Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 172/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 13970

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[X.]:[X.]:BGH:2016:230316UIVZR172.14.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 172/14

Verkündet am:

23. März 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 23. März 2016

für Recht erkannt:

Auf die Revision des
Klägers
wird das Urteil des 20. Zi-vilsenats des [X.] vom 2.
Mai
2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d.
[X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Le-bensversicherung.

Diese wurde aufgrund Antrags d.
[X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Juni
2003 nach dem so genannten Policenmodell des §
5a [X.] in der 1
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seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlos-sen.

Mit Schreiben vom Juni 2010 erklärte d. [X.] die Kündigung des Versicherungsvertrages und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom Juli 2011 erklärte d. [X.] den Widerspruch nach §
5a [X.] a.F.

Mit der Klage verlangt d.
[X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag ge-leisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.].

Nach Auffassung d.
[X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil er zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen §
5a [X.] a.F. mit den
Lebensversicherungs-richtlinien der [X.] nicht vereinbar sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision ver-folgt d.
[X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus unge-rechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt, weil die Belehrung im Versicherungsschein nicht den notwendigen Hinweis auf die einzuhal-tende Textform enthalte. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der
ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekommen. Der [X.] war

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]

auch un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

nicht ordnungsgemäß im Sinne von
§ 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. über das [X.]. Die Widerspruchsbelehrung im hier maßgeblichen Ver-sicherungsschein genügt diesen Anforderungen nicht, weil
sie inhaltlich fehlerhaft ist. Sie enthält keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 Satz 1 [X.] in der ab 1. August 2001 gültigen Fassung erforderliche, aber auch 8
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ausreichende Textform des Widerspruchs. Dieses Formerfordernis konn-te d. [X.] entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht aus der Formulierung entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge (vgl. Senatsurteil vom 22. Juli 2015

IV ZR 35/14, juris Rn. 12).

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.], 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.[X.]). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits 13
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vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.[X.]).

[X.]) D. [X.] hat das Recht zum Widerspruch auch nicht verwirkt. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er d. [X.] keine ordnungs-gemäße Widerspruchsbelehrung erteilte. Ob

wie die Revisionserwide-rung meint

der Verwirkungseinwand möglich ist, wenn eine [X.]sbelehrung nur marginale Fehler aufweist, braucht hier nicht ent-schieden zu werden. Der genannte [X.] ist nicht [X.], sondern betrifft einen wesentlichen Punkt für die Ausübung des [X.]s, nämlich die Form des Widerspruchs (vgl. Senatsurteil vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 29, 30).

b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

2. Ein [X.] war bei Einreichung
der Klage im Juli 2011 noch nicht verjährt. Zu diesem Zeitpunkt war die maßgebliche re-gelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB nicht abgelaufen. Diese konnte erst mit Schluss des Jahres 2011 beginnen, da d. [X.] erst in diesem Jahr den Widerspruch erklärte. Der nach einem Widerspruch gemäß § 5a [X.] a.F. geltend gemachte Bereicherungsanspruch ent-stand erst mit Ausübung des Widerspruchsrechts im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hatte d. [X.] Kenntnis 16
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von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. Senatsurteil vom 8. April 2015 -

IV ZR 103/15, [X.], 700
Rn. 19 ff.).

3. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.[X.]).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46) und dabei auch die Vorgaben der Senatsurteile vom 29. Juli 2015 ([X.],

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[X.], 1101 Rn. 35
ff.; [X.], [X.], 1104 Rn. 34 ff.) sowie vom 11. November 2015 ([X.], [X.], 33 Rn. 31 ff.) zu beachten haben.

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] [X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.02.2012 -
26 [X.]/11 -

O[X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 32/12 -

Meta

IV ZR 172/14

23.03.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2016, Az. IV ZR 172/14 (REWIS RS 2016, 13970)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13970

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Zitiert

IV ZR 76/11

IV ZR 448/14

IV ZR 103/15

IV ZR 384/14

IV ZR 513/14

20 U 32/12

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