Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2023, Az. 30 W (pat) 25/21

30. Senat | REWIS RS 2023, 7295

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Gegenstand

Wirkungslosigkeit dieser Entscheidung.


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2019 203 620

hat der 30. Senat (Marken- und [X.]) des [X.] in der Sitzung vom 20. Juli 2023 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. Hacker sowie der Richterinnen Dr. [X.] und Wagner

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Zeichen

2

[X.]aderma

3

ist am 31. Januar 2019 angemeldet und am 27. März 2019 für die Waren

4

„Klasse 03: Gesichtswasser [Mittel zur Körper- und Schönheitspflege]; [X.] [Kosmetika] für den Körper; Nicht medizinische Kosmetika und Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Reinigungsmilch für Körper- und Schönheitspflege; Mittel für die Gewichtsabnahme [Mittel zur Körper- und Schönheitspflege], ausgenommen für medizinische Zwecke; Kosmetika; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für die [X.]aut; Reinigungsmilch für die Körper- und Schönheitspflege; [X.]autaufhellungsmittel [Mittel zur Körper- und Schönheitspflege]; Nicht medizinische Mittel für Körper- und Schönheitspflege; Bio-Kosmetika; Mineralische Öle [Mittel zur Körper- und Schönheitspflege]; Kosmetika mit Panthenol; Kosmetika, als Set verkauft; Feuchtigkeitspflegemittel [Kosmetika]; [X.] [Kosmetikartikel]; Kosmetika mit Keratin; Kosmetika mit [X.]aluronsäure; Gesichtstücher, die mit Mitteln zur Körper- und Schönheitspflege getränkt sind; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege zur Behandlung von trockener [X.]aut; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege in Form von Lotionen; Pflegepräparate [Kosmetika]; [X.] [Kosmetika]; [X.]autaufhellende Kosmetika; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege für die Behandlung von faltiger [X.]aut; Gesichtsreinigungsmittel [Mittel zur Körper- und Schönheitspflege]; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege; [X.]autpflegelotionen [Kosmetika]; Kosmetika für Kinder; Natürliche Kosmetika; [X.]autmasken [Kosmetika]; Kosmetika und kosmetische Präparate“

5

als Wortmarke unter der Nummer 30 2019 203 620 in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden.

6

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 26. April 2019 veröffentlicht wurde, hat die Inhaberin der am 14. Januar 1975 international registrierten und für die Waren

7

Klasse 03: [X.], parfumerie, huiles essentielles, cosmétiques; dentifrices; produits pour la chevelure; produits de beauté; fards

8

Klasse 05: [X.] pharmaceutiques et hygiéniques“,

9

übersetzt (nach TMView):

„Klasse 03: Seifen, Parfümerie, ätherische Öle, Kosmetika; Zahnputzmittel; [X.]aarpflegeprodukte; Schönheitsprodukte; Make-up

Klasse 05: Pharmazeutische und hygienische Produkte“

auf das Gebiet der [X.] schutzerstreckten Marke 412 860

[X.]

am 24. Juli 2019 Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 03 hat mit zwei Beschlüssen vom 27. Januar 2020 und vom 11. Januar 2021, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine [X.] zwischen beiden Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.

Zwischen den [X.] bestehe im Wesentlichen Identität, da die Waren der angefochtenen Marke begriffsübergreifend unter die von der Widerspruchsmarke umfassten Oberbegriffe fielen.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke [X.] sei von [X.]aus aus als durchschnittlich einzustufen. Die Darlegungen der Widersprechenden belegten keine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Aber selbst bei - unterstellter - Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft reiche der [X.] aus, um eine [X.] zu verneinen.

Die [X.] [X.]aderma und [X.] seien in ihrer Gesamtheit unähnlich. In (schrift-)bildlicher [X.]insicht unterschieden sich die beiden Marken durch den Bindestrich der Widerspruchsmarke und die dadurch bewirkte Abtrennung des Einzelbuchstabens „A“ deutlich und in einem Maße, das von den angesprochenen allgemeinen Verkehrskreisen nicht übersehen werden könne.

In klanglicher [X.]insicht unterschieden sich die als „[hy]-[a]-[dɛʁ]-[ma]“ bzw. „[aː]-[dɛʁ]-[ma]“ ausgesprochenen Markenwörter durch die zusätzliche Anfangssilbe „[hy]“ der angegriffenen Marke in Verwechslungen ausschließender Weise. Dieser signifikante phonetische Unterschied betreffe nicht nur den erfahrungsgemäß besonders beachteten Zeichenanfang, sondern führe neben seiner klanglichen Auffälligkeit auch zu einem anderen Sprech- und Betonungsrhythmus, der selbst bei ungünstigen akustischen Übertragungsbedingungen nicht überhört werden könne. Außerdem leide das in beiden Zeichen übereinstimmende Wortelement „derma/[X.]“ unter einer erheblichen Kennzeichnungsschwäche, was dazu führe, dass sich der Verkehr primär an den Elementen „[X.]a“ bzw. „A“, orientiere, was die klanglichen Unterschiede verstärke. Der ursprünglich [X.] Wortstamm „Derma“ bedeute „[X.]aut“ und sei mit diesem Bedeutungsgehalt in den [X.] Sprachgebrauch übernommen worden und allgemein bekannt.

Auch eine [X.] durch gedankliche Verbindung der beiden Marken [X.]. § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter [X.]albsatz [X.] sei nicht gegeben. Wegen seiner Kennzeichnungsschwäche eigne sich der übereinstimmende Bestandteil „derma/[X.]“ nicht als Stammelement einer Markenserie.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Wie die Markenstelle zutreffend festgestellt habe, stünden sich im Wesentlichen identische Waren gegenüber. Allerdings seien die Vergleichsmarken nicht absolut unähnlich. Statt die Silbenfolgen „[X.]-[X.]“ und „A-DER-MA“ zu vergleichen, habe die Markenstelle unzulässigerweise die beiden ersten Silben der jüngeren Marke zu der Silbe „[X.]a“ verbunden und diese als besonders einprägsam dargestellt. Dabei sei die erste Silbe „[X.]“ gegen die alternative Silbe „[X.]a“ ausgetauscht worden.

Darüber hinaus sei dem Begriff [X.]aderma nicht das [X.] [X.] sondern nur der Bestandteil „A“ gegenübergestellt worden. Die Zergliederung der Widerspruchsmarke [X.] sei aber erfahrungs- und rechtswidrig. Anders als die Markenstelle annehme, werde durch den Bindestrich keine Abtrennung des Einzelbuchstabens „A“ bewirkt. Nach ständiger Rechtsprechung von [X.] und [X.] bewirke die Verbindung zweier Bestandteile einer Marke mittels Bindestrich eine Verklammerung der Einzelbestandteile ([X.] 29 W (pat) 15/02 – [X.]/T-[X.]; [X.] GRUR 2002, 342, 344 – [X.]/Estra-Puren). Dabei sei der Bestandteil „derma“/“[X.]“ selbst bei einer angenommenen Kennzeichnungsschwäche nicht unbeachtlich. Dass sich der Verkehr nur an einem einzelnen Markenbestandteil orientiere, sei bei Marken, die einen einheitlichen Gesamtbegriff darstellten, zu verneinen. Dabei könne der gesamtbegriffliche Charakter auch durch beschreibende Bestandteile vermittelt werden. Vorliegend verschmelze die Widerspruchsmarke durch den Bindestich zu einem Gesamtbegriff. Ohnehin spiele der Bindestrich bei der Aussprache keine Rolle, da die Widerspruchsmarke „aderma“ ausgesprochen werde.

Selbst wenn man – wie die Markenstelle zu Unrecht getan habe – die Widerspruchsmarke in die Bestandteile „A“ und „[X.]“ zergliedern und „[X.]“ für eine Reihe von Waren der Widerspruchsmarke als beschreibend erachten würde, gelte dies jedenfalls nicht für „Zahnputzmittel“ und „[X.]aarpflegeprodukte“.

Darüber hinaus stehe in den von der Markenstelle zitierten Entscheidungen zur Kennzeichnungsschwäche von „[X.]/derma“ dieser Bestandteil jeweils am Anfang des [X.]. Vorliegend sei „[X.]“ jedoch nachgestellt und in das [X.] [X.] integriert. Diese Besonderheit verleihe der Widerspruchsmarke eine eigene Prägung. Sie sei auch sprachregelwidrig, denn die Verbindung eines Substantivs mit einem vorangestellten Vokal finde ansonsten nicht statt.

In klanglicher [X.]insicht stünden sich damit die Zeichen „hy-[X.]“ und „[X.]“ gegenüber. Die erste Silbe der angegriffenen Marke sei kurz und die Zeichen stimmten in den folgenden Silben vollständig überein. [X.]inzu komme, dass die Vorsilbe „[X.]“ wegen des Anlauts „[X.]“ annähernd stumm ausgesprochen werde und der Sprachrhythmus die Betonung auf die zweite Kurzsilbe „A“ lege. Weder in der Widerspruchsmarke noch in der angefochtenen Marke sei der Endbestandteil „derma/[X.]“ bei der klanglichen Wiedergabe als isoliertes, kennzeichnungsschwaches Element zu erkennen. Auf die – angebliche – Kennzeichnungsschwäche dieses Bestandteils könne daher für die Beurteilung der [X.] nicht abgestellt werden.

Die „Zahnputzmittel“ der Widerspruchsmarke seien zu den Waren der jüngeren Marke in geringem Grad, die [X.]aarpflegemittel durchschnittlich ähnlich. Angesichts der Identität der übrigen [X.] und selbst bei lediglich durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei dem Widerspruch bei durchschnittlicher klanglicher Ähnlichkeit stattzugeben.

Das gelte umso mehr, als die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht durchschnittlich, sondern gesteigert sei. Bereits mit Eingabe beim [X.] vom 30. Juni 2020 seien umfangreiche Unterlagen zum Nachweis gesteigerter Kennzeichnungskraft vorgelegt worden. Soweit der [X.] die Steigerung der Kennzeichnungskraft mit der Begründung verneint habe, es fehlten konkrete Angaben zu den tatsächlichen [X.], würden die Angaben ergänzt, nämlich durch die Aufstellung für die in Ziff. [X.], 15 und 16 der Eingabe vom 30. Juni 2020 dargestellten Werbemaßnahmen für die Jahre 2011 bis 2019. Im Ergebnis habe die Widersprechende damit nachgewiesen, dass die originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch intensive Benutzung gesteigert sei.

Es bestehe deshalb markenrechtliche [X.].

[X.] beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 03 des [X.]s vom 27. Januar 2020 und vom 11. Januar 2021 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke 30 2019 203 620 anzuordnen.

Auf Antrag der ursprünglichen Markeninhaberinnen vom 10. Juni 2021 ist die
angegriffene Marke auf [X.]errn [X.]… umgeschrieben worden. Aus dessen
Schreiben vom 6. März 2023 ergibt sich, dass er für die früheren Markeninhaberinnen in das Beschwerdeverfahren eintritt.

Weder die Inhaberinnen der angegriffenen Marke noch ihr Rechtsnachfolger haben im Amts- bzw. im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt oder zur Sache vorgetragen.

[X.].

Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 [X.] statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg. Eine markenrechtlich relevante [X.] im Sinne von §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 107, 116 [X.] liegt nicht vor, so dass die Markenstelle den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

A. Die Frage, ob [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] vorliegt, ist unter [X.]eranziehung aller relevanten Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. nur EuG[X.] [X.], 52 Rn. 41-43 – [X.] [Roslagspunsch/ [X.]]; [X.], 1098 Rn. 44 – [X.]/[X.]ABM; [X.], 933 Rn. 32 – [X.]; [X.] [X.], 870 Rn. 25 – [X.]/[X.]; [X.], 1058 Rn. 17 – [X.]; GRUR 2018, 79 Rn. 7 – [X.]/[X.]; [X.], 1104 ff. – [X.]/[X.]; [X.], 382 Rn. 19 – [X.]; [X.], 283 Rn. 7 – [X.]/[X.] DEUTSC[X.]E [X.]). Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Marken hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. EuG[X.], a. a. [X.] Rn. 48 – [X.] [Roslagspunsch/ [X.]]; [X.] a. a. [X.] Rn. 25 – [X.]/[X.]).

Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen den [X.] keine [X.].

1. Ausgehend von der vorliegend maßgeblichen [X.] können sich die [X.] bei identischen Waren begegnen.

Sämtliche von der angegriffenen Marke beanspruchten Waren sind identisch zu den von der Widerspruchsmarke umfassten „Kosmetika“.

2. Die Widerspruchsmarke [X.] verfügt von [X.]aus aus über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

a. Allerdings handelt es sich bei dem in der Widerspruchsmarke enthaltenen Element "-[X.]" um eine im Bereich der beanspruchten Waren beschreibende Angabe. Anders als die Widersprechende geltend macht, ist das Wort „[X.]“ in der Widerspruchsmarke auch als selbständiges Element erkennbar. Zwar mag der Bindestrich gegenüber einem durch ein Leerzeichen getrennten Buchstaben „A“ (A [X.]) Wortelemente verbinden. Auf der anderen Seite bewirkt der Bindestrich gegenüber der Zusammenschreibung (A[X.]) eine optische Trennung in der Widerspruchsmarke [X.], wobei der Bestandteil „[X.]“ als solcher erkannt wird. Anders als die Widersprechende meint, setzt sich das als Anfangssilbe betont gesprochene „A“ auch klanglich von dem Bestandteil „[X.]“ ab. „[X.]“ wird als sinnhaft und damit eigenständig erkannt, zumal nach dem Vortrag der Widersprechenden die Widerspruchsmarke vor allem für [X.]autkosmetikprodukte verwendet wird. Für das vorgenannte Verständnis des Verkehrs spielt es auch keine Rolle, dass „[X.]“ nicht am Anfang der Widerspruchsmarke steht (vgl.  EuG, [X.]/11 – [X.]). Dabei mag es sprachregelwidrig sein, ein Substantiv mit einem vorangestellten Vokal zu verbinden. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Bestandteil „[X.]“ nicht als eigenständig erkannt würde (vgl. [X.] 30 W (pat) 530/20 – dental.h/DENTAL X).

„Derma“ ist das alt[X.] Wort für „[X.]aut“, das in den [X.] Sprachgebrauch eingegangen ist und mit dieser Bedeutung in entsprechenden Wortkombinationen gebräuchlich ist (z.B.: „Dermatologie“, „Dermatologe“, vgl. dazu [X.] online). Die umfangreiche, sachbezogene Verwendung des [X.] „Derma“ erstreckt sich seit langem auch auf kosmetische Produkte (vgl. [X.] 25 W (pat) 518/13 – [X.]/[X.]), so dass dem Element „[X.]“ innerhalb der Widerspruchsmarke nur eine schwache Kennzeichnungskraft zukommt. Das gilt - anders als die Widersprechende ausführt - auch im [X.]inblick auf „[X.]aarpflegeprodukte“, die naturgemäß mit der Kopfhaut, und „Zahnputzmittel“, die mit der Mundschleimhaut, aber auch der [X.]aut im äußeren Mundbereich in Berührung kommen (können).

b. Da aber bei dem vorangestellten, als eigenständig erkannten (s.o.) „A“ keine beschreibende Verwendung in Bezug auf die beanspruchten Waren festzustellen ist, ist diesem Element eine normale Kennzeichnungskraft zuzusprechen (vgl. [X.]acker in [X.]/[X.]acker/Thiering, [X.], 13. Aufl., § 9 Rn. 148; [X.] [X.], 930 Rn. 27, 29 - [X.]/[X.] B).

c. Dies führt zu einer normalen Kennzeichnungskraft des [X.]s [X.], da in der Regel das kennzeichnungsstärkste Element zugleich die Kennzeichnungskraft der Gesamtmarke bestimmt ([X.] [X.], 766, 769- Stofffähnchen, [X.] [X.], 382, 385 Rn. 31 – [X.]).

d. Soweit die Widersprechende Unterlagen zu mit der Widerspruchsmarke erzielten Umsätzen und [X.] auf dem Gebiet der [X.] vorlegt, belegen diese keine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Zutreffend ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass die dargelegten Umsätze (Februar 2018 bis Januar 2019), also bezogen auf den relevanten Anmeldezeitpunkt der angegriffenen Marke in [X.]öhe von 1,66 Mio. [X.] eher moderat sind. Dafür spricht auch, dass nach den Angaben der Widersprechenden auf dem Markt für „[X.]“ in [X.] im Jahr 2018 insgesamt 1,325 Mrd. [X.] umgesetzt worden sind, so dass der Umsatzanteil der Widerspruchsmarke von 0,13 % eher bescheiden ist. Auch die [X.] zwischen 470.000 [X.] und 840.000 [X.] in den Jahren 2011-2019 mögen zwar beachtlich sein. Sie sind jedoch nicht so hoch, dass von einer erhöhten Bekanntheit bzw. einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden kann.

3. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. [X.] [X.], 833, Nr. 45 - Culinaria/[X.]; [X.], 1040, Nr. 25 - pjur/pure; [X.], 930, Nr. 22 - [X.]/[X.] B; [X.], 64, Nr. 15 - Maalox/[X.]; [X.], 729, Nr. 23 - [X.]). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher [X.]insicht wirken (vgl. EuG[X.] [X.], 413, Nr. 19 - ZIR[X.]/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 - [X.] LIFE; [X.]. 2004, 843, Nr. 29 - [X.]; [X.] [X.], 1009 Nr. 24 - [X.]; [X.], 235, Nr. 15 - [X.]/[X.]; [X.], 484, [X.]2 - [X.]; [X.], 60, Nr. 17 - coccodrillo; [X.], 779, 781 - Zwilling/[X.]). Dabei genügt für die Annahme einer [X.] regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. [X.] [X.], 1009, Nr. 24 - [X.]; [X.], 1114, Nr. 23 - [X.]; [X.], 235, Nr. 18 - [X.]/[X.] m. w. N.; vgl. [X.]/[X.]acker/Thiering, a. a. [X.] § 9 Rdn. 270 m. w. N.). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. [X.] [X.], 283 Rn. 37 – [X.] m. w. N.).

a. Vorliegend weisen beide Markenwörter [X.]aderma und [X.] zwar Übereinstimmungen auf, nämlich das Wortende „-derma“/“-[X.]“ und den davor befindlichen Buchstaben „a“/“A“, womit die sechs Buchstaben der Widerspruchsmarke in der angegriffenen Marke enthalten sind. Jedoch bewirken die Anfangsbuchstaben „[X.]-“ in der angegriffenen Marke eine so deutliche Abweichung im Gesamteindruck des Klang- und auch des [X.], dass ein Verhören oder ein Verlesen nicht ernsthaft zu befürchten ist. Wegen der dennoch bestehenden Übereinstimmungen kann, anders als die Markenstelle ausführt, allerdings nicht von einer „absoluten Unähnlichkeit“ der Marken ausgegangen werden.

aa. [X.] bewirkt die in der angegriffenen Marke zusätzlich vorhandene, am stärker beachteten Wortanfang befindliche Buchstabenfolge „[X.]-“ eine deutlich abweichende Kontur sowie eine merkliche Zeichenverlängerung um ein Viertel. Als die Ähnlichkeit weiter vermindernder Umstand tritt die durch den allein in der Widerspruchsmarke vorhandenen Bindestrich und die dadurch – im Vergleich zu der zusammengeschriebenen jüngeren Marke - bewirkte Abtrennung (s.o.) des Einzelbuchstabens „A“ von dem Bestandteil „[X.]“ hinzu. In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die [X.] daher im [X.] deutlich voneinander, zumal das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende Wort (vgl. [X.] 25 W (pat) 2/17 – [X.]/[X.]; 30 W (pat) 42/14 – [X.]/[X.]; 24 W (pat) 34/14 – [X.]/[X.]; [X.]E 43, 108, 114 – [X.]/[X.]; [X.], 950, 954 – [X.]/Acesal).

bb. Die viersilbige, „hy-[X.]“ ausgesprochene angegriffene Marke unterscheidet sich von der dreisilbigen Widerspruchsmarke „[X.]“ auch klanglich deutlich durch die zusätzliche, am erfahrungsgemäß stärker beachteten Zeichenanfang befindliche Silbe „hy“. Dadurch entsteht ein anderer Sprech- und Betonungsrhythmus, der nicht überhört werden kann.  Anders als die Widersprechende meint, wird der Verkehr in der angegriffenen Marke die Buchstaben „[X.]a-“ gedanklich und sprachlich zusammenziehen, da er das – gerade im Zusammenhang mit den umfassten „Kosmetika; Schönheitsprodukte“ - sinnhafte Wort „derma“ auch in dem [X.] [X.]aderma erkennt. Durch die Verbindung mit der betonten Vorsilbe „[X.]-“ wird das nachfolgende „a“ unbetont gesprochen, entsprechend z.B. dem Wort „[X.]aluron“, dem die Zeichenfolge „[X.]a-“ offensichtlich entnommen ist. Entgegen der Behauptung der Widersprechenden wird das „[X.]“, wie in der [X.] Sprache üblich (vgl. „[X.]sterie“, „[X.]ase“) nicht stumm ausgesprochen und verstärkt damit den Unterschied zur Widerspruchsmarke.

cc. Auch kommt den übereinstimmenden und als solchen erkannten Zeichenbestandteilen „-derma/-[X.]“ kein entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit zu. Wie ausgeführt, wird der Bestandteil „[X.]“ in der Widerspruchsmarke [X.] eigenständig wahrgenommen. Bei dem angegriffenen [X.] [X.]aderma, wird der Verkehr – gerade im [X.]inblick auf die beanspruchten Kosmetika und Mittel zur Gesundheits- und Schönheitspflege – ebenfalls den Bestandteil „-derma“ erkennen.

Wegen seiner beschreibenden Bedeutung kommt dem übereinstimmenden Bestandteil „-derma/-[X.]“ kein entscheidendes Gewicht bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit zu. Zwar dürfen – worauf die Widersprechende zu Recht hinweist - beschreibende Zeichenbestandteile bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit nicht von vornherein außer Betracht bleiben, da die einander gegenüberstehenden Kennzeichen bei dieser Prüfung jeweils als Ganzes zu berücksichtigen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen sind (vgl. [X.], [X.], 870 Nr. 71 – [X.]/[X.]). Dies bedeutet aber nicht, dass Übereinstimmungen in beschreibenden Angaben für sich gesehen ohne weitere Übereinstimmungen kollisionsbegründend wirken können. Vielmehr sind bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente der [X.] zu berücksichtigen (vgl. [X.] [X.], 1058 Rn. 45 – [X.]; [X.], 870 Rn. 72 - [X.]/[X.], für die angegriffene Marke als [X.] vgl. [X.] [X.], 1202 Rn. 26 f. - [X.]/YO). Das sind vorliegend die deutlich unterschiedlichen Anfangsbuchstaben „A-“ und „[X.](a)-“.

dd. Der Verkehr wird sich bei der angegriffenen Marke auch nicht an der Buchstabenverbindung „-aderma“ orientieren bzw. darin die Widerspruchsmarke [X.] erkennen. [X.]ierbei ist zu berücksichtigen, dass die angegriffene Marke [X.]aderma aus einem Wort besteht. Auch wenn der Verkehr den Bestandteil „-derma“ wahrnimmt (s.o.) liegt es gänzlich fern, dass er die Buchstabenfolge „[X.]a“ in „[X.]“ und „a“ aufspaltet und die angegriffene Marke in die Bestandteile „[X.]-“ und „-aderma“ aufteilt. Dagegen spricht bereits, dass der Verkehr keine Veranlassung hat, aus dem bekannten Begriff „derma“ den [X.] „aderma“ zu konstruieren. Überdies ist es sprachregelgemäß, die Silbe „[X.]“ mit dem „a“ zu „[X.]a“ zu verbinden. Das gilt umso mehr, als der Verkehr die Buchstabenfolge aus dem Wort „[X.]aluron“ kennt.

b. Es besteht auch keine Gefahr, dass die Zeichen gedanklich unter dem Aspekt des Serienzeichens miteinander in Verbindung gebracht werden, § 9 Abs. 1 Nr. 2, 2. [X.]albsatz [X.]. [X.] hat nämlich nicht vorgetragen, dass sie eine Serie mehrerer Zeichen, in die sich die angegriffene Marke einfügt, benutzt (vgl. [X.] [X.], 840 Rn. 23 – PROTI [X.]; [X.], 1239 Rn. 48 – [X.]/Volksinspektion).

c. Auch eine Markenusurpation liegt nicht vor. Zwar wurde die Widerspruchsmarke [X.] klanglich identisch („aderma“) in die jüngere Marke [X.]aderma übernommen, allerdings verbindet der Verkehr „[X.]“ und „a“ zu „[X.]a“ (s.o.), was   die angegriffene Marke von der Widerspruchsmarke derart unterscheidet, dass der Verkehr eine geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehung nicht vermutet, und „-aderma“ in der jüngeren Marke wegen der Verschmelzung des „a“ mit „[X.]a-“ statt mit „-derma“ auch keine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt.

d. Mangels eines ermittelbaren Sinngehalts der Vergleichsmarken scheidet auch eine sog. mittelbar begriffliche [X.] aus.

e. Die Zeichenähnlichkeit ist nach alledem zu gering, um im Zusammenspiel mit den übrigen maßgeblichen Faktoren eine [X.] begründen zu können.

4. Die Beschwerde der Widersprechenden war daher zurückzuweisen.

5. Zur Auferlegung der Kosten aus Gründen der Billigkeit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 [X.] besteht bei der vorliegenden Sachlage keine Veranlassung.

Über die Beschwerde konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war weder beantragt noch aus Sachdienlichkeit veranlasst, § 69 Nr. 1 und [X.] [X.].

Meta

30 W (pat) 25/21

20.07.2023

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 20.07.2023, Az. 30 W (pat) 25/21 (REWIS RS 2023, 7295)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 7295

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