Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2001, Az. III ZR 11/00

III. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 2026

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BUNDESGERICHTSHOFIM NAMEN DES VOLKESURTEIL[X.]/00Verkündet am:5. Juli 2001F i t t e r e rJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.]:jaBGHZ:[X.]:[X.] § 839 Fe, H, Ia)Zum "Gebrauch eines Rechtsmittels" im Sinne des § 839 Abs. 3BGB gehört es nicht, daß der Bauherr, der gegen eine Baustille-gungsverfügung Widerspruch eingelegt hat, wegen dessen auf-schiebender Wirkung die bereits begonnenen Bauarbeiten fort-setzt.b)Stützt der Kläger einen Amtshaftungsanspruch darauf, daß seinBauvorhaben trotz einer erteilten Baugenehmigung stillgelegt [X.] ist, so muß das Gericht, das die Stillegung für rechtmäßig hält,weil die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig gewesen sei, auchprüfen, ob der Amtshaftungsanspruch sich aus dem Erlaß der [X.] herleiten läßt (Fortführung der Grundsätze des [X.] vom 20. November 1986 - [X.] = BGHR BGB§ 839 Abs. 1 Streitgegenstand 1).BGH, Urteil vom 5. Juli 2001 - [X.]/00 -O[X.] [X.] [X.] Göttingen- 2 -Der III. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.] und die [X.]. [X.], Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des [X.] desOberlandesgerichts [X.] vom 15. Dezember 1999 auf-gehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts [X.] Kläger sind Miteigentümer eines mit einem Einkaufszentrum bebau-ten Grundstücks im Gebiet der beklagten [X.]. Seit Mitte 1993 planten sie,eine zwischen diesem Einkaufszentrum und einem benachbarten Geschäfts-haus bestehende Baulücke zu schließen. Das zu überbauende Gelände [X.] aus mehreren Grundstücken. Mit Schreiben vom 15. Dezember 1993erklärte das [X.]planungsamt der Beklagten, das Vorhaben sei nach erster- 3 -Prüfung bauplanungsrechtlich zulässig. Wegen eventuell einzuhaltender Ab-stände und beizubringender Baulasten wurde in dem Schreiben um eine [X.] mit dem Bauordnungsamt gebeten. Am 27. April 1994 reichte [X.] den Bauantrag ein. Darauf forderte das Bauordnungsamt mit [X.] vom 18. Mai 1994 fehlende Bauvorlagen an und wies darauf hin, daß [X.] einer Baulast gemäß § 4 Abs. 1 [X.] (in der hier einschlägigenFassung der Bekanntmachung vom 11. Juni 1986 GVBl. 157) erforderlich sei.Nach weiteren, in Abstimmung mit dem Bauamt vorgenommenen [X.] erteilte die Beklagte am 8. Dezember 1994 die Teilbaugenehmigung fürdie Rohbaumaßnahmen. Daraufhin vergaben die Kläger verbindliche [X.] für das Vorhaben; die Bauarbeiten wurden am 9. Januar 1995 begonnen.Nachdem die Kläger im Januar 1995 auf Aufforderung des Bauordnungsamtesweitere Planungsunterlagen eingereicht hatten, verfügte der zuständige [X.]-baurat am 27. Januar 1995 gegenüber dem Architekten zunächst telefonischeinen sofortigen Baustopp, weil die erforderliche [X.] nach § 4Abs. 1 [X.] nicht vorliege. Eine schriftliche Baueinstellungsverfügung folgteam 31. Januar 1995. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Notwendig-keit einer [X.] ergebe sich aus den von dem Architekten [X.] 1995 eingereichten Ergänzungsunterlagen.Die Kläger legten mit Schreiben vom 6. Februar 1995 gegen die [X.] Widerspruch ein und beantragten gleichzeitig, auf dieBaulast gemäß § 92 Abs. 3 [X.] zu verzichten. Am 23. März 1995 hob [X.] die Stillegungsverfügung wieder auf, nachdem die Kläger die Baulastbeigebracht hatten. Am 5. Mai 1995 wurde die Baugenehmigung erteilt. [X.] 1995 nahmen die Kläger die Bauarbeiten wieder auf. Das Bauvorhabenwurde Anfang 1996 [X.] 4 -Die Kläger halten die [X.], hilfsweise die Teilbau-genehmigung für rechtswidrig und nehmen die Beklagte auf [X.] Amtspflichtverletzung in Anspruch. Sie tragen vor, wegen der durch [X.] bewirkten Verzögerung habe der ursprünglich vorgesehene [X.] bereits abgeschlossenen Mietvertrag gekündigt; das Objekt habe nur zuungünstigeren Bedingungen anderweitig vermietet werden können. [X.] ihnen, den Klägern, erhebliche Mehraufwendungen durch die Beibrin-gung der Baulasten entstanden. Die Kläger haben ihren Schaden auf1.798.156,10 DM nebst Zinsen beziffert und hilfsweise die Feststellung be-gehrt, daß die Beklagte verpflichtet sei, den ihnen aus dem Erlaß der Teilbau-genehmigung vom 8. Dezember 1994 sowie der [X.] [X.] Januar 1995 entstandenen und noch entstehenden Schaden zu ersetzen,soweit dieser Schaden nicht anderweitig, insbesondere durch Inanspruchnah-me des Architekten, gedeckt werde. Die Beklagte hat eine Pflichtwidrigkeit so-wie deren Ursächlichkeit für den Schaden bestritten. Sie beruft sich ferner dar-auf, daß die Kläger im Hinblick auf den Suspensiveffekt des von ihnen erhobe-nen Widerspruchs nicht gehindert gewesen seien, die Bauarbeiten trotz [X.] fortzusetzen, da diese nicht mit der Anordnung des [X.] versehen gewesen sei.Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfol-gen die Kläger ihren Haupt- und Hilfsantrag [X.] 5 -EntscheidungsgründeDie Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.[X.] Begründung, mit der das Berufungsgericht den Amtshaftungsan-spruch (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), soweit dieser auf den Erlaß der Stille-gungsverfügung vom 27./31. Januar 1995 gestützt wird, verneint hat, ist nichttragfähig. Das Berufungsgericht lastet den Klägern an, sie hätten die faktischeMöglichkeit des [X.] nach Erlaß der Stillegungsverfügung nicht genutzt.Hierin erblickt das Berufungsgericht eine schuldhafte Rechtsmittelversäumungim Sinne des § 839 Abs. 3 BGB oder ein zum völligen Wegfall des [X.] führendes Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 1 BGB.1.Der Amtshaftungsanspruch kann hier indessen nicht bereits an § [X.]. 3 BGB scheitern. Die Kläger hatten nämlich mit Einlegung des [X.] von dem ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsbehelf gegen [X.] Gebrauch gemacht. Die weitere Frage, ob sie mit Rücksicht auf dieaufschiebende Wirkung dieses Widerspruchs gehalten waren, die [X.] fortzuführen, ist keine solche des [X.]. Vielmehr istder Revision darin beizupflichten, daß die Ausnutzung der [X.] durch schlicht faktisches [X.] nicht als- 6 -"Rechtsmittel" angesehen werden kann. Zutreffend weist die Revision weiterdarauf hin, daß es auch nicht zum Gebrauch des Rechtsbehelfs des [X.] gehört, über die Herbeiführung von dessen aufschiebender [X.] einen drohenden Schaden durch ganz erhebliche eigene Aufwendun-gen zu mindern, zumal dann, wenn - wie hier - aus der Sicht des Bauherrn mitder Möglichkeit gerechnet werden mußte, daß sich das Bauvorhaben endgültigals rechtswidrig erwies und die damit verbundenen Aufwendungen nutzlos [X.]. Daher verdient auch die weitere Erwägung der Revision Zustimmung, daßes, um dem Vorrang des [X.] zur Geltung zu verhelfen, nichtgeboten ist, dem Geschädigten aufzuerlegen, unter faktischer Ausnutzung deraufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erhebliche und risikobehafteteAufwendungen zur Schadensvermeidung zu machen. [X.] läßt sich dievorliegende Problemstellung vielmehr allenfalls unter dem Gesichtspunkt einerObliegenheit erfassen, Aufwendungen zur Schadensminderung zu tätigen(§ 254 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 BGB). Dies räumt auch die [X.] etwaiges Mitverschulden der Kläger könnte indessen nicht zum To-talverlust des Anspruchs führen. Mit der Einstellung der Bauarbeiten hattensich die Kläger gerade so verhalten, wie es die Beklagte mit ihrer Stillegungs-verfügung bezweckt hatte. Mit dieser Verfügung wurde die Funktion der [X.] als Verläßlichkeitsgrundlage für die [X.] der Bauarbeiten aus der Sicht der Kläger zumindest nachhaltig beein-trächtigt. [X.] sie also gleichwohl weitergebaut, so hätten sie sich, falls [X.] weiteren Verfahren herausgestellt hätte, daß die [X.] und die Teilbaugenehmigung rechtswidrig gewesen war, bei [X.] eines auf die Rechtswidrigkeit der Genehmigung gestützten- 7 -Amtshaftungsanspruchs ihrerseits dem Einwand mitwirkenden Verschuldensausgesetzt gesehen. Es gelten insoweit ähnliche Grundsätze, wie sie der [X.] für die Fortsetzung von Bauarbeiten trotz eines Nachbarwiderspruchs ent-wickelt hat (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. Juni 2001 - [X.]; zur [X.] vorgesehen; ferner Senatsurteil vom 16. Januar 1997- [X.]7/95 = WM 1997, 375, 393, insoweit in [X.], 268 nicht abge-druckt, und dazu Schlick in [X.]/[X.]/2000 S. 28). [X.] ist hier zu Lasten der Beklagten an das Vorliegen eines anspruchsmin-dernden Mitverschuldens der Kläger ein strenger Maßstab anzulegen.3.Auch die Auffassung des Berufungsgerichts, die Stillegungsverfügungsei für den Schaden deswegen nicht ursächlich geworden, weil sie bereits am23. März 1995 wieder aufgehoben worden sei, die Bauarbeiten hingegen erstAnfang Mai wieder aufgenommen worden seien, vermag den Senat nicht zuüberzeugen. Es steht fest, daß die Bauarbeiten wegen des Baustopps [X.] eingestellt wurden. Die Frage, ob sie früher als tatsächlich geschehen,hätten wieder aufgenommen werden können, ist dementsprechend nicht einesolche der (adäquaten) Kausalität, sondern allenfalls wiederum eine solchedes Mitverschuldens, und zwar unter dem Gesichtspunkt, daß die Kläger esunterlassen haben können, durch den rechtzeitigen Weiterbau gegen ihreSchadensminderungspflicht zu verstoßen, wobei in diesem Zusammenhang deroben beschriebene strenge Maßstab nicht gelten [X.] alledem bedarf es nunmehr der Klärung der Frage, ob die Stille-gungsverfügung tatsächlich rechtswidrig gewesen ist und ob gegebenenfallsden dafür verantwortlichen Amtsträger ein Verschulden trifft. Diese Frage hat- 8 -das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bewußtoffengelassen.[X.] Berufungsgericht hat sich außerstande gesehen, über einen Amts-haftungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte wegen des Erlasses der Teil-baugenehmigung vom 8. Dezember 1994 zu entscheiden. Es hält insoweit dieBerufung der Kläger gemäß § 519 Abs. 3 ZPO für unzulässig, da die Kläger inihrer Berufungsbegründung das landgerichtliche Urteil, soweit es einen [X.] verneint hatte, nicht angegriffen [X.] insoweit unbeschränkt zulässige Revision (§ 547 ZPO) ist ebenfallsbegründet.Die hier zu beurteilende Fallkonstellation ähnelt derjenigen, die dem [X.]surteil vom 20. November 1986 ([X.] = BGHR BGB § 839 Abs. 1Streitgegenstand 1) zugrunde gelegen hatte. Dort hat der Senat [X.] aufgestellt: Leitet der Kläger einen Amtshaftungsanspruch darausher, daß die Rücknahme eines ihm erteilten [X.], so muß das Gericht, das die Rücknahme für rechtmäßig hält, weil der er-teilte Vorbescheid rechtswidrig gewesen sei, auch prüfen, ob der Amtshaf-tungsanspruch sich aus dem Erlaß des Vorbescheids herleiten läßt. In demgleichen Verhältnis wie in jenem Senatsurteil die Rücknahme zum Bauvorbe-scheid steht hier die Stillegung zu der Teilbaugenehmigung. Hier wie dort [X.] der Lebenssachverhalt, aus dem die Kläger ihre Ansprüche gegen die Be-- 9 -klagte herleiten, sowohl den Ursprungsbescheid als auch den späteren [X.], durch den die Rechtsfolgen des [X.] beseitigtwerden sollten. Die Stillegung läßt sich nur unter Berücksichtigung von [X.] und Folgen des ursprünglichen Verwaltungsaktes zutreffend beurteilen.Unter diesen Umständen ist die Frage, ob die Ursprungsgenehmigung oderaber die Stillegung rechtswidrig war und deshalb eine Amtspflichtverletzungdarstellte, lediglich eine solche der rechtlichen Würdigung des gesamten [X.] zugrundeliegenden Lebenssachverhaltes. Die Frage einer etwaigenRechtswidrigkeit des [X.] konnte nur dann entscheidungser-heblich werden, wenn man die Stillegung für rechtmäßig gehalten hätte, weildie ursprüngliche Baugenehmigung rechtswidrig gewesen war. Deswegen [X.] die Kläger nicht gehindert, sich in der Berufungsbegründung darauf zu be-schränken, aus ihrer Sicht die Rechtswidrigkeit der Stillegung (und damit inzi-denter die Rechtmäßigkeit der Ursprungsgenehmigung) darzulegen. [X.] diese Annahme als unzutreffend, mußte das Berufungsgericht von Amtswegen prüfen, ob sich der Amtshaftungsanspruch aus dem möglicherweiserechtswidrigen Ursprungsbescheid herleiten [X.] 10 -III.Das Berufungsurteil kann nach alledem insgesamt keinen Bestand ha-ben. Die Sache ist vielmehr an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wel-ches nunmehr über Grund und Höhe des Anspruchs neu zu entscheiden habenwird.[X.] [X.][X.] [X.]Galke

Meta

III ZR 11/00

05.07.2001

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2001, Az. III ZR 11/00 (REWIS RS 2001, 2026)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 2026

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