Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.01.2020, Az. IX R 26/19

9. Senat | REWIS RS 2020, 3220

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Arbeitshilfe des BMF zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück - Beitrittsaufforderung


Leitsatz

Im Revisionsverfahren stellt sich die Frage, ob die vom BMF zur Verfügung gestellte "Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)" bei der Aufteilung eines vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude für Zwecke der AfA-Bemessung zugrunde gelegt werden kann. Der Senat hat das BMF zum Beitritt zu diesem Verfahren aufgefordert (§ 122 Abs. 2 Satz 3 FGO) .

Tenor

Das [X.] wird aufgefordert, dem Verfahren IX R 26/19 beizutreten.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist die Aufteilung des Kaufpreises für eine vermietete Eigentumswohnung auf Gebäude sowie Grund und Boden für [X.]wecke der Bemessung der Absetzung für Abnutzung ([X.]).

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Grundstücksgemeinschaft, erwarb mit notariellem Vertrag vom 26.04.2017 die 38,83 qm große Eigentumswohnung (Nr. 12) [X.] in [X.] verbunden mit einem Miteigentumsanteil von 38,577/1 000 an dem Grundstück mit einer Größe von 1 185 qm und dem Sondernutzungsrecht an einem Kellerraum sowie an einem Doppelgaragenplatz. Es handelt sich um eine Einzimmerwohnung im zweiten Obergeschoss eines [X.] fertiggestellten Mehrfamilienhauses, die vermietet wird.

3

Nach dem Kaufvertrag betrug der Kaufpreis 110.000 €, wovon per 30.04.2017  2.642,05 € auf den Anteil an der Instandhaltungsrücklage entfielen. [X.]udem enthielt der Kaufvertrag folgende Regelung: "Im Kaufpreis enthalten ist das Entgelt für den anteiligen Wert des Grundstücks, den die Beteiligten nach bestem Wissen zum [X.]eitpunkt des Vertragsschlusses mit € 20.000,00 beziffern." Die Anschaffungskosten beliefen sich einschließlich Nebenkosten auf 118.002 €.

4

In ihrer Feststellungserklärung für das [X.] berücksichtigte die Klägerin eine [X.]-Bemessungsgrundlage in Höhe von [X.]. Dabei legte sie die Kaufpreisaufteilung des notariellen Kaufvertrags zugrunde und berechnete einen Gebäudeanteil von 81,81 % (20 000/110 000).

5

Hingegen ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) auf der Grundlage der vom [X.] ([X.]) im [X.] bereitgestellten "Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)" (abzurufen unter www.bundesfinanzministerium.de) einen Gebäudeanteil von 27,03 %. Dem lagen ein Bodenwert von 77.713 € (1 185 qm [Fläche] x 1.700 €/qm [Bodenrichtwert] x 38 577/1 000 000 [Miteigentumsanteil]) sowie ein Gebäudewert von 28.782 € (39 qm [Wohnfläche] x 738 €/qm [typisierte Herstellungskosten]) zugrunde. Dementsprechend wurden die Anschaffungskosten von 118.002 € aufgeteilt und in Höhe von 31.896 € der [X.] unterworfen (Bescheid für 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 05.10.2018).

6

Im [X.] trug die Klägerin --vom [X.] nach Gründen für die wesentliche Abweichung des im Kaufvertrag angegebenen [X.] vom Bodenrichtwert befragt-- vor, sie habe sich vor dem Erwerb der Wohnung umfassend mit dem von einer "Stararchitektin" erbauten Gebäude auseinandergesetzt. Dabei seien nicht nur der [X.]ustand des Gebäudes, sondern auch der [X.]uschnitt der Wohnung und die Raumaufteilung, die Gestaltung der [X.] und die großen Balkone kaufentscheidend gewesen. Hingegen sei die Lage des Grundstücks (zwischen [X.] und Autobahn, nahe einem Platz mit hoher Verbrechensrate, Kopfsteinpflaster vor der Tür) nicht gut. Daher sei der Bodenrichtwert völlig absurd und haltlos. Der im Kaufvertrag ausgewiesene Anteil sei von den Kaufvertragsparteien --es handele sich um fremde Dritte-- wohlbedacht und angemessen zugeordnet worden. Allein die Aufwendungen für eine Renovierung von Bad und Küche wären höher als der nach der Arbeitshilfe zugrunde zu legende Gebäudewertanteil.

7

Dem folgte das [X.] im Rahmen der Einspruchsentscheidung vom [X.] nur insoweit, als es nunmehr einen Gebäudewertanteil von 30,9 % und damit eine [X.]-Bemessungsgrundlage von 36.463 € ansetzte. Dem lag zugrunde, dass es bei der Berechnung des Gebäudeanteils den Tiefgaragenstellplatz (5.965 €; Gebäudewert somit insgesamt 34.747 €) außer [X.] gelassen hatte.

8

Dagegen erhob die Klägerin Klage und machte ergänzend geltend, dass der im Kaufvertrag ausgewiesene Gebäudewertanteil noch weit unter den aktuellen Gebäudeherstellungskosten von mindestens 2.000 € pro qm liege, so dass ein Betrag von 80.000 € als Mindestwert für den Gebäudeanteil anzusehen sei. Veröffentlichungen des [X.]entralverbandes des Deutschen Baugewerbes sei zu entnehmen, dass Baukosten von 2.400 € pro qm und anteilige Grundstückskosten von 600 € pro qm für innerstädtische Lagen anzusetzen seien, woraus sich --wie im Kaufvertrag ausgewiesen-- ein Bodenwertanteil von 20 % ergebe. Es treffe zwar zu, dass die Kaufpreisaufteilung im notariellen Kaufvertrag von der Käuferseite veranlasst gewesen sei und die Verkäuferseite keine Veranlassung gehabt habe, sich dieser zu widersetzen. Der Aufteilung liege jedoch zugrunde, dass eine kalkulierte Rendite von 6,71 % --bezogen allein auf den [X.] habe erreicht werden sollen. Dabei sei auch zu beachten, dass der Verkäufer Bad und Küche umfangreich modernisiert habe.

9

Mit Urteil vom [X.] wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage als unbegründet ab. [X.]ur Begründung führte es aus, der [X.] sei zu der Überzeugung gelangt, dass die vertragliche Kaufpreisaufteilung im Streitfall nicht die realen Wertverhältnisse widerspiegele. Er halte die Arbeitshilfe für die Wertermittlung, insbesondere für die Ermittlung des Gebäudesachwerts, grundsätzlich für geeignet, messe ihren Ergebnissen eine große indizielle Bedeutung zu, um bei erheblicher Abweichung die Marktangemessenheit der vertraglich vereinbarten Kaufpreisaufteilung widerlegen zu können, und sehe in ihr --im Fall der [X.] eine geeignete Schätzungshilfe.

Im Streitfall bestünden keine gewichtigen konkreten Umstände, aus denen sich eine nennenswerte Abweichung der realen Wertverhältnisse von den Ergebnissen der Arbeitshilfe ergebe. Weder die Umstände, die nach Ansicht der Klägerin eine schlechte Lage der Wohnung und damit einen geringeren Bodenwert begründen sollten, noch die für einen höheren Gebäudewert angeführten Aspekte seien nachvollziehbar. Daher gelange der [X.] im Wege der Schätzung zu einer Kaufpreisaufteilung, wie sie sich aus der Arbeitshilfe ergebe.

Da sich der [X.] nicht allein auf die Bodenrichtwerte stütze, sondern auf die Arbeitshilfe, in der die Bodenrichtwerte lediglich einflössen, sehe er sich nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des [X.], wonach eine wesentliche Diskrepanz zu den Bodenrichtwerten es nicht ohne weiteres rechtfertige, die auf Grund und Gebäude entfallenden Anschaffungskosten zu schätzen. Die Arbeitshilfe gehe über eine bloße Bestimmung der Bodenrichtwerte und deren Abgleich mit der kaufvertraglichen Bestimmung des Bodenwertanteils deutlich hinaus. Sie sei methodisch geeignet und entspreche der Vorgabe der Rechtsprechung, Bodenwert und Gebäudewert unabhängig voneinander zu ermitteln; ihre Ergebnisse seien nachvollziehbar. Bei Eigentumswohnungen erweise sich zudem das Sachwertverfahren als sachgerecht.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. In Ergänzung ihres Vorbringens im Klageverfahren macht sie geltend, dass die tatsächlichen Wertverhältnisse in der Arbeitshilfe durch typisierte Schätzungen im Bereich des [X.] nicht zutreffend dargestellt würden. Selbst der Gesetzgeber halte --wie sich an § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zeige-- Baukosten in Höhe von 2.000 € pro qm für einfache Wohnräume für nicht realisierbar; die Fördergrenze sei daher auf 3.000 € pro qm --mit baldiger Anpassung auf 3.500 € pro qm-- festgelegt worden. Die vorliegend berücksichtigten Baukosten gemäß Sachwertrichtlinie 2012 betrügen indes 1.405 € pro qm (ohne Alterswertminderung). Im Übrigen habe das [X.] den im Klageverfahren angeführten Aspekt des "Werts des Wohnens" völlig außer [X.] gelassen. Die Ermittlung des Gebäudeanteils durch die Finanzverwaltung sei einseitig nach dem Sachwert erfolgt. Den mit der Vermietung erzielten Einnahmen der Klägerin stünden keine dem Wohnwert entsprechenden Werbungskosten gegenüber.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des [X.] Berlin-Brandenburg vom [X.] aufzuheben und den Feststellungsbescheid vom 05.10.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom [X.] dahingehend abzuändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Vermietung des Objekts [X.] eine [X.]-Bemessungsgrundlage unter Berücksichtigung eines Gebäudeanteils von 81,8 % zugrunde gelegt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Die Vorinstanz habe die Rechtsprechung zur Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf die erworbenen Wirtschaftsgüter zutreffend angewandt. Es hätten erhebliche [X.]weifel an der vereinbarten Kaufpreisaufteilung bestanden, die die Klägerin nicht durch andere qualifizierte Indizien hätte entkräften können. So weiche der im Kaufvertrag festgelegte Wert für den Grund und Boden vom maßgeblichen Bodenrichtwert im [X.]eitpunkt des Erwerbs um mehr als 70 % ab. [X.]udem habe die Klägerin bei der Bemessung des [X.] einseitig subjektive Interessen verfolgt, die gegen einen sachgerechten Aufteilungsmaßstab sprächen. Sie habe sich an ihren Renditevorstellungen orientiert, die Marktverhältnisse aber nicht in die Betrachtung einbezogen.

Vor diesem Hintergrund sei die Überprüfung der Kaufpreisaufteilung gerechtfertigt gewesen. Die vom [X.] herausgegebene Arbeitshilfe stelle dafür ein geeignetes Instrument dar. Sie gehe insbesondere über eine bloße Bestimmung der Bodenrichtwerte und deren Vergleich mit dem kaufvertraglichen Bodenanteil hinaus. Ihr lägen die Vorschriften der Verkehrswertermittlung auf der Grundlage des Baugesetzbuchs, hier des Sachwertverfahrens nach der Immobilienwertermittlungsverordnung, zugrunde. Der Gebäudewert werde --entgegen den Ausführungen der [X.] auf der Grundlage der Normalherstellungskosten ([X.]) 2010, die als Ausgangswert herangezogen würden, ermittelt. Schließlich erfolge eine Indizierung des Preises entsprechend des Baupreisindex (im Streitfall mit 116,8 % der [X.] 2010). Dadurch erfolge eine Angleichung an heutige Werte. Damit würden den aktuellen Bodenrichtwerten auch angepasste Baukosten gegenübergestellt.

Die Klägerin gehe fehl in der Annahme, dass die aus einer verstärkten Nachfrage und damit Verknappung resultierende Preissteigerung von Wohnimmobilien einer bestimmten Lage aufgrund der Berechnungssystematik der Arbeitshilfe des [X.] praktisch nur zu einer Erhöhung des [X.] und damit zu einer entsprechenden Verschiebung bei der [X.] führe. Lediglich auf eine Marktanpassung der [X.]) Sachwerte sei verzichtet worden, da sich diese im gleichen Verhältnis auf den Grund und Boden einerseits sowie das Gebäude andererseits auswirke. Die Summe der ermittelten Einzelwerte (vorläufige Sachwerte) weise damit ohne Marktanpassung zwar nicht den Verkehrswert aus. Das [X.] ändere sich jedoch nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die in der Kaufpreisaufteilung berücksichtigten typisierten Herstellungskosten angemessen. Nach der Indizierung der [X.] aus 2010 von 1.405 € pro qm auf das [X.] ergäben sich Herstellungskosten von 1.642 € pro qm Wohnfläche für ein Gebäude mit dem Standard des Jahres 1973. Dies stelle keinen Widerspruch zur Förderhöchstgrenze von 2.000 € pro qm bzw. Baukostenobergrenze nach § 7b EStG von 3.000 € pro qm für einen aktuellen Baustandard dar, sondern sei plausibel.

Die Arbeitshilfe ermögliche damit, in einem typisierten Verfahren die Kaufpreisaufteilung entweder selbst vorzunehmen oder die Plausibilität einer Kaufpreisaufteilung zu prüfen. Es handele sich um eine qualifizierte Schätzung, der natürlich immanent sei, dass nicht jeder Einzelfall bewertet werden könne. Dabei könne der Steuerpflichtige aber Besonderheiten, die eine abweichende Bewertung rechtfertigten, z.B. im Wege einer sachverständigen Stellungnahme geltend machen. Dies sei ein Korrektiv, um preisliche Unterschiede und Ungerechtigkeiten auszugleichen. Durch diese Systematik sei eine verhältnismäßige und für die Beteiligten planbare Handhabung der Wertermittlung einerseits und eine Möglichkeit zur Berücksichtigung des Einzelfalls andererseits geschaffen worden. Im Streitfall habe die Klägerin aber keine derartigen Besonderheiten geltend gemacht, die eine Abweichung von der Wertermittlung der Arbeitshilfe rechtfertigen würden. Die im Klageverfahren vorgebrachten allgemein gehaltenen Ausführungen seien jedenfalls nicht geeignet, die Berechnung des Gebäudeanteils anhand eines typisierten Verfahrens in [X.]weifel zu ziehen.

Entscheidungsgründe

II.

Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum Anlass, sich grundlegend mit der Frage zu befassen, welche Bedeutung der vom [X.] zur Verfügung gestellten "Arbeitshilfe zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein bebautes Grundstück (Kaufpreisaufteilung)" bei der Aufteilung eines vertraglich vereinbarten Kaufpreises auf Grund und Gebäude nach den realen Verkehrswerten (vgl. Senatsurteil vom 16.09.2015 - IX R 12/14, [X.], 214, [X.], 397) für Zwecke der AfA-Bemessung zukommt. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für angezeigt, das [X.] an diesem Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern (§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Meta

IX R 26/19

21.01.2020

Bundesfinanzhof 9. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. August 2019, Az: 3 K 3137/19, Urteil

§ 7 Abs 4 EStG 2009, § 122 Abs 2 S 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.01.2020, Az. IX R 26/19 (REWIS RS 2020, 3220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3220

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX R 26/19 (Bundesfinanzhof)

Kaufpreisaufteilung auf Grund und Gebäude: FG darf die vertragliche Kaufpreisaufteilung nicht durch die mittels der …


IX R 12/14 (Bundesfinanzhof)

Vertragliche Kaufpreisaufteilung


IX R 12/21 (Bundesfinanzhof)

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises für ein Immobilienobjekt in Grund- und Boden- sowie Gebäudeanteil für Zwecke der …


12 K 1097/15 (FG München)

Einkommenssteuer


IX B 98/16 (Bundesfinanzhof)

Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf Grund und Boden - Bewertungsmethode


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Literatur & Presse BETA

Diese Funktion steht nur angemeldeten Nutzern zur Verfügung.

Anmelden
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.