Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 2 BvR 751/11

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2011, 2025

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Ablehnung eines offensichtlich aussichtslosen Wiedereinsetzungsantrags: Unverschuldete Fristversäumnis iSd § 93 Abs 2 BVerfGG nicht glaubhaft gemacht - Widerspruch zwischen angeblicher Einzelweisung und Vermerk des Vorabversandes per Telefax „ohne Anlagen“ - Missbrauchsgebühr zu Lasten des Bevollmächtigten iHv 1000 Euro


Tenor

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgelehnt.

Dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 1.000 € (in Worten: eintausend Euro) auferlegt.

Gründe

1

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist abzulehnen. Ein Fall der unverschuldeten Fristversäumnis im Sinne des § 93 Abs. 2 [X.] ist nicht glaubhaft dargelegt.

2

Die Beschwerdeführerin hatte mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 4. April 2011 Verfassungsbeschwerde erhoben, die am selben Tag per Telefax ohne Anlagen beim [X.] einging. Der [X.] mit Anlagen ging erst am 9. April 2011 und damit nach Ablauf der Beschwerdefrist aus § 93 Abs. 1 [X.] ein. Die Verfassungsbeschwerde wurde mit [X.] vom 27. Juni 2011 nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie nicht fristgemäß begründet worden war.

3

Die Beschwerdeführerin beantragte am 5. Juli 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung behauptete ihr Prozessbevollmächtigter, er habe die [X.] nach Unterzeichnung des [X.]es und der beglaubigten Abschriften angewiesen, die Verfassungsbeschwerde samt Anlagen fristwahrend an das [X.] zu faxen. Die Kanzleiangestellte habe aber aufgrund eines Versehens nur den Schriftsatz ohne Anlagen gefaxt, was dem Prozessbevollmächtigten erst durch die Nichtannahmeentscheidung vom 27. Juni 2011 zur Kenntnis gelangt sei.

4

Der Wiedereinsetzungsantrag ist abzulehnen. Ein Fall der unverschuldeten Fristversäumnis ist nicht glaubhaft dargelegt.

5

Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zutrifft, er habe seine Kanzleiangestellte angewiesen, den [X.] einschließlich Anlagen an das [X.] zu faxen. Hiergegen spricht, dass auf der gefaxten wie auf der später im Original eingegangenen Verfassungsbeschwerdeschrift in Fettdruck "vorab per Fax ... (ohne Anlagen)" vermerkt ist. Selbst wenn die Darstellung des Prozessbevollmächtigten zu seiner der Kanzleiangestellten mündlich erteilten Weisung zuträfe, wäre damit im Übrigen fehlendes Verschulden nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, da der Bevollmächtigte in diesem Fall die Angestellte jedenfalls einem Widerspruch zwischen der mündlich und der durch Unterzeichnung des [X.]es mit dem fettgedruckten [X.] schriftlich erteilten Anweisung ausgesetzt hätte. An dieser Beurteilung ändert auch die eidesstattliche Versicherung der Kanzleiangestelltennichts. Diese berichtet nichts darüber, in welcher Form der Auftrag erfolgte, den Schriftsatz samt Anlagen zu faxen. Der Widerspruch zwischen der Angabe auf der ersten Schriftsatzseite "Vorab per Fax ... (ohne Anlagen)" und der angeblichen [X.] wird weder erwähnt noch erklärt.

6

2. Dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin ist nach dem Vorstehenden eine [X.] - in der angemessen erscheinenden Höhe von 1.000 € - aufzuerlegen.

7

Nach § 34 Abs. 2 [X.] kann das [X.] eine Gebühr bis zu 2.600 € auferlegen, wenn die Einlegung der Verfassungsbeschwerde einen Missbrauch darstellt. Diese Regelung erfasst auch den Fall, dass jedenfalls die Aufrechterhaltung der Verfassungsbeschwerde missbräuchlich ist (vgl. [X.], Beschluss der [X.] des Zweiten Senats vom 19. Juni 1997 - 2 BvR 1057/97 -, juris). Das [X.] muss es nicht hinnehmen, dass es an der Erfüllung seiner Aufgaben durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (vgl. [X.]K 3, 219 <222>; 6, 219 <219>; 10, 94 <97>). Die Inanspruchnahme der Arbeitskapazität des [X.]s im Verfassungsbeschwerdeverfahren stellt einen Missbrauch dar, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. [X.]K 6, 219 <219>; 10, 94 <97>; 14, 468 <470>). Dies gilt auch für den hier gegebenen Fall des Versuchs, einer verfristeten Verfassungsbeschwerde mittels eines für jeden Einsichtigen offensichtlich aussichtslosen [X.] doch noch zu einer Sachbehandlung zu verhelfen.

8

Die [X.] kann dem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers auferlegt werden, wenn die Missbräuchlichkeit, wie hier, diesem zuzurechnen ist (vgl. [X.]K 6, 219 <220>; 10, 94 <97 f.>; 14, 468 <471>).

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvR 751/11

25.10.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Beschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. November 2010, Az: 4 U 91/09, Urteil

§ 34 Abs 2 BVerfGG, § 93 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 93 Abs 2 S 6 BVerfGG

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.2011, Az. 2 BvR 751/11 (REWIS RS 2011, 2025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2025

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 122/20

2 BvR 162/16

L 3 SB 132/18

1 BvR 123/21

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