Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.11.2014, Az. 2 BvL 2/11

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2014, 1570

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Unzulässige Richtervorlage zur Verfassungsmäßigkeit von § 40 Abs 4 S 3 WDO (juris: WDO 2002) - unzureichende Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Frage, ob gegen eine disziplinargerichtliche Entscheidung Rechtsmittel statthaft sind


Gründe

Das Verfahren der konkreten Normenkontrolle betrifft die Frage, ob § 40 Abs. 4 Satz 3 Wehrdisziplinarordnung ([X.]) in der Fassung des [X.] des Wehrdisziplinarrechts und zur Änderung anderer Vorschriften ([X.]) vom 16. August 2001 ([X.] 2093) verfassungsgemäß ist.

1. § 40 der [X.] hat folgenden Wortlaut:

(1) [X.] darf erst verhängt werden, nachdem der [X.] des zuständigen, notfalls des nächst erreichbaren [X.]s zugestimmt hat. Der [X.] stimmt dem beabsichtigten [X.] zu, wenn er diese Disziplinarmaßnahme für zulässig und angebracht hält. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung. Der [X.] kann zugleich die sofortige Vollstreckbarkeit anordnen, wenn dies zur Aufrechterhaltung der militärischen Ordnung geboten ist; diese Entscheidung ist zu begründen. Hat der [X.] die sofortige Vollstreckbarkeit angeordnet, gelten § 37 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 1 nicht.

(2) [X.]

(3) Lehnt der [X.] es ab, dem [X.] zuzustimmen oder stimmt er nur einem kürzeren [X.] zu, hat er diese Entscheidung zu begründen. Ist er der Auffassung, dass eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme angebracht ist, übersendet er die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung.

(4) Der Disziplinarvorgesetzte kann in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 binnen einer Woche nach Bekanntgabe der richterlichen Entscheidung das [X.] anrufen. Hält das [X.] den beabsichtigten oder einen kürzeren [X.] für zulässig und angebracht, verhängt es diesen selbst. Diese Entscheidung ist endgültig. Der Soldat ist vor der Entscheidung zu hören; die Anhörung kann außerhalb der Verhandlung auch durch den Vorsitzenden stattfinden. Dem Soldaten darf nur die Begründung für den verhängten [X.] mitgeteilt werden. Hält das [X.] [X.] für nicht angebracht, entscheidet der Disziplinarvorgesetzte, ob er eine andere Disziplinarmaßnahme gegen den Soldaten verhängen will. Hält das [X.] eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme für geboten, übersendet es die Akten der Einleitungsbehörde zur weiteren Entschließung.

(5) [X.]

(6) Der [X.] und das [X.] können dem [X.] Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung vorlegen. § 18 Abs. 4 der Wehrbeschwerdeordnung gilt entsprechend. Von der Vorlage bis zur Entscheidung des [X.]s läuft die Frist nach § 17 Abs. 2 nicht.

2. In dem Ausgangsverfahren beantragten der Kompaniechef 5./Fernmelde-bataillon 701 sowie der Kommandeur [X.] 701 in [X.], jeder für sich, gegenüber dem [X.] Süd die Zustimmung zur Verhängung eines nicht zur Bewährung auszusetzenden [X.]es von sieben beziehungsweise 21 Tagen gegenüber zwei Soldaten. Auf die Mitteilung des Vorsitzenden des angerufenen Gerichts, dass lediglich der Verhängung eines jeweils dreitägigen [X.]es zugestimmt werde und die Vollstreckung zur Bewährung auszusetzen sei, riefen beide Disziplinarvorgesetzte gemäß § 40 Abs. 4 Satz 1 [X.] das [X.] an. Die Kammer des [X.]s gelangte zur Überzeugung, dass die Verhängung eines dreitägigen [X.]es auf Bewährung in beiden Fälle ausreichend sei. Angesichts der Unanfechtbarkeit der eigenen Entscheidung (§ 40 Abs. 4 Satz 3 [X.]) sah es sich jedoch an der Verhängung dieser [X.]e gehindert.

Mit Beschluss vom 15. März 2011 hat das [X.] Süd die verbundenen Verfahren ausgesetzt und dem [X.] gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG zur Entscheidung vorgelegt. Es ist der Auffassung, dass der in § 40 Abs. 4 Satz 3 [X.] vorgesehene Ausschluss jeglichen Rechtsmittels gegen Art. 3 Abs. 2 und Abs. 3 GG verstößt. Der vom [X.] verhängte [X.] könne im Gegensatz zu dem vom Disziplinarvorgesetzten mit richterlicher Zustimmung verhängten [X.] nicht weiter angegriffen werden. Darin liege eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Die Vorlagefrage sei auch entscheidungserheblich, weil es selbst die von ihm in der Sache für angezeigt gehaltene Entscheidung nach § 40 Abs. 4 Satz 3 [X.] für "endgültig" zu erklären habe.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 GG hat ein Gericht das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des [X.]s einzuholen, wenn es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 [X.] ist zu begründen, inwiefern von der Gültigkeit der Rechtsvorschrift die Entscheidung des Gerichts abhängig und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm die Vorschrift unvereinbar ist. Diesem Begründungserfordernis genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es sowohl die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift als auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl. [X.] 127, 335 <355>).

Die Anforderung der Entscheidungserheblichkeit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkt sich nicht nur auf den die Hauptsache betreffenden Tenor, sondern umfasst auch die - notwendigen - Nebenentscheidungen, etwa über die Kostentragungspflicht (vgl. [X.] 18, 302 <303 f.>; 31, 137 <139>). Nur ausnahmsweise kann es bei gleichlautendem Tenor auf die in Abhängigkeit von der Verfassungswidrigkeit oder -mäßigkeit der vorgelegten Vorschrift anders lautenden Gründe einer Entscheidung ankommen, etwa wenn die Rechtskraftwirkungen der Entscheidung im Unklaren bleiben und aus diesem Grund weiterer Rechtsstreit über künftiges Verhalten zwischen den Beteiligten zu gewärtigen ist ([X.] 47, 146 <165>) oder wenn die Zurückweisung eines Rechtsmittels, etwa einer Berufung, entweder als unzulässig oder als unbegründet ergehen müsste (vgl. [X.] 22, 106 <109>; 91, 118 <122>; stRspr). Zur Begründung der Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Norm muss dargelegt sein, dass und aus welchen Gründen das vorlegende Gericht im Falle der Gültigkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Falle der Ungültigkeit (vgl. [X.] 121, 108 <117>).

2. Diesen Anforderungen genügt die Vorlage nicht. Das vorlegende Gericht hat nicht hinreichend dargetan, inwiefern es für die Entscheidung erheblich ist, ob gegen sie ein Rechtsmittel statthaft ist oder nicht.

Ist von vornherein kein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung vorgesehen, bedarf es keiner entsprechenden Nebenentscheidung. Wird sie gleichwohl getroffen, so hat sie rein deklaratorische Wirkung. So liegen die Dinge auch hier. § 40 Abs. 4 Satz 3 [X.] sieht ausdrücklich vor, dass die gerichtliche Entscheidung endgültig ist. Es bedarf somit weder einer originären Entscheidung des Gerichts über die Zulassung eines weiteren Rechtsmittels, noch würde eine diesbezügliche Tenorierung rechtliche Bedeutung entfalten.

Vor diesem Hintergrund hätte sich das vorlegende Gericht mit der Entscheidungserheblichkeit der für verfassungswidrig gehaltenen Rechtsvorschrift auseinandersetzen und darlegen müssen, dass seine Entscheidung bei einer Beseitigung der beanstandeten Gleichheitswidrigkeit des [X.] in § 40 Abs. 4 Satz 3 [X.] durch das [X.] anders ausfallen würde.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Meta

2 BvL 2/11

06.11.2014

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Beschluss

Sachgebiet: BvL

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 15. März 2011, Az: S 7 - GL 2/11, Vorlagebeschluss

Art 100 Abs 1 GG, § 80 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 81a BVerfGG, § 40 Abs 4 S 3 WDO 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.11.2014, Az. 2 BvL 2/11 (REWIS RS 2014, 1570)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1570

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