Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.04.2010, Az. B 2 U 344/09 B

2. Senat | REWIS RS 2010, 7200

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen Richters - Fehlen eines Übertragungsbeschlusses gem § 153 Abs 5 SGG - kleiner Senat - Besetzung - keine Heilung - Ausschluss gem § 295 ZPO)


Leitsatz

Die Befugnis des Berichterstatters, zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern anstelle des Senats nach § 153 Abs 5 SGG zu entscheiden, erfordert einen schriftlichen und den Beteiligten zuzustellenden Beschluss des Senats.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Feststellung einer Berufskrankheit ([X.]) beim Kläger, die die beklagte Berufsgenossenschaft ([X.]) ablehnte. Das angerufene Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2009). Das [X.] ([X.]) hat in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen Richtern die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen (Urteil vom 30. September 2009). Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters, weil das [X.] nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen sei.

Entscheidungsgründe

2

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil des [X.] vom 30. September 2009 ist aufzuheben und die Sache an das [X.] gemäß § 160a Abs 5 Sozialgerichtsgesetz ([X.]) zurückzuverweisen, weil das Urteil auf einem Verfahrensmangel nach § 160 Abs 2 [X.] [X.] beruht.

3

Eine Nichtzulassungsbeschwerde ist [X.] begründet, wenn ein Verfahrensfehler geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§§ 160a, 160 Abs 2 [X.] [X.]). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, weil das angefochtene Urteil des [X.] unter Verletzung des Grundsatzes des gesetzlichen [X.]s (Art 101 Abs 1 Satz 2 Grundgesetz ) ergangen ist.

4

Gesetzlicher [X.] für die Entscheidung von Verfahren vor dem [X.] ist ein Senat in der Besetzung mit einem Vorsitzenden, zwei weiteren Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen [X.]n (§ 33 Satz 1 [X.]). In dieser Besetzung hat das [X.] vorliegend nicht über die Berufung des [X.] entschieden, weil der Senat des [X.] in der Besetzung mit einem Berufsrichter und zwei ehrenamtlichen [X.]n die Berufung des [X.] nach mündlicher Verhandlung zurückgewiesen hat.

5

Die vom Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der in § 33 Satz 1 [X.] vorgeschriebenen Besetzung sind nicht erfüllt. Eine ggf zu erörternde Befugnis des Vorsitzenden oder an dessen Stelle des Berichterstatters zu einer Entscheidung nach § 155 Abs 3, 4 [X.] scheitert schon daran, dass das notwendige Einverständnis der Beteiligten hierfür fehlt.

6

Soweit § 153 Abs 5 [X.] die Möglichkeit vorsieht, dass der Senat des [X.] in den Fällen des § 105 Abs 2 Satz 1 [X.] durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen kann, der zusammen mit den ehrenamtlichen [X.]n entscheidet, sind diese Voraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Es mangelt insbesondere an einem Beschluss des Senats, durch den die Berufung dem Berichterstatter zusammen mit zwei ehrenamtlichen [X.]n zur Entscheidung übertragen wird.

7

Das [X.] hat in seinem Urteil vom 30. September 2009 auf keinen derartigen Beschluss Bezug genommen. Der vorliegenden Akte des [X.] ist ein derartiger Beschluss nicht zu entnehmen. Ein solcher Beschluss müsste jedoch Gegenstand der Akte sein, weil er nach § 153 Abs 1, § 142 Abs 1, § 134 [X.] zu unterschreiben, damit schriftlich abgefasst werden muss sowie an die Geschäftsstelle zu übergeben ist. Zudem müsste der Beschluss den Beteiligten bekannt sein, weil Beschlüsse, die nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, ihnen zuzustellen sind (§ 153 Abs 1, § 133 [X.]). Der Kläger hat jedoch mitgeteilt, dass ihm ein derartiger Beschluss nicht bekannt ist, und in der Akte des [X.] sind auch keine [X.] zu finden.

8

Dieser Verfahrensmangel ist nicht dadurch geheilt, dass der Entscheidung des [X.] eine mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, in der der Kläger anwaltlich vertreten war und die Besetzung des [X.] erkennen konnte. Zwar gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Rüge von Verfahrensmängeln der Berufungsinstanz im Revisionsverfahren und die Heilung von Verfahrensmängel (§§ 556, 295 ZPO) nach § 202 [X.] im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend ([X.] § 160a [X.] mwN). Eine Heilung ist jedoch dann ausgeschlossen, wenn Vorschriften verletzt sind, auf deren Befolgung ein Beteiligter nicht wirksam verzichten kann (§ 295 Abs 2 ZPO). Zu diesen Vorschriften gehören die von Amts wegen zu beachtenden Grundlagen des Prozessrechts, wie die Prozessvoraussetzungen und die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts aufgrund des Verfassungsgebots des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG (vgl nur [X.] in [X.], ZPO, § 295 RdNr 4; [X.]/[X.]/[X.]/ [X.], ZPO, § 295 RdNr 16, 25, 29; jeweils mwN). Gegen die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts wurde vorliegend verstoßen.

9

Der Senat hat von der durch § 160a Abs 5 [X.] eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, das angefochtene Urteil wegen des festgestellten Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, weil ein nicht heilbarer Verfahrensmangel vorliegt.

Das [X.] wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 2 U 344/09 B

27.04.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: U

vorgehend SG Leipzig, 8. Januar 2009, Az: S 23 U 33/07

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 134 SGG, § 142 Abs 1 SGG, § 153 Abs 1 SGG, § 153 Abs 5 SGG, § 202 SGG, § 295 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 27.04.2010, Az. B 2 U 344/09 B (REWIS RS 2010, 7200)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7200

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