Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 2 StR 48/20

2. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2177

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Gegenstand

Strafurteil: Berichtigung der Urteilsformel bei Verkündungsversehen hinsichtlich des Straftatbestandes


Tenor

1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. September 2019 aufgehoben,

a) im Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung mit den zugehörigen Feststellungen; ausgenommen sind die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, diese bleiben aufrechterhalten;

b) im Gesamtstrafenausspruch.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe

1

1. Das [X.] hat die Angeklagte „wegen Beihilfe zu einem besonders schweren Raub in Tateinheit mit Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Erpressung und falscher Verdächtigung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den Gründen der Zuschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

2. Die Feststellungen tragen einen Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB nicht. Es fehlen insoweit hinreichende Feststellungen zur inneren Tatseite, insbesondere zur Absicht der Angeklagten bei ihrer Beschuldigtenvernehmung ein behördliches Verfahren gegen den Geschädigten einzuleiten.

3

Soweit das [X.] in den Urteilsgründen - abweichend vom [X.] - ausführt, dass die Verurteilung nicht wegen falscher Verdächtigung, vielmehr wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d Abs. 1 Nr. 1 StGB erfolgt sei und es sich bei der Formulierung im Tenor um ein „Schreibversehen“ handele, ist dies einer Berichtigung nicht zugänglich.

4

a) Eine Berichtigung der Urteilsformel nach Abschluss der mündlichen Urteilsverkündung kommt nur bei einem offensichtlichen Schreib- bzw. [X.] in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 16. Juni 1953 - 1 StR 508/52, [X.]St 5, 5, 8 f.; Senat, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, [X.]R StPO § 260 Abs. 1 [X.] 6 Rn. 17 mwN). Bei dieser Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen, um zu verhindern, dass mit einer solchen Berichtigung eine unzulässige inhaltliche Abänderung des Urteils verbunden ist (vgl. Senat, Urteil vom 14. Januar 2015 - 2 StR 290/14, [X.], 119, 120). Insbesondere ist in Ansehung der überragenden Bedeutung der Urteilsformel, die - anders als die schriftlichen Urteilsgründe - bei Verkündung schriftlich vorliegen muss, bei einer Berichtigung der Urteilsformel Zurückhaltung geboten (vgl. Senat, Urteil vom 8. November 2017 - 2 StR 542/16, aaO). Ein der Berichtigung zugängliches offensichtliches [X.] kann nur angenommen werden, wenn sich der Fehler ohne Weiteres aus solchen Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten - auch ohne Berichtigung - klar zu Tage liegen und der auch nur entfernte Verdacht einer späteren inhaltlichen Änderung des verkündeten Urteils ausgeschlossen ist, die Berichtigung also lediglich dazu dient, die äußere Übereinstimmung der Urteilsformel mit der tatsächlich beschlossenen herzustellen.

5

b) Gemessen hieran liegt bei einer möglichen Verwechselung des in der Urteilsformel bezeichneten Tatbestandes kein offensichtliches [X.] vor (vgl. [X.], Urteil vom 16. Oktober 1952 - 5 StR 480/52, [X.]St 3, 245, 247; Beschluss vom 22. Januar 1981 - 1 [X.], bei [X.]/[X.] NStZ 1983, 208, 212). Trotz der Ausführungen des [X.]s in den Urteilsgründen und des Umstands, dass in der Liste der angewendeten Vorschriften § 145d StGB aufgeführt ist, vermag der Senat nicht mit der für ein offensichtliches [X.] erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass das Auseinanderfallen von Schuldspruch und Urteilsgründen auf einem bloßen [X.] beruht.

6

3. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen falscher Verdächtigung. Die Aufhebung des Schuldspruchs mit den zugehörigen Feststellungen entzieht der dafür ausgeurteilten Einzelstrafe und damit auch dem Gesamtstrafausspruch die Grundlage. Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten, weil sie vom Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen. Unabhängig davon, ob sich Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des § 164 Abs. 1 StGB treffen lassen, wird § 358 Abs. 2 StPO zu beachten sein.

Franke     

        

Krehl     

        

Eschelbach

        

Zeng     

        

Meyberg     

        

Meta

2 StR 48/20

11.11.2020

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Darmstadt, 2. September 2019, Az: 950 Js 9207/19 - 10 KLs

§ 145d Abs 1 Nr 1 StGB, § 164 Abs 1 StGB, § 260 Abs 1 StPO, § 260 Abs 4 S 1 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.11.2020, Az. 2 StR 48/20 (REWIS RS 2020, 2177)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2177

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