Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.09.2012, Az. B 14 AS 36/12 B

14. Senat | REWIS RS 2012, 2954

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Gegenstand

(Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - Wohngeldantrag und -bewilligung - unterlassene Antragstellung nach SGB 2 - Anwendung des § 28 SGB 10 - sozialrechtlicher Herstellungsanspruch)


Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 23. Januar 2012 werden verworfen.

Außergerichtliche Kosten der Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Kläger, die in Bedarfsgemeinschaft leben, machen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) in der [X.] vom [X.] bis zum 3.9.2006 geltend. Sie tragen vor, die erste Antragstellung bei der Beklagten - einer Optionskommune - sei zwar erst am [X.] erfolgt, bereits am [X.] sei aber bei Bearbeitung des [X.] der Klägerin zu 1 beim Wohnungsamt der Beklagten erkennbar geworden, dass die Bedarfsgemeinschaft nicht über ausreichendes Einkommen verfüge und der Lebensunterhalt aus Schonvermögen (vgl § 12 Abs 2 [X.]) bestritten werde. Es sei vom Wohnungsamt lediglich Wohngeld bewilligt worden; weitergehende Hinweise seien nicht erfolgt. Die fehlende Antragstellung beim Träger der Grundsicherung sei entweder nach § 28 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) oder im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu ersetzen. Antrag, Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben (Bescheid der Beklagten vom 14.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.]; Urteil des [X.] vom 8.7.2010). Das [X.] ([X.]) hat die dagegen gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 23.11.2011).

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wenden sich die Kläger mit ihren Nichtzulassungsbeschwerden zum [X.] ([X.]) und machen die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

3

II. [X.] sind unzulässig, denn die Kläger haben den von ihnen allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz ) nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet bzw dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden waren daher ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG).

4

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist ([X.], 158 = [X.] 1500 § 160a [X.] 11; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 13). Es muss daher anhand des anwendbaren Rechts unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, ggf sogar des Schrifttums, angegeben werden, welche Fragen sich stellen, dass diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt.

5

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, die sich vorliegend aus dem Anwendungsbereich des § 28 [X.] ergeben könnten, nicht ausreichend dargelegt. Wegen der zunächst gestellten Frage,

        

 ob die Vorschrift des § 28 Satz 2 [X.] ebenso wie die Vorschrift des § 28 Satz 1 [X.] erfordert, dass die zunächst beantragte Sozialleistung abgelehnt wurde oder zu erstatten ist,

fehlt es an einer ausreichenden Darlegung, weshalb die aufgestellte Rechtsfrage klärungsbedürftig sein sollte. Ihre Beantwortung ergibt sich aus dem Gesetz. Der Wortlaut des § 28 Satz 2 [X.] setzt voraus, dass die zunächst beantragte ("erste") Leistung (hier das Wohngeld) tatsächlich nicht erbracht worden ist ("wenn diese erbracht worden wäre"). Dieses Ergebnis ist in der Literatur und Rechtsprechung nicht in Frage gestellt, wie auch die Kläger einräumen. Weitergehende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit sind nicht erfolgt.

6

Zudem setzen sich die Beschwerden nicht ausreichend mit der Rechtsprechung des Senats zu § 28 [X.] auseinander. § 28 Satz 2 [X.] gilt danach - wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut ergibt - nur in den Fällen des [X.] der zweiten Leistung ([X.] vom 19.10.2010 - [X.] AS 16/09 R - [X.] 4-4200 § 37 [X.] 3 Rd[X.] 27). Nach § 1 Abs 2 [X.] 1 Wohngeldgesetz ([X.]) in der zum [X.] geltenden Fassung (nunmehr § 7 [X.]) ergibt sich aber ein Nachrang von Leistungen nach dem [X.] gegenüber Leistungen nach dem [X.]. Es fehlt an einer Auseinandersetzung mit diesen Vorschriften sowie der zitierten Entscheidung des Senats und ausführlichen Darlegungen dazu, weshalb sich vor diesem Hintergrund gleichwohl noch die Rechtsfrage stellt, ob § 28 Satz 2 [X.] auch in anderen Fällen Anwendung finden könnte.

7

Auch hinsichtlich der zu den Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs formulierten Rechtsfrage,

        

 ob und unter welchen Voraussetzungen eine Wohngeldbehörde bei erkennbarer Bedarfsunterschreitung beim Einkommen und erkennbarer Bestreitung des Lebensunterhalts aus Schonvermögen im Rahmen der Spontanberatung verpflichtet ist, einen Antragsteller auf die Möglichkeit von Leistungen nach dem [X.] trotz bestehendem Schonvermögens im Hinblick auf die Vermögensfreibeträge hinzuweisen,

sind die Darlegungen zur grundsätzlichen Bedeutung nicht ausreichend. Zwar führen die Beschwerden aus, es sei nach der Rechtsprechung des [X.] unklar, ob die Wohngeldstelle auch hinsichtlich klar zu Tage tretender Gestaltungsmöglichkeiten im Hinblick auf Ansprüche nach dem [X.] beraten müsse und auf einem entsprechenden Beratungsmangel ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch beruhen könne. Dies genügt angesichts der zu dieser Problematik bislang ergangenen Rechtsprechung des [X.] aber nicht. Diese Rechtsprechung des [X.] ist zwar in der Beschwerdebegründung - zumindest teilweise - zitiert. Die Beschwerden zeigen jedoch nicht auf, weshalb die dort aufgestellten Grundsätze zur Beantwortung der von den Klägern aufgeworfenen Frage nicht ausreichen und welche weitergehenden Fragen sich stellen. Ausgehend von der bisherigen Rechtsprechung (vgl insbesondere [X.] [X.] 4-1200 § 14 [X.] 5 Rd[X.] 17), wonach eine Pflicht zu einer sog "Spontanberatung" durch eine andere Stelle zumindest voraussetzt, dass ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen der sinnvollerweise zu beantragenden Leistung und der eigentlich bearbeiteten Angelegenheit (hier also der Bearbeitung der [X.]) besteht, hätte aufgezeigt werden müssen, aus welchen Vorschriften des [X.] im Einzelnen sich eine solche enge Verbundenheit mit den Angelegenheiten nach dem [X.] ergeben könnte, und welche weitergehenden Rechtsfragen sich in diesem Zusammenhang stellen.

8

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Anlass zur Spontanberatung nur dann vorliegt, wenn sich klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (vgl etwa [X.] aaO Rd[X.] 16 unter Hinweis auf [X.]E 92, 34 = [X.] 4-3100 § 60 [X.] 1; [X.] [X.] 3-4100 § 110 [X.] 2; [X.] [X.] 3-1200 § 14 [X.] 16; [X.] [X.] 3-1200 § 14 [X.] 6). Soweit sich die Kläger dagegen wenden, dass das [X.] davon ausgegangen ist, bei der Klägerin zu 1 habe kein für die Wohngeldstelle erkennbarer Beratungsbedarf bestanden, weil sie nicht deutlich gemacht habe, ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten zu können, wenden sie sich gegen die Würdigung des Sachverhalts im Einzelfall, die allein die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nicht zu begründen vermag. Welche weitergehenden Fragen grundsätzlicher Bedeutung sich in diesem Zusammenhang stellen könnten, wird nicht ersichtlich.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 14 AS 36/12 B

24.09.2012

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Wiesbaden, 8. Juli 2010, Az: S 12 AS 508/08, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 28 S 1 SGB 10, § 28 S 2 SGB 10, § 14 SGB 1, § 1 Abs 2 S 1 Nr 1 WoGG 2 vom 07.07.2005, § 3 Abs 1 WoGG 2 vom 07.07.2005, § 37 Abs 1 SGB 2, § 37 Abs 2 S 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 24.09.2012, Az. B 14 AS 36/12 B (REWIS RS 2012, 2954)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2954

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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