Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.05.2015, Az. III ZR 304/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 11432

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 304/14

Verkündet am:

7. Mai 2015

P e l l o w s k i

Justizobersekretärin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

BGB §§ 286 ff, 414; [X.] §§ 61, 65, 75 Abs. 3

a)
Indem der Sozialhilfeträger der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers ge-genüber dem Leistungserbringer (hier: ambulanter Pflegedienst) durch Kosten-übernahmebescheid beitritt, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem zwischen dem Hilfeempfänger und dem Leistungserbringer geschlossenen Dienstleistungsvertrag nicht in eine öffentlich-rechtliche um (im [X.] an [X.], 1). Der Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung, zu der er erklärt wird (im [X.] an Senatsurteile vom 22. Juni 1978 -
III ZR 109/76, [X.], 56 und vom 6.
November 2008 -
III ZR 279/07, [X.], 243).

b)
Entsprechend der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs, zu dem der [X.] erklärt wird, sind die §§ 286 ff BGB anwendbar, wenn der Sozialhilfeträger die übernommene Zahlungsverpflichtung verspätet erfüllt.

[X.], Urteil vom 7. Mai 2015 -
III ZR 304/14 -
LG [X.]

[X.]

-

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-

Der III.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Mai 2015 durch den Vizepräsidenten [X.] und [X.], [X.], [X.] und Reiter

für Recht erkannt:

Die Revision des [X.]n gegen das Urteil der Zivilkammer 49 des [X.] vom 17. September 2014 wird [X.].

Die Kosten des [X.] hat der [X.] zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt das beklagte Land auf Zahlung von Verzugszinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Zusammenhang mit der Erbringung ambulanter Pflegeleistungen in Anspruch.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und hatte mit den Pflegebedürftigen G.

D.

, E.

T.

und G.

E.

privatrechtliche Verträge über die Erbringung ambulanter Pflegeleistungen [X.]. Der [X.] übernahm als Träger der Sozialhilfe jeweils durch
Bescheid gegenüber den Pflegebedürftigen die Kosten der erbrachten [X.]. Eine Kopie der Bescheide erhielt die Klägerin zur Kenntnisnahme.
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Mit Schreiben vom 24. Juni 2003 erklärte die Klägerin den Beitritt zu der Vereinbarung nach § 93 Abs. 2 [X.] zwischen dem [X.]n und den [X.] der Träger von ambulanten Pflegeeinrichtungen
vom 4. Oktober 1996 über die Erbringung von Leistungen der Haushilfe und der Hauspflege nach §
11 Abs. 3, §§ 68 ff, 70 [X.]. § 8 der Vereinbarung lautet wie folgt:

"Zahlungsverfahren

Die Abrechnung erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind beim zuständigen Bezirksamt innerhalb von zwei Monaten nach [X.] einzureichen.

Die Bezahlung von nicht zu beanstandenden Rechnungen soll innerhalb

Sollte in begründeten Fällen eine Zahlung innerhalb der genannten [X.] nicht möglich sein, leistet das zuständige Bezirksamt eine [X.] %, bezogen auf den Betrag der [X.].

Im Übrigen gelten die in der Rahmenvereinbarung nach § 75 Abs. 1 und 2 [X.] getroffenen Regelungen."

Die Klägerin ist des weiteren Mitglied im Anbieterverband [X.] Gesundheitspflegeeinrichtungen e.V. (vormals Arbeitgeberverband im [X.]). Zwischen diesem, den Landesverbänden der [X.] und dem [X.]n wurde am 15. November 2006 ein Rahmenvertrag gemäß § 75 Abs. 1 und 2 [X.] zur ambulanten pflegerischen Versorgung abgeschlossen. Dieser Vertrag enthält in § 17 Regelungen zum Abrechnungs-verfahren:

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"(7)
Die Abrechnung der Pflegeleistungen erfolgt kalendermonatlich. Die Rechnungen sind bei der [X.] oder einer von ihr [X.] Abrechnungsstelle in der Regel innerhalb von zwei Mona-ten nach Leistungserbringung einzureichen. Die Bezahlung der ordnungsgemäß erstellten Rechnungen erfolgt spätestens [X.] von 14 Tagen nach Eingang bei der [X.] oder der

(8)
Näheres zur Abrechnung und Zahlungsweise, insbesondere Zeit-punkt der Rechnungsstellung, Abweichung bei Schlussrechnun-gen, Zahlung von Abschlägen und Verfahren bei Überschreitung der vereinbarten Fristen vereinbaren ggf. die Partner dieses [X.]. Es bleibt den [X.]n und Pflegediensten vorbehalten, spezifische Regelungen zur Abrechnung und [X.] nach rechtzeitiger Rücksprache miteinander zu ver-einbaren."

Die gegenüber den Hilfeempfängern erbrachten Pflegeleistungen stellte die Klägerin wie folgt in Rechnung:

E.

:

T.

:
Rechnung vom 4. November 2012 in Höhe
von 81,

D.

:

.

Da der [X.] ohne Angabe von Gründen keine Zahlungen leistete, forderte ihn die Klägerin mit Mahnschreiben vom 30. Oktober 2012 (E.

) und 28. Dezember 2012 (D.

, T.

) auf, den jeweiligen [X.] unverzüglich zu überweisen. Nachdem auch weitere Mahnungen erfolglos 5
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blieben, verlangte die Klägerin mit gesonderten Anwaltsschreiben vom 27. [X.] 2013 Zahlung bis zum 9. März 2013.
Zugleich machte sie Verzugszinsen sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

Am 25. März 2013 beglich der [X.] die offenen Rechnungsbeträge (ohne Verzugszinsen und Rechtsanwaltskosten).

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von Verzugszinsen
aus den jeweiligen Rechnungsbeträgen für den Zeitraum ab 30 Tagen nach

[X.] die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von insgesamt 213,49

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Beru-fung hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]n hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-sentlichen ausgeführt:
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Da der [X.] die unstreitigen Rechnungen erst am 25. März 2013 und damit nach Ablauf der in den Verbandsverträgen bestimmten Fristen beglichen habe, stünden der Klägerin die geltend gemachten Verzugszinsen gemäß § 286 Abs. 2, 3, § 288 BGB zu. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs seien anwendbar. Nach der Rechtsprechung des [X.] (grundlegend [X.], 1) bewirke die Übernahme der Pflegekosten durch Bescheid des Sozialhilfeträgers als Verwaltungsakt mit Drittwirkung eine Schuldübernahme in Form eines Schuldbeitritts. Der Sozialhilfeträger trete auf diese Weise als [X.] in Höhe der bewilligten Leistungen an die Seite des [X.]. Durch den Schuldbeitritt mutiere die Schuld, zu der beigetreten werde und die aus dem privatrechtlichen Pflegevertrag
resultiere, nicht zu einer öffentlich-rechtlichen. Vielmehr teile der Anspruch des Leistungserbringers ge-gen den Sozialhilfeträger die zivilrechtliche Rechtsnatur der Forderung.

Die [X.] seien auch nicht durch die Verbandsverträge abbedungen worden. Während in dem [X.] nicht einmal eine feste Zahlungsfrist vorgesehen sei, bestimme die Rahmenvereinbarung vom 15. November 2006 lediglich eine bestimmte Frist von 14 Tagen nach [X.]. Weitergehende vertragliche Re-gelungen fehlten. Insbesondere seien die gesetzlichen Verzugsfolgen nicht ausgeschlossen worden.

Entgegenstehende gesetzliche Regelungen seien ebenfalls nicht ersicht-lich. Im Sozialrecht befassten sich nur wenige Vorschriften mit Fragen der [X.]. Keine dieser Bestimmungen sei einschlägig. [X.] seien auf die vorliegenden [X.] ohnehin nicht anwendbar, da diese privatrechtlicher Natur seien.
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Der Klägerin stehe auch ein Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB zu. Der [X.] sei mit der Bezahlung der Rechnungen in Verzug geraten. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts sei erforderlich und zweckmäßig gewesen. Der Anspruch bestehe auch in der gel-tend gemachten Höhe. Es habe sich um verschiedene Angelegenheiten im [X.] von § 15 [X.] gehandelt. Die Klägerin habe daher zu jedem Pflegebedürfti-gen separat abrechnen dürfen. Es habe auch die Regelgebühr von 1,3 nach Nr.
2300 [X.] [X.] angesetzt werden dürfen, da der zu beurteilende Sachverhalt nicht einfach gewesen sei. Die geltend gemachten Prozesszinsen ergäben sich aus § 291 BGB.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläge-rin Verzugszinsen nach § 288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu-stehen und sie gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286
BGB
die vorgerichtlichen Rechts-anwaltskosten in der geltend gemachten Höhe verlangen kann.

1.
Die [X.], insbesondere §§
286 ff BGB, gelten auch, soweit der [X.] als Sozialhilfeträger der Zah-lungsverpflichtung der Hilfeempfänger aus den privatrechtlichen Pflegeverträ-gen durch Bewilligungsbescheide beigetreten ist (kumulative Schuldübernah-me).

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a) Das Leistungserbringungsrecht der Sozialhilfe ist im Bereich der pfle-gerischen Versorgung durch das so genannte sozialhilferechtliche Dreiecksver-hältnis geprägt, das die wechselseitigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Träger der
Sozialhilfe, dem Leistungsberechtigten (Hilfeempfänger) und dem Leistungserbringer (Pflegedienst) sinnbildlich darstellt (grundlegend [X.], 1 Rn. 15 ff).

aa) Zwischen dem bedürftigen Hilfeempfänger und dem Sozialhilfeträger besteht ein öffentlich-rechtliches Leistungsverhältnis ([X.]), das sich nach den Vorschriften des [X.] beurteilt. Die Entscheidung über die [X.] ergeht durch Verwaltungsakt. Das Grundverhält-nis ist Fundament und rechtlicher Maßstab für die übrigen Rechtsbeziehungen (Ausstrahlungswirkung). Im Rahmen des [X.]ses stehen dem Sozi-alhilfeempfänger keine [X.] auf Zahlung entstehender oder ent-standener Kosten an sich selbst
zu; er kann vom Sozialhilfeträger ausschließ-lich die
Übernahme dieser Kosten ([X.]) in Form der Zahlung an den Leistungserbringer verlangen ([X.]/[X.], jurisPK-[X.], 2. Aufl., § 75
[X.] Rn. 32, 38; [X.], [X.] 2013, 127, 128).

bb) [X.] gegen-über dem Sozialhilfeträger setzt voraus, dass zwischen dem bedürftigen Hilfe-empfänger und dem Leistungserbringer ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen wird, auf Grund dessen ein Anspruch auf Erbringung von Betreuungs-, Hilfe-
und Förderleistungen sowie gegebenenfalls Unterkunft und Verpflegung besteht (privatrechtliches [X.]). Im Gegenzug ist der bedürftige Hilfe-empfänger
zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Entgelts verpflichtet. Die gegenüber dem Leistungserbringer bestehende Zahlungsverpflichtung des [X.] ist der Bedarf, den der Sozialhilfeträger im [X.]
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durch Vergütungsübernahme -
decken muss ([X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 34; [X.] aaO).

cc) Grundlage der Rechtsbeziehung zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger (öffentlich-rechtliches Sachleistungsverschaffungs-verhältnis) sind zum einen (öffentlich-rechtliche) Vereinbarungen nach § 93 Abs. 2 [X.] beziehungsweise § 75 Abs. 3 [X.], die auf [X.] zwischen dem zuständigen Sozialhilfeträger und dem Leistungserbringer [X.] werden, und zum anderen Rahmenverträge auf Landesebene (vgl. [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 36; [X.] aaO). Da der Sozialhilfeträger die Leistungen grundsätzlich nicht selbst erbringt, hat er durch Verträge mit den Leistungserbringern eine Sachleistung durch diese sicherzustellen. Dadurch wird dem Hilfeempfänger die Sozialleistung verschafft ([X.], 1 Rn. 17). Zugleich modifizieren die Vereinbarungen das [X.] und [X.] ("überlagern") das [X.] ([X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn.
34, 40).

b) Nach § 93 Abs. 2 [X.] beziehungsweise § 75 Abs. 3 [X.] ist die "Übernahme"
der dem Leistungserbringer zustehenden Vergütung untrennbarer Bestandteil der [X.] des Trägers der Sozialhilfe. Rechtlich geschieht dies -
bei fortbestehender Verpflichtung des [X.] aus dem im [X.] geschlossenen privatrechtlichen Vertrag -
in Form eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers (kumulative Schuldüber-nahme) durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung ([X.], 1 Rn. 22 ff; BSG, Beschluss vom 18. März 2014 -
B 8 SF 2/13 R, BeckRS 2014, 68095 Rn. 7; siehe auch [X.], Beschluss vom 26. November
2012 -
L 18 SO 173/12 B, BeckRS
2013, 68424 = juris Rn. 15 ff). Der Schuldbeitritt hat dann zum einen einen unmittelbaren Zahlungsanspruch des Leistungserbringers ge-23
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gen den Sozialhilfeträger, zum anderen einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an den Leistungserbringer zur Folge. Der Sozialhilfeträger tritt auf diese Weise als Gesamtschuldner im Sinne der §§
421 ff BGB in Höhe der bewilligten Leistung, wie sie in dem gegenüber dem Hilfsbedürftigen ergehenden Kostenübernahmebescheid ausgewiesen ist, an die Seite des
Sozialhilfeempfängers (BSGE aaO
Rn. 25). Dadurch, dass der Sozialhilfeträger mit dem Kostenübernahmebescheid der Schuld des [X.]s beitritt und der Leistungserbringer auf Grund dieses Schuldbeitritts di-rekt einen Zahlungsanspruch gegen den Sozialhilfeträger hat, wandelt sich die zivilrechtliche Schuld aus dem im [X.] zwischen dem [X.] und dem Leistungserbringer geschlossenen ([X.] nicht in ei-ne öffentlich-rechtliche um.
Denn ein Schuldbeitritt teilt seinem Wesen nach die Rechtsnatur der Forderung des Gläubigers, zu der er erklärt wird (Senatsurteile vom 22. Juni 1978 -
III ZR 109/76, [X.], 56, 58 ff und vom 6. November 2008 -
III ZR 279/07, [X.], 243 Rn. 14; [X.], Urteil vom 16. Oktober 2008 -
XI [X.], [X.]Z 174, 39 Rn. 23; Senatsbeschlüsse vom 17. September 2008 -
III ZB 19/08, [X.], 2153 Rn. 16 und [X.], BeckRS 2008, 21300 Rn. 16). Der Sozialhilfeträger wird durch den Schuldbeitritt Gesamt-schuldner einer zivilrechtlichen Forderung, deren Gläubiger der [X.] ist und die gegebenenfalls im Zivilrechtsweg geltend zu machen ist. Die Schuld, der beigetreten wird, kann rechtlich für den [X.] nicht zu einer öffentlich-rechtlichen mutieren, während sie bei dem bisherigen Alleinschuldner eine privatrechtliche bleibt (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 aaO Rn. 8; [X.] aaO Rn. 18).

Materiell-rechtlich gelten die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetz-buchs daher auch insoweit, als der Sozialhilfeträger der aus dem Erfüllungsver-hältnis resultierenden Vergütungspflicht des Hilfeempfängers beigetreten ist. 25
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Dies gilt insbesondere
für die Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungs-rechts (§§ 280 ff BGB). Es liegen Einzelverpflichtungen vor, die bei Begründung der Gesamtschuld durch Verwaltungsakt mit Drittwirkung inhaltsgleich sind und nach dem maßgeblichen Beitrittszeitpunkt nach allgemeinen Gesamtschuld-grundsätzen eine selbständige und durchaus unterschiedliche Entwicklung nehmen können, wenn nicht ein Fall der Wirkungserstreckung nach §§ 424 ff BGB vorliegt (MüKoBGB/[X.], 6. Aufl., Vor § 424 Rn. 17; [X.]/Grüne-berg, BGB, 74. Aufl., Überblick vor § 414 Rn. 7).

Bei der Beurteilung der zivilrechtlichen Verpflichtung des [X.] muss allerdings stets in den Blick genommen werden, dass die zwischen dem Leistungserbringer und dem Sozialhilfeträger im [X.] bestehenden ([X.] die zivilrechtlichen Pflichten in dem Sinne "sozialrechtlich überlagern"
können, dass sie diese modifizieren (BSG, Beschluss vom 18. März 2014 aaO Rn. 9; [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 34, 51 ff).

c) Aus den dargestellten wechselseitigen Rechtsbeziehungen in dem sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis folgt für den vorliegenden Fall, dass der [X.] mit den gegenüber den Pflegebedürftigen D.

, E.

und T.

ergangenen [X.] in dem dort ausgewiesenen Umfang der Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers aus
den mit der Kläge-rin abgeschlossenen [X.]n jeweils beigetreten ist. Dabei handelt es sich um eine zivilrechtliche Schuld, die durch den Beitritt des [X.]n nicht in eine öffentlich-rechtliche umgewandelt worden ist. Auf Grund dieses Beitritts
hat die Klägerin unmittelbar einen den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts unter-liegenden Zahlungsanspruch gegen den [X.]n als Gesamtschuldner er-worben. Aus der zivilrechtlichen Natur des Anspruchs resultiert auch die An-26
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wendbarkeit der §§ 280 ff BGB für den Fall, dass der [X.] die [X.] Zahlungsverpflichtung nicht oder verspätet erfüllt.

d) Aus den im Leistungsverschaffungsverhältnis zwischen den Parteien bestehenden öffentlich-rechtlichen Verträgen ergibt sich nichts Abweichendes. § 8 der Vereinbarung vom 4. Oktober 1996 und § 17 Abs. 7 des [X.] vom 15. November 2006 enthalten lediglich eine Bestimmung der Leis-tungszeit im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach sind beanstandungs-freie Rechnungen -
wenn von der dem Schuldner günstigsten Regelung ausge-gangen wird
-
spätestens innerhalb von drei Wochen nach [X.] zu bezahlen. Die in der Vereinbarung vom 4. Oktober 1996 gebrauchte [X.] ""
stellt -
wie der Gesamtzusammenhang der Vertragsklausel belegt -
eine grund-sätzlich verbindliche Bestimmung der Leistungszeit dar, von der nur bei konkre-ten Beanstandungen oder in sonstigen "begründeten Fällen"
abgewichen wer-den darf. Im Übrigen haben die Vertragsparteien davon abgesehen, das "[X.] bei Überschreitung der vereinbarten Fristen"
näher zu regeln, so dass im Verzugsfall auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückzugreifen ist (siehe auch [X.]/[X.] aaO § 75 [X.] Rn. 46.2).

Der
Einwand der Revision, der Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Verzugsvorschriften stehe entgegen, dass der Sozialhilfeträger mit dem Schuldbeitritt die Handlungsebene des öffentlichen Rechts nicht habe verlassen wollen mit der Folge, dass er keine Verzugszinsen nach dem [X.] schulde, verkennt die Rechtsbeziehungen, wie sie sich aus dem sozi-alhilferechtlichen Dreiecksverhältnis ergeben. Danach kommt der Sozialhilfeträ-ger seiner [X.] im Grund-
und [X.] in den Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung (Verwal-28
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tungsakt, öffentlich-rechtlicher Vertrag) nach. Daraus resultiert jedoch der [X.] zu einer im [X.] begründeten zivilrechtlichen Schuld. Dass sich der Sozialhilfeträger von den Folgen einer von ihm zu vertretenden Leis-tungsstörung (hier: verzögerte Zahlung) nicht "einseitig"
freizeichnen kann, ver-steht sich von selbst.

Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob und inwieweit aus dem Sozialrecht herrührende Anspruche möglicherweise zu verzinsen sind (zum Beispiel nach § 44 Abs. 1 SGB I), stellt sich im Streitfall nicht. Denn der Vergü-tungsanspruch der Klägerin hat
-
wie dargelegt -
seine Grundlage in den zwi-schen ihr und den Pflegebedürftigen
bestehenden (privatrechtlichen) Vertrags-verhältnissen und nicht in sozialrechtlichen Vorschriften.

e) Da der [X.] die ordnungsgemäß eingereichten Rechnungen der Klägerin vom 9. September 2012 sowie 4. und 6. November 2012 -
ohne [X.] von Gründen -
erst am 25.
März 2013 bezahlt hat, schuldet er gemäß §
288 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 286 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 BGB Verzugszinsen. Gegen den von der Klägerin nach § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB errechneten Betrag von

2.
Das angefochtene Urteil hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als das Berufungsgericht den [X.]n unter dem Gesichtspunkt des [X.] (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB) zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 21BGB) verurteilt hat.

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a) Entgegen der Meinung der Revision ist der Klägerin ein Verzugsscha-den in Höhe der vorprozessual aufgewendeten Anwaltskosten entstanden. Rechtsverfolgungskosten sind gemäß § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB als adäquat verursachte Verzugsfolge zu erstatten, wenn sie -
nach Eintritt des Verzugs -
aus Sicht des Forderungsgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung sei-ner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (st. Rspr., vgl. nur [X.], Urteile vom 8.
November 1994 -
VI ZR 3/94, [X.]Z 127, 348,
350 und vom 23. Oktober 2003 -
IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446; siehe auch [X.]/[X.] aaO § 286 Rn. 45). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn der [X.] hat auf die Mahnungen der Klägerin nicht
reagiert. Die Beauftragung von [X.] W.

mit der außergerichtlichen Geltendmachung der offenen [X.] erfolgte erst, nachdem die eigenen Bemühungen der Klägerin ersichtlich fruchtlos geblieben waren. Dabei ist ohne Bedeutung, ob es
sich bei den geltend gemachten Forderungen um einfach gelagerte Fälle handelte. Zahlt der Schuldner auf die erste Mahnung des Gläubigers nicht, kann dieser die wei-tere Rechtsverfolgung auf Kosten des Schuldners einem Rechtsanwalt übertra-gen ([X.], Urteil vom 8. November 1994 aaO S. 353).

b) Die von der Klägerin geltend gemachte Geschäftsgebühr nach Nr.
2300 [X.] [X.] ist entstanden.

Es kommt für das Entstehen der Gebühr darauf an, ob der Rechtsanwalt zunächst mit der außergerichtlichen Geltendmachung
der Ansprüche beauftragt und der [X.] allenfalls bedingt erteilt worden ist oder ob ein unbe-dingter
Klageauftrag vorliegt
([X.], NJW-RR 2006, 242 f; [X.], Urteil vom 20. Juli 2012 -
23 [X.], BeckRS
2013, 03573 = juris Rn. 55). Hat der Rechtsanwalt bereits von Anfang an einen unbedingten Klage-auftrag erhalten, fallen auch die Tätigkeiten vor Erhebung der Klage allein unter 33
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die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 [X.] [X.] ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2011 -
IV ZR 34/11, NJW-RR 2012, 486 Rn. 21; [X.]/Müller-Rabe, [X.], 21. Aufl., Vorb. 3 [X.] Rn. 14). Soweit die Revision im Streitfall einen un-bedingten Klageauftrag annehmen will, übergeht sie den Hinweis von [X.] W.

in
den
-
im Berufungsurteil in Bezug genommenen -
Mahn-schreiben, sie werde ihrer Mandantschaft für den Fall, dass "wider Erwarten"
kein fristgemäßer Zahlungseingang zu verzeichnen sein sollte, "anraten, ihren Anspruch gerichtlich durchzusetzen". Daraus
ergibt sich
ohne weiteres, dass
Rechtsanwältin
W.

zunächst nur mit der außergerichtlichen Geltendma-chung der Forderungen beauftragt war und die Frage der Klageerhebung, auch wenn [X.] eventuell bereits gefertigt gewesen sein sollten, noch der Entscheidung des Auftraggebers vorbehalten war. Ein unbedingter Prozessauf-trag war nach Sachlage auch noch nicht geboten, da der Versuch einer außer-gerichtlichen Regulierung mit anwaltlicher Hilfe -
Einwendungen gegen die Rechnungen wurden von dem [X.]n nicht erhoben -
Aussicht auf Erfolg versprach und somit Grund zu der Annahme bestand, eine gerichtliche Ausei-nandersetzung vermeiden zu können (vgl. [X.] aaO).

c) Zu Unrecht beruft sich die Revision darauf, dass die aus den [X.] mit den Pflegebedürftigen D.

, E.

und T.

resultierenden Vergütungsansprüche als eine einzige Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn (§ 15 [X.]) zu behandeln und daher nicht drei gesonderte Geschäftsge-bühren nach Nr. 2300 [X.] [X.] entstanden seien, sondern allenfalls
eine Ge-schäftsgebühr aus der Summe der Rechnungsbeträge.

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Unter einer "Angelegenheit"
im gebührenrechtlichen Sinn ist das gesam-te Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsanwalt tätig wird. Um dieselbe Angelegenheit annehmen zu können, müssen drei Voraus-setzungen kumulativ erfüllt sein. Insbesondere muss -
neben einem einheitli-chen Auftrag und einem gleichen Tätigkeitsrahmen -
zwischen den einzelnen Gegenständen
ein innerer objektiver Zusammenhang bestehen, das heißt es muss sich um einen einheitlichen Lebensvorgang handeln ([X.], NJW-RR 2005, 67, 68; [X.]/[X.] aaO § 15 [X.] Rn. 5 ff; [X.]/Wolf/[X.], [X.], 7. Aufl., § 15 Rn.
22 ff). Zumindest die letztgenannte Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Der Beauf-tragung von Rechtsanwältin W.

lagen nicht nur drei getrennte Pflegeverträ-ge, sondern auch drei unterschiedliche sozialhilferechtliche Verfahren [X.], die unabhängig voneinander beurteilt werden mussten. Hinsichtlich jedes Hilfeempfängers mussten die Rechtsbeziehungen innerhalb des sozialhilfe-rechtlichen [X.] gesondert überprüft werden. Dabei war auch festzustellen, ob die abgerechneten Leistungen den Vorgaben aus dem Grund-
und [X.] entsprachen. Es lagen somit mehrere Angelegen-heiten im Sinne von § 15 [X.] vor.

d) Der Einwand der Revision, bei den anwaltlichen Mahnschreiben vom 27. Februar 2013 habe es sich lediglich um "Schreiben einfacher Art"
im Sinne von Nr. 2302 [X.] [X.] in der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Fassung (jetzt
Nr.
2301 [X.] [X.] in der Fassung des [X.] vom 23. Juli 2013, [X.] I S. 2586) gehandelt, so dass nur eine Gebühr von 0,3 hätte angesetzt werden dürfen, trifft bereits im Ausgangspunkt nicht zu. Der

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niedrigere [X.] kommt nur in Betracht, wenn der erteilte Auftrag von vornherein keinen über Nr. 2302 [X.] [X.] aF beziehungsweise Nr. 2301 [X.] [X.] nF hinausgehenden Inhalt hatte, sich also auf eine einfache Anfrage oder eine einfache Mahnung oder Zahlungsaufforderung beschränkte (Gerold/
Schmidt/[X.] aaO [X.] 2301 Rn. 2; [X.], [X.], 45. Aufl., [X.] [X.] 2301 Rn. 2 f). Der Rechtsanwältin W.

erteilte Auftrag war nicht auf ein Schreiben einfacher Art beschränkt, sondern bezog sich auf die vollständige außergerichtliche Geltendmachung der Forderungen der Klägerin und umfasste -
wie dargelegt -
die eigenständige Überprüfung dreier voneinander unabhängi-ger Sozialhilfeverfahren.

e) Die Revision vermag schließlich auch nicht mit der Rüge durchzudrin-gen, das Berufungsgericht sei im Rahmen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] [X.] zu Unrecht von einer Mittelgebühr in Höhe von 1,3 ausgegangen. Der getätigte Aufwand rechtfertige nur den [X.] von 0,5.

Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 [X.] [X.] beträgt 0,5 bis 2,5. Nach der Anmerkung zu diesem Vergütungstatbestand kann eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Die Mindestgebühr von 0,5 kommt nur für denkbar einfachste [X.] Anwaltstätigkeiten in Betracht ([X.]/[X.] aaO [X.] 2300 Rn. 27). Da Letzteres im Streitfall ersichtlich ausscheidet und die Tätigkeit von Rechtsanwältin W.

auch nicht deutlich über den Normalfall hinausging, hat

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das Berufungsgericht zu Recht die Regelgebühr von 1,3 der Honorarberech-nung zugrunde gelegt.

[X.]
[X.]
[X.]

Remmert
Reiter

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.03.2014 -
6 C 234/13 -

LG [X.], Entscheidung vom 17.09.2014 -
49 S 21/14 -

Meta

III ZR 304/14

07.05.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 07.05.2015, Az. III ZR 304/14 (REWIS RS 2015, 11432)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 11432

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Referenzen
Wird zitiert von

X E 4/20

Zitiert

III ZR 304/14

IV ZR 34/11

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x

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