Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VI ZR 34/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4478

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[X.] DES [X.]/02Verkündet am:11. Februar 2003Böhringer-Mangold,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:[X.]:ja[X.]R: ja§§ 104, 105, 106 [X.] die Folgen eines Arbeitsunfalls haftet der Schädiger dem Geschädigten [X.] der Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das [X.] nur, wenn sein Vorsatz auch den Eintritt eines ernstlichen [X.] umfaßt hat. Bei einem durch schülertypisches Verhalten verursachtenSchulunfall muß sich der Vorsatz insbesondere auch darauf erstreckt haben, daß beidem geschädigten Mitschüler ernsthafte Verletzungsfolgen eintreten.[X.], Urteil vom 11. Februar 2003 - [X.] - [X.] LG [X.]- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.], den [X.]. [X.], die Richterin [X.] sowie [X.] und Zollfür Recht erkannt:Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 10. Januar 2002 wird [X.].Der [X.]läger hat die [X.]osten des Revisionsverfahrens zu tragen.Von Rechts [X.]:Der [X.]läger verlangt von dem Beklagten, einem ehemaligen Mitschüler,Ersatz wegen des [X.], den er bei einem Schulunfall im [X.] erlitten hat.Der 16 Jahre alte [X.]läger und der 15 Jahre alte Beklagte hielten sich sei-nerzeit zusammen mit anderen Schülern im Unterrichtsraum auf. Als der Lehrerdiesen kurzzeitig verließ, schlug der Beklagte [X.]ugeln aus Aluminiumfolie durchden Raum. Dazu nahm er eine auf dem [X.] liegende Eisensäge an sichund verwendete sie wie einen Tennisschläger. Bei dem zweiten derart ausge-führten Schlag löste sich das Sägeblatt, schlug auf einem Tisch auf und traf denvier Meter entfernt sitzenden [X.]läger im [X.] 3 -Infolge des Unfalls musste sich der [X.]läger zwei Operationen unterzie-hen. Er verlor das Sehvermögen auf dem rechten Auge sowie den Teil [X.]. Seine Erwerbsfähigkeit ist dauerhaft um 30% herabgesetzt.Der Unfall wurde als Schulunfall anerkannt. Der [X.]läger bezieht [X.] eine monatliche Unfallrente in Höhe von 447,87 DM. Mit der [X.] er den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld, auf Geldersatz we-gen der Folgen des erlittenen [X.] und auf Feststellung in [X.].Das [X.] hat die [X.]lage unter Hinweis auf die Haftungsprivilegie-rung des Beklagten gemäß den §§ 104, 105 [X.] abgewiesen. Die Berufungdes [X.] hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt [X.] sein Begehren weiter.Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht ist der Auffassung, die Haftung des Beklagten seinach den §§ 104, 105, 106 [X.] ausgeschlossen. Eine Entsperrung derHaftung nach diesen Vorschriften komme - wie bei den durch sie abgelöstenRegelungen der §§ 636 ff. [X.] - nur in Betracht, wenn sich der Vorsatz [X.] nicht nur auf die schädigende Handlung, sondern auch auf [X.] beziehe.Hier habe der Beklagte zwar hinsichtlich der Verletzungshandlung mitbedingtem Vorsatz gehandelt. Doch sei nicht davon auszugehen, daß sich seinVorsatz auch auf den eingetretenen [X.] erstreckt habe. Mit [X.] 4 -Verletzung des [X.], wie sie tatsächlich eingetreten sei, habe der [X.] den Umständen nicht rechnen müssen.II.Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revi-sion stand. Der Ausschluß der Haftung des Beklagten für die Folgen des [X.] ergibt sich aus den §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 [X.] inVerbindung mit § 106 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 8b [X.]. Danach ist- bezogen auf die hier vorliegende Fallkonstellation - der Schüler einer allge-meinbildenden Schule, der während des Schulbesuchs und der Teilnahme [X.] einen Schulunfall verursacht, indem er einen Mitschüler verletzt, [X.] des [X.] nach dem Recht der unerlaubten [X.] ff. [X.]) nur verpflichtet, wenn er den Unfall vorsätzlich herbeigeführthat. Eine vorsätzliche Herbeiführung des hier in Frage stehenden Unfalls durchden Beklagten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.1. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Berufungsgericht [X.] davon ausgegangen, dass sich der Schädiger auf das Haftungsprivilegder §§ 104, 105 [X.] auch dann berufen kann, wenn er zwar vorsätzlichgehandelt hat, der eingetretene Schaden indes von seinem Vorsatz nicht [X.] war. Eine Entsperrung der Haftung tritt in diesem Fall, wie schon unter derGeltung der §§ 636, 637 [X.], nicht ein. Die Ablösung der §§ 636 ff. [X.] §§ 104 ff. [X.] mit dem Gesetz zur Einordnung des Rechts der gesetzli-chen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch ([X.] - vom 7. August 1996, [X.]l. I 1254) hat an [X.] nichts geändert. Lediglich hinsichtlich der [X.] des Schädigers gegenüber den [X.] ist eine Ände-- 5 -rung der Rechtslage eingetreten, weil der Gesetzgeber insoweit in § 110 Abs. 1Satz 3 [X.] ausdrücklich eine von § 640 [X.] abweichende Regelung [X.] hat, daß sich das Verschulden nur auf das den Versicherungsfall ver-ursachende Handeln oder Unterlassen zu beziehen braucht; dies wirkt sich [X.] auf den [X.] der §§ 104, 105 [X.] nicht aus.a) Diese rechtliche Beurteilung ist allerdings nicht unumstritten. [X.] die Ansicht vertreten, das in den §§ 104 ff. [X.] geregelte [X.] entfalle bereits dann, wenn der Vorsatz des Schädigers sich auf das [X.] Verhalten beziehe ([X.], [X.], 1294, 1296 [X.], [X.] 1997, 61 f.; [X.]/[X.], [X.], Gesetzliche [X.], Stand Januar 2003, [X.] § 104 Rdn. 28; [X.], NZV 1996, 473, 477; [X.],NJW 1996, 3177, 3178; [X.], 1194, 1200; [X.] 2001, 2294, 2297; ders.in: [X.] [X.]ommentar zum Arbeitsrecht, 3. Aufl., § 104 [X.] Rdn. 20; da-hingestellt bei [X.], [X.], 2098; [X.], [X.], 423,424). Zur Begründung wird auf den geänderten Wortlaut der neuen gesetzli-chen Regelungen (—[X.] statt —[X.]) und darauf [X.], daß der Gesetzgeber mit der in § 110 Abs. 1 Satz 3 [X.] getroffenenBestimmung nicht nur die Haftung gegenüber den [X.],sondern auch die gegenüber dem Geschädigten erfaßt habe.b) Demgegenüber wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, daß [X.] bei der Einordnung der gesetzlichen Unfallversicherung in [X.] für den Anspruch des Geschädigten eine Änderung der bisdahin bestehenden Rechtslage weder in den neuen gesetzlichen Vorschriftenzum Ausdruck gebracht noch beabsichtigt habe und daß lediglich für die [X.] gegenüber den [X.] eine vom bisherigen Rechts-zustand abweichende Regelung getroffen worden sei (vgl. [X.], [X.], 1550; [X.], [X.] 2000, 329, 330; [X.], [X.] 2002, [X.] 6 -331 f. mit zustimmender Anmerkung von [X.]; [X.], ZfS 2002,577 f.; [X.], [X.] 2000, 504; [X.], [X.] 2001, 367; [X.], [X.] 2000, 329; [X.], NJW-RR 2000, 1625 f. = VersR 2002,239 f.; [X.], [X.] 2000, 460 f. mit zustimmender Anmerkung von [X.]; [X.]/[X.]rasney, Handbuch des Sozialrechts Bd. 3/1, Stand [X.], § 104 Rdn. 22; Falkenkötter, [X.] 1999, 379 f.; [X.]ater/[X.], [X.], [X.] § 104, [X.]; [X.], [X.] 1998, 54, 56;Ricke in: [X.]asseler [X.]ommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand [X.], § 104 Rdn. 12; Waltermann, NJW 1997, 3401, 3402; 2002, 1225, 1226;ders. in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, Stand Juli 2002, § 104 [X.] Rdn. 19;Wussow/[X.], [X.], 15. Aufl., [X.]ap. 80 Rdn. 87).c) Dieser Auffassung folgt der erkennende [X.]) In dem Urteil vom 20. November 1979 ([X.]Z 75, 328 ff.) hat [X.] ausgeführt, daß eine Entsperrung der Haftung wegen vorsätzlicher [X.] des Arbeitsunfalls sowohl im Bereich des bei der Haftung gegenüberdem Sozialversicherungsträger - um die es in jenem Streitfall ging - geregelten[X.] gemäß § 640 [X.] als auch im Bereich des bei der Haftunggegenüber dem Geschädigten geregelten [X.] gemäß den §§ 636,637 [X.] nur stattfindet, wenn der Vorsatz (oder im Regelungsbereich des§ 640 [X.] die grobe Fahrlässigkeit) des Schädigers auch Eintritt und [X.] Schadens umfaßt. Den Grund für diese Einschränkung hat der Senat daringesehen, daß der Schädiger den Schutz durch die gesetzliche [X.] nicht schon dann verlieren soll, wenn er überhaupt eine Verletzungshand-lung begangen hat, sondern nur dann, wenn er mit der Herbeiführung des Un-falls den Schaden in besonders vorwerfbarer Weise angerichtet hat, so [X.] durch die Versichertengemeinschaft als nicht mehrvertretbar erscheint. In der Regel soll dem Schädiger, nicht zuletzt im [X.], gerade das Risiko der Haftung für Arbeitsunfälle abge-nommen werden. Eine Ausnahme erscheint nur gerechtfertigt, wenn ihm [X.] schwerwiegende Vorwürfe gemacht werden können. Dies ist aber nichtder Fall, wenn er mit dem Eintritt eines größeren Schadens nicht gerechnet hat.Speziell für den Bereich der [X.] hat der Senat die Notwendigkeit einersolchen Sichtweise betont. Spielereien und Raufereien von [X.]indern und Ju-gendlichen, bei denen die Zufügung von Schmerzen häufig gewollt ist oder [X.] billigend in [X.]auf genommen wird, gehören zu den typischen durch dieSchulsituation bedingten Verhaltensweisen. Die Beteiligten beabsichtigen dabeiin der Regel nicht, einander ernsthafte und dauerhafte Verletzungen zuzufügen,zu denen es gleichwohl gelegentlich kommen kann. Die Folgen solch typischer[X.] sollen dem jeweiligen Schädiger aber durch die [X.] abgenommen werden, nicht zuletzt im Interesse des Schulfriedens unddes ungestörten Zusammenlebens von Lehrern und Schülern in der Schule.bb) Dieser rechtlichen Beurteilung sind die Instanzgerichte zu den§§ 636, 637 [X.] durchgehend gefolgt (vgl. die Nachweise bei [X.], [X.], 1194, 1199); in der Literatur ist sie nur gelegentlich beanstandet worden(vgl. [X.], [X.] 1987, 529 ff.). Sie trifft in gleicher Weise für das jetzt in den§§ 104, 105 [X.] geregelte Haftungsprivileg zu.(1) Aus der Änderung des Wortlauts der §§ 104 Abs. 1, 105 Abs. 1 [X.] gegenüber den §§ 636, 637 [X.] läßt sich eine Änderung der [X.] herleiten.Nach § 636 Abs. 1 Satz 1 [X.], auf den § 637 [X.] verweist, ist [X.] den in seinem Unternehmen tätigen Versicherten nach anderengesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des [X.], den ein Arbeits-unfall verursacht hat, u.a. nur dann verpflichtet, wenn er den —[X.] vor-- 8 -sätzlich herbeigeführt hat. In § 104 Abs. 1 Satz 1 und § 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] heißt es nun, der —[X.] müsse vorsätzlich herbeigeführt sein.Die Änderung von —[X.] in —[X.] bietet keinen An-satzpunkt für die Annahme, damit habe der Regelungsgehalt der [X.] abweichend von der bisherigen Rechtslage gestaltet werden sollen.Denn nach § 7 Abs. 1 [X.] sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Be-rufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Arbeitsunfälle Unfälle [X.] infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6[X.] begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit); nicht anders [X.] 548 Abs. 1 Satz 1 [X.] den Arbeitsunfall als einen Unfall, den ein Versicher-ter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 [X.] genannten [X.] erleidet. Damit verweisen die §§ 104, 105 [X.] auf den in seinem Sinn-gehalt unveränderten Begriff des Arbeitsunfalls. Da zudem § 8 Abs. 1 Satz 2[X.] Unfälle als zeitlich begrenzte, von außen auf den [X.]örper einwirkendeEreignisse, die zu einem Gesundheitsschaden führen, definiert, steht der Ge-setzeswortlaut nicht dem Erfordernis eines Vorsatzes entgegen, der sich auchauf den Eintritt eines Schadens bezieht.(2) Auch inhaltlich ist eine Änderung des [X.] der §§ 104,105 [X.] im Vergleich zu dem der §§ 636, 637 [X.] nicht festzustellen, so-weit es die hier interessierende Fragestellung betrifft. Insbesondere läßt sichden Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, daß der Gesetzgeber in diesemPunkt eine Änderung beabsichtigt hat, ohne dies zum Ausdruck zu bringen. [X.] Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum [X.]s-Einordnungsgesetz heißt es zu § 104 Abs. 1 [X.], Satz 1 beschränke—die Haftung des Unternehmers für Personenschäden nach anderen gesetzli-chen Vorschriften gegenüber dem Versicherten, seinen Angehörigen und Hin-terbliebenen entsprechend dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 [X.]) auf- 9 -vorsätzliches Handeln des Unternehmers und auf [X.]; zu § 105Abs. 1 [X.] wird lediglich darauf verwiesen, entsprechend der in § 104Abs. 1 für Unternehmer getroffenen Regelung werde die Haftung der im Unter-nehmen tätigen Personen beschränkt ([X.]. 13/2204, S. 100).(3) Für die Gegenmeinung spricht auch nicht die Erwägung, daß der Ge-setzgeber mit § 110 Abs. 1 Satz 3 [X.], wonach sich das Verschulden nurauf das den Versicherungsfall verursachende Handeln oder Unterlassen zu be-ziehen braucht, eine von § 640 [X.] abweichende Regelung getroffen hat (zurinsoweit abweichenden Ansicht ausführlich [X.], [X.], 1294 ff.).Tatsächlich haben die Vorschriften einen unterschiedlichen Regelungsgehalt,der die unterschiedlichen Anforderungen an den Vorsatz rechtfertigt.(3.1) Die §§ 110 bis 113 [X.] (Viertes [X.]apitel, Zweiter Abschnitt)betreffen die Haftung gegenüber den [X.]. Die §§ 104bis 109 [X.] (Viertes [X.]apitel, Erster Abschnitt) betreffen die [X.] gegenüber Versicherten, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen.Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber das Verschuldenserfordernis in bei-den Regelungsbereichen gleich behandeln wollte, obwohl er in den §§ 104, 105[X.] in [X.]enntnis der bisherigen Rechtsprechung zu den §§ 636, 637 [X.]keine dem § 110 Abs. 1 Satz 3 [X.] entsprechende Regelung getroffen hat,sind nicht ersichtlich. In der Begründung des Gesetzentwurfs zu dieser Vor-schrift heißt es lediglich, sie stelle klar, daß sich das Verschulden nur auf [X.] und Unterlassen zu beziehen brauche, das den Versicherungsfall [X.] hat ([X.]. 13/2204, [X.]). Jeder Hinweis darauf, daß [X.] auch für die Entsperrung der Haftung gemäß den §§ 104, 105 [X.]gelten solle, fehlt. Vielmehr wird in der Begründung zu § 104 Abs. 1 Satz 1 [X.] - wie bereits ausgeführt - lediglich darauf verwiesen, die Regelung entspre-che dem geltenden Recht (§ 636 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Daraus, daß in der Be-- 10 -gründung zu § 110 Abs. 1 Satz 3 [X.] der Begriff der —[X.]larstellungfi verwen-det wird, kann nichts anderes hergeleitet werden.(3.2) Im übrigen ist hinsichtlich des Vorsatzes eine Unterscheidung zwi-schen dem Anspruch des Geschädigten und dem Anspruch des Sozialversiche-rungsträgers auch in der Sache gerechtfertigt.(3.2.1) Der Ausgestaltung des erstgenannten Anspruchs liegt die Erwä-gung zugrunde, daß die Ablösung der Haftpflicht der Unternehmer (§ 104 [X.]) eine der wesentlichen Grundlagen der Unfallversicherung ist, die sich ausder Beitragspflicht der Unternehmer (§§ 150 ff. [X.]) ergibt. Daneben dientsie der Wahrung des Betriebsfriedens, weil sie [X.] und Versichertem verhindert. Die Haftungsbefreiung derer, diedurch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall verursachen (§ 105[X.]), bezweckt ebenfalls die Wahrung des Betriebsfriedens und beruhtdarüber hinaus auf der Überlegung, daß das Zusammenwirken im Betrieb jenach den daraus drohenden Gefahren leicht zu Schädigungen führen kann, sodaß eine Haftung des Schädigers in der Regel als unbillig erscheint und nurdann Platz greifen soll, wenn ihn ein besonders schwerer Vorwurf trifft und des-halb eine Belastung der Versichertengemeinschaft nicht mehr vertretbar [X.].Demgegenüber knüpft der originäre Anspruch des [X.] gegen den Schädiger aus § 110 [X.] zwar für das Eintreten derHaftung an die zuletzt genannte Überlegung an. Maßgeblich dafür, dem [X.] in solchen Fällen eine Ersatzpflicht aufzubürden, sind aber letztlich prä-ventive und erzieherische Gründe (vgl. Senatsurteile [X.]Z 57, 96, 99, 102; 75,328, 331 zu § 640 [X.]). Deshalb haftet der Schädiger gegenüber dem Sozial-versicherungsträger nach § 110 Abs. 1 Satz 1 [X.] bereits dann, wenn der- 11 -Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt wurde. Bei dieser Betrach-tungsweise stellt die Regelung in § 110 Abs. 1 Satz 3 [X.], wonach sich [X.] nur auf das den Versicherungsfall verursachende Handeln undUnterlassen zu beziehen braucht, eine Einschränkung des [X.] gegenüber der in den §§ 104, 105 [X.] getroffenen Regelung dar.Für eine einheitliche Auslegung besteht insofern kein Anlaß.(3.2.2) Sie ist auch nicht aus sachlichen Gründen geboten. Der in den§§ 104, 105 [X.] im Vordergrund stehende Gedanke der Wahrung des [X.] ist für den Anspruch der Sozialversicherungsträger nicht von aus-schlaggebender Bedeutung. Die Geltendmachung des Anspruchs durch einenSozialversicherungsträger als außenstehendem Dritten belastet die betrieblicheZusammenarbeit in weitaus geringerem Maße als eine Auseinandersetzungunter den an dem Arbeitsunfall unmittelbar Beteiligten. Ob der Schädiger über-haupt in Anspruch genommen wird, steht zudem in gewissem Maße im Ermes-sen des Sozialversicherungsträgers. Nach § 110 Abs. 2 [X.] kann [X.] billigem Ermessen, insbesondere unter Berücksichtigung der wirtschaftli-chen Verhältnisse des Schädigers, auf den Ersatzanspruch ganz oder teilweiseverzichten (zu den Voraussetzungen vgl. Senatsurteil [X.]Z 57, 96 ff. zu § 640[X.]; Ricke, aaO, Rdn. 10). Der erkennende Senat hat auf diesen Umstandbereits in dem Urteil vom 20. November 1979 ([X.]Z 75, 328, 334) hingewie-sen.(3.2.3) Insbesondere hinsichtlich der hier zu beurteilenden Gruppe der[X.] hat sich an den Gründen für die einschränkende Auslegung [X.] in den genannten Vorschriften nichts geändert. [X.] von Schülern bei Spielereien, Raufereien und übermü-tigem und bedenkenlosem Handeln während der Abwesenheit von [X.], die ohne den Willen zur Zufügung eines größeren [X.]örperschadens- 12 -erfolgen, gehören nach wie vor zum Schulalltag. Derartige Verhaltensweisenberuhen auf dem natürlichen Spieltrieb und - gerade auch bei Schülern im Pu-bertätsalter - auf einem typischen Gruppenverhalten; sie gehören somit geradezu den spezifischen Gefahren des —[X.] Schule, um deretwillen der Unfall-versicherungsschutz der Schüler besteht (vgl. Senatsurteil [X.]Z 67, 279, 283;BSG, NJW 1996, 2678, 2679).Die Einbeziehung der Schüler in die Unfallversicherung soll zum einenden verletzten Schüler schützen, zum anderen aber auch den an der Verlet-zung schuldigen Mitschüler - von den Fällen des vorsätzlichen Handelns abge-sehen - von seiner zivilrechtlichen Haftung freistellen, um ihn vor unter [X.] finanziellen Belastungen zu bewahren (Senatsurteil [X.]Z 67,279, 284). Wollte man in den Fällen, in denen es durch die unglückliche Ver-kettung von Zufällen zu schwereren Verletzungen von Mitschülern kommt, be-reits die vorsätzliche Tathandlung für die Entsperrung der Haftung ausreichenlassen, liefe das Haftungsprivileg gerade bei dieser Gruppe typischer Schulun-fälle vielfach leer. Dies kann nicht der Sinn der gesetzlichen Regelung sein.Dabei ist auch zu bedenken, daß der schädigende Schüler, dem das [X.] nicht zugute kommt, nicht nur für die materiellen Personenschäden,sondern auch für den immateriellen Schaden aufzukommen hat und ihm damiteine Belastung auferlegt wird, die diejenige durch die Inanspruchnahme [X.] ganz erheblich übersteigen kann.2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Be-rufungsgerichts, der Vorsatz des Beklagten habe sich nicht auf den eingetrete-nen [X.] erstreckt.Das Berufungsgericht hat - von der Revision nicht beanstandet - [X.] getroffen, die Verletzungshandlung habe während des [X.] bei kurzfristiger Abwesenheit des Lehrers in einer aus jugendlichemÜbermut entstandenen Spielsituation (dem Herumschlagen von [X.]) stattgefunden.Das reicht zur Annahme eines bedingten Vorsatzes nicht aus. Zwar [X.] Berufungsgericht davon aus, daß der Beklagte billigend in [X.]auf genommenhat, durch das Herumschlagen der [X.] könnten möglicherweiseMitschüler verletzt werden. Nach den vorstehenden Ausführungen hätte [X.] sein Vorsatz auch auf eine ernsthafte Verletzungsfolge erstrecken müs-sen. Eine entsprechende Feststellung hat das Berufungsgericht nicht getroffen,ohne daß die Revision insoweit einen durchgreifenden Verfahrensfehler aufzu-zeigen vermag. Sie macht auch nicht geltend, daß die vom Berufungsgerichtgetroffenen Feststellungen unzulänglich seien, sondern will lediglich aus dengetroffenen Feststellungen andere Schlüsse ziehen. Damit kann sie jedoch kei-nen Erfolg haben.Insbesondere ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, daß das Be-rufungsgericht weder aus dem Umstand, daß die Verletzung eines Mitschülersnicht nur durch das sich lösende Sägeblatt, sondern auch durch die Aluminium-kugeln selbst hätte geschehen können, noch daraus, daß der Beklagte bereitsfrüher einen Mitschüler durch ein Papierkügelchen am Auge verletzt hatte, [X.] gezogen hat, der Beklagte habe es in [X.]auf genommen, dem [X.]läger eineschwere Augenverletzung zuzufügen. Die von der Revision angeführte Lebens-erfahrung bietet für einen dahin gehenden zwingenden Schluß keine ausrei-chende Grundlage. Entsprechendes gilt für die von der Revision weiter ange-führte Verwendung der Säge als Schlagwerkzeug und den Abstand der [X.] zum Sitzplatz des [X.] von vier [X.] -Schließlich rügt die Revision ein zu enges Verständnis des [X.], weil das Berufungsgericht den Vorsatz mit der Erwägung verneint habe,daß der [X.]läger nicht von einer Aluminiumkugel, sondern von dem sich lösendenSägeblatt verletzt worden sei. Ob der Vorsatz alleine mit dieser Begründungverneint werden könnte, kann dahinstehen. Das Berufungsgericht hat [X.] festgestellten Gesamtsituation den Schluß gezogen, daß der Beklagte we-der mit dem konkreten Ablauf der Ereignisse noch damit rechnete, der [X.]lägerkönne eine schwere Augenverletzung erleiden und dadurch das Sehvermögenauf einem Auge verlieren. Dies läßt einen revisionsrechtlich relevanten Fehlernicht erkennen.[X.] Revision ist danach mit der [X.]ostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO [X.].Müller [X.] [X.] Pauge Zoll

Meta

VI ZR 34/02

11.02.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VI ZR 34/02 (REWIS RS 2003, 4478)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4478

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