Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2010, Az. 2 WDS-VR 1/10

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2010, 7782

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Zurückweisung der Beschwerde gegen einen Disziplinararrest, Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung; Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts; aufschiebende Wirkung


Leitsatz

1. Zuständig für die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung ist ab Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde das Bundesverwaltungsgericht und zwar unabhängig davon, ob ihm die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde bereits vorliegt oder nicht (wie Beschluss vom 19. Juni 1998 - BVerwG 6 AV 2.98 - Buchholz 303 § 719 ZPO Nr. 1).

2. Generell endet die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs - vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung - erst mit der Unanfechtbarkeit der angegriffenen Maßnahme (wie Urteil vom 27. Oktober 1987 - BVerwG 1 C 19.85 - BVerwGE 78, 192 <209 f.>).

3. Wird gegen einen die Beschwerde gegen die Verhängung eines Disziplinararrestes zurückweisenden Beschluss des Truppendienstgerichts Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b WBO eingelegt, besteht die nach § 42 Nr. 2 Satz 1 WDO (juris: WDO 2002) eingetretene aufschiebende Wirkung fort.

Tatbestand

1

Der Antragsteller leistet Grundwehrdienst. Die Dienstzeit endet am 15. April 2010.

2

Am 12. März 2010 verhängte der Kommandeur des ...[X.] ... gegen den Antragsteller einen Disziplinararrest von 21 Tagen. Die Beschwerde des Antragstellers hat das [X.] mit Beschluss vom 7. April 2010 zurückgewiesen und dabei die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen hat der Verteidiger des Antragstellers mit Schreiben vom 9. April 2010 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und zugleich beantragt, die Vollstreckung der Disziplinarmaßnahme auszusetzen. Das [X.] hat den Aussetzungsantrag zuständigkeitshalber dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der Disziplinarvorgesetzte hat zu dem Antrag Stellung genommen.

3

Der Disziplinararrest wird seit dem 9. April 2010, 10:00 Uhr vollstreckt.

Entscheidungsgründe

4

Der Antrag ist zulässig und begründet.

5

1. a) Zu Recht hat das [X.] die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den Aussetzungsantrag angenommen. Für Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung oder den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist generell das Gericht der Hauptsache zuständig (§ 42 Satz 1 [X.] i.V.m. § 23a Abs. 2 [X.], § 80 Abs. 5 Satz 1, § 123 Abs. 2 Satz 1 VwGO; [X.], [X.], 5. Aufl. 2009, § 17 Rn. 151, § 22b Rn. 5 und 13). Gericht der Hauptsache ist ab Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde das [X.] und zwar unabhängig davon, ob ihm die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde bereits vorliegt oder nicht (so zur Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision nach § 133 VwGO Beschluss vom 19. Juni 1998 - BVerwG 6 AV 2.98 - [X.] 303 § 719 ZPO Nr. 1).

6

b) Der Antrag ist auch sonst zulässig. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass im Beschwerdeverfahren gegen einfache Disziplinarmaßnahmen, bei denen der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt, ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 42 Satz 1 [X.] i.V.m. § 17 Abs. 6 Satz 2 [X.] zulässig ist (Beschluss vom 6. Juli 1982 - BVerwG 2 [X.] 8.82 -; [X.], a.a.O. § 17 Rn. 138). Nichts anderes muss gelten, wenn der Beschwerde von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zukommt, die Disziplinarmaßnahme aber dennoch vollstreckt werden soll oder bereits vollstreckt wird. In dieser Situation kann der betroffene Soldat zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) entweder die Feststellung begehren, dass dem Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung zukommt, oder - im Falle der bereits begonnenen Vollstreckung der Disziplinarmaßnahme - die Aussetzung der Vollstreckung beantragen.

7

2. Der Antrag ist auch begründet. Die nach Auskunft des [X.] am 9. April 2010 um 10:00 Uhr begonnene Vollstreckung des [X.] war auf Antrag auszusetzen. Nach § 42 Nr. 2 Satz 1 [X.] hemmt die Beschwerde die Vollstreckung einer Disziplinarmaßnahme, wenn der Soldat sie vor Beginn der Vollstreckung eingelegt hat. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Gegen den von dem Kommandeur des ...[X.] ... verhängten [X.] war gemäß § 42 Nr. 5 Satz 1 [X.] die Beschwerde an das [X.] gegeben. Da sie vor Beginn der Vollstreckung eingelegt wurde, hatte sie aufschiebende Wirkung.

8

Generell endet die aufschiebende Wirkung - vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung (vgl. etwa § 42 Nr. 2 Satz 3 Alt. 2 [X.]; § 80b Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO) - erst mit der Unanfechtbarkeit der angegriffenen Maßnahme (Urteil vom 27. Oktober 1987 - BVerwG 1 C 19.85 - BVerwGE 78, 192 <209 f.> = [X.] 402.24 § 7 AuslG Nr. 27 S. 21 f.). Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der aufschiebenden Wirkung, die im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes verhindern soll, dass trotz Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes vollendete Verhältnisse geschaffen werden.

9

Nach § 22b Abs. 3 [X.] hemmt die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde die Rechtskraft des angefochtenen Beschlusses. Das Beschwerdeverfahren gegen die Verhängung des [X.], dem - wie gesagt - nach § 42 Nr. 2 Satz 1 [X.] aufschiebende Wirkung zukommt, weil die Beschwerde vor Beginn der Vollstreckung eingelegt wurde, ist daher noch nicht rechtskräftig beendet und damit diese Disziplinarmaßnahme nicht unanfechtbar geworden. Zwar hat der Gesetzgeber in § 42 Nr. 2 Satz 3 Alt. 2 [X.] ausdrücklich geregelt, dass einer weiteren Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt. Bei der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b [X.] handelt es sich aber nicht um eine weitere Beschwerde im Sinne der genannten Vorschrift, sondern um ein neu geschaffenes Rechtsmittel gegen die Entscheidung des [X.]s, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, das durch die Verweisung des § 42 Satz 1 [X.] auch auf Beschlüsse des [X.]s in Disziplinarbeschwerdeverfahren Anwendung findet. Insoweit hat der Gesetzgeber aber eine Regelung, dass die aufschiebende Wirkung mit der Zustellung der Beschwerdeentscheidung des [X.]s enden soll, nicht getroffen. Auch wenn dies nach Ansicht des Senats möglicherweise auf einem gesetzgeberischen Versehen beruht, sieht sich der Senat gehindert, ohne entsprechende gesetzliche Regelung die Vollstreckung einer Disziplinarmaßnahme schon vor rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens als zulässig anzusehen. Im Übrigen könnte dieses in der Regel nicht sachgerechte Ergebnis in geeigneten Fällen dadurch vermieden werden, dass der Vorsitzende des [X.]s bei der Zustimmung zur Verhängung des [X.] die sofortige Vollstreckbarkeit anordnet (§ 40 Abs. 1 Satz 4 [X.]; vgl. auch § 56 Abs. 2 Satz 1 [X.]). Eine solche Entscheidung ist hier aber nicht ergangen.

Meta

2 WDS-VR 1/10

09.04.2010

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Truppendienstgericht Nord, 7. April 2010, Az: N 3 BLb 1/10, Beschluss

§ 17 Abs 6 S 2 WBO, § 22 WBO, § 23a Abs 2 WBO, § 42 Nr 2 S 1 WDO 2002, § 42 Nr 2 S 3 WDO 2002, § 42 Nr 5 S 1 WDO 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2010, Az. 2 WDS-VR 1/10 (REWIS RS 2010, 7782)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 7782

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