Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2011, Az. V ZB 226/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 10247

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 20. Januar 2011 in der [X.] Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] § 72 Abs. 4 Satz 1; FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 a) Das Einvernehmen der Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] kann auch allgemein erteilt werden. b) Werden Ermittlungsverfahren durch mehrere Staatsanwaltschaften geführt, müs-sen alle ein Verfahren führenden Staatsanwaltschaften nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] der Abschiebung zustimmen. c) In dem Haftantrag muss nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG dargelegt werden, dass die zuständige(n) Staatsanwaltschaft(en) allgemein oder im Einzelfall ihr [X.] mit der Abschiebung nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erklärt hat (haben), wenn sich aus dem Antrag selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen anhängig ist. Fehlen sie, ist der Antrag mangels ausreichender Be-gründung unzulässig (Fortführung von Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 Œ [X.], NVwZ 2010, 1511). [X.], Beschluss vom 20. Januar 2011 - [X.] - [X.] - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 20. Januar 2011 durch [X.] [X.], [X.] [X.], [X.] und [X.] und die Richterin Dr. [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 27. Juli 2010 aufgehoben. [X.] wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene, ein [X.] oder [X.] Staatsangehöriger, beantragte erfolglos die Gewährung von Asyl. Das zuständige [X.] den Betroffenen mit seit 14. Mai 2002 bestandskräftigem Ablehnungsbe-scheid vom 11. Juni 2001 unter Androhung der Abschiebung in den [X.] zur Ausreise auf. Dieser Aufforderung leistete der Betroffene nicht Folge. Er war nach Ablauf der Ausreisefrist für die Behörden nicht mehr erreichbar. Mit [X.] vom 20. April 2010 bestimmte das Bundesamt [X.]ia als weiteren Ziel-staat der beabsichtigten Abschiebung. Der Betroffene wurde am 7. Juli 2010 1 - 3 - wegen Diebstahlsverdachts in [X.] festgenommen. Der Beteiligte zu 2 wies ihn mit Bescheid vom 23. Juli 2010 auf der Grundlage von § 55 Abs. 1 und 2 Nr. 2 [X.] wegen diverser, teilweise strafrechtlich geahndeter Verstöße gegen Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes aus und ordnete die sofortige Vollziehbarkeit an. Auf den Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht am 7. Juli 2010 die Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 6. Oktober 2010 [X.]. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das [X.]. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach der erfolgten Abschiebung am 5. Oktober 2010 die Feststellung errei-chen möchte, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben. 2 I[X.] Das Beschwerdegericht hält den Betroffenen für vollziehbar [X.]. Denn die Ausweisung sei sofort vollziehbar und die Abschiebungsan-drohung bestandskräftig. [X.] bestünden nicht. Mit der verwaltungsgerichtlichen Klage habe sich der Betroffene - zudem erfolglos - nur gegen die Bestimmung [X.]ias zum weiteren Zielstaat und gegen die weitere Feststellung des [X.] gewandt, dass insoweit ein Abschiebungsverbot nach § 60 [X.] nicht bestehe. Einer persönlichen Anhörung im Beschwer-deverfahren habe es nicht bedurft, da keine zusätzlichen Erkenntnisse zu er-warten gewesen seien. 3 II[X.] Das Rechtsmittel hat Erfolg. 4 - 4 - 1. Die nach Erledigung der Hauptsache auf Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG gerichtete Rechtsbeschwerde ist statthaft (Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.] 2010, 150, 151 Rn. 9) und auch im Übrigen zulässig (§ 71 Abs. 1 und 2 FamFG). 5 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die bisherigen [X.] rechtfertigen weder die Anordnung der Abschiebungshaft noch die Zu-rückweisung der Beschwerde. 6 a) Zu Unrecht macht die Rechtsbeschwerde allerdings geltend, der Haft-antrag des Beteiligten zu 2 habe den gesetzlichen Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG nicht entsprochen. 7 aa) Nach dieser Vorschrift ist der Haftantrag zu begründen. Dazu muss der Antrag nicht nur Angaben zur Identität des Betroffenen, zu seinem gewöhn-lichen Aufenthaltsort, zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung und zu deren erforderlicher Dauer enthalten (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 FamFG). Nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG müssen in dem hier gegebenen Fall der [X.] neben der Verlassenspflicht des Betroffenen (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 10, 12) auch die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der [X.] dargelegt werden. Diesen Anforderungen genügt der von dem Beteiligten zu 2 vorgelegte Antrag indessen. Der Beteiligte zu 2 hat inhaltlich nicht nur die Voraussetzungen für die Anordnung der Abschiebung als solcher, sondern ins-besondere mit dem Verhalten des Betroffenen bei der Beschaffung von Ersatz-papieren auch Umstände dargelegt, aus denen er die Notwendigkeit ableitet, zur Sicherung der Abschiebung die Haft anzuordnen. Er hat auch erläutert, dass und aus welchen Gründen es aus seiner Sicht gelingen wird, innerhalb 8 - 5 - von drei Monaten [X.] für die Abschiebung des Betroffenen [X.] in den [X.] oder nach [X.]ia zu beschaffen. Das war ausreichend. [X.]) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich der Antrag nicht dazu verhält, ob das nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderliche [X.] der Staatsanwaltschaft vorlag. Ausführungen dazu gehören zu der Darlegung der Voraussetzungen der Abschiebung, die ein Antrag nach § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG unbedingt enthalten muss, wenn sich aus ihm selbst oder den ihm beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren anhängig ist. Das Fehlen entsprechender Ausführungen ist dann schon ein Begründungsmangel, der zur Unzulässigkeit des Antrags führt (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1511, 1512 Rn. 10, 14 f.). So liegt es hier indessen nicht. Der Antrag lässt nicht ohne weiteres erkennen, dass wegen des Ladendiebstahls bereits ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet oder das auf dem [X.] des Beteiligten zu 2 am Ende angeführte Strafverfahren noch anhängig war. 9 b) Die Haftanordnung musste entgegen der Ansicht der Rechtsbe-schwerde auch nicht bis zur Vorlage der vollständigen Ausländerakte [X.] werden. 10 aa) Diese ist dem Gericht zwar nach § 417 Abs. 2 Satz 3 FamFG mit der Antragstellung vorzulegen und regelmäßig auch notwendige Grundlage der Entscheidung über die Anordnung der [X.] ([X.], [X.], 304, 305; [X.] 2008, 358, 360; NJW 2009, 2659, 2660; Beschlussempfeh-lung zum FamFG in BT-Drucks. 16/9733 S. 299). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der unter Beiziehung der Ausländerakte festzustellende Sachverhalt aus den vorgelegten Teilen vollständig ergibt und die nicht vorgelegten Teile keine weiteren Erkenntnisse versprechen (Senat, Beschluss vom 4. März 2010 11 - 6 - - [X.], [X.] 184, 323, 332 Rn. 19). So liegt es hier. Der Beteiligte zu 2 hatte den maßgeblichen Sachverhalt in seinem Antrag dargelegt und dessen wesentliche Teile, insbesondere die Angaben zur Ausreisepflicht und zur Natio-nalität des Betroffenen, mit - wenn auch zum Teil nur auszugsweisen - Kopien der maßgeblichen Bescheide und mit Urkunden der [X.] Behörden unterlegt. Dass das Gericht den übrigen Teilen der Ausländerakte weitere ent-scheidungserhebliche Informationen hätte entnehmen können, ist weder darge-legt noch sonst ersichtlich. [X.]) Der Hinweis darauf, dass sich das Beschwerdegericht vollständige Kopien der Bescheide des zuständigen [X.] über die Zurückweisung des Asylantrags des Betroffenen nebst Verlassensanordnung und [X.]sandrohung hat vorlegen lassen, gibt hierfür keinen Anhaltspunkt. Denn die vorgelegten auszugsweisen Kopien enthielten den Tenor der Bescheide und genügten für die Prüfung. Ein in der Vorlage nur auszugsweiser Kopien etwa liegender Verstoß des Amtsgerichts gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) wäre damit zudem geheilt worden (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1172, 1174 Rn. 36; [X.], FamFG, 16. Aufl., § 62 Rn. 22). 12 cc) Die allgemein gehaltene Rüge, dass Gericht habe sich nicht auf die Angaben des Betroffenen stützen dürfen, ist unzureichend. Denn neben den Tatsachen, die einen Verfahrensfehler ergeben, ist auch die mögliche [X.] der gerügten Rechtsverletzung darzulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2002 - [X.], NJW 2003, 831 f.; Kei-del/[X.], aaO, § 71 Rn. 39; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 557 Rn. 29 i.V.m. § 551, Rn. 22). Jedenfalls daran fehlt es hier. Der Betroffene macht nicht geltend, er habe sich der Abschiebung zur Verfügung gehalten. Er räumt im Gegenteil ein, dass er jedenfalls zeitweise untergetaucht ist, und hat 13 - 7 - nach eigenem Bekunden auf keinen Fall in sein Heimatland zurückkehren wol-len. c) Zu beanstanden ist aber, dass das Amtsgericht und das Beschwerde-gericht weder die Voraussetzungen eines konkreten Haftgrundes bei Anord-nung der Haft festgestellt haben, noch, dass es gelingen werde, die [X.] innerhalb der Frist von drei Monaten nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] durchzuführen. 14 aa) Die Haftgerichte sind auf Grund von Art. 20 Abs. 3 GG verfassungs-rechtlich und auf Grund von § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das [X.] der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der [X.] umfassend zu prüfen. [X.] die für die Anwendung des § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.] notwendige Progno-se hat der Haftrichter auf der Grundlage einer hinreichend vollständigen Tatsa-chengrundlage zu treffen ([X.], NJW 2009, 2659, 2660). Die Freiheitsge-währleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher [X.] beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht ([X.], NJW 2009, 2659, 2660; Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - [X.], [X.] 184, 323, 329 f. Rn. 14). 15 [X.]) Diesen Anforderungen genügen die angefochtenen Entscheidungen nicht. 16 - 8 - (1) Der Beschluss des Amtsgerichts lässt schon nicht erkennen, auf wel-chen der in § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.] vorgesehenen Haftgründe die Haftan-ordnung gestützt werden soll. Mit den von dem Beteiligten zu 2 angeführten [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 [X.] befasst sich das Amtsgericht nicht. Auf den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] sowie auf den von dem Beteiligten zu 2 nicht genannten, aber auch in Betracht kommenden Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.] könnte die Haftanordnung auch nicht ohne Weiteres gestützt werden. Denn die Haft ist unverhältnismäßig, wenn der Ausländer sich offensichtlich nicht der [X.] entziehen will (vgl. [X.], [X.] 1994, 342, 344; [X.], [X.], Stand 61. Aktual. Dezember 2008, § 62 [X.] Rn. 32). Für den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.], den das Amtsgericht möglicherweise im Blick gehabt hat, müssten Anhaltspunkte für die Absicht des Betroffenen, sich der Abschiebung zu entziehen (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.]), [X.] werden. Dazu reicht die Feststellung des Amtsgerichts, der Betroffene werde nicht freiwillig ausreisen, nicht. Das ist nämlich nach § 58 Abs. 1 [X.] Voraussetzung dafür, dass die Abschiebung überhaupt angeordnet wer-den darf. Sie ergibt nicht schon für sich genommen den für die Anordnung der Haft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] erforderlichen begründeten [X.], der Betroffene wolle sich der Abschiebung entziehen. Dieser Fehler könnte zwar im Beschwerdeverfahren geheilt werden. Das hat der Senat für den Fall entschieden, dass die Haftanordnung auf einen nicht gegebenen Haft-grund gestützt wird, ein solcher aber vorliegt (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 - [X.], [X.] 2011, 27 Rn. 10). Für den hier gegebenen Fall der fehlenden Benennung des [X.] gälte nichts anderes. Das Beschwerde-gericht hat von dieser Möglichkeit indessen keinen Gebrauch gemacht und auch seinerseits weder einen Haftgrund benannt noch Feststellungen zu des-sen Voraussetzungen getroffen. 17 - 9 - (2) Unzureichend sind auch die Feststellungen des Amtsgerichts und des [X.] zu dem Vorliegen des [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 4 [X.]. Danach darf die Haft nicht angeordnet werden, wenn fest-steht, dass die Abschiebung aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, nicht innerhalb der nächsten drei Monate durchgeführt werden kann. Der Haftrichter hat dazu eine Prognose anzustellen und diese auf alle im konkreten Fall ernsthaft in Betracht kommenden Umstände zu erstrecken, die der Ab-schiebung entgegenstehen oder sie verzögern können (Senat, Beschluss vom 8. Juli 2010 - [X.], juris Rn. 8 und vom 22. Juli 2010 - [X.], In-f[X.] 2011, 27 Rn. 22). Diese Prognose ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zwar nur eingeschränkt überprüfbar (Senat, aaO), hier aber zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die erforderliche Prognose nicht angestellt. Das Be-schwerdegericht hat seine Prognose unzulässig auf das Vorliegen von Ab-schiebungshindernissen allein unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmittelverfah-ren des Betroffenen gegen die Abschiebungs- beziehungsweise Ausweisungs-verfügung verkürzt. 18 Dieser Mangel hat sich allerdings nicht ausgewirkt. Aus dem späteren tatsächlichen Geschehensablauf kann nämlich auf den mutmaßlichen Inhalt einer gebotenen, aber unterlassenen Prognose geschlossen werden (Senat, Beschluss vom 22. Juli 2010 Œ [X.], [X.] 2011, 27 Rn. 24). Hier ist die Abschiebung wenn auch nur einen Tag vor dem Ende der angeordneten Haft erfolgt. Eine entsprechende Prognose hätte die Haft und deren Dauer ge-rechtfertigt. 19 d) Weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht haben sich mit der hiervon zu trennenden Frage befasst, ob der Beteiligte zu 2 die [X.] der [X.] für den Betroffenen mit der gebotenen (Senat, [X.] vom 10. Juni 2010 - [X.], juris Rn. 16 f.) Beschleunigung [X.] - 10 - trieb. Dazu bestand aber Anlass, weil die [X.] Behörden dem Betrof-fenen [X.] nur erteilen wollten, wenn er sie nicht in den nächsten zwei Monaten von den Behörden des Staats [X.] erhielt, und weil dieser Zeitraum zur Klärung der Frage genutzt werden sollte, ob der Betroffene doch, wie [X.] angenommen, Angehöriger dieses Staats ist. e) Nicht festgestellt ist schließlich auch, ob für die Anordnung der [X.] das Einvernehmen der zuständigen Staatsanwaltschaft nach § 72 Abs. 4 Satz 1 [X.] erforderlich war und vorlag. 21 aa) Nach der genannten Vorschrift darf ein Ausländer nur im Einverneh-men mit der zuständigen Staatsanwaltschaft ausgewiesen und abgeschoben werden, wenn gegen ihn öffentliche Klage erhoben oder ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet ist. Liegt das danach erforderliche Einverneh-men nicht vor, darf die Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht angeordnet werden (Senat, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1574, 1575 Rn. 8 und vom 18. August 2010 - [X.], juris Rn. 10). 22 [X.]) Ob gegen den Betroffenen öffentliche Klage erhoben oder ein straf-rechtliches Ermittlungsverfahren anhängig war und ob die zuständige Staats-anwaltschaft der Ausweisung und Abschiebung zugestimmt hatte, haben weder das Amtsgericht noch das Beschwerdegericht festgestellt. Dazu bestand aber Veranlassung. Die Haftakte beginnt mit der Feststellung, der Betroffene sei als Ladendieb festgenommen worden. Aus dem [X.] der Ausländerakte des Beteiligten zu 2 über den Betroffenen ergibt sich, dass die Außenstelle Dort-mund des [X.] für Migration und Flüchtlinge auf ein Ermittlungsverfah-ren der Staatsanwaltschaft [X.] hingewiesen und um Unterrichtung der Staatsanwaltschaft bei —Auftauchenfi des Betroffenen gebeten hatte. Deshalb 23 - 11 - war nach § 26 FamFG von Amts wegen festzustellen, ob das zutraf und ob die Staatsanwaltschaft das erforderliche Einvernehmen erteilt hatte. [X.] [X.] ist nicht zur Entscheidung reif. Es ist trotz der zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung des Betroffenen nicht auszuschließen, dass die [X.] Feststellungen noch getroffen werden können. [X.] ist deshalb nach § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dafür weist der Senat auf [X.] hin: 24 1. Zunächst wird der Frage nachzugehen sein, ob bei Stellung des [X.] und bei der Entscheidung des [X.] gegen den Betrof-fenen eines oder mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren schon oder noch anhängig waren. Sollte das der Fall sein, wäre weiter zu prüfen, ob sämtliche Staatsanwaltschaften, die Verfahren gegen den Betroffenen führten, ihr erfor-derliches Einvernehmen allgemein oder im Einzelfall erteilt hatten. Sollten sei-nerzeit eines oder mehrere strafrechtliche Ermittlungsverfahren anhängig ge-wesen sein und das erforderliche Einvernehmen der beteiligten [X.](en) nicht vorgelegen haben, ist die Verletzung des Betroffenen in seinen Rechten sowohl durch die Haftanordnung als auch durch die [X.] festzustellen. Denn dieser Mangel ist nicht heilbar. 25 2. Sollte sich ergeben, dass entweder ein strafrechtliches Ermittlungsver-fahren nicht anhängig war oder das Einvernehmen vorlag, wäre weiter [X.], ob der den Vorinstanzen vorgelegte Tatsachenstoff einen Haftgrund ergibt und ob der Beteiligte zu 2 die Beschaffung der [X.] mit der ge-botenen Beschleunigung betrieb. Dem Betroffenen bislang nicht bekannte Er-gebnisse einer etwa erforderlichen ergänzenden Sachaufklärung nach § 26 26 - 12 - FamFG dürften dabei allerdings zu seinem Nachteil nur verwertet werden, wenn dem Betroffenen rechtliches Gehör gewährt wird. Sollte das nicht möglich sein, bliebe die Frage unaufklärbar. Das ginge zu Lasten des Beteiligten zu [X.] [X.] Schmidt-Räntsch
Roth [X.] Vorinstanzen: AG [X.], Entscheidung vom 07.07.2010 - [X.] - LG [X.], Entscheidung vom 27.07.2010 - 1 T 331/10 Br -

Meta

V ZB 226/10

20.01.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.01.2011, Az. V ZB 226/10 (REWIS RS 2011, 10247)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10247

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