Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.11.2015, Az. B 9 V 51/15 B

9. Senat | REWIS RS 2015, 1606

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Bestellung eines Notanwalts zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde - substantiierte Darlegung einer unverschuldeten Mandatsniederlegung - Aussichtslosigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde - summarische Prüfung - Prozesskostenhilfe


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des [X.] vom 25. Juni 2015 einen Notanwalt beizuordnen sowie Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt in der Hauptsache Beschädigtenversorgung nach dem [X.] wegen eines angeblich im Mai 2003 erlittenen Hodentraumas und nachfolgender posttraumatischer Belastungsstörung.

2

Den im April 2013 gestellten Antrag lehnte das beklagte Land ab. Klage und Berufung waren erfolglos. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung ua ausgeführt, ein tätlicher Angriff sei nicht erwiesen, der vermeintliche Täter bestreite den Angriff. Die Angaben des [X.] seien auch unter Berücksichtigung der Beweiserleichterung des § 15 Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung nicht glaubhaft. Zudem stehe auch der Primärschaden einer Hodenquetschung nicht fest, der nötige Kausalzusammenhang sei ebenfalls nicht gegeben. Der nach § 109 [X.] beauftragte Gutachter habe zwar eine schwere wahnhafte Störung festgestellt, diese jedoch nicht als Folge eines tätlichen Angriffs gesehen. Diese Feststellung decke sich mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen. Für ein weiteres Gutachten nach § 109 [X.] sei kein Raum, der Antrag des [X.] verbraucht (Urteil vom 25.6.2015).

3

Der Kläger hat am 30.7.2015, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Der Senat hat die Frist zu deren Begründung bis zum 5.10.2015 verlängert. Am 14.9.2015 hat der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, dass er den Kläger nicht mehr vertrete. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 29.9.2015 (sowie seine Schwester am selben Tag fernmündlich) über die Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwaltes informiert.

4

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] begehrt der Kläger die Bestellung eines Notanwalts bzw Prozesskostenhilfe ([X.]).

5

II. 1. Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das genannte Urteil des [X.] einen Notanwalt beizuordnen, ist abzulehnen.

6

Nach § 202 [X.] iVm § 78b Abs 1 ZPO hat das Prozessgericht, insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag durch Beschluss für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Rechte beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Daran fehlt es.

7

Der Kläger hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er die Niederlegung des Mandats durch den zunächst beauftragten Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat.

8

a) Für das Verfahren der Beschwerde zum [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des [X.] ist gemäß § 160a [X.] eine Vertretung durch Rechtsanwälte oder andere qualifizierte Prozessbevollmächtigte vorgeschrieben (§ 73 Abs 4 S 1 [X.]). Zur Beiordnung eines Notanwalts ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer ausreichend darlegt, dass es ihm nicht gelungen ist, einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden. Für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren vor einem obersten [X.] ist es erforderlich, dass erfolglose Bemühungen um eine Prozessvertretung bei zumindest fünf zugelassenen Prozessbevollmächtigten substantiiert aufgezeigt werden ([X.] Beschluss vom 16.10.2007 - [X.] KA 3/07 S - Juris RdNr 2 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - 4 BA 155/96 - Juris Rd[X.]). Entsprechende Darlegungen müssen spätestens bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erfolgen, da anderenfalls eine Wiedereinsetzung aufgrund fehlenden Verschuldens an der Fristversäumung regelmäßig nicht in Betracht kommt ([X.] Beschluss vom 10.5.2011 - B 2 U 3/11 BH - Juris RdNr 9; [X.] Beschluss vom 19.2.2001 - [X.] [X.] 205/00 B - Juris Rd[X.]; BVerwG Beschluss vom 18.4.1991 - 5 ER 611/91 - Juris RdNr 2).

9

Hat ein Beschwerdeführer zunächst einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, so kommt im Falle einer späteren Mandatsniederlegung die Bestellung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn der Beschwerdeführer die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat (vgl [X.] Beschluss vom 27.11.2014 - [X.]; vom 18.12.2013 - [X.]/13 - mwN). Auch dies ist vom Beschwerdeführer substantiiert aufzuzeigen. Jedenfalls fehlt es hieran, so dass die eingangs genannten weiteren Voraussetzungen des "[X.]" eines weiteren Prozessbevollmächtigten dahingestellt bleiben können.

b) Ungeachtet dessen (vgl 1a) erscheint eine Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 25.6.2015 bei der gebotenen summarischen Prüfung ähnlich dem Verfahren der [X.] (vgl § 73a [X.], § 114 ZPO) jedenfalls aussichtslos. Im Unterschied zur [X.] ist der Entscheidungsmaßstab allerdings nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht, sondern "Aussichtslosigkeit" als solche. Aussichtslosigkeit besteht, wenn ein günstigeres Ergebnis auch bei anwaltlicher Beratung ganz offenbar nicht erreicht werden kann. Diese Einschränkung der gerichtlichen Beiordnung eines Notanwalts soll einen Rechtsanwalt, der die Verantwortung für den Inhalt und die Fassung seiner Schriftsätze trägt, vor einer ihm nicht zumutbaren Vertretung in von vornherein aussichtslosen Sachen bewahren. Bei einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des [X.] liegt eine solche Aussichtslosigkeit vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen der in § 160 Abs 2 [X.] enumerativ geführten Gründe für die Zulassung der Revision - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichung (Divergenz), Verfahrensmangel - offenbar nicht vorliegen. Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das [X.] in der Sache richtig entschieden hat, ist im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zulässig und kann daher nicht deren Erfolgsaussichten begründen ([X.] [X.] 4-1750 § 78b [X.] RdNr 5 mwN).

Das Vorliegen eines der in § 160 Abs 2 [X.] genannten Gründe für die Zulassung der Revision ist auch nach summarischer Prüfung des [X.] nicht gegeben. Der Kläger wendet sich vor allem gegen die mangelnde Anerkennung eines tätlichen Angriffs und dadurch verursachter psychischer Schädigungsfolgen im Einzelfall. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen die Beweiserleichterung auch in anderen Fällen der Beweisnot als denen des Verlusts von Unterlagen dem Opfer zugutekommt. Hiervon ist das [X.] unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des [X.] ([X.] Urteil vom 17.4.2013 - [X.] V 1/12 R - [X.]E 113, 205 = [X.] 4-3800 § 1 [X.], RdNr 41 mwN) ausgegangen. Ebenso sind die Grenzen des Verbrauchs des Antragsrechts nach § 109 [X.] nicht klärungsbedürftig (vgl [X.] [X.] [X.]7 zu § 109 [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] - B 3 P 33/09 B - Rd[X.]2). Auch sonst ist nicht ersichtlich, welche grundsätzlichen, fallübergreifenden Rechtsfragen der Fall des [X.] aufwerfen oder warum das [X.] von der Rechtsprechung des [X.], des [X.] oder des [X.] abgewichen sein sollte.

Auch ein Verfahrensfehler des [X.] ist bei summarischer Prüfung nicht erkennbar. Nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 [X.] und § 128 [X.] [X.] (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 [X.] (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist nichts ersichtlich. Der anwaltlich vertretene Kläger hat nicht - wie erforderlich - bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag nach § 103 [X.] aufrechterhalten (vgl zB [X.] Beschluss vom 16.3.2015 - [X.] V 68/14 B). Eine Verletzung des § 109 [X.] kann demgegenüber im [X.] nicht gerügt werden.

2. Aus den genannten Gründen kann der Kläger ebenso wenig die von ihm ebenfalls beantragte [X.] verlangen, weil [X.] nur zu bewilligen ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a [X.] [X.] iVm § 114 ZPO). Diese Voraussetzung ist hier aus den oben aufgezeigten Gründen erst recht nicht erfüllt, da schon die Beiordnung eines Notanwalts abzulehnen ist (vgl zum Verhältnis von § 114 und § 78b ZPO nur [X.] vom 6.7.1988 - [X.] - FamRZ 1988, 1152).

3. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der am 5.10.2015 endenden Frist durch einen vor dem [X.] zugelassenen Bevollmächtigten (§ 73 Abs 4 [X.]) begründet worden ist (§ 160a Abs 2 S 1 iVm § 64 Abs 2, 3 und § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 [X.]).

4. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 [X.].

Meta

B 9 V 51/15 B

27.11.2015

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: V

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 21. Oktober 2014, Az: S 17 VG 1491/14, Gerichtsbescheid

§ 78b Abs 1 ZPO, § 114 ZPO, § 73 Abs 4 S 1 SGG, § 73a Abs 1 S 1 SGG, § 160a SGG, § 160 Abs 2 SGG, § 202 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.11.2015, Az. B 9 V 51/15 B (REWIS RS 2015, 1606)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1606

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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