Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.04.2014, Az. B 14 AS 293/13 B

14. Senat | REWIS RS 2014, 6398

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - rechtliches Gehör - Einsicht in die beigezogenen Verwaltungsakten - Verfahrensgegenstand der mündlichen Verhandlung - Versäumung der Beantragung einer Berichtigung des Urteilstatbestandes


Tenor

Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 29. Mai 2013 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die im Leistungsbezug nach dem [X.] ([X.]) seit dem [X.] stehenden Kläger sind mit ihrem Begehren, höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 [X.] für die Zeit vom 16.11.2007 bis zum [X.] vom beklagten Jobcenter zu erhalten, bisher ohne Erfolg geblieben (zuletzt Urteil des [X.] <[X.]> vom [X.]). In ihren gegen die Nichtzulassung der Revision in der Entscheidung des [X.] gerichteten Beschwerden rügen die Kläger als Verfahrensmangel einen Verstoß des [X.] gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör sowie eine zweifache Abweichung des [X.] von Entscheidungen des Bundessozialgerichts ([X.]).

2

II. Die Beschwerden der Kläger sind zurückzuweisen, weil die erhobenen [X.] zum Teil unbegründet und zum Teil unzulässig sind.

3

Die Revision kann nur aus den in § 160 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) genannten Gründen - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - zugelassen werden. In der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des [X.] abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] erfordern diese Vorschriften, dass der [X.] schlüssig dargetan wird (vgl [X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 47, 58; [X.]/[X.], Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, [X.], [X.] ff mwN). Andernfalls ist die Beschwerde schon als unzulässig zu verwerfen.

4

1. Soweit die Kläger als Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] rügen, das [X.] habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, sind die Beschwerden unbegründet.

5

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Grundgesetz , § 62 [X.]) soll nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] und des [X.] ([X.]) verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl [X.] [X.] 3-1500 § 153 [X.] mwN; [X.]E 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird ([X.]E 22, 267, 274; 96, 205, 216 f).

6

Die Kläger führen aus, das [X.] habe sein Urteil ua auf von dem Beklagten vorgelegte Wohnungsanzeigen gestützt, die ihnen aber trotz schriftlicher Anfrage und einer dahingehenden Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht zur Kenntnis gebracht worden seien.

7

Zwar kann die fehlende Information der Beteiligten über die dem Gericht von der beklagten oder einer anderen Behörde vorgelegten Verwaltungsakten oder die einem Beteiligten nicht gewährte Einsicht in zu dem Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten ein solcher Verfahrensmangel sein, wenn das Gericht seine Entscheidung auf diese Unterlagen stützt. Dieser Verfahrensfehler kann jedoch nicht mehr angenommen werden, wenn die Verwaltungsakten Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und die Beteiligten damit Gelegenheit hatten, in sie Einsicht zu nehmen. Dies war vorliegend nach den Feststellungen des [X.] am Ende seines Urteilstatbestandes der Fall. Da eine [X.] innerhalb der Frist des § 139 [X.] nicht beantragt wurde, ist der erkennende Senat an die dahingehende Feststellung des [X.] gebunden und hat davon auszugehen, dass der wesentliche Inhalt dieser Akten einschließlich der in ihnen enthaltenen Wohnungsanzeigen tatsächlich Verhandlungsgegenstand war (vgl [X.] <[X.]> vom 7.11.1973 - 6 C 5.73 - [X.]E 44, 152; [X.] vom 10.11.1992 - 3 [X.]; [X.] vom 5.2.1998 - 7 [X.]). Aus dem gegenteiligen Vorbringen der Kläger im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung folgt nichts anderes, weil dies nur ein von den das [X.] bindenden Feststellungen des [X.] abweichender Tatsachenvortrag ist und sie von dem gebotenen Antrag auf [X.] keinen Gebrauch gemacht haben.

8

2. Auch die Voraussetzungen des geltend gemachten [X.]es der Divergenz sind nicht erfüllt.

9

Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 [X.] ist nur dann hinreichend dargetan, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des [X.] von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] abweicht ([X.] [X.] 1500 § 160a [X.], 29 und 54). Eine Divergenz liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das [X.], der [X.] oder das [X.] aufgestellt hat, sondern erst dann, wenn das [X.] diesen Kriterien ausdrücklich widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl [X.]/[X.], aaO, [X.], Rd[X.]96 mwN; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.]).

Die Kläger behaupten, dem Urteil des [X.] sei auf Seite 7 folgender Rechtssatz zu entnehmen:

        

"Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind unangemessen hoch, wenn ein schlüssiges Konzept zu verneinen wäre, dem Grundsicherungsträger die Nachreichung eines solchen Konzepts nicht gelingt und die Miete die auf den Leistungsempfänger anzuwendenden Tabellenwerte von § 8 [X.] a.F. übersteigt."

a) Dies ist hinsichtlich der Wörter "und Heizung" unzutreffend. Das [X.] hat den zuvor wiedergegebenen Satz nur hinsichtlich der Kosten der Unterkunft in seinem Urteil aufgestellt. Damit fehlt es für die von den Klägern gerügte zweite Divergenz des Urteils des [X.] von Entscheidungen des [X.] bezüglich der Kosten der Heizung schon an einem entsprechenden Rechtssatz des [X.].

b) Hinsichtlich der auf die Kosten der Unterkunft bezogenen ersten [X.] kann es dahingestellt bleiben, ob das [X.] wirklich von der Rechtsprechung des [X.] abweichen wollte oder sich nur einzelfallbezogen unklar ausgedrückt hat, weil es auf die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 26.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - und vom 18.2.2010 - [X.] [X.]/08 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]) Bezug nimmt, die mit dem von den Klägern angeführten Urteil des 4. Senats des [X.] vom 11.12.2012 ([X.] AS 44/12 R) übereinstimmt (vgl zB [X.] vom 14.2.2013 - [X.] [X.]/12 R). Danach sind - wie die Beschwerdebegründung zu Recht ausführt - die Leistungen für die Unterkunft nach § 22 [X.] nur dann auf die Werte der Tabelle nach dem [X.] ([X.]) begrenzt, wenn nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten wegen eines "[X.]" ein sog schlüssiges Konzept nicht erstellt werden kann (vgl [X.] vom 11.12.2012, aaO; [X.] vom 14.2.2013, aaO; [X.] vom [X.] - [X.] AS 16/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]).

Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass der von ihr angenommene Widerspruch entscheidungserheblich ist. Um eine Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Divergenz zu belegen, hätten die Kläger ausgehend von der angeführten Rechtsprechung des [X.] in der Beschwerdebegründung darstellen müssen, dass für ihren Wohnort ein schlüssiges Konzept ermittelt werden könne, das für die strittige Zeit zu höheren Leistungen für die Unterkunft für sie führen werde, obwohl die vom Beklagten an sie gezahlte Bruttokaltmiete von 817,95 Euro deutlich über dem Betrag nach der Tabelle in § 8 [X.] (in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom [X.], [X.] 2029 - [X.]) und einem Zuschlag von [X.] von 687,50 Euro liegt. Die bloße Feststellung und Begründung eines "[X.]" seitens des [X.] hinsichtlich eines sog schlüssigen Konzepts würde vorliegend nicht zu höheren Leistungen führen, sondern nur zur Begrenzung derselben auf die Tabellenwerte nach dem [X.].

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.].

Meta

B 14 AS 293/13 B

09.04.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Münster, 1. April 2011, Az: S 8 AS 62/08, Urteil

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 62 SGG, § 139 Abs 1 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.04.2014, Az. B 14 AS 293/13 B (REWIS RS 2014, 6398)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6398

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