Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2005, Az. VI ZB 78/04

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1768

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[X.] vom 20. September 2005 in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

[X.] § 108 [X.]at ein Gericht in einem Rechtsstreit zwischen dem Sozialversicherungsträger des Geschädigten und dem [X.]aftpflichtversicherer des Schädigers über einen Anspruch aus einem Teilungsabkommen zu entscheiden, ist § 108 [X.] nicht entsprechend anzuwenden.

[X.], Beschluss vom 20. September 2005 - [X.]/04 - [X.]

LG [X.]iel
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 20. September 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der [X.]lägerin wird der Beschluss des 7. Zivilsenats des [X.] vom 17. November 2004 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die [X.]osten des [X.] - an das Beschwerdegericht zu-rückverwiesen.
Gründe: [X.] Die [X.]lägerin begehrt von der Beklagten, dem [X.]aftpflichtversicherer des Geschädigten, aus einem zwischen den Parteien bestehenden Teilungsab-kommen ([X.]) vom 29. März/22. April 1985 Ersatz der von ihr erbrachten unfall-ursächlichen Aufwendungen auf Basis einer Quote von 45 %. Der Geschädigte - Mitglied der [X.]lägerin - erlitt am 21. Juli 2001 einen Unfall. Er wollte auf dem Gartengrundstück der von ihm gemieteten Wohnung einen [X.]omposthaufen entsorgen und wandte sich dazu zwecks Mithilfe an ei-nen Nachbarn. Bei den Arbeiten wollte dieser mit einem Radlader rückwärts fahren, legte jedoch den Vorwärtsgang ein, so dass der Geschädigte verletzt 1 2 - 3 - wurde. Ein zwischen ihm und dem Nachbarn über die [X.]aftung geführter [X.] wurde durch Vergleich beendet. Das zwischen den Parteien bestehende Teilungsabkommen enthält fol-gende Bestimmungen: "§ 1 (1) [X.]ann eine diesem Abkommen beigetretene [X.]rankenkasse ("[X.]") gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei einem [X.] beigetretenen Versicherer ("[X.]") haftpflichtversi-chert ist, gemäß § 116 [X.] Ersatzansprüche aus Schadenfäl-len ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehö-rigen (Geschädigte) geltend machen, so verzichtet die "[X.]" auf die Prüfung der [X.]aftungsfrage. (5) Das Abkommen findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Geschädigten – um eine Person handelt, der gegenüber die [X.]af-tung nach §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen ist. § 6 Bei Arbeitsunfällen i.S.d. gesetzlichen Unfallversicherung be-schränkt sich der Ersatzanspruch der "[X.]" auf die Leistungen, die vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nicht getragen bzw. nicht erstattet werden."
Das [X.] hat die [X.]lage abgewiesen. Das [X.] hat das Verfahren ausgesetzt, bis eine unanfechtbare Entscheidung nach dem So-zialgesetzbuch [X.]I oder nach dem Sozialgerichtsgesetz ergangen ist. Es hat eine Frist von sechs Monaten bestimmt, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zulässig ist. 3 4 - 4 - Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Verfahren müsse gemäß § 108 Abs. 2 [X.] ausgesetzt werden. Diese Vorschrift sei ihrem Wortlaut nach zwar nicht unmittelbar anwendbar, weil es nicht um unmittelbare Ersatz-ansprüche gehe, sondern darum, ob die Voraussetzungen für eine Anwendung des Teilungsabkommens erfüllt seien. Dies hänge gemäß § 1 (5) [X.] davon ab, ob es sich bei dem Geschädigten um eine Person handele, der gegenüber die [X.]aftung nach den §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen sei. Daher sei entschei-dungserheblich, ob der Geschädigte zu den nach § 2 Abs. 2 Satz 1 [X.] versicherten Personen gehöre. Um divergierende Entscheidungen zwischen dem Berufungsgericht und den Unfallversicherungsträgern zu vermeiden, sei deshalb der Rechtsstreit auszusetzen. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie von dem [X.] als Beschwerdegericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig ist. Die angefochtene Entscheidung unterliegt jedoch der Aufhebung, da die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 108 [X.] nicht vorliegen. 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsge-richts, dass die Anwendbarkeit des Teilungsabkommens gemäß § 1 (5) davon abhänge, ob es sich bei dem Geschädigten um eine Person handele, der ge-genüber die [X.]aftung nach den §§ 636, 637 RVO ausgeschlossen sei. Zwar ge-hört zu den durch ein Teilungsabkommen ausgeschlossenen Einwendungen grundsätzlich auch die Berufung des [X.]aftpflichtversicherers auf die [X.]aftungs-5 6 7 8 - 5 - freistellung des Schädigers nach den §§ 636, 637 RVO, weil auch diese [X.] die Entstehung der Ersatzpflicht betreffen. Es ist den Abkommens-partnern aber unbenommen, den Ausschluss der [X.]aftungsfrage und damit den Rationalisierungseffekt des Teilungsabkommens einzuengen (vgl. Senatsurteile vom 6. Dezember 1977 - [X.] ZR 79/76 - VersR 1978, 150, 153; vom 8. Februar 1983 - [X.] ZR 48/81 - [X.], 534, 535 und vom 23. März 1993 - [X.] ZR 164/92 - [X.], 841, 842). Eine solche Einschränkung liegt hier nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 (5) des Teilungsabkommens, das der Senat nach ständiger Rechtsprechung frei auslegen kann, vor. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdebegründung steht § 6 [X.] einer solchen Aus-legung nicht entgegen, weil diese Bestimmung jedenfalls in den Fällen, in [X.] ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorliegt, oh-ne dass ein [X.]aftungsprivileg nach §§ 636, 637 RVO bzw. §§ 104 ff. [X.] eingreift, eine eigenständige Bedeutung hat. 2. Der Beschluss hält jedoch einer rechtlichen Prüfung nicht stand, so-weit er die Voraussetzungen für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 108 [X.] als gegeben ansieht. a) Nach § 108 Abs. 1 [X.] sind Gerichte außerhalb der Sozialge-richtsbarkeit bei Entscheidungen über die in den §§ 104 bis 107 [X.] ge-nannten Ansprüche unter anderem hinsichtlich der Frage, ob ein Versiche-rungsfall vorliegt, an unanfechtbare Entscheidungen der [X.] und der Sozialgerichte gebunden. Nach § 108 Abs. 2 [X.] hat das Gericht sein Verfahren auszusetzen, bis eine Entscheidung nach [X.] ist. Falls ein solches Verfahren noch nicht eingeleitet ist, bestimmt es dafür eine Frist, nach deren Ablauf die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zu-lässig ist. Die Vorschrift verfolgt das Ziel, durch eine Bindung von Gerichten außerhalb der Sozialgerichtsbarkeit an Entscheidungen der [X.] - 6 - rungsträger und Sozialgerichte divergierende Beurteilungen zu vermeiden und damit eine einheitliche Bewertung der unfallversicherungsrechtlichen [X.]riterien zu gewährleisten. Dies soll ansonsten für den Geschädigten möglicherweise eintretende untragbare Ergebnisse verhindern, die sich etwa ergeben könnten, wenn zwischen dem Zivilgericht und den Unfallversicherungsträgern unter-schiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bestehen und der Geschädigte deshalb weder Schadensersatz noch eine Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung zugesprochen erhält (vgl. Senatsurteil [X.] 158, 394, 396 f.). b) Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist § 108 [X.] hier nicht unmittelbar anwendbar, weil es im vorliegenden Rechtsstreit nicht um unmittel-bare Schadensersatzansprüche geht, sondern um die Frage, ob die Vorausset-zungen für eine Anwendung des Teilungsabkommens erfüllt sind. Die [X.]lägerin macht nämlich Ansprüche aus dem Teilungsabkommen geltend, durch welches der Sozialversicherungsträger einen selbständigen, vom [X.]aftungsverhältnis losgelösten vertraglichen Anspruch des Inhalts erhält, dass der [X.]aftpflichtversi-cherer dem Sozialversicherungsträger unter Verzicht auf eine haftungsrechtli-che [X.]lärung dessen Leistungen wegen des von dem Teilungsabkommen er-fassten [X.]aftpflichtfalls in [X.]öhe der vereinbarten Quote zu ersetzen hat (vgl. Se-natsurteile vom 23. März 1993 - [X.] ZR 164/92 - aaO und vom 27. März 2001 - [X.] ZR 12/00 - VersR 2001, 863 f.). Auch wenn bei der für die Anwendbarkeit des [X.] Frage einer [X.]aftungsprivilegierung zwischen dem das Teilungsab-kommen auslegenden Zivilgericht und dem Unfallversicherungsträger unter-schiedliche Auffassungen über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls bestehen können, liegen unter den gegebenen Umständen nicht die Voraussetzungen für eine zumindest entsprechende Anwendung des § 108 [X.] vor. Eine solche 11 12 - 7 - kommt nämlich nur in Betracht, wenn der zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat. Es muss also ge-prüft werden, ob der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie beim Erlass der ent-sprechend anzuwendenden Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungs-ergebnis gekommen wäre (vgl. [X.] 105, 140, 143; 110, 183, 192). Eine sol-che Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass hier eine andere Situati-on vorliegt als bei den in § 108 [X.] geregelten Fällen. §§ 108, 109 [X.] wurden im Interesse des geschädigten Versicher-ten, seiner Angehörigen und [X.]interbliebenen sowie der Schädiger, deren Er-satzpflicht nach den §§ 104 bis 107 [X.] beschränkt ist, erlassen. In deren Interesse soll die Frage, ob ein [X.]aftungsprivileg besteht, einheitlich entschieden werden. Dem gemäß muss die unanfechtbare Entscheidung, an die die Zivilge-richte gebunden sind, "nach diesem Buch", also gemäß dem [X.] ergangen sein (§ 108 [X.]). Eine Entscheidung im Verfahren über Erstattungsansprü-che der Leistungsträger untereinander gemäß §§ 102 ff. [X.] - z.B. im Erstat-tungsstreit zwischen der [X.]rankenkasse und dem Träger der [X.] - reicht nicht aus (vgl. [X.]rasney, NZS 2004, 68, 71 m.w.N.). Dies entspricht der in § 109 [X.] getroffenen Regelung, wonach grundsätzlich nur die - natürlichen oder juristischen - Personen, deren [X.]aftung nach den §§ 104 bis 107 [X.] beschränkt ist, berechtigt sind, statt der Berechtigten die Feststel-lungen nach § 108 [X.] zu beantragen, wenn der Versicherte sowie seine Angehörigen oder [X.]interbliebenen an der Feststellung nicht interessiert sind. Zwar hat das [X.] entschieden, dass auch ein [X.]fz-[X.]aftpflichtversicherer, wenn er von dem durch einen Unfall Verletzten direkt in Anspruch genommen wird, jedenfalls in entsprechender Anwendung des [X.] § 639 RVO die Feststellungen nach § 638 Abs. 1 RVO beantragen und das 13 14 - 8 - Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz betreiben kann. Es stellt dabei jedoch auf die Sonderregelung des § 3 Nr. 1 [X.] ab, wonach der durch einen Unfall im Straßenverkehr Verletzte seine Entschädigungsansprüche auch direkt gegen den [X.]fz-[X.]aftpflichtversicherer geltend machen kann (vgl. [X.], 279). Dies ist aber nicht auf andere [X.]aftpflichtversicherer zu übertragen, für die eine sol-che Sonderregelung nicht besteht, so dass diese nicht nach § 109 [X.] zur Feststellung berechtigt sind (vgl. [X.]rasney, aaO, 73; [X.], [X.], 2. Aufl., § 109 Rn. 5). Danach wären hier weder die [X.]lägerin noch die Beklagte berech-tigt, anstelle des Geschädigten einen Feststellungsantrag zu stellen. Unabhängig davon könnten sie dies nicht, weil eine Feststellungsberech-tigung nach § 109 [X.] nur besteht, wenn Versicherte, ihre Angehörigen oder [X.]interbliebenen Schadensersatzforderungen erheben. Dies kommt hier nicht mehr in Betracht, weil sich der Verletzte und der Schädiger bereits in ei-nem vorangegangenen [X.] verglichen haben. 3. Nach alledem ist bei dem vom Sozialversicherungsträger geltend ge-machten Anspruch aus dem Teilungsabkommen gegen den [X.]aftpflichtversiche-rer keine Interessenlage gegeben, die der entspricht, die für die gesetzliche Regelung des § 108 [X.] maßgebend war und eine Gleichbehandlung 15 16 - 9 - erfordern würde. Deshalb kommt eine entsprechende Anwendung dieser Vor-schrift nicht in Betracht. Die für die Anwendung des Teilungsabkommens maß-gebende Vorfrage ist daher durch das Zivilgericht selbst zu klären. Eine Aus-setzung des Verfahrens nach § 108 [X.] durfte deshalb nicht erfolgen.
[X.] [X.]

[X.]

[X.]

[X.] Vorinstanzen: LG [X.]iel, Entscheidung vom 19.05.2004 - 17 O 90/03 - [X.], Entscheidung vom 17.11.2004 - 7 U 47/04 -

Meta

VI ZB 78/04

20.09.2005

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2005, Az. VI ZB 78/04 (REWIS RS 2005, 1768)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1768

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