellt worden. Auch wenn es sich um eine Wie-[X.] gehandelt habe, habe das L[X.] verkannt, dass für die Klägerin die Beweiserleichterung nach § 63 Abs 1 Satz 2, Abs 2 [X.]B VII gelte. [X.] sei auch, dass die [X.]krebserkrankung nicht als Listen-[X.] anerkannt worden sei. Zwar sei der Tumor nicht in den inneren [X.] durchgebrochen gewesen, doch liege auch bei einer Erkrankung im Bereich des äußeren [X.]s "[X.]krebs" iS der [X.] 4104 vor.

8

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Thüringer [X.]s vom 25. Juli 2007 sowie die Urteile des [X.] vom 22. Januar 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1998 über die Anerkennung einer Berufskrankheit und den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Mai 1999 über die Ablehnung der [X.] aufzuheben und festzustellen, dass das Mandelkarzinom des Versicherten eine Folge seiner Berufskrankheit ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin [X.] zu zahlen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin macht im Wege der objektiven Klagehäufung mehrere Ansprüche geltend, die zu unterscheiden sind. Die Klägerin hat kein schutzwürdiges Interesse, beim Versicherten (weitere) Folgen einer Berufskrankheit feststellen zu lassen (1.). Sie hat auch keinen Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenrente, da der Tod des Versicherten nicht infolge eines Versicherungsfalls einer [X.] oder Wie-[X.] 9 Abs 1 und 2 [X.]) eingetreten ist (2.).

1. Für die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, mit der die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten die Feststellung einer Mandelkrebserkrankung als Folge einer [X.] begehrt (§ 55 Abs 1 [X.] SGG), fehlt das Feststellungsinteresse (a.). Dieses kann nicht daraus hergeleitet werden, dass die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten weitere Geldleistungen beanspruchen könnte (b.). Ein solches Interesse ergibt sich auch nicht daraus, dass sie als mögliche Erbin in die Rechtsnachfolge des Versicherten (§ 1922 BGB) eingetreten ist und wegen des rechtlichen Vorteils aus § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] ein Interesse an der Feststellung einer weiteren [X.]-Folge hat (c.).

a) Die Klägerin klagt als Rechtsnachfolgerin des Versicherten im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage. Sie begehrt die Feststellung, bei diesem habe als Folge einer [X.] neben der bereits anerkannten [X.]-Folge auch ein Tonsillenkarzinom vorgelegen. Anders als vom [X.] angenommen richtet sich die Anfechtungsklage gegen den ablehnenden Verwaltungsakt im Bescheid der Beklagten vom [X.], mit dem die Feststellung des [X.] als [X.]-Folge abgelehnt worden ist. Die früher von der [X.] erlassenen Bescheide (vom [X.]) sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens, da sie durch die Beklagte zurückgenommen worden sind (§ 44 Abs 3 des [X.]) .

Zwar eröffnet § 55 Abs 1 [X.] SGG dem Versicherten und ggf seinen Rechtsnachfolgern die Möglichkeit, Elemente eines Rechtsverhältnisses, hier bestimmte Folgen eines Versicherungsfalls, feststellen zu lassen. Allerdings ist eine solche gesetzlich zugelassene Elementenfeststellungsklage nur zulässig, wenn ein Beteiligter für die begehrte Feststellung ein Feststellungsinteresse hat (vgl [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], SGG 9. Auflage 2008, § 55 Rd[X.] 13b; Castendiek in [X.], 3. Auflage 2009, § 55 Rd[X.] 62) .

b) An dem Feststellungsinteresse fehlt es, soweit die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin (§ 56 [X.]) des Versicherten die Feststellung weiterer [X.]-Folgen begehrt. Gemäß § 56 Abs 1 Satz 1 [X.] gehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten ua auf den Ehegatten über, wenn dieser mit dem Berechtigten zur [X.] in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist.Gemäß § 59 [X.] erlöschen Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten; Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen nach Satz 2 der Vorschrift nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch über sie ein Verwaltungsverfahren anhängig ist.

Als Sonderrechtsnachfolgerin hat die Klägerin ein Feststellungsinteresse nur, wenn als Folge der Feststellung - hier weiterer [X.]-Folgen - ein Anspruch auf (weitere) Geldleistungen bestehen kann, die durch Sonderrechtsnachfolge auf sie übergegangen sein können. Ansprüche des Versicherten auf weitere Geldleistungen kommen vorliegend aber nicht in Betracht. Die Beklagte hat der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin des Versicherten bereits [X.](§ 56 Abs 3 [X.]) gezahlt. Durch die Feststellung weiterer [X.]-Folgen kann sich weder ein (nach MdE oder [X.]) höherer Anspruch noch eine längere Anspruchsdauer der Verletztenrente ergeben. Andere Geldleistungsansprüche der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

c) Das Feststellungsinteresse lässt sich nicht daraus herleiten, dass die begehrte Feststellung ihr bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente nach Maßgabe des § 63 Abs 2 [X.] einen rechtlichen Vorteil verschaffen könnte.

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein eigener Rechtsanspruch ist, der sich zwar vom Recht des Versicherten ableitet, aber hinsichtlich aller Voraussetzungen gesondert zu prüfen ist ([X.] B 2 U 31/04 R - [X.] 4-2700 § 63 [X.] Rd[X.] 18, 19; vgl auch BSG vom [X.] - B 8 KN 1/00 U R - [X.], 226 = [X.] 3-2700 § 63 [X.] 1). Diese Trennung hat zur Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 63 [X.] ohne Bindung an bestands- oder rechtskräftige Entscheidungen gegenüber dem Verstorbenen neu zu prüfen sind ([X.]; [X.] in [X.], Unfallversicherung, [X.], 4. Aufl., Stand Mai 2005 § 63 Rd[X.] 10; [X.] in jurisPK-[X.] § 63 Rd[X.] 17) . Die bestandskräftige Feststellung einer [X.]-Folge gegenüber dem Versicherten kann diesem nur nach Maßgabe des § 45 SGB X entzogen werden, sie hat aber keine begünstigende Wirkung hinsichtlich des Anspruchs auf Hinterbliebenenrente. Deshalb ist weder die positive Feststellung von [X.]-Folgen noch die Ablehnung der Feststellung von [X.]-Folgen gegenüber dem Versicherten für die Entscheidung über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente vorgreiflich. Verwaltungen und Gerichte haben vielmehr nach dem Tod eines Versicherten neu zu prüfen, ob bei diesem ein Versicherungsfall vorgelegen hat und er infolgedessen verstorben ist.

Dieser für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente geltende Grundsatz findet auch auf die Vermutung nach § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] Anwendung. Zwar hat das BSG entschieden, beim Tod des Versicherten müsse eine der in der Vorschrift genannten [X.]en und eine entsprechende MdE nicht vorgelegen haben. Eine erst nach dem Tod der Versicherten erfolgte Anerkennung als [X.] und Feststellung der MdE von [X.] reiche aus ([X.] B 2 U 31/04 R - [X.] 4-2700 § 63 [X.] Rd[X.] 18, 19; vgl auch BSG vom [X.] - B 8 KN 1/00 U R - [X.], 226 = [X.] 3-2700 § 63 [X.] 1 ). Allerdings genügt auch insoweit, dass in einem Verwaltungsverfahren wegen Hinterbliebenenrente die Feststellung getroffen wird, dass die Voraussetzungen des § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] vorgelegen haben (vgl Holtstraeter in [X.]/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 70 [X.] § 63 Rd[X.] 17) .

Da eine Feststellung weiterer [X.]-Folgen gegenüber dem Versicherten der Klägerin in Bezug auf die Vermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] keinen Vorteil verschaffen würde, hat sie kein schutzwürdiges Interesse daran, für diesen posthum Folgen einer [X.] feststellen zu lassen. Vielmehr haben auf einen Antrag, Hinterbliebenenrente zu zahlen, die Verwaltungen und ggf die Gerichte die Voraussetzungen des Anspruch ohne Bindung an eine gegenüber dem Versicherten getroffene Entscheidung neu zu prüfen.

2. Soweit die Klägerin mit der Revision den Anspruch auf Zahlung von Hinterbliebenenrente weiterverfolgt, ist die Revision unbegründet, da ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht.

Maßgeblich für die Beurteilung des geltend gemachten Rechts sind - entgegen der Rüge der Klägerin - die Bestimmungen des [X.]. Nach der Übergangsregelung des § 214 Abs 3 [X.] gelten die Vorschriften über Renten, Beihilfen, Abfindungen und Mehrleistungen im [X.] auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des [X.] ([X.], Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996 ) eingetreten sind, wenn diese Leistungen nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erstmals festzusetzen sind. Diese Regelung findet auch auf Hinterbliebenenrenten-Ansprüche Anwendung (BSG vom [X.] - B 8 KN 1/00 U R [X.], 226, 227 = [X.] 3-2700 § 63 [X.] 1) . Der geltend gemachte Anspruch ist nach Inkrafttreten des [X.] erstmals festzustellen gewesen, denn er entsteht - falls die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - mit dem Tod des Versicherten, hier am 11.3.1997.

Gemäß § 63 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrenten. Nach § 63 Abs 1 Satz 2 [X.] besteht der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 [X.] 1 bis 3 nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalles eingetreten ist. Was unter dem Begriff des Versicherungsfalls iS des § 63 Abs 1 Satz 2 [X.] zu verstehen ist, wird in § 7 Abs 1 [X.] definiert. Danach sind Versicherungsfälle "Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten". § 9 [X.] wiederum unterscheidet bei den Berufskrankheiten zwei Arten des Versicherungsfalls "Berufskrankheit". Zum einen den Versicherungsfall der sog Listen-[X.] nach § 9 Abs 1 [X.]. Zum anderen haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der [X.]V bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, nach § 9 Abs 2 [X.] wie eine Berufskrankheit (sog Wie-[X.] oder Quasi-[X.]) als Versicherungsfall festzustellen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs 1 Satz 2 erfüllt sind. Wenn eine der beiden Versicherungsfälle, also eine Listen- [X.] oder eine Wie-[X.], den Tod des Versicherten herbeigeführt hat, ist ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente entstanden (zur Unterscheidung der Versicherungsfälle: BSG vom [X.] - B 8 KN 1/00 U R - [X.], 226, 228 = [X.] 3-2700 § 63 [X.] 1; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris Rd[X.] 15) .

Der Versicherte ist aber nicht infolge einer Listen-[X.] verstorben (a.), er ist auch nicht an den Folgen einer Wie-[X.] "[X.]krebs" verstorben (b.).

a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 63 Abs 1 [X.], da der Versicherte nicht infolge einer Listen-[X.] verstorben ist. Der Versicherungsfall einer [X.] 4104 ist nicht eingetreten (aa), die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Vermutung des § 63 Abs 2 [X.] berufen ([X.]).

aa) Zwar ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch [X.] ausgesetzt gewesen und die Klägerin ist als seine Witwe eine Hinterbliebene iS des § 65 Abs 1 Satz 1 [X.]. Eine Listen-[X.], von denen aufgrund der Einwirkung von [X.] und der Art der Erkrankung nur die [X.] 4104 ([X.]nkrebs oder [X.]krebs in Verbindung mit [X.]lungenerkrankung <[X.]ose> oder in Verbindung mit durch [X.] verursachter Erkrankung der Pleura oder bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen [X.]faserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren) in Betracht kommt, liegt aber nicht vor.

Der Versicherungsfall einer [X.] 4104 scheitert daran, dass die Erkrankung "[X.]krebs" erst durch die [X.]V vom 31.10.1997 ([X.]) zum 1.12.1997 in den Tatbestand der [X.] 4104 aufgenommen worden ist. Die Feststellung des Versicherungsfalls [X.] 4104 ([X.]krebs) wird durch die Regelung des § 6 Abs 3 Satz 1 [X.]V begrenzt. Danach ist eine Krankheit nach Nummer 4104 ([X.]krebs) der Anlage zur [X.]V, an der ein Versicherter am 1.12.1997 leidet, auf Antrag als Berufskrankheit anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten ist. Beim Kläger hat die Krebserkrankung aber bereits am 12.8.1992 vorgelegen und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des erweiterten [X.]-Tatbestands war er bereits verstorben.

[X.]) Der Anspruch auf Hinterbliebenenrente lässt sich nicht über die Rechtsvermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] begründen.

Nach dieser Vorschrift steht dem Tod infolge eines Versicherungsfalls der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer [X.] nach [X.] 4101 bis 4104 der Anlage 1 zur [X.]V in der Fassung der [X.] zur Änderung der [X.]VO - 2. [X.]VOÄndV - vom 18.12.1992 ([X.]) um [X.] oder mehr gemindert war.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind ebenfalls nicht erfüllt, denn die Vermutung des § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] erstreckt nicht auf die Erkrankung des Versicherten. In der maßgeblichen Fassung der [X.]VO ist in dem [X.]-Tatbestand der [X.] 4104 nur die Erkrankung "[X.]nkrebs", nicht aber die Erkrankung "[X.]krebs" als [X.] bezeichnet gewesen. Letztere ist erst durch die [X.]V vom 31.10.1997 ([X.]) zum 1.12.1997 in den [X.]-Tatbestand aufgenommen worden. Beim Versicherten hat weder eine Quarz-Staublungenerkrankung ([X.] 4101) noch eine Siliko-Tuberkulose ([X.] 4102) noch eine Erkrankung der Pleura (4103) noch [X.]nkrebs ([X.] 4101 aF) vorgelegen. Falls beim Versicherten die Erkrankung [X.]krebs vorgelegen hätte, handelt es sich jedenfalls nicht um eine der in § 63 Abs 2 Satz 1 [X.] abschließend (vgl [X.] in [X.], Unfallversicherung, [X.], 4. Aufl., Stand Mai 2005 § 63 Rd[X.] 10; [X.] in jurisPK-[X.] § 63 Rd[X.] 21) aufgeführten Erkrankungen.

b) Anspruch auf Hinterbliebenenrente besteht auch nicht, da der Versicherte nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-[X.] "[X.]krebs" verstorben ist.

Der Versicherte ist nach den Feststellungen des [X.] nicht an [X.]krebs, sondern an dem bei ihm ebenfalls bestehenden Karzinom der Mandeln (Tonsillen) verstorben. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Erkrankung eine Folge des beim Versicherten bestehenden Tumors des [X.] (Hypopharynx) ist, der bis in die seitliche äußere Wand des [X.]es vorgedrungen war. Denn diese Erkrankung ist weder "[X.]krebs" iS der heutigen [X.] 4104 noch iS einer Wie-[X.]. Für die Feststellung der aufgrund des Todeszeitpunkts des Versicherten allein in Betracht kommenden Wie-[X.] [X.]krebs liegen keine anderen wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, als diejenigen, die später zur Aufnahme der Erkrankung in den [X.]-Tatbestand der [X.] 4104 geführt haben.

[X.]krebs iS der [X.] 4104 kann durch das Einatmen des Stoffes [X.] entstehen, denn [X.] sind krebserregend. Die Fasern werden bei der Atmung ( Römer in [X.]/[X.], [X.] Kommentar, [X.] zu § 9, [X.] [X.]V [X.]-[X.]n 4103-4105; Rd[X.] 7 ) mit dem Luftstrom durch die sog [X.] über den inneren [X.] in die [X.] transportiert. Die Ablagerung von [X.] im [X.]bereich durch Verwirbelung des Luftstroms und durch Rücktransport von im tieferen Atemtrakt abgelagerten Fasern gilt als erwiesen ([X.]) . [X.] wird demnach mit der Atemluft aufgenommen und kann sich in [X.] und [X.] ablagern und dort eine Krebserkrankung verursachen. Bei der so beschriebenen Art der Aufnahme des Stoffs und seiner Einwirkung liegt eine Wie-[X.] jedenfalls dann nicht vor, wenn die Erkrankung - wie beim Versicherten - außerhalb des [X.]es entsteht und sich von dort bis in den äußeren Bereich des [X.]es ausbreitet. Nach ihrer Lokalisation (ähnlich allerdings bei Prüfung des Kausalzusammenhangs: BSG vom [X.] - B 2 U 15/05 R - [X.] 4-5671 Anl 1 [X.] 4104 [X.] 2, Rd[X.] 27) ist die Erkrankung des Versicherten nicht aufgrund des mit der Atemluft aufgenommenen und im inneren Bereich des [X.] abgelagerten [X.]s entstanden. Da keine Krebserkrankung in dem Bereich des [X.]s vorgelegen hat, der mit dem krebserregenden Stoff in Berührung gekommen ist, liegt keine Wie-[X.] [X.]krebs vor. Das für den Tod des Versicherten ursächliche Tonsillenkarzinom kann deshalb auch keine Folge einer Wie-[X.] sein.

[X.] beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Meta

B 2 U 21/08 R

12.01.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Gotha, 22. Januar 2001, Az: S 18 U 439/96, Urteil

§ 55 Abs 1 Nr 3 SGG, § 59 SGB 1, § 1922 BGB, § 9 Abs 1 SGB 7, § 9 Abs 2 SGB 7, § 63 Abs 1 SGB 7, § 63 Abs 2 S 1 SGB 7, § 65 SGB 7, § 214 Abs 3 SGB 7, Anl 1 Nr 4101 BKV

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 12.01.2010, Az. B 2 U 21/08 R (REWIS RS 2010, 10575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10575

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 5/08 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Hinterbliebenenrente - Versicherungsfall - Berufskrankheit - Wie-Berufskrankheit - maßgeblicher Zeitpunkt: neue Erkenntnisse …


B 2 U 26/10 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Listen-Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 1103, 2402, 4109 - Einwirkung: keine …


S 19 U 6/16 (Sozialgericht Osnabrück)


B 2 U 33/11 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Wie-Berufskrankheit - Eintritt des Versicherungsfalls - erstmaliges Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen …


B 2 U 17/19 R (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - gesetzliche Unfallversicherung - Klage auf Feststellung des Versicherungsfalls - Versterben des Klägers …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.