Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2017, Az. V ZB 118/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5056

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:200917[X.]VZ[X.]118.17.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
V [X.]
vom

20. September 2017

in der [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 15 Abs. 5; FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2
a)
Auch die Anordnung von [X.] ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, §
106 Abs. 2 [X.] nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten [X.]e-hörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforde-rungen an die [X.]egründung entspricht.
b)
Auf die [X.] ist Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung nicht anzuwenden (Ergänzung von Senat, [X.]eschluss vom 22. Juni 2017 -
V [X.], juris Rn.
10).
c)
[X.]ei der Prüfung der Anordnung von [X.] sind sowohl die [X.]verweigerung als auch die Entschließung der zuständigen [X.]ehörden, die
Rücküberstellung des [X.]etroffenen in einen bestimmten Mitgliedstaat zu betreiben, von den [X.] als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur zu prüfen, ob der [X.]etroffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz ge-gen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und den Stand sowie den voraussichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen.

[X.], [X.]eschluss vom 20. September 2017 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]
-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 20. September 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, [X.], die Richterin [X.] und [X.] Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]eschluss der 4. Zivilkammer des [X.] vom 28. April 2017 wird auf Kosten des [X.]etroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der [X.]etroffene, ein afghanischer Staatsangehöriger, wollte am 16. März 2017 mit dem Zug von [X.] aus nach [X.] einreisen. [X.]ei der grenzpolizeilichen Kontrolle im Zug durch die [X.]eamten der beteiligten [X.]ehörde führte er nur eine (echte) [X.] [X.], aber keine gültigen Einreisedokumente bei sich. Die beteiligte [X.]ehörde verweigerte ihm
durch [X.]e-scheid vom selben Tag
unter Aushändigung einer Kopie des [X.]escheids die [X.]; ihre [X.]eamten nahmen den [X.]etroffenen vorläufig fest. In Abstimmung mit dem zuständigen [X.] betrieb die beteiligte [X.]ehörde die Zurückweisung des [X.]etroffenen nach [X.].

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Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht gegen den [X.]etroffenen nach [X.] persönlicher
Anhörung am 17. März 2017 [X.] bis zum 25.
April 2017
angeordnet. Während des [X.]eschwerdeverfahrens ist der [X.]e-troffene am 30. März 2017 auf Veranlassung des zuständigen [X.]es mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der geänderten [X.]n Asylgesetze am 28.
März 2017 aus der Haft entlassen und aufgefordert worden,
eine [X.] aufzusuchen. Die mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der an-geordneten [X.] festzustellen, fortgeführte [X.]eschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte [X.]ehörde beantragt, verfolgt der [X.]etroffene seinen Feststellungs-antrag weiter.
II.
Das [X.]eschwerdegericht meint, Grundlage der angeordneten Haft sei §
15 Abs. 5 [X.], weil der [X.]etroffene noch nicht in das [X.] ein-gereist, sondern bei dem Versuch der Einreise durch [X.]eamte der beteiligten [X.]ehörde festgenommen worden sei. Der Haftanordnung habe ein ausreichend begründeter
und damit zulässiger Antrag der beteiligten [X.]ehörde zugrunde ge-legen. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen. Die beteiligte [X.]ehörde habe dem [X.]etroffenen die Einreise verweigert und seine Zu-rückweisung nach [X.] betrieben. Ob der [X.]etroffene im Hinblick
auf die [X.] dort nach [X.] hätte zurückgewiesen werden dürfen, sei im [X.] über die [X.] nicht
zu prüfen. Die nach Art. 15 der [X.] erforderliche Fluchtgefahr habe bestanden. Der beantragte [X.] von sechs Wochen sei mit [X.]lick
auf die Erfahrungen mit [X.]
nicht zu beanstanden.
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-
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung im Wesentlichen stand.
1. Der angeordneten [X.] liegt, wovon das [X.]eschwerde-gericht zutreffend ausgeht, ein zulässiger Haftantrag zugrunde.
a) Auch die Anordnung von [X.] ist nach § 15 Abs. 5 Satz 1, § 106 Abs. 2 [X.] nur zulässig, wenn der Haftantrag der beteiligten [X.]ehörde den in § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG bestimmten gesetzlichen Anforde-rungen an die [X.]egründung entspricht. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die nach
dieser Vorschrift zu bezeichnenden
Tatsachen auf die Abschie-bungs-
und die [X.] zugeschnitten sind und den [X.]esonder-heiten der [X.] nicht Rechnung tragen. Erforderlich sind bei der [X.] Darlegungen dazu, dass dem [X.]etroffenen
die Einreise verweigert worden ist und dass und aus welchen Gründen er nicht unmittelbar an der [X.] zurückgewiesen werden kann, sowie Darlegungen zur Durch-führbarkeit der Zurückweisung in den
beabsichtigten Zielstaat und zur notwen-digen Haftdauer. Zwar
dürfen die Ausführungen zur [X.]egründung des Haftan-trags
knapp
gehalten sein. Sie müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falles wesentlichen
Gesichtspunkte ansprechen. Fehlt es daran, darf die bean-tragte [X.] nicht angeordnet werden (vgl.
Senat, [X.]eschlüsse vom 10.
Mai
2012 -
V [X.], [X.]
2012,
328 Rn. 9
für Abschiebungs-haft, vom 6. Dezember 2012 -
V [X.]/12,
juris Rn. 4 und vom 31. Januar 2013

V
Z[X.]
20/12, [X.] 2013, 130 Rn. 15
beide für Zurückschiebungshaft).
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b) Diesen Anforderungen genügte der Haftantrag der beteiligten [X.]e-hörde.
aa) Diese hat in dem Haftantrag dargelegt, dass sie den [X.]etroffenen bei dem Versuch, unerlaubt in das [X.] einzureisen,
aufgehalten und ihm die Einreise verweigert hat. Sie hat eine Kopie der Einreiseverweigerung [X.] und mitgeteilt, dass der [X.]etroffene nicht unmittelbar nach [X.], von wo aus er unerlaubt einreisen wollte, zurückgewiesen werden könne, sondern gemäß der Dublin-III-Verordnung nach [X.] als dem [X.] werden müsse. Sie hat weiter ausgeführt, dass sie in Abstim-mung mit dem zuständigen [X.] die Zurückweisung des [X.]etroffenen an den [X.] [X.] nach den Vorschriften der [X.] betreibe, und den Verlauf
der in Haftsachen beschleunigten Rücküberstel-lung nach Art 28 Abs. 3 Dublin-III-Verordnung beschrieben. Das ist ausrei-chend.
bb) Entgegen der Annahme des [X.]etroffenen fehlte es nicht an der für die Zulässigkeit des [X.] erforderlichen Darlegung der Durchführbarkeit ei-r-

im Hinblick auf das geplante Ziel-land der Zurückweisung seien keine Durchführungshindernisse ersichtlich.
Sie hat sich hierauf aber nicht beschränkt, sondern im Abschnitt Sachverhalt

die Grundlagen dieser Schlussfolgerung dargelegt. Sie hat dort nämlich ausgeführt, der [X.]etroffene sei mit einer [X.]n [X.] angetroffen [X.]. Er habe schon einmal unerlaubt [X.] verlassen und sei von [X.] aufgrund einer Rücküberstellung aus [X.] wieder aufgenommen worden. Nachdem ihm die [X.]n [X.]ehörden eröffnet hätten, sie wollten ihn nach [X.] abschieben, habe er [X.] erneut verlassen. Diese Ausführun-gen boten dem Haftrichter eine ausreichende Grundlage für die von ihm nach 7
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§
26 FamFG anzustellende amtswegige Prüfung
und genügten deshalb den Anforderungen
(vgl. dazu: Senat, [X.]eschluss vom 30. März 2017 -
V [X.], [X.] 2017, 185 Rn. 12 f.).
Die Auseinandersetzung mit den Einwänden des [X.]etroffenen gegen diese Einschätzung, nämlich der geringen Zahl tatsächlich durchgeführter Rücküberstellungen, den Mängeln des [X.]n Asylverfah-rens und der Erklärung der [X.]n [X.]ehörden in dem Verfahren [X.]/17 vor dem Senat, betrifft nicht die
Zulässigkeit des [X.],
sondern seine [X.]egründetheit
(zu dieser Abgrenzung: Senat, [X.]eschluss vom 30.
März 2017 -
V [X.], [X.] 2017, 185
Rn. 13 mwN).
2. Die Haftanordnung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
a) Die Voraussetzungen der angeordneten [X.] ergeben sich allerdings nur aus § 15 Abs. 5 [X.] und dem
aus dem Rechtsstaats-prinzip des Art.
20 Abs. 2 GG abzuleitenden
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
aa) Die [X.] setzt ebenso wie die Verlängerung des [X.] nach Ablauf von
30 Tagen
(dazu Senat, [X.]eschluss vom 10.
März 2016 -
V [X.], [X.] 2016, 295 Rn. 5) einen Haftgrund nicht voraus
(Senat, [X.]eschluss vom 22. Juni 2017 -
V [X.],
[X.] 2017, 345
Rn. 10). Art.
15 der Rückführungsrichtlinie ist auf die [X.] nicht anwendbar. [X.]
hat
mit der Einführung und [X.]eibehaltung der [X.] nach § 15 Abs. 5 [X.] und
des [X.] gemäß §
15 Abs. 6 [X.] für die Fälle der unerlaubten Einreise auf dem Luft-, See-
oder Landweg ein Sonderregime eingeführt, das die Haftanordnung nicht von dem Vorliegen von [X.] abhängig macht; das ist nach Art. 2 Abs. 2 der Rückführungsrichtlinie zulässig
(dazu: Senat, [X.]eschluss vom 10. März 2016
-
V [X.], [X.] 2016, 295 Rn. 5, 9 f. für Transitaufenthalt).
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bb) Entgegen der Auffassung der beteiligten [X.]ehörde und des Amtsge-richts ist auf die [X.] auch Art.
28 Abs. 2 der [X.] nicht anzuwenden. Die Anordnung von [X.] setzt nach §
15 Abs. 5 [X.]
voraus, dass die Zurückweisung an der [X.] nicht un-mittelbar vollzogen werden kann, etwa, weil -
wie hier -
eine Wiederaufnahme durch den [X.], von dem aus der [X.]etroffene nach [X.] [X.] einreisen wollte, daran scheitert, dass dieser zu dessen ([X.] nicht verpflichtet ist. Die Zurückweisung muss in diesen Fällen entweder ähnlich wie eine Abschiebung durch Wiederaufnahme seitens eines [X.] oder ähnlich wie eine Rücküberstellung durch Wiederaufnahme durch den Erst-aufnahmestaat oder einen anderen Staat
erfolgen, der zur Wiederaufnahme des [X.]etroffenen nach Art. 18 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet ist. In dem zweiten Fall
unterliegt die Haft aber nicht den Voraussetzungen von Art.
28 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung. Das ergibt eine legislative Interpretation der Vorschrift (zu dieser Figur
im
nationalen Recht: Senat, Urteil vom 27. März 2015 -
V [X.], [X.]Z 204, 364 Rn. 20) durch den [X.]sgesetzgeber selbst, was eine Vorlage an den [X.] entbehr-lich macht (sog. acte claire, [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 -
Rs. 283/81 [X.], [X.]:C:1982:335 Rn. 14 f., 16; [X.],
[X.] Methodenlehre, 3. Aufl., § 23 Rn. 27, 29). Die Mitgliedstaaten sind nämlich nach Art.
14
Abs. 4 des [X.] Grenzkodexes
und, wenn eine Kontrolle der [X.]innengrenzen stattfindet, nach Art. 32
i.[X.].
Art 13 Abs. 4 des [X.] Grenzkodexes
verpflichtet, die unerlaubte Einreise durch Flüchtlin-ge zu verhindern. Die Haft zur Sicherung der Prüfung des Rechts auf Einreise bildet nach Art. 8 Abs. 3
[X.]uchstabe c
der Richtlinie 2013/33/[X.]
(vom 26. Juni 2013, [X.]. [X.] Nr. L 180 S. 96 -
Aufnahmerichtlinie) einen eigenständigen Haft-grund, den die Richtlinie von dem Haftgrund zur Sicherung der Rücküberstel-lung eines unerlaubt eingereisten Ausländers nach Art. 28 Abs. 2 der Dublin-III-13
-
8
-
Verordnung unterscheidet
(vgl. Art. 8 Abs. 3 [X.]uchstabe f
der Aufnahmerichtli-nie). Die Prüfung des Rechts des [X.]etroffenen auf Einreise umfasst auch die Prüfung, ob der Staat, in den der [X.]etroffene an sich nicht einreisen darf, nach Art.
3 Abs. 2 Unterabs. 3 der Dublin-III-Verordnung verpflichtet oder nach Art.
17 der Dublin-III-Verordnung berechtigt ist, die Sachprüfung des Antrags des [X.]etroffenen auf internationalen Schutz zu übernehmen und dem [X.] dazu die Einreise zu gestatten.
b) Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 [X.] waren gegeben. Der [X.]etroffene ist bei dem Versuch der unerlaubten Einreise in das [X.] durch [X.]eamte der beteiligten [X.]ehörde aufgehalten und festgenommen worden. Diese haben ihm die Einreise in das [X.] verweigert. Es war nicht möglich, den [X.]etroffenen nach [X.] zurückzuschicken, weil [X.] zu dessen Aufnahme nicht verpflichtet ist.
Die Haftrichterin durfte auch davon [X.], dass die Zurückweisung eines [X.]etroffenen im Wege der Rücküberstel-lung an den zur Rücknahme verpflichteten [X.] mangels abwei-chender Anhaltspunkte die in Art. 28 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung [X.] von sechs Wochen benötigt, in diesem Zeitraum aber auch gelingen wird.
c) Die Anordnung der [X.] ist entgegen der Auffassung des [X.]etroffenen auch nicht deshalb
rechtswidrig, weil das Amtsgericht weder
geprüft hat, ob die Rücküberstellung des [X.]etroffenen nach [X.] hätte erfol-gen dürfen, noch, ob sie an der fehlenden [X.]ereitschaft [X.]s zur Rücknahme tatsächlich gescheitert wäre.
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aa) Die Rechtmäßigkeit der Einreiseverweigerung der beteiligten [X.] und der Entscheidung des zuständigen [X.]s, den [X.]etroffenen Un-garn
zur Wiederaufnahme anzubieten, hatte das Amtsgericht schon nicht zu prüfen.
(1) Richtig ist allerdings, dass ein Asylbewerber nach der Rechtspre-chung des Gerichtshofs der [X.]n [X.] im Rahmen der Dublin-III-Ver-ordnung nur unter [X.]edingungen in einen anderen Mitgliedstaat der [X.] zu-rücküberstellt werden darf, die es ausschließen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, bei seiner Überstellung eine unmenschliche oder erniedrigende [X.] im Sinne von Art. 4 der [X.]-Grundrechte-Charta ([X.]GRCh)
zu erleiden (Urteile
vom 16. Februar 2017 -
Rs. [X.]/16 [X.] u. a. gegen Republik
Slo-wenien, [X.]:[X.] Rn. 65
und vom 26.
Juli 2017 -
Rs. [X.]/16 -
A.S. gegen [X.],
[X.]:[X.] Rn. 41). [X.] nehmen im [X.] an die Rechtsprechung des [X.]n Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteile des Gerichtshofs vom 5. Juli 2016
-
Rs. 9912/15, [X.], Rn. 40 ff. und vom 14. März 2017
-
Rs. 47287/15 -
Ilias and [X.], Rn. 98 ff., 117 ff.) und der [X.] (Nachweise bei [X.], Urteil vom 15. No-vember 2016 -
EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42) nach früher unterschiedlicher [X.]eurteilung (Nachweise bei: [X.], Urteil vom 15. November 2016
-
EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42; [X.], [X.]eschluss
vom
12.
Juni
2015 -
13a [X.], juris Rn. 4 ff.)
seit
Ende 2016 an, dass die dargestellten Voraussetzungen für eine Rücküberstellung von [X.]etroffenen nach [X.] derzeit nicht gegeben sind ([X.], Urteil vom 6. Juni 2017 -
4 A 584/16.A, juris Rn. 27 ff.; [X.], Urteil vom 15. November 2016
-
EzAR-NF 65 Nr. 43 = juris Rn. 42 ff.; [X.], Urteil vom
13. Oktober 2016 -
A 11 S 1596/16, DV[X.]l. 2016, 1615 Rn. 34 ff.; [X.], Urteil vom
16
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23. März 2017 -
13a [X.] 17.5003, juris Rn. 24 ff.; [X.], Urteil vom
9.
März 2017 -
2 A 364/16, juris Rn. 24 ff.).
(2) Daraus folgt aber nicht, dass das Amtsgericht die beantragte Haft [X.] ablehnen dürfen oder müssen. Dem steht die Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten einerseits und den [X.] andererseits entge-gen. Die Haftgerichte haben nicht zu prüfen, ob die beteiligte [X.]ehörde die Ab-schiebung, Rücküberstellung oder -
hier -
die Zurückweisung in einen anderen Staat zu Recht betreibt; diese Prüfung ist allein Aufgabe der [X.] (Senat, [X.]eschlüsse vom 12. Juni 1986 -
V Z[X.] 9/86, [X.]Z 98, 109, 112, vom 16. Dezember 2009 -
V Z[X.] 148/09, [X.] 2010, 50 Rn. 7 und vom 6. Mai 2010 -
V Z[X.] 193/09,
[X.]
2010, 361 Rn. 19; [X.], [X.]eschluss vom 25. Sep-tember 1980 -
VII Z[X.] 5/80, [X.]Z 78, 145, 147; [X.]VerfG, [X.]eschluss vom 1. April 1999 -
2 [X.]vR 400/99, juris Rn. 3; [X.]VerwGE 62, 325, 328). [X.]ei der Prüfung der Anordnung von [X.] sind deshalb sowohl die Einreiseverweige-rung als auch die Entschließung der zuständigen [X.]ehörden, die Rücküberstel-lung des [X.]etroffenen in einen
bestimmten Mitgliedstaat zu betreiben, von den [X.] als gegeben hinzunehmen. Sie haben nur
zu prüfen, ob der [X.]e-troffene vor den Verwaltungsgerichten Rechtsschutz gegen die maßgeblichen Verwaltungsentscheidungen beantragt hat, und
den Stand sowie
den voraus-sichtlichen Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens aufzuklären und bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen ([X.]VerfGK 15, 139, 147). Die Anord-nung auch von [X.] ist deshalb abzulehnen, wenn der [X.]etroffe-ne dagegen (einstweiligen) Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist,
dass das Verwaltungsgericht dem Antrag stattgeben wird. Ob diese Erwartung gerechtfertigt ist, wird sich regelmäßig nur durch Nachfrage bei dem Verwal-tungsgericht feststellen lassen. Anders kann es liegen, wenn allgemein bekannt ist, dass die Verwaltungsgerichte Rechtsschutzanträgen bei der Überstellung oder Abschiebung in einzelnen Länder regelmäßig stattgeben (bejaht für [X.]
-
11
-
chenland: Senat, [X.]eschlüsse vom 25. Februar 2010 -
V Z[X.] 172/09, [X.] 2010, 150 Rn. 25-27, vom 15. Juli 2010 -
V Z[X.] 10/10, NVwZ 2011, 127 Rn. 13, vom 21. Oktober 2010 -
V Z[X.] 96/10, juris Rn. 16 und vom 3. Februar 2011
-
V Z[X.] 12/10, juris Rn.
9 f.; verneint z.[X.]. für die [X.]: Senat, [X.]eschluss vom 12. Mai 2011 -
V Z[X.] 309/10 juris Rn. 20). Hat der [X.]etroffene dagegen Verwaltungsrechtsschutz nicht beantragt, haben die Haftgerichte von dem [X.]estand der Verwaltungsentscheidungen auszugehen und
eine angeord-nete Haft gegebenenfalls gemäß §
426 FamFG (von Amts wegen) aufzuheben, wenn ihnen später bekannt wird, dass der [X.]etroffene bei dem
Verwaltungsge-richt
doch Rechtsschutz beantragt hat und zu erwarten ist, dass das Verwal-tungsgericht dem Antrag entsprechen wird (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 25. [X.] 2010 -
V Z[X.] 172/09, [X.] 2010, 150 Rn. 27).
(3) Im vorliegenden Fall hat der [X.]etroffene verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht beantragt
und das auch nicht angekündigt. Das Amtsgericht war deshalb sowohl an die Einreiseverweigerung als auch an die Entscheidung des zuständigen [X.]s zur Rücküberstellung des [X.]etroffenen nach Un-garn gebunden.
bb) Vor der Anordnung von [X.] muss der Haftrichter [X.] gemäß § 26 FamFG von Amts wegen Anhaltspunkten dafür nachge-hen, dass der von der beteiligten [X.]ehörde in Aussicht genommene Zielstaat zur Wiederaufnahme des [X.]etroffenen nicht bereit und deshalb die Durchführbarkeit der Zurückweisung tatsächlich nicht gesichert ist. Solche Anhaltspunkte be-standen hier entgegen der Annahme des [X.]etroffenen aber nicht.
(1) [X.] hat zwar in den Jahren 2015 und 2016 nur etwa der Hälfte der [X.] Rücküberstellungen
zugestimmt. Es ist auch nur in etwa 1
% der Fälle tatsächlich zu einer Rücküberstellung von [X.]etroffenen nach [X.] ge-19
20
21
-
12
-
kommen
(Auskunft der [X.]undesregierung in [X.]T-Drucks. 18/6860 S. 40
ff.).
Das gab dem Amtsrichter
aber keine Veranlassung, an der Durchführbarkeit der Zu-rückweisung des [X.]etroffenen nach [X.] zu zweifeln. Schon die statistischen Angaben ergeben die von dem [X.]etroffenen unterstellte generelle Verweigerung der Wiederaufnahme von Flüchtlingen durch [X.] nicht. Die konkreten Um-stände im Fall des [X.]etroffenen sprechen zudem dagegen. [X.] hat dem [X.]e-troffenen eine [X.] ausgestellt, die dieser auch bei sich führte. Es hat den [X.]etroffenen auf Ersuchen [X.]s wenige Monate zuvor wieder
aufgenommen. Anhaltspunkte dafür, dass und weshalb die [X.]n [X.]n konkret in seinem Fall anderen Sinnes geworden sein könnten, bestanden nicht.
(2) Einen solchen Anhaltspunkt, dem das Amtsgericht von Amts wegen hätte nachgehen müssen,
ergibt auch die Erklärung [X.]s in dem bei dem Senat anhängigen Verfahren [X.]/17 nicht. In diesem Verfahren hat Un-garn
nämlich keineswegs erklärt, dass es Rücküberstellungen
aus anderen Mit-gliedstaaten grundsätzlich nicht mehr akzeptiere. Es hat vielmehr nur erklärt, dass es zur Wiederaufnahme von Flüchtlingen nicht bereit sei, deren Anträge auf internationalen Schutz von anderen Mitgliedstaaten als [X.] geprüft werden müssten. Der [X.]etroffene ist hier aber erstmals in [X.] als Asylbewerber registriert worden. [X.] hat ihm, wie bereits erwähnt,
eine [X.] ausgestellt und ist nach den Angaben des [X.]etroffenen vor der Haftrichterin
auch in die Sachprüfung seines Antrags eingetreten. Nichts sprach dafür, dass [X.]
eine Wiederaufnahme des [X.]etroffenen unter diesen Umständen ablehnen würde.
22
-
13
-
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Entscheidung über den Geschäftswert auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Kazele

[X.]
Hamdorf
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 17.03.2017 -
1 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 28.04.2017 -
4 [X.]/17 -

23

Meta

V ZB 118/17

20.09.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.09.2017, Az. V ZB 118/17 (REWIS RS 2017, 5056)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5056

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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