Bundespatentgericht, Urteil vom 08.10.2013, Az. 1 Ni 7/12

1. Senat | REWIS RS 2013, 2237

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – zum Antrag auf Feststellung der Wirkungslosigkeit eines mit einem europäischen Patent übereinstimmenden deutschen Patents wegen Verbot des Doppelschutzes - Unzulässigkeit des Hilfsantrags mangels einer rechtlichen Grundlage


Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das [X.] Patent 197 23 279

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2013 durch die Präsidentin [X.], sowie [X.], [X.], [X.] und [X.] (Univ.) [X.] (FH) Ausfelder

für Recht erkannt:

[X.] Die Klage wird abgewiesen.

I[X.] Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 4. Juni 1997 angemeldeten Patents [X.] 197 23 279 (Streitpatent), dessen Erteilung am 23. April 1998 bekannt gemacht wurde. Es betrifft ein Messer und umfasst 28 Ansprüche, die ausnahmslos angegriffen sind. Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

2

Messer (10) mit einem [X.] (11), in welchem ein eine Messerklinge (14) aufnehmender [X.] (15) relativ beweglich geführt ist, welcher mittels einer [X.] (42) entgegen Rückstellkraft (Zugfeder 24) aus einer im [X.] (11) geschützten, zurückgezogenen Ausgangsposition (A) der Messerklinge (14) in eine aus dem [X.] (11) vorragende Schneidposition der Messerklinge (14) versetzbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass die [X.] (42) von einem relativ zum [X.] (15) beweglichen gesonderten [X.] (27) gebildet ist, welches entgegen der Ausfahrbewegung des [X.]s (15) mit einer gesonderten Rückstellkraft (Zugfeder 38) belastet ist, dass [X.] (15) und [X.] (27) in ihrer Ausgangsposition (A) durch ein primäres Kupplungselement (P) des [X.]s (27) oder des [X.]s (15) und durch ein korrespondierendes sekundäres Kupplungselement (S) des [X.]s (15) oder des [X.]s (27) nur im Ausfahrsinne des [X.]s (15) auf Mitnahme bewegungsgekuppelt, jedoch im Einfahrsinne des [X.]s (15) außer Eingriff miteinander sind, dass die Bewegung (bei a) des [X.]s (27) im Ausfahrsinne des [X.]s (15) begrenzt ist, und dass dem [X.] (15) eine zusätzliche Relativbewegung (Weg R) in Ausfahrrichtung (x) gestattet ist, welche die beiden Kupplungselemente (P, S) außer Eingriff miteinander versetzt.

3

Wegen des Wortlauts der auch angegriffenen und direkt oder indirekt auf Anspruch 1 rückbezogenen [X.] 2 bis 28 wird auf die Streitpatentschrift [X.] 197 23 279 C1 Bezug genommen.

4

Am 31. März 1998 meldete die Rechtsvorgängerin der Beklagten ein inhaltsgleiches europäisches Patent an, in dem unter anderem auch die [X.] als Vertragsstaat benannt war. Unter dem Datum des 4. Juli 2002 versandte das [X.] den Erteilungsbeschluss für das EP 0 882 553. Mit Schreiben vom 6. August 2002 nahmen die damaligen Vertreter der Rechtvorgängerin die Benennung des Vertragsstaates Deutschland zurück.

5

Die Klägerin ist der Auffassung, das Streitpatent sei wegen Verbots des [X.] gemäß Art. II § 8 Abs. 1 [X.] wirkungslos und im Übrigen wegen fehlender Patentfähigkeit für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften und Dokumente:

6

NK6 [X.]: „Entwicklung eines sicheren Schneidwerkzeugs für die Papierverarbeitung", Diplomarbeit an der [X.], 1993

7

[X.] AT 64 710 B (= EP 244 517 B1)

8

[X.] [X.] 42 00 018 C1

9

[X.] [X.] 26 19 493 A1

NK10 [X.] 43 15 495 A1

[X.] [X.] 36 22 342 A1

[X.] [X.] 2 976 959

[X.] [X.] 5 426 855 A

[X.] GB 649 406.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 197 23 279 in vollem Umfang für nichtig zu erklären,

hilfsweise festzustellen, dass das [X.] Patent 197 23 279 wegen des Verbots des [X.] aus Art. II § 8 Abs. 1 [X.] unwirksam ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 die Fassung gemäß Anlage 1 zum Schriftsatz vom 20. September 2012 erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 28 der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag 1),

weiter hilfsweise mit der Maßgabe, dass Anspruch 1 die Fassung gemäß Anlage 2 zum Schriftsatz vom 20. September 2012 erhält und sich hieran die Ansprüche 2 bis 28 der erteilten Fassung anschließen (Hilfsantrag 2).

Entscheidungsgründe

Die Klage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet.

Weder zeigt eine der von der Klägerin in das Verfahren eingeführten [X.] den Gegenstand des Streitpatents mit allen seinen Merkmalen, noch legt eine Kombination der eingeführten Druckschriften den Gegenstand des Streitpatents nahe, so dass er ohne erfinderisches Zutun gefunden hätte werden können.

Der Hilfsantrag der Klägerin ist unzulässig.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft ein Messer nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1.

Im in der [X.] gewürdigten Stand der Technik war ein solches [X.] bereits aus der [X.] [X.] bekannt. Dieses Messer besteht aus einem im wesentlichen hohlen [X.], in dem sich ein [X.] mit Schneidklinge befindet, der durch ein mit ihm verbundenes Handhabungsteil, welches durch den [X.], aus dem [X.] heraus verschoben werden kann. An dem [X.] befindet sich eine [X.]iralfeder, die durch das [X.] des [X.]s so gedehnt wird, dass sie die Klinge mit [X.] und Handhabungsteil wieder in die Ausgangsposition zurückzieht, sobald auf die Klinge keine der Federkraft entgegengesetzten [X.] mehr wirken. Hierdurch befindet sich die Schneide der Klinge wieder insgesamt in dem [X.], so dass eine Verletzungsgefahr ausgeschlossen ist. Als nachteilig hieran kritisiert das Klagepatent jedoch, dass nicht nur die [X.] - während des [X.] - ein Zurückschnellen der Klinge in den [X.] verhindern, sondern auch das Festhalten des [X.] in der Position, mit der die Klinge zunächst aus dem [X.] herausgeschoben wird. Hierdurch können, beispielsweise bei einem versehentlichen Abrutschen, Verletzungen durch die Klingenschneide verursacht werden ([X.]alte 1, Zeile 3 bis 34 der Streitpatentschrift).

2. Vor diesem Hintergrund ist in der Streitpatentschrift als Aufgabe formuliert, das bekannte Messer hinsichtlich seiner Sicherheitsfunktion zu verbessern.

3. Gelöst werden soll diese Aufgabe nach Patentanspruch 1 durch ein Messer mit folgenden Merkmalen:

1. Messer (10) mit einem [X.] (11);

2. in dem [X.] ist ein [X.] (15) relativ beweglich geführt;

3.1 der [X.] (15) nimmt eine Messerklinge (14) auf;

3.2 der [X.] (15) ist aus einer im [X.] (11) geschützten, zurückgezogenen Ausgangsposition (A) der Messerklinge (14) in eine aus dem [X.] (11) vorragende Schneidposition der Messerklinge (14) versetzbar;

3.2.1 das Versetzen des [X.]s (15) aus der Ausgangsposition (A) erfolgt mittels einer [X.] (42);

3.2.2 das Versetzen des [X.]s (15) aus der Ausgangsposition (A) erfolgt entgegen Rückstellkraft (Zugfeder 24);

Oberbegriff

4. die [X.] (42) ist von einem relativ zum [X.] (15) beweglichen gesonderten [X.] (27) gebildet;

5. das [X.] (27) ist entgegen der Ausfahrbewegung des [X.]s (15) mit einer gesonderten Rückstellkraft (Zugfeder 38) belastet;

6. [X.] (15) und [X.] (27) sind in ihrer Ausgangsposition (A) nur im Ausfahrsinne des [X.]s (15) auf Mitnahme bewegungsgekuppelt;

6.1 die Kupplung erfolgt durch

entweder

 a) ein primäres Kupplungselement (P) des [X.]s (27) und durch ein korrespondierendes sekundäres Kupplungselement (S) des [X.]s (15)

oder alternativ hierzu

 b) ein primäres Kupplungselement (P) des [X.]s (15) und durch ein korrespondierendes sekundäres Kupplungselement (S) des [X.]s (27);

7. [X.] (15) und [X.] (27) sind im Einfahrsinne des [X.]s (15) miteinander außer Eingriff;

8. die Bewegung (bei a) des [X.]s (27) ist im Ausfahrsinne des [X.]s (15) begrenzt;

9. dem [X.] (15) ist eine zusätzliche Relativbewegung (Weg R) in [X.] gestattet;

10. die zusätzliche Relativbewegung (Weg R) in [X.] (x) versetzt die beiden Kupplungselemente (P, S) miteinander außer Eingriff.

Kennzeichen

4. Als Fachmann beschäftigte sich mit dem Gebiet des Streitpatents zum Anmeldezeitpunkt ein Maschinenbautechniker oder ein Diplom-Ingenieur (FH) Maschinenbau mit Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von [X.]n.

5. Hinsichtlich der stets gebotenen Auslegung der Patentansprüche ([X.], 959, [X.]. 20 - Pumpeinrichtung) ist entscheidend, welcher technische Sinngehalt aus der Sicht des angesprochenen Fachmanns den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt ([X.], 129, [X.]. 29 – [X.]; [X.], 311, [X.]. 15 – Baumscheibenabdeckung). Die Patentschrift stellt hierbei im Hinblick auf die gebrauchten Begriffe auch ihr eigenes Lexikon dar ([X.], 909, 912 – [X.]annschraube; [X.]. 2000, 105, 106 - Extrusionskopf).

Nachfolgend sind die [X.]. 2, 4 und 5 eines Ausführungsbeispiels des Streitpatents wiedergegeben. Das patentgemäße Messer (10) weist ein [X.] (11) auf (Merkmal 1). Gemäß dem Merkmalen 2 bis 3.2 ist in dem [X.] (11) ein [X.] (15), der eine Messerklinge (14) aufnimmt, zwischen einer im [X.] (11) geschützten, zurückgezogenen Ausgangsposition (A) der Messerklinge (14), die in [X.]. 2 dargestellt ist, in eine aus dem [X.] (11) vorragende Schneidposition der Messerklinge (14) versetzbar, die in [X.]. 4 dargestellt ist.

Abbildung

Abbildung

Die [X.]. 4 und 5 stellen unterschiedliche Betriebszustände des Messers dar ([X.]alte 4, Zeile 50 und 51 der Streitpatentschrift), nämlich [X.]. 4 den Zustand der durch die [X.] (42) vorgeschobenen [X.]s (15), [X.]. 5 den Zustand, wenn die Messerklinge (14) in das Schneidgut (45) eingreift und das gesamte Messer (10, vgl. [X.].1) eine Schneidbewegung in [X.] ([X.]) durchführt ([X.]alte 6, Zeile 35 bis 37).

Der [X.] (15) wird mittels einer [X.] (42, vgl. [X.]. 1) aus der Ausgangsposition (A) gemäß [X.]. 2 entgegen der Rückstellkraft insbesondere einer Feder (24) in die vorgeschobene Stellung gemäß [X.]. 4 versetzt (Merkmale 3.2.1 und 3.2.2). Die [X.] (42) weist ein gesondertes [X.] (27) auf, das relativ zum [X.] (15) beweglich ist (Merkmal 4). Gemäß Merkmal 5 ist das [X.] (27) entgegen der Ausfahrbewegung des [X.]s (15) mit einer gesonderten Rückstellkraft belastet, im Ausführungsbeispiel mit einer weiteren Zugfeder (38). [X.] (15) und [X.] (27) sind in ihrer Ausgangsposition (A) nur im Ausfahrsinne des [X.]s (15) auf Mitnahme bewegungsgekuppelt. Die Kupplung erfolgt entweder durch ein primäres Kupplungselement (P) des [X.]s (27) und durch ein korrespondierendes sekundäres Kupplungselement (S) des [X.]s (15) (Merkmal 6.1a). Alternativ ist eine kinematische Umkehr der vorgehend beschrieben Kupplung möglich (Merkmal 6.1b, vgl. [X.]. 8 des Streitpatents). [X.] (15) und [X.] (27) sind gemäß Merkmal 7 im Einfahrsinne des [X.]s (15) miteinander außer Eingriff. Dieses wird in Verbindung mit den Merkmalen 9 und 10 verwirklicht. Gemäß Merkmal 9 ist dem [X.] (15) eine zusätzliche Relativbewegung (Weg R) in [X.] gestattet, diese zusätzliche Relativbewegung in [X.] (x) versetzt die beiden Kupplungselemente (P, S) außer Eingriff miteinander, vgl. [X.]. 5. Nach Merkmal 8 ist die Bewegung des [X.]s (27) im Ausfahrsinne des [X.]s (15) begrenzt, beispielsweise mittels eines Anschlages entsprechend Anspruch 5.

Merkmal 7 i. V. m. den Merkmalen 9 und 10 ist damit derart zu verstehen, dass die beiden Kupplungselemente zu Beginn des [X.] außer Eingriff geraten, vgl. [X.]alte 2, Zeile 31 bis 40. Hierdurch kann sich der [X.] zurückbewegen, auch wenn das [X.] noch in der vorderen Position gehalten wird, vgl. [X.]alte 2, Zeile 45 ff.

Dieses Verständnis entspricht im Übrigen auch dem in einem vorhergegangenen [X.] (4 Ni 29/05, Anlage [X.], Seite 9, letzter Abs.) und dem Urteil des [X.] (Urteil vom 20. Januar 2005, 4b [X.], Anlage [X.], Seite 6, drittletzter Abs.).

I[X.]

1. Das Messer gemäß Anspruch 1 ist neu.

Die Klägerin hat sich hinsichtlich der fehlenden Neuheit lediglich auf die [X.] berufen.

Die [X.] offenbart in der Variante 1.1 (Seite 74 f.) die Merkmale des Oberbegriffs, nämlich einen [X.], dort [X.] (2) genannt, der beweglich in einem [X.] (1) geführt ist und eine Messerklinge (nicht bezeichnet) aufnimmt (Merkmale 1, 2 und 3.1), vgl. die nachfolgend teilweise wiedergegebene Abb. 4.17 (Seite 75 der [X.]). Auf dieses Ausführungsbeispiel bezieht sich die Klägerin bei der Beurteilung der Neuheit des streitpatentgemäßen Messers.

Abbildung

Auch die Merkmale 3.2 bis 3.2.2 ergeben sich für den sachverständigen Leser ohne Weiteres, vgl. Abb. 4.17 i. V. m. Seite 74, dortige erste beiden Sätze: „Der [X.] (2) wird mit dem [X.] (7) nach vorn verschoben. Der [X.] ist mit einer Zugfeder (4) am Gehäuse (1) befestigt.“ Die Zugfeder sorgt für die Rückstellkraft, die die Messerklinge bei Nichtgebrauch in die zurückgezogene Position im [X.] zurückzieht. Die [X.] ([X.] 7) ist von einem relativ zum [X.] (2) beweglichen gesonderten Bauteil gebildet, was sich ohne Weiteres aus der Abb. 4.17 ergibt. Damit ist auch Merkmal 4 der [X.] zu entnehmen. Verwirklicht sind ferner die Merkmale 6 und 6.1, da [X.] (7) und [X.] (2) beim Ausfahren des Messers durch die Blattfeder (5) zwangsgekoppelt sind, vgl. Seite 74, Abs. 1.

Merkmal 7 besagt, dass beim Einfahren des Messers [X.] und [X.] außer Eingriff sind, was der [X.] nicht eindeutig zu entnehmen ist, da offen bleibt, ob nicht der [X.] in Ausfahrstellung des Messers verbleiben kann und dadurch eventuell die [X.] in Verbindung mit der Blattfeder verbleibt. Hierzu schweigt die Druckschrift. Das Merkmal 7 ergibt sich damit zumindest nicht unmittelbar und eindeutig ([X.], Urteil vom 16. Dezember 2008 - [X.], [X.]Z 179, 168 Rn. 25f. - [X.]). In der Variante 1.1 der [X.] ist der [X.] schwenkbar angeordnet, was keine zusätzliche Relativbewegung in [X.] im Sinne des Merkmals 9 umfasst. Diese zusätzliche Relativbewegung beim [X.] führt auch nicht dazu, dass sie die beiden Kupplungselemente (Blattfeder 5 und [X.]errklinke 6) im Sinne des Merkmals 10 zu Beginn des [X.] außer Eingriff versetzt, erst beim Beenden des [X.] wird der Eingriff zwischen [X.] (6) und Blattfeder (5) beendet, vgl. Seite 74, Abs. 2.

Ob in der Variante 1.1 der [X.] (Abb. 4.17) eine gesonderte Rückstellkraft im Sinne des Merkmals 5 auf den [X.] einwirkt und ob die Bewegung des [X.]s ([X.] 7) im Ausfahrsinne des [X.]s begrenzt ist (Merkmal 8), kann daher dahingestellt bleiben, denn die [X.] offenbart zumindest die Merkmale 9 sowie 10 und das Merkmal 7 nicht unmittelbar und eindeutig.

2. Das Messer gemäß Anspruch 1 ist durch den im Verfahren befindlichen Stand der Technik auch nicht nahegelegt.

Zumindest die Merkmale 9 und 10 werden durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Die [X.] selbst gibt keine Anregung zu dieser Ausbildung, da eine Trennung der beiden Kupplungselemente - wie vorstehend dargelegt - erst am Ende des [X.] erfolgt. Auch die übrigen [X.] geben zur patentgemäßen Sicherheitsfunktion keine Anregung.

[X.] (veröffentlicht 1951) beschreibt ein sogenanntes [X.]ringmesser, d. h. durch eine schnelle Bewegung des Handgelenkes („a flick of the wrist“, vgl. Seite 4, Zeile 84 bis 85) wird die Klinge ([X.]) aus dem [X.] (handle 2) nach vorn geschleudert und dort in der in [X.]. 1 dargestellten Position ([X.]/[X.], vgl. [X.]. 2) verriegelt, vgl. Seite 4, Zeile 84 bis 93. Diese in [X.]. 1 dargestellte Verriegelung wird zu Beginn des [X.], die mit einer Kippbewegung der Klinge (1) einhergeht, aufgehoben. Die Klinge wird durch die Feder (tension spring 4) in die Position gemäß [X.]. 2 zurückgezogen, in der die zweite [X.]erre ([X.]) wirksam ist. In der [X.]. 2 ist demgemäß die Klinge in ihrer eigentlichen Schneidposition dargestellt ist, vgl. Seite 3, Zeile 116 bis 118. Wenn nun der [X.] wegfällt, wird die [X.]erre (13) durch die Blattfeder ([X.]), die auf den Auslösemechanismus (escapement 11) drückt, entriegelt, wodurch die Klinge vollständig in das Gehäuse (2) zurückgezogen wird, vgl. Seite 2, Zeile 116 bis 125. Es fehlt somit bereits eine [X.] im Sinne des Streitpatents (Merkmal 3.2.1). [X.] ist in der [X.] lediglich die Möglichkeit, die Klinge (1) mittels einer Feder in das [X.] (handle 2) zurückzuziehen, wenn der [X.] wegfällt, vgl. Seite 1, Zeile 33 bis 37. Dieses offenbart aber bereits die [X.], so dass die [X.] allenfalls dazu anregt, die in der [X.] offenbarte Lösung zum Einziehen der Klinge durch die in der [X.] offenbarte Lösung zu ersetzen. Ob der Fachmann hierzu überhaupt einen Anlass hatte, kann dahingestellt bleiben, da diese Übertragung nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen würde.

Auch in Verbindung mit den übrigen [X.] wird der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt.

In den [X.] [X.] bis [X.] fehlt schon eine Kupplung zwischen [X.] und [X.], so dass schon fraglich ist, welche Veranlassung der Fachmann hatte, diesen Stand der Technik heranzuziehen, um ein Messer hinsichtlich seiner Sicherheitsfunktion zu verbessern. Die Druckschriften [X.] bis [X.] können daher keine Anregung geben, die Kupplung zwischen [X.] und [X.] zu Beginn des [X.] außer Eingriff zu setzen (Merkmal 10).

Im Übrigen sieht die [X.] einen Arm (16) vor, der als träge Masse wirkt. Bei heftigen Bewegungen des Messers wird eine Bewegung zwischen diesem Arm (16) und dem [X.] (12) des Messers hervorgerufen. Hierdurch wird der Eingriff (Falle 14, Anschlag 15) einer [X.]errklinke aufgehoben und die Messerklinge in den Griff zurückgezogen, vgl. Anspruch 1 und [X.]. 1, 2. Merkmal 10 wird hierdurch erkennbar nicht nahegelegt, da die [X.]erre lediglich das Zurückziehen der Messerklinge umfasst, die außerdem erst nach Beendigung des [X.] gelöst wird.

Die [X.] arbeitet nach dem gleichen Prinzip wie die [X.], vgl. [X.]alte 1, Zeile 7 bis 15 und Anspruch 1 i. V. m. [X.]. 1, 2. Es gelten daher die Ausführungen zur [X.] sinngemäß.

[X.] betrifft ein Schneidgerät, dessen blattförmige Klinge bei Nichtgebrauch des Schneidgerätes zum gefahrlosen Tragen in der Tasche gesichert ist. Es ist vorgesehen, dass das Schneidgerät aus zwei zueinander federnden, an ihren unteren Enden miteinander vereinigten Armen (1, 2) besteht, von denen der eine Arm (1) die Klinge (4) trägt und der andere Arm (2) einen Schlitz (6) aufweist, in dem die Klinge (4) mit ihrer Schneide (5) geführt ist, und dass der eine Arm (1) am Kopfende ein mit seinem einen Ende angelenktes [X.]errglied (7) aufweist, das in seiner unwirksamen Lage mit dem anderen Ende das Kopfende des anderen Armes (2) teilweise überlagert und bei Nichtgebrauch des Schneidgerätes mit seinem freien Ende zwischen die gespreizten Arme (1, 2) verbringbar ist, vgl. Anspruch 1 und [X.]. 2 und 3. Anregungen, ein Messer im Sinne der Merkmale 7, 9 und 10 auszubilden, gibt diese fernliegende Ausbildung erkennbar nicht.

In der [X.], die der Variante 2.3 der [X.] (vgl. Seite 79 und 80) entspricht, ist der [X.] (7) bereits vor Beginn des [X.] nicht mehr in Kontakt mit dem [X.], vgl. [X.].3 und [X.]alte 1, Zeile 32 bis 41 der [X.]. Auch diese Ausbildung vermag daher keine Anregung zu geben, die Kupplung zwischen [X.] und [X.] erst zu Beginn des [X.] dadurch zu lösen, dass dem [X.] eine zusätzliche Relativbewegung in [X.] gestattet ist. Die [X.] war im Übrigen bereits als einzige Entgegenhaltung im früheren [X.] betreffend das Streitpatent (4 Ni 29/05, Anlage [X.] der Klägerin) berücksichtigt worden.

In der [X.] erfolgt die Längsverschiebung des [X.]s (17) und damit der Messerklinge (14) nach vorn zur Schneidseite (S) entgegen der Rückstellkraft einer Zugfeder (19). Bei diesem [X.] (10) muss also der Betätigungsdaumen den [X.] (17) ständig in seiner Schneidposition halten, vgl. [X.]alte 4, Zeile 7 bis 11. Insbesondere fehlt daher eine lösbare Kupplung zwischen [X.] und Messerklinge.

[X.] betrifft die Ausbildung einer Rastvorrichtung und kein [X.]. Auch diese Druckschrift führt somit keinesfalls zum Merkmal 10 des Streitpatents.

[X.] betrifft ein Sicherheitsmehrzweckmesser mit einer austauschbaren Klinge, die im Normalfall eingezogen ist und sich in eine Schneidposition nur dann erstreckt, wenn ein Betätigungshebel gedrückt wird ([X.]alte 1, Zeile 9 bis 12), auch hier sind die Merkmale 9 und 10 nicht verwirklicht oder nahegelegt.

Auch ausgehend von der [X.] wird der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht nahegelegt.

Die Klägerin argumentierte zwar in der mündlichen Verhandlung, der Fachmann werde das aus der [X.] bekannte Messer mit einem [X.] beispielsweise nach der [X.] oder [X.] versehen und dann eine Kupplung zwischen [X.] und Klinge vorsehen, wie sie die [X.] offenbare. Damit sei ein Gegenstand mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 verwirklicht.

Der Senat vermag sich dieser Argumentation schon deshalb nicht anzuschließen, da in der [X.] die [X.]erre erst aufgehoben wird, wenn der [X.] wegfällt, vgl. obige Ausführungen zum Offenbarungsgehalt der [X.], was gerade nicht dem Merkmal 10 entspricht. Schon deshalb kann die Kombination der von der Klägerin herangezogenen Druckschriften nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen.

Die [X.] offenbart außerdem ein Messer, bei dem der [X.] 17 ständig in seiner Schneidposition gehalten werden muss. Sofern eine Kupplung im Sinne der [X.] zwischen [X.] und Messerklinge eingebaut würde, wäre das Messer möglicherweise nicht funktionsfähig, zumindest wäre aber Merkmal 10 nicht nahegelegt, da die [X.] allenfalls dazu anregt, eine Kupplung zwischen [X.] und [X.] erst nach Beendigung des [X.] zu lösen.

Dies gilt ebenfalls in Verbindung mit der [X.], die gleichfalls ein Messer offenbart, das eine feste Verbindung zwischen dem [X.] und dem [X.] vorsieht. Eine auslösende Kupplung zu Beginn des [X.] ist durch die [X.] nicht angeregt.

Anspruch 1 hat nach alledem Bestand.

Die [X.] 2 bis 28 werden durch den Anspruch 1 getragen.

II[X.]

Der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag ist unzulässig, weshalb die Frage, inwieweit sich eine zur Wirkungslosigkeit führende Übereinstimmung des Gegenstands des Streitpatents mit demjenigen der [X.] Patentschrift [X.]. II § 8 Abs. 1 [X.] auswirken würde, unterstellte man eine wirksame Erteilung des [X.] Patents für den Vertragsstaat Deutschland, ebenso dahinstehen kann wie die Frage, ob und inwieweit dies Auswirkungen auf ein [X.] haben könnte.

Die Unzulässigkeit des [X.] ergibt sich bereits aus dem Mangel einer rechtlichen Grundlage für die beantragte Feststellungsentscheidung. Für die Feststellung der Wirkungslosigkeit eines [X.] Patents gegenüber einem [X.] Patent gemäß Art. II § 8 Abs. 1 [X.] besteht nach der ersatzlosen Streichung der Vorschrift über das Verfahren zur Feststellung der Wirkungslosigkeit eines mit einem [X.] Patent übereinstimmenden [X.] Patents gemäß Art. II § 8 Abs. 3 [X.] mit Wirkung vom 1. Juni 1992 (Art. 15 Abs. 2, Art. 6 Nr. 5, [X.]) keine Rechtsgrundlage mehr, unabhängig von der dahinterstehenden Intention des Gesetzgebers.

Daher kann dahinstehen, ob tatsächlich ein Fall des [X.] eingetreten ist, was zweifelhaft sein dürfte, nachdem unter Erteilung i. S. d. Art. II § 8 Abs. 1 [X.] der Eintritt der Wirkungen des Art. 64 EPÜ zu verstehen sein wird, der gemäß Art. 97 Abs. 3 EPÜ die Bekanntmachung erfordert und Änderungen durch die Prüfungsstelle verhindert, nicht aber die (teilweise) Rücknahme durch den Anmelder in der Zwischenzeit (vgl. [X.]/[X.], EPÜ, 2. Aufl., Art. 97 [X.]. 34). Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob der von der Klägerin genannte Beschluss des [X.] ([X.] BlPMZ 1994, 284, 286 li. [X.]. oben – [X.]) tatsächlich einen Rechtsbehelf neben dem bereits gegebenen erfordert, selbst wenn man die unterschiedliche Zielsetzung eines Einspruchs- und eines [X.]s und das Abstellen auf "dafür vorgesehene Rechtsbehelfe oder Rechtsmittel" außer [X.] lässt. Schließlich lassen sich weder der von der Klägerin genannten Entscheidung [X.] 45, 190 – Schlauchbeutel, noch dem Urteil des [X.] vom 19. April 2011 ([X.], 848, 849 – Mautberechnung) weitere Nichtigkeitsgründe entnehmen, allenfalls, dass dort der Anwendungsbereich des [X.] der mangelnden Patentfähigkeit erweitert wird (vgl. Busse/Keukenschrijver, [X.], 7. Aufl., Art. II § 6 [X.], [X.]. 4 aE).

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 ZPO.

Meta

1 Ni 7/12

08.10.2013

Bundespatentgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 08.10.2013, Az. 1 Ni 7/12 (REWIS RS 2013, 2237)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2237

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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