Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2014, Az. IV ZB 1/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5226

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZB 1/14

vom

28. Mai 2014

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richte-rin Dr. Brockmöller

am 28. Mai 2014

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zi-vilsenats des [X.] vom 19. Dezember 2013 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Streithelfer des [X.] je zur Hälfte.

Streitwert:

Gründe:

[X.] Der Kläger fordert von der Beklagten Rückzahlung der für eine Lebensversicherung geleisteten Beiträge und Ersatz daraus gezogener Nutzungen. Das klagabweisende Urteil des [X.] ist seinem Pro-zessbevollmächtigten und jetzigem
Streithelfer zu 2 am 11. März 2013 zugestellt worden, der
dagegen fristgerecht Berufung eingelegt
hat. Nach Hinweis des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 17. Mai 2013
auf den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 13. Mai 2013 hat der Streithelfer zu 2 die Berufung mit einem am 6.
Juni 2013 beim
Beru-fungsgericht eingegangenen
Schriftsatz begründet und zugleich [X.]
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einsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungs-begründungsfrist beantragt.

1.
Das Wiedereinsetzungsgesuch stützt sich auf die Behauptung, eine bislang stets zuverlässige Mitarbeiterin des Streithelfers zu 2 habe gegen die im Rechtsanwaltsbüro
geltende Anweisung verstoßen, Fristen im [X.] erst als erledigt zu streichen, nachdem sie sich [X.] vergewissert habe, dass die fristwahrende Maßnahme er-folgt sei. Das habe zum Fristversäumnis geführt. Für Akten, in denen Fristen zu wahren seien, würden [X.] notiert, die
eine Vorlage beim bearbeitenden Rechtsanwalt eine Woche vor Fristablauf gewährleisteten. Das sei im Streitfall am 6. Mai 2013 geschehen, allerdings habe der Streithelfer zu 2
die Akte an diesem Tage noch nicht bearbeitet, sondern sie zunächst noch einmal an ihren üblichen Aufbewahrungsort im Post-zimmer der Kanzlei zurückgestellt. Von dort sei sie erst am 15. Mai 2013 wieder entnommen und dem Streithelfer zu 2 vorgelegt worden.

2.
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zugleich die Beru-fung als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden sich die beiden [X.], der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des [X.] ([X.] zu 2) und die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunde-nen Rechtsanwälte, für die er tätig ist
(Streithelfer zu 1), mit ihrer [X.] eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde.

I[X.] Das Rechtsmittel ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, §
522 Abs. 1 Satz 4, §
238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft,
aber unzulässig, weil Gründe für seine Zulassung nach §
574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die angefochtene Entscheidung widerspricht entgegen der Auffas-2
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sung der Rechtsbeschwerde weder der Rechtsprechung des [X.], noch verletzt sie den Anspruch des [X.] auf effektiven Rechtsschutz.

1.
Das Berufungsgericht, das
die vom Streithelfer zu 2
vorgetrage-nen und glaubhaft gemachten organisatorischen Maßnahmen und [X.] zur Wahrung von Fristen und zur Führung des Fristenkalen-ders im Grundsatz nicht beanstandet, hat
angenommen, er habe [X.] ein persönliches, dem Kläger über §
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen-des Verschulden an dem Fristversäumnis i.S.
von § 233 ZPO nicht aus-geräumt. Seiner anwaltlichen
Versicherung zufolge
sei ihm die Akte am 6. Mai 2013 aufgrund der notierten [X.] ordnungsgemäß
vorgelegt worden;
er habe sie an diesem Tage aber nicht bearbeitet, sondern an ihren normalen Aufbewahrungsort zurückgestellt. Demgegenüber habe er nicht dargelegt, dass er dies aktenkundig gemacht oder eine Wiedervor-lagefrist notiert habe. Deshalb sei die
erneute Aktenvorlage rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht gewährleistet gewesen.
Der Streithelfer zu 2 habe damit nicht alles ihm zur Fristwahrung Zumut-bare veranlasst und kausal zum Fristversäumnis beigetragen.

2.
Die [X.] meinen, diese Begründung [X.] der Rechtsprechung des [X.],
der zufolge der Rechtsanwalt eine aufgrund einer [X.]notierung vorgelegte Akte [X.] unbearbeitet zurückgeben und sich darauf verlassen dürfe, dass ausreichend
geschultes und überwachtes Büropersonal ihm die Akte am Tage des [X.] erneut vorlegen werde. Habe er keine Anhalts-punkte dafür, dass seine organisatorischen Maßnahmen zur Fristenkon-trolle versagen könnten, müsse er weitere Vorkehrungen zur Sicherstel-lung der Wiedervorlage nicht treffen ([X.], Beschlüsse vom 13. Oktober 2011

[X.] und [X.], NJW 2012, 614 Rn. 12 m.w.[X.]; 5
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vom 12.
August 1997

[X.], [X.], 121 unter 2 a m.w.[X.]; Urteil vom 27. September 1967

[X.], [X.], 1098 unter A III).

3.
Damit kann die Rechtsbeschwerde aber deshalb nicht durch-dringen, weil das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, es habe hier für den Rechtsanwalt Anhaltspunkte für die Befürchtung gege-ben, die in seinem Büro
praktizierte Fristenkontrolle könne versagen.

a) Die [X.]notierung soll
sicherstellen, dass dem Anwalt [X.] für die Bearbeitung seiner Rechtsmittelbegründung verbleibt ([X.], Beschluss vom 27. Mai 1997

[X.], [X.], 1252
un-ter 2
m.w.[X.]).
Wird ihm die Akte aufgrund dieser [X.] zeitnah zum Fristablauf zur Erledigung der fristgebundenen Prozesshandlung [X.], setzt ungeachtet des Umstands, dass er die Fristenkontrolle an sein Büropersonal delegieren und mit der Bearbeitung in geeigneten Fällen (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 27. Mai 1997 aaO) bis zum letzten Tag des [X.] warten darf, auch seine persönliche Verantwortung für die Fristwahrung wieder ein (vgl. Senatsbeschluss vom 20.
Oktober 2010

IV ZB 11/10, juris
Rn. 6; [X.], Beschlüsse vom 5.
Februar 2003

VIII [X.], [X.], 1460 unter II 2 m.w.[X.]; vom 22. September 1971

[X.], [X.], 1125 unter 1 und 3). Dem Streithelfer zu 2 ist vorzuwerfen, dass er die Akte hier unbearbeitet
an ihren ursprüngli-chen Aufbewahrungsort zurückstellte und danach offenbar binnen kurzer Zeit aus dem Blick verlor (vgl. Senatsbeschluss vom 20. Oktober 2010 aaO).

b) Die Rechtsprechung des [X.] billigt es dem Rechtsanwalt allerdings zu, eine Akte nach Vorlage aufgrund einer Vor-fristnotierung
noch einmal in den Geschäftsbetrieb seiner Kanzlei zu-7
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rückzugeben, etwa um Anweisungen zur Vorbereitung seines Schriftsat-zes ausführen zu lassen (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2011

[X.] 18
und 19/10, NJW 2012, 614 Rn. 12; betreffend die Anfertigung von Fotokopien) oder um bis zum Tage des Ablaufs der Berufungsbe-gründungsfrist die Klärung der Frage abzuwarten, ob eine eingelegte Be-rufung nach dem Willen des Mandanten tatsächlich durchgeführt werden soll (vgl.
[X.], Beschluss vom 27. Mai 1997

[X.], [X.], 1252 unter 2).
Er kann sich bei einer für die wirksame Fristenkontrolle geeigneten Büroorganisation im Grundsatz auch in einem solchen Fall noch darauf verlassen, dass das von ihm geschulte und überwachte [X.] die Einhaltung der im [X.] notierten Fristen [X.] und die Akten rechtzeitig vorlegt ([X.], Beschluss vom 13. Okto-ber 2011 aaO Rn. 12 m.w.[X.]). Das gilt aber nicht, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die generell zur Fristenkontrolle getroffenen [X.] die fristgerechte Aktenvorlage im konkreten Fall möglicherweise nicht gewährleisten ([X.], Beschlüsse vom 12. August 1997

[X.], [X.], 121 unter 2
a; vom 13. Oktober 2011 aaO;
Urteil vom 27. September 1967
[X.], VersR
1967, 1098
unter A III).

c) Im Streitfall ist das Berufungsgericht zutreffend davon [X.], es sei lediglich glaubhaft gemacht, dass der Streithelfer zu 2 die Rückgabe der Akte in den Geschäftsbetrieb seines Büros seinen Mitar-beitern nicht zur Kenntnis gebracht, sondern den Ordner mit der [X.] wieder zur Aufbewahrung an den dafür üblichen Ort im Post-zimmer der Kanzlei zurückgestellt
habe, ohne dies aktenkundig zu ma-chen.
Gegen diese Annahme erhebt die Rechtsbeschwerde keine Ein-wände.
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Dann aber hatte der Rechtsanwalt Anlass zu der Befürchtung, sein Büropersonal werde die Akte selbst bei einer Fristenüberwachung an-hand des [X.]s nicht erneut und fristgerecht vorlegen, weil sie dort als bereits mit Ablauf der [X.] vorgelegt ausgewiesen war, das Büropersonal mithin irrtümlich annehmen konnte, die Akte liege dem Rechtsanwalt weiterhin zur Bearbeitung vor. Da nach dem Vortrag des Streithelfers zu 2 nicht davon ausgegangen werden kann, dass seine Bü-romitarbeiter für einen solchen Fall angewiesen sind, den bearbeitenden Rechtsanwalt gesondert auf den Ablauf einer Rechtsmittelbegründungs-frist hinzuweisen, hätte er anderweitig, etwa mit einer Wiedervorlage-verfügung oder zumindest einem Hinweis auf den Verbleib der Akte,
Vorsorge treffen müssen, um die rechtzeitige Wiedervorlage sicherzu-stellen.

[X.]

[X.]

[X.]

[X.]

Dr. Brockmöller

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.03.2013 -
26 [X.]/12 -

O[X.], Entscheidung vom 19.12.2013 -
20 U 51/13 -

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Meta

IV ZB 1/14

28.05.2014

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.05.2014, Az. IV ZB 1/14 (REWIS RS 2014, 5226)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5226

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