Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2012, Az. 27 W (pat) 49/11

27. Senat | REWIS RS 2012, 2516

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Gegenstand

Markenlöschungsbeschwerdeverfahren – "HOT" – fehlende Unterscheidungskraft -  


Tenor

In der Beschwerdesache

 

 

betreffend die Marke [X.] 797 277

(hier: verbundene Löschungsverfahren [X.], [X.]/10 und [X.]/10)

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2012 durch [X.] [X.], [X.] und die Richterin Werner

beschlossen:

1. [X.] wird zurückgewiesen.
2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 wird der Be-schluss der Markenabteilung 3.4 des [X.] vom 22. März 2011 insoweit aufgehoben, als der Schutzentziehungsantrag der Antragstellerin zu 1 zurückgewiesen wurde.

Auf den Schutzentziehungsantrag der Antragstellerin zu 1 wird der [X.] Marke 797 277 der Schutz in der [X.] insgesamt entzogen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Gegen die Wort /Bildmarke [X.] 797 277

2

der am 15. Juni 2006 für die Waren

3
„[X.]. 3: Préparations pour blanchir et autres substances pour lessiver; préparations pour nettoyer, [X.], dégraisser et abraser; [X.]; parfums, huiles essentielles, cosméti-ques, notamment shampooings, [X.], [X.], [X.], gels, crèmes pour le visage.
4
[X.]. 5: Produits hygiéniques pour la medicine; produits pour compléter l’alimentation (à usage médical); lubrifiants à usage pharmaceutique.
5
[X.]. 16: Papier, carton et produits en ces matières, non compris dans d’autres classes, produits de l’imprimerie notam-ment, [X.], étiquettes pour produits, photographies.
6
[X.]. 25: Vêtements et chaussures“
7

„Wasch- und Bleichmittel; [X.] , Polier , Fettentfernungs- und Schleifmittel; Seifen; Parfüm, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, insbesondere Shampoos, Duschgele, Körperlotionen, Massageöle, Gele, Gesichtscremes ([X.]asse 3)

8

Hygienepräparate für medizinische Zwecke; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Gleitmittel für pharmazeutische Zwecke ([X.]asse 5)

9

Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, so weit sie nicht in anderen [X.]assen enthalten sind; [X.] einschließlich Kalender, Warenetikette, Fotografien ([X.]asse 16)

Bekleidungsstücke, Schuhwaren ([X.]asse 25)“

Schutz für das Gebiet der [X.] gewährt worden war, haben die Antragstellerin zu 1 mit Schriftsatz vom 14. April 2010 ([X.]), die Antragstellerin zu 2 mit Schriftsatz vom 9. März 2010 ([X.]/10) und die Antragstellerin zu 3 mit Schriftsatz vom 22. März 2010 (Löschungsverfahren [X.]) Antrag auf vollständige Löschung gestellt, da sie die Marke jeweils für nicht unterscheidungskräftig und freihaltungsbedürftig halten.

Die Markeninhaberin hat den [X.]n mit Schriftsätzen vom 30. April 2010 ([X.]/10), 29. April 2010 ([X.]) und 22. April 2010 ([X.]/10) widersprochen und mit Schriftsätzen vom 21. Juni 2010 jeweils die kostenpflichtige Zurückweisung der [X.] beantragt. Sie hält die Marke unter Hinweis auf mehrere patent- und zivilgerichtliche Entscheidungen für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig.

[X.] [X.] hat mit Beschluss vom 22. März 2011 die Löschungsverfahren zur gemeinsamen Ent-scheidung verbunden und der [X.] 797 277 den Schutz in der [X.] teilweise, nämlich für die Waren

[X.]. 3: Préparations pour blanchir et autres substances pour lessiver; [X.]; parfums, huiles essentielles, cosmé¬ti-ques, notamment shampooings, [X.], [X.], [X.], gels, crèmes pour le visage;
[X.]. 5: produits pour compléter l’alimentation (à usage médical); lubrifiants à usage pharmaceutique;
[X.]. 16: produits de l’imprimerie notamment, [X.], étiquettes pour produits, photographies;
[X.]. 25: Vêtements et chaussures“,

entzogen. Im Übrigen hat sie die Schutzentziehungsanträge ebenso wie den [X.] der Markeninhaberin zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, bezüglich der zu löschenden Waren fehle dem angegriffenen Zeichen jegliche Unterscheidungskraft. Das [X.] Wort „hot“ habe viele Bedeutungen. Hinsichtlich der Temperatur stehe es für „heiß, sehr warm“ und geschmacklich für „scharf, scharf gewürzt, pikant“. In Bezug auf Personen und deren Ausstrahlung werde das Wort „hot“   wie auch die [X.] Übersetzung „heiß“   in einem übertragenen Sinne gebraucht, nämlich als „sexy, scharf, angesagt, großartig“.

In dieser Bedeutung werde „hot“ auch in Verbindung mit Mode, Schuhen und anderen Produkten, z. B. Parfüms und Kosmetika, verwendet, die geeignet seien, die Attraktivität einer Person zu erhöhen. [X.]eidungsstücke würden als „hot“ bezeichnet, z. B. wenn sie besonders sexy geschnitten seien. Auch Schuhe könnten der Verführung dienen und „hot“ sein, z. B. High Heels, wie sich aus den dem Beschluss beigefügten [X.]. 1 bis 6 ergebe. Eine beschreibende Verwendung des Begriffs „hot“ in der Werbung für Parfüms lege schon die große Zahl der [X.] und [X.] (von [X.]) nahe. Düfte, die als „hot“ bezeichnet würden, versprächen eine sehr erotisch wirkende Duftnote und dadurch die Erhöhung der Attraktivität der anwendenden Person. Zum Teil seien diese Parfüms auch mit Pheromonen (Sexuallockstoffen) angereichert, wie sich aus der dem Beschluss beigefügten [X.]. 7 ergebe. Ähnlich wie die [X.] „[X.]“, „[X.]“ oder „[X.]“ etc. sei „[X.]“ im Bereich der hier interessierenden Produktgruppen, in denen [X.] als Werbesprache weit verbreitet sei, dem interessierten Publikum geläufig. Dies gelte auch für „[X.]“ in Alleinstellung. Darüber hinaus gebe es Kosmetika – insbesondere Massageöle  , die mit Wärmeeffekt arbeiteten, so dass „[X.]“ insoweit beschreibend sein könne, wie sich aus der dem Beschluss beigefügten [X.]. 8 ergebe. Der Begriff „hot“ habe somit einen engen beschreibenden Bezug zu den zu löschenden Waren der [X.]assen 3 und 25.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin seien die von den Antragstellerinnen und der Markenabteilung im [X.] recherchierten Belege für die be-schreibende Benutzung des [X.] geeignet, die Bedeutung eines Wortes im allgemeinen Sprachgebrauch zu belegen. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sei das Verständnis des [X.], der sich zunehmend (auch) über das [X.] informiere. Die Verwendung des Begriffs „hot“ in [X.]foren sei ein deutliches Indiz dafür, welche Bedeutung dieser aus dem [X.]en stammende Begriff in den jüngeren Käuferschichten habe. Die Benutzung des Wortes „hot“ sei auch in Printmedien nachweisbar.

Auch [X.] könnten „hot“   also besonders sexy oder scharf – sein, indem sie entsprechende Bilder verwendeten. Eine Unterscheidung nach den einzelnen benannten [X.]n sei nicht möglich, da der Oberbegriff durch die mit „notamment“ (= insbesondere) angefügte Auflistung nicht eingeschränkt werde.

Wasch- und Bleichmittel könnten bei verschiedenen Temperaturen angewendet werden, und es gebe auch solche nur zur Verwendung bei hohen Temperaturen, wie sich aus den [X.]. 11 und 12 ergebe. Hier könne die Bezeichnung „hot“ als einfacher Hinweis darauf verstanden werden, dass das entsprechend gekennzeichnete Produkt ausschließlich für die [X.] gedacht sei.

Die zu löschenden Waren der [X.]asse 5 könnten geschmacklich besonders scharf sein, wie sich aus den [X.]. 13 und 14 ergebe. Die diätetischen Erzeugnisse könnten auch damit werben, dass sie den Verbraucher besonders angesagt/heiß/scharf/sexy machten oder wirken ließen (z. B. Aphrodisiaka). Gleitmittel für pharmazeutische Zwecke könnten den Anwender scharf und sexy machen. Zudem gebe es auch Gleitmittel mit Wärmeeffekt ([X.]. 15 und 16).

Die Eintragung der Marke im Ausland sei für die Beurteilung der Schutzfähigkeit nicht maßgebend.

Die gewählte graphische Darstellung mache das Zeichen nicht unterscheidungskräftig. Es wirke durch den Rahmen wie eine stempelartig angebrachte Zusatzinformation. Es handle sich hierbei um einfache werbeübliche graphische Gestaltungselemente und Eyecatcher, an die sich das Publikum etwa durch häu-fige werbemäßige Verwendung gewöhnt habe.

Das Schutzhindernis müsse sowohl bei der Eintragung der Marke vorgelegen haben (hier also zum Zeitpunkt der Schutzerstreckung im [X.]), als auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag bestehen. Dies sei der Fall, wie die von der Antragstellerin zu 1 vorgelegten und die dem Be-schluss als [X.]. 17 und 18 beigefügten von der Markenabteilung recherchierten [X.]auszüge ergäben. Schon im [X.] habe das Wort „[X.]“   neben den ursprünglichen Übersetzungen temperaturmäßig „heiß“ und geschmacklich „scharf“ – die vorgenannten Bedeutungen, insbesondere „angesagt“ und „sexy“, gehabt. Somit habe bereits im [X.] das Schutzhindernis der mangelnden Unterscheidungskraft vorgelegen.

Der Hinweis auf die Entscheidung des [X.] in dem Verfahren 28 W (pat) 174/94 vom 1. Februar 1995 ändere an dieser Beurteilung nichts, da diese Entscheidung Waren betroffen habe, für die der Begriff „[X.]“ nicht beschreibend sei.

Für die verbleibenden Waren „[X.] , Polier , Fettentfernungs- und Schleifmittel; Hygienepräparate für medizinische Zwecke; Papier, Pappe (Karton), Waren aus diesen Materialien, soweit sie nicht in anderen [X.]assen enthalten sind“, habe die angegriffene Marke keine beschreibende Bedeutung. Für diese Waren könne dem angegriffenen Zeichen somit nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden. Die Schutzentziehungsanträge seien daher insoweit zurückzuweisen.

Gegen diese Entscheidung haben sowohl die Markeninhaberin als auch die [X.] zu 1 Beschwerde eingelegt.

Die Markeninhaberin hält die Marke aufgrund der vielfältigen Bedeutung des Wortes „[X.]“ für unterscheidungskräftig. Das Zeichen sei für die beanspruchten Waren keineswegs beschreibend, sondern habe allenfalls einen assoziativen Charakter. Die Markeninhaberin verweist hierzu auf mehrere zivilgerichtliche Entscheidungen, mit denen sich das Amt nicht auseinandergesetzt habe.

Das Patentamt habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass die Mar-keninhaberin ihre Produkte unter dieser Kennzeichnung seit über 20 Jahren vertrieben habe.

Für die Schutzfähigkeit der Marke spreche auch deren Eintragung in [X.] und beim [X.]. Bezüglich der Gemeinschaftmarke sei ein von der Antragstellerin zu 1 angestrengtes [X.] anhängig. Deshalb habe die Markeninhaberin die Aussetzung des Verfahrens beantragt. Eine derartige Aussetzung sei in jedem Fall opportun, da sonst die Situation entstehen könnte, dass nach [X.]m Markenrecht die Streitmarke möglicherweise als schutzunfähig angesehen und damit gelöscht werden würde, während sie aufgrund der jüngst vorgenommenen Eintragung des [X.] als Gemeinschaftsmarke und damit auch für [X.] Schutz genießen würde. Eine solche Konstellation widerspreche sowohl dem Gesichtspunkt des Gemeinschaftsrechts wie auch der Wahrung der Rechtseinheit.

Den von der Antragstellerin zu 1 vorgelegten [X.]ausdrucken lasse sich keine Schutzunfähigkeit der Marke entnehmen. Dies gelte auch bezüglich der zurückgewiesenen Marken, bei denen es sich in aller Regel um mehrgliedrige handle, wie z. B. „Hot Edition“.

Die Markeninhaberin verweist schließlich auf eine Entscheidung des [X.] in dem Verfahren 28 W (pat) 174/94, wonach die Wortmarke „[X.]“ für Waren anderer [X.]assen schutzfähig sei.

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens beantragt (sinngemäß),

1. den Beschluss der Markenabteilung vom 22. März 2011 teilweise aufzuheben, soweit den Schutzentziehungsanträgen stattgegeben worden sei,
2. sämtliche Schutzentziehungsanträge zurückzuweisen,
3. die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zu 1 zurück-zuweisen,
4. das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit der [X.] 797 277 auszusetzen,
5. [X.] zu den Schriftsätzen der Antragstellerin zu 1 vom 21. September 2012 und der Antragstellerin zu 3 vom 8. Oktober 2012 zu gewähren,
6. hilfsweise Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Die Antragstellerin zu 1 beantragt (sinngemäß),

1. den Beschluss der Markenabteilung vom 22. März 2012 teilweise aufzuheben, soweit darin der Schutzentziehungsantrag der Marke [X.] 797 277 bezüglich der Waren

[X.], [X.], [X.]; Produits hygiéniques pour la médecine und papier, carton et produits en ces matières, non compris dans d’autres classes

zurückgewiesen worden sei, und der Marke 797 277 auch insoweit den Schutz für die [X.] zu entziehen,

2. die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Zur Beschwerdebegründung trägt die Antragstellerin zu 1 vor, das Publikum werde dem angemeldeten Zeichen auch in Bezug auf die verbliebenen Waren eine beschreibende Bedeutung entnehmen. Reinigungs- und Poliermittel in [X.]asse 3 und Hygieneprodukte für medizinische Zwecke in [X.]asse 5 könnten in unmittelbarem Sinn des Wortes [X.] „heiß“ (statt „kalt“) sein; [X.] könne aber auch als [X.] verstanden werden. Die unterschiedliche Beurteilung des Amtes sei für die Antragstellerin zu 1 nicht nachvollziehbar. Dies gelte auch für die Waren der [X.]asse 16, nämlich „Papier, Pappe sowie Waren daraus“. Auch bei diesen Produkten könne es sich um „angesagte“ oder „heiße“ Waren handeln. Den Schutz von „[X.]“ für Druckereiprodukte zu verweigern, ihn aber für Papierwaren allgemein zuzulassen, erscheine widersinnig.

Gegen die teilweise Schutzfähigkeit des angesprochenen Zeichens spreche auch die vollständige Zurückweisung der Marke [X.] in [X.], [X.] und Japan.

In ihrer Beschwerdeerwiderung vertritt die Antragstellerin zu 1 unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren die Auffassung, die Marke sei nicht unterscheidungskräftig und freihaltungsbedürftig. Bezüglich der Schutzversagung verteidigt sie den angegriffenen Beschluss.

Die von der Markeninhaberin angeführten zivilgerichtlichen Entscheidungen seien für die Beurteilung der Schutzfähigkeit der Marke nicht relevant, da die Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke allein dem [X.] (auf Beschwerde dem [X.]) obliege und die ordentlichen Gerichte an deren Eintragung gebunden seien.

Die Bedeutungsvielfalt des Wortes „[X.]“ begründe entgegen der Auffassung der Markeninhaberin keine Schutzfähigkeit, da eine beschreibende Bedeutung der Marke für deren Versagung genüge.

Für die von der Markeninhaberin beantragte Aussetzung des Verfahrens wegen des beim [X.] anhängigen Schutzentziehungsverfahrens bestehe kein [X.]ass, da das Verfahren beim [X.] nicht vorrangig sei und für das nationale Löschungsverfahren auch keine Bindungswirkung habe.

Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 beantragen,

die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angegriffenen Beschluss und halten die angegriffene Marke für nicht unterscheidungskräftig. Die Unterscheidungskraft fehle einem Zeichen nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des [X.] bereits dann, wenn eine von mehreren Bedeutungen des Zeichens für die angemeldeten Waren beschreibend sei.

In der mündlichen Verhandlung haben die Parteien ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 hat Erfolg, die Beschwerde der Markeninhaberin ist dagegen zurückzuweisen. Der Marke [X.] 797 277 ist bezüglich sämtlicher Waren gemäß § 115 Abs. 1, § 54, § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] der Schutz für die [X.] wegen fehlender Unterscheidungskraft zu entziehen.

1.

Das Schutzentziehungsverfahren ist entgegen der Auffassung der Markenin-haberin nicht wegen des von der Antragstellerin zu 1 beim [X.] angestrengten [X.] gegen die identische Gemeinschaftsmarke der Markeninhaberin gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m. § 148 ZPO auszusetzen.

Eine Aussetzung nach diesen Vorschriften kommt nur bei einer Vorgreiflichkeit in Betracht, die voraussetzt, dass der anderen Entscheidung eine (zumindest teilweise) rechtlich präjudizielle Bedeutung zukommt ([X.]/Hacker, [X.], 10. Aufl., § 43 Rn. 81). Eine Entscheidung des [X.] im [X.] ist für das hiesige Schutzentziehungsverfahren nicht vorgreiflich, da es insoweit an einer Bindungswirkung fehlt. Der Antrag der Markeninhaberin auf Aussetzung des Verfahrens ist daher mangels Vorgreiflichkeit einer etwaigen [X.]-Entscheidung abzulehnen.

2.

Dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag der Markeninhaberin auf [X.] zu den Schriftsätzen der Antragsteller zu 1 vom 21. September 2012 und der Antragstellerin zu 3 vom 8. Oktober 2012 war gemäß § 82 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 283 ZPO nicht stattzugeben.

Die Vorschrift des § 283 ZPO ermöglicht einen [X.] nur, wenn sich ein Beteiligter zu nachgereichten tatsächlichen Vorbringen der Gegenseite nicht unmittelbar in der mündlichen Verhandlung äußern kann, weil er von diesem überrascht ist. Wie die beispielhafte Aufzählung in § 282 Abs. 1 ZPO zeigt, handelt es sich hierbei insbesondere um Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und [X.], nicht jedoch um Rechtsausführungen.

Der Markeninhaberin war der von ihr beantragte [X.] zu den Schriftsätzen der Gegenseite nicht zu gewähren, da die Schriftsätze der Antrag-stellerin zu 1 vom 21. September 2012 und der Antragstellerin zu 3 vom 8. Oktober 2012 lediglich Rechtsausführungen zu den vorausgegangenen Schriftsätzen der Markeninhaberin enthalten.

3.

Die Beschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg. Die Markenabteilung hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, der angegriffenen Marke die Schutzerstreckung auf die [X.] für einen Teil der Waren wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 115 Abs. 1, § 54, § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entzogen.

Nach diesen Vorschriften ist einer eingetragenen Marke die Schutzerstreckung für die [X.] wieder zu entziehen, wenn zum Zeitpunkt der Schutzerstreckung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlte und dieses Schutzhindernis zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzentziehungsantrag noch besteht.

Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, die Waren, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kenn-zeichnen und sie von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum andern im Hinblick auf die beteiligten [X.] zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren abzustellen ist. Ausgehend hiervon besitzen Marken keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen das angesprochene Publikum für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der [X.]n Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien, stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. [X.] BlPMZ 2002, 85 - Individuelle).

Dies ist bei der hier zu beurteilenden Marke der Fall, weil sie nur einen im Vordergrund des Verständnisses stehenden, die beanspruchten Waren beschreibenden Begriffsinhalt hat bzw. als allgemeine Werbeaussage verstanden wird. Das zum Grundwortschatz der [X.]n Sprache gehörende Wort „[X.]“ hat neben der Bedeutung „heiß“ die von der Markenstelle aufgezeigten weiteren Sinngehalte „scharf, scharf gewürzt, pikant, sexy, angesagt, großartig“. Für ein entsprechendes Verständnis im Inland sprechen insbesondere die von der Markenabteilung und den Antragstellerinnen ermittelten [X.]ausdrucke, die eine beschreibende oder werbende Verwendung des Wortes „[X.]“ im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Waren belegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Beschluss verwiesen.

Die einfach gehaltene graphische Ausgestaltung ist nicht geeignet, eine Schutz-fähigkeit zu begründen. Bei einem Zeichen mit einem beschreibenden Begriffsinhalt, der für die in Frage stehenden Waren ohne weiteres und ohne Unklarheiten als solcher aufgefasst wird, genügen einfache graphische Gestaltungen oder Verzierungen des [X.] nicht, um eine Schutzfähigkeit zu begründen. An die graphische Ausgestaltung sind hier größere Anforderungen zu stellen ([X.] GRUR 2001, 1153 - antiKALK).

Die Umrahmung des [X.] und die Schreibweise in Großbuchstaben weisen keine über eine dekorative Art hinausgehenden charakteristischen Merkmale auf und reichen allein zur Erfüllung der Herkunftsfunktion nicht aus.

Das Vorbringen der Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren, das weitgehend eine Wiederholung ihres Vorbringens im Amtsverfahren darstellt, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dass das angemeldete Wort „[X.]“ mehrere Lesarten zulässt, vermag Schutzfähigkeit nicht zu begründen, denn keine Bedeutung gibt keinen Herkunftshinweis ([X.] GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch); eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit liegt nicht vor. Verschiedene gleichwertige Bedeutungen einer Marke sprechen nicht für deren Unterscheidungskraft, wenn sich in Bezug auf die angemeldeten Waren alle ver-nünftigerweise zu erwartenden Deutungsmöglichkeiten als sachbezogen oder sonst als zur Erfüllung der Herkunftsfunktion ungeeignet erweisen ([X.] GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; [X.], 778, 779 - [X.] D[X.]EKT).

Trotz der vagen [X.] steht der Charakter als werblich anpreisende [X.] im Vordergrund, und der Verbraucher wird das Wort immer nur als all-gemein anpreisende bzw. als sachbezogene Angabe, nicht jedoch als individualisierenden Herkunftshinweis ansehen. Im Übrigen reicht es für eine Schutzverweigerung aus, wenn ein Wort nur in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der Waren bezeichnet ([X.] [X.] 2003, 450, 453, Rz. 32 – DOUBLEMINT).

Die Markeninhaberin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, das Schutzhindernis habe zum Zeitpunkt der Schutzrechtserstreckung auf die [X.] im [X.] noch nicht vorgelegen. Dass sich der von der Markenstelle aufgezeigte Bedeutungsgehalt des Wortes „[X.]“ seitdem geändert haben soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung der Markeninhaberin auch nicht aus der Eintragung der Marke in [X.] und beim [X.], da diese Entscheidungen keine Bindungs- und Indizwirkung für das hiesige Verfahren haben (vgl. [X.]/Hacker, a. a. [X.], § 8 Rn. 45, 46 m. w. Nachw.).

Die Markeninhaberin kann sich in diesem Verfahren auch nicht erfolgreich auf die von ihr vorgelegten zivilgerichtlichen Entscheidungen berufen, da Zivilgerichte in [X.] die Schutzfähigkeit einer Marke nicht prüfen, sondern insoweit an die Entscheidung des [X.] bzw. des [X.] gebunden sind.

Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin spielt es für die Beurteilung der Unterscheidungskraft auch keine Rolle, dass sie ihre Produkte unter dieser Kennzeichnung seit über 20 Jahren vertrieben hat, da die Prüfung der Schutzfähigkeit einer Marke grundsätzlich unabhängig von der Person des Anmelders zu erfolgen hat ([X.] GRUR 2006, 503 - Casino Bremen). Für eine Verkehrsdurchsetzung der hier streitgegenständlichen Marke hat die Markeninhaberin weder im Amtsverfahren noch im Beschwerdeverfahren etwas vorgetragen.

4.

Die Beschwerde der Antragstellerin zu 1 hat Erfolg. Abweichend von der Auffassung der Markenabteilung hält der Senat das angegriffene Zeichen auch für die Waren

[X.], [X.], [X.], Produits hygiéniques pour la médecine und papier, carton et produits en ces matières, non compris dans d’autres classes

für nicht unterscheidungskräftig. Die von der Markenabteilung nicht begründete Differenzierung vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

Die Reinigungsmittel der [X.]asse 3 und die Hygienepräparate der [X.]asse 5 können ebenso wie die übrigen in diesen [X.]assen ursprünglich enthaltenen Waren heiß (statt kalt) sein bzw. verwendet werden oder werbeüblich als angesagt bezeichnet werden. Bei den Waren aus Papier und Pappe kann „[X.]“ ebenso wie bei [X.]n als Hinweis auf den Inhalt verstanden werden.

5.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist veranlasst, weil der Senat mit dieser Entscheidung von der Entscheidung des [X.] in dem Verfahren 6 U 27/10 abweicht, in der das [X.] auf Seite 5 seines Urteils die Auffassung vertreten

hat, es könne nicht festgestellt werden, dass dem Wort „[X.]“ für Parfüms eine ausschließlich beschreibende Wirkung zukomme.

6.

Gründe für eine Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 [X.] sind nicht ersichtlich.

Dr. Albrecht Kruppa [X.]

Meta

27 W (pat) 49/11

09.10.2012

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 09.10.2012, Az. 27 W (pat) 49/11 (REWIS RS 2012, 2516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 2516


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. I ZB 3/13

Bundesgerichtshof, I ZB 3/13, 19.02.2014.


Az. 27 W (pat) 49/11

Bundespatentgericht, 27 W (pat) 49/11, 09.10.2012.


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