Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az. 4 AZR 468/14

4. Senat | REWIS RS 2016, 17091

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit


Leitsatz

Die lediglich vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit stellt eine Ausnahme vom Grundsatz der Tarifautomatik dar. Sie entspricht nur dann billigem Ermessen, wenn für sie ein hinreichender Grund besteht.

Tenor

[X.] Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2013 - 2 Sa 272/12 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des [X.] in Ziff. 1 zur Klarstellung wie folgt neu gefasst wird:

Auf die Berufung der Klägerin und Berufungsklägerin wird das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2012 - 3 Ca 1926/11 [X.] - abgeändert:

1. Die Beklagte und [X.] wird verurteilt, an die Klägerin für den [X.]raum vom 1. Januar 2011 bis 30. April 2012 5.641,44 [X.]uro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweilige monatliche Differenz iHv. 351,60 [X.]uro brutto im [X.]raum Januar 2011 bis Juli 2011 und auf die jeweilige monatliche Differenz in Höhe von 353,36 [X.]uro brutto im [X.]raum August 2011 bis April 2012 jeweils ab dem [X.]rsten des Folgemonats zu zahlen.

2. [X.]s wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die [X.] ab 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2014 ein [X.]ntgelt nach der [X.]ntgeltgruppe 10 Stufe 5 TVöD-VKA zu zahlen und die monatlichen Differenzen zwischen der Stufe 5 und der gezahlten Vergütung (jeweils brutto-Betrachtungsweise) mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jeweils seit dem [X.]rsten des Folgemonats zu verzinsen sind.

3. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

I[X.] Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über [X.] für die Monate Januar 2011 bis einschließlich April 2012 sowie über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin für die [X.] vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Dezember 2014 ein Entgelt nach der [X.] 10 Stufe 5 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst in der für die Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber geltenden Fassung ([X.]/[X.]) zu zahlen.

2

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit August 1986 beschäftigt. Auf ihr Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme der [X.] des Tarifvertrags zur Anpassung des [X.] - Manteltarifliche Vorschriften - ([X.]) sowie nachfolgend der [X.]/[X.] Anwendung. Nach erfolgreicher Bewährung erhielt sie eine Vergütung nach der [X.]. [X.] Fallgr. 1c der Anlage 1a zum [X.].

3

[X.] gründete die Beklagte mit der [X.] gemäß § 44b [X.] aF die [X.] ([X.]). In der „Vereinbarung über die Errichtung einer Arbeitsgemeinschaft und Übertragung von Aufgaben“ heißt es:

§ 2

Vertragsgegenstand, Aufgaben der [X.]

(1) Die [X.] nimmt die ihr nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen dieses Vertrages übertragenen Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahr.

(2) Die [X.] nimmt gemäß § 44b Abs. 3 Satz 1 [X.] sämtliche der Agentur nach dem [X.] obliegenden Aufgaben wahr.

(3) Die [X.] überträgt der [X.] die Wahrnehmung folgender Aufgaben im Rahmen der Beleihung:

1. Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1-4 [X.]. …

2. Bearbeitung und Auszahlung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 [X.] …

3. Einziehung von Forderungen aus den übertragenen Aufgaben.

4. Bearbeitung von Widersprüchen und Erstellung von Widerspruchsbescheiden.

5. Prozessvertretung vor Gericht in den Angelegenheiten nach dem [X.].

§ 4

Personal

(1) Die Agentur und die [X.] stellen der [X.] das notwendige Personal zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben bereit.

(5) Bis zum Erreichen der Sollbesetzung werden alle freien Stellen in der [X.] vorrangig bis zu 50 % durch städtische MitarbeiterInnen besetzt, es sei denn, eine Besetzung durch die [X.] ist nicht möglich. …

§ 15

Vertragsdauer, Kündigung, Auflösung

(2) Die Wahrnehmung der Aufgaben nach dieser Vereinbarung durch die [X.], die im Zusammenhang mit der Bescheiderstellung stehen, beginnt am 01. Oktober 2004.

Die Wahrnehmung der übrigen Aufgaben nach dieser Vereinbarung durch die [X.] beginnt am 01. Januar 2005 und ist zunächst auf die Dauer von sechs Jahren befristet. Die Vertragspartner können den Vertrag einvernehmlich um jeweils drei weitere Jahre verlängern.

(3) Wenn die [X.] von der Option des § 6a [X.] Gebrauch machen möchte, ist sie berechtigt, diese Vereinbarung erstmals mit Wirkung zum 31. Dezember 2010 zu kündigen. Anschließend kann dieses Kündigungsrecht jeweils zum 31. Dezember eines jeden Jahres ausgeübt werden. Eine Kündigung nach diesem Absatz muss schriftlich bis zum 31. März des Jahres, in welchem die Kündigung wirksam werden soll, der Agentur erklärt werden. Der Agentur steht das gleiche Kündigungsrecht zu.

(5) Erfolgt keine Verlängerung nach Abs. 2 oder kündigt die [X.] oder die Agentur gemäß Abs. 3, so sind die Gesellschafter verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die [X.] aufzulösen.“

4

Die Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 für den [X.]raum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2009 der [X.] zu. Diese Zuweisung wurde einvernehmlich bis zum 31. Dezember 2010 verlängert.

5

Die Klägerin wurde in der [X.] als Fallmanagerin eingesetzt. Die Tätigkeit einer Fallmanagerin wird nach der [X.]. [X.]. 1a [X.] bzw. der [X.] 10 [X.]/[X.] vergütet. Für die Dauer ihrer Tätigkeit als Fallmanagerin erhielt die Klägerin deshalb eine Zulage nach § 24 Abs. 1 [X.] in Höhe der Differenz der [X.]. [X.] und [X.] und - nach Überleitung in den [X.]/[X.] - zunächst ein Entgelt nach der [X.] 9 mit individueller Stufe 4 plus. Ab dem 1. Oktober 2007 wurde ihr eine Vergütung nach der [X.] 9 Stufe 5 [X.]/[X.] nebst Zulage gezahlt.

6

Zum 1. Januar 2011 wurde das Jobcenter M eG als gemeinsame Einrichtung nach § 44b [X.] nF errichtet. Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 29. November 2010 ihre Tätigkeit als Fallmanagerin - unter Zuweisung für fünf Jahre - dauerhaft übertragen. Sie wurde sodann nach der [X.] 10 Stufe 4 [X.]/[X.] - nebst einer Garantiezahlung wegen des Wegfalls der Zulage - vergütet.

7

Die Klägerin hat mit ihrer der Beklagten am 11. Juli 2011 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, sie sei zumindest seit dem 1. Januar 2007 nach der [X.] 10 Stufe 4 zu vergüten gewesen, weshalb sie seit dem 1. Januar 2011 einen Entgeltanspruch nach Stufe 5 habe. Die zunächst lediglich vorübergehende Zuweisung der Tätigkeiten in der [X.] sei unbillig gewesen. Die Vereinbarung zur Errichtung der [X.] rechtfertige diese nicht. Es habe keine Prognose gegeben, nach der die [X.] wieder aufgelöst werden sollte.

8

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie für den [X.]raum vom 1. Januar 2011 bis zum 30. April 2012 insgesamt 5.641,44 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf die jeweilige monatliche Differenz iHv. 351,60 Euro brutto im [X.]raum Januar 2011 bis Juli 2011 und auf die jeweilige monatliche Differenz in Höhe von 353,36 Euro brutto im [X.]raum August 2011 bis April 2012 jeweils ab dem [X.] zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr für die [X.] ab 1. Mai 2012 bis 31. Dezember 2014 ein Entgelt nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.]/[X.] zu zahlen und die monatlichen Differenzen zwischen der Stufe 5 und der gezahlten Vergütung (jeweils brutto-Betrachtungsweise) mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit dem [X.] zu verzinsen.

 

9

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Auffassung vertreten, die lediglich vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten habe billigem Ermessen entsprochen. Die tariflichen Regelungen enthielten keine zeitliche Begrenzung hierfür. Da die Vereinbarung mit der [X.] über die Errichtung der [X.] befristet und kündbar gewesen sei, habe die konkrete Möglichkeit der Auflösung bestanden. Schon von Beginn an sei abzusehen gewesen, dass die in § 44b [X.] aF vorgesehene Mischverwaltung nicht nur schwierig handhabbar, sondern sogar verfassungswidrig sei. Eine dauerhafte Höhergruppierung habe auch deshalb nicht vorgenommen werden können, weil den der [X.] zugewiesenen Mitarbeitern aufgrund einer Vereinbarung mit dem Personalrat ein Rückkehrrecht in die Kernverwaltung eingeräumt worden sei, bei der aber nicht genügend höherwertige Stellen vorhanden gewesen seien. Letztlich ständen den erhobenen Ansprüchen Treu und Glauben und die Ausschlussfristen sowie die Einrede der Verjährung entgegen.

Das Arbeitsgericht hat die - im Hauptantrag zunächst auf eine Zuordnung zur Stufe 6 der [X.] 10 [X.]/[X.] gerichtete - Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] ihr hinsichtlich der Stufe 5 stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das [X.] hat der Klage, soweit sie auf eine Vergütung der Klägerin nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.]/[X.] in der [X.] vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2014 gerichtet war, zu Recht stattgegeben.

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO für den Antrag zu 2. erforderliche Feststellungsinteresse. Mit der erstrebten Feststellung wird der Streit der Parteien über die zutreffende Stufenzuordnung und mit ihr die Berechnung der Vergütung auch zukunftsbezogen abschließend geklärt. Das Feststellungsinteresse besteht auch bezogen auf die gegenüber der Hauptforderung akzessorischen Zinsforderungen ([X.] 21. November 2013 - 6 [X.] - Rn. 15 f. [X.]; vgl. für die [X.] - 4 [X.] 355/13 - Rn. 9 [X.]).

II. Die Klage ist, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, auch begründet. Die Klägerin hat ab dem 1. Januar 2011 einen Vergütungsanspruch nach der [X.] 10 Stufe 5 [X.]/[X.]. Die Frage, ob darüber hinaus eine Vergütungspflicht nach der [X.] 10 Stufe 6 [X.]/[X.] bereits ab diesem [X.]punkt bestand, ist nicht mehr zur Entscheidung angefallen. Den dahin gehenden Antrag hat das [X.] rechtskräftig abgewiesen.

1. Der [X.]/[X.] - ebenso wie zuvor der [X.] - findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung.

2. Das [X.] hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin jedenfalls ab dem 1. Januar 2011 nach der [X.] 10 [X.]/[X.] zu vergüten ist. Ihre Tätigkeit als Fallmanagerin erfüllt die Anforderungen der [X.]. [X.]. 1a [X.]. Sie hebt sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der [X.]. [X.]. 1a heraus. Folglich ist sie nach der Überleitungstabelle des TVÜ-[X.] der [X.] 10 [X.]/[X.] zuzuordnen. Davon gehen beide Parteien übereinstimmend aus. Das [X.] durfte sich deshalb auf eine pauschale, summarische Prüfung beschränken (vgl. [X.] 21. Januar 2015 - 4 [X.] 253/13 - Rn. 21; 9. Mai 2007 - 4 [X.] 351/06 - Rn. 23). Gegen diese Wertung wendet sich auch keine der Parteien.

3. Die Klägerin ist ab dem 1. Januar 2011 der Stufe 5 der [X.] 10 [X.]/[X.] zuzuordnen.

a) Die Klägerin war unstreitig spätestens seit dem 1. Januar 2007 als Fallmanagerin tätig.

b) Die Tätigkeit einer Fallmanagerin war ihr bereits ab diesem [X.]punkt nicht nur vorübergehend iSv. §§ 24, 22 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] übertragen worden. Die Klägerin war daher gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 iVm. Anlage 1 TVÜ-[X.] in die [X.] 10 [X.]/[X.] überzuleiten. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 TVÜ-[X.] war sie zunächst der Stufe 4 und nach Ablauf weiterer vier Jahre, dh. zum 1. Januar 2011, der Stufe 5 zuzuordnen.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist die Wirksamkeit der vorübergehenden Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit iSv. §§ 24, 22 Abs. 2 Unterabs. 1 [X.] sowie § 14 [X.]/[X.] an den Regeln zu messen, die der Arbeitgeber bei der Ausübung seines arbeitsvertraglichen Leistungsbestimmungsrechts (Direktionsrechts) entsprechend § 106 [X.] einzuhalten hat ([X.] 16. April 2015 - 6 [X.] 242/14 - Rn. 20; 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 17 ff. [X.]). Es findet eine sog. doppelte Billigkeitsprüfung statt. In einem ersten Schritt muss es billigem Ermessen entsprechen, dem Arbeitnehmer die höher bewertete Tätigkeit überhaupt zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers an einer nur vorübergehenden Übertragung oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und ggf. einer höheren Vergütung überwiegt ([X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 18 [X.]; grdl. 17. April 2002 - 4 [X.] 174/01 - zu [X.] c [X.] (1) der Gründe, [X.]E 101, 91). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt ([X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 19 [X.]). Entspricht die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nicht billigem Ermessen, erfolgt die „Bestimmung“ der Leistung entsprechend § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch richterliche Entscheidung, die darin besteht, dass die Übertragung der betreffenden Tätigkeit nicht nur als vorübergehend, sondern als von Anfang an oder ab einem anderen bestimmten [X.]punkt auf Dauer erklärt gilt.

(1) Nach dem gesetzlichen Konzept enthält § 315 Abs. 2 BGB eine Zweiteilung zwischen feststellender Kassation und rechtsgestaltender Ersatzleistungsbestimmung ([X.]/[X.] 2015 § 315 BGB Rn. 484). Hat eine gerichtliche Leistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB zu erfolgen, wirkt diese - nach der Kassation der unbilligen Leistungsbestimmung gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB - zwar regelmäßig nur ex nunc ([X.] 30. Mai 2003 - V ZR 216/02 - zu [X.] der Gründe; [X.]/[X.] 2015 § 315 BGB Rn. 403 [X.]; Soergel/Wolf BGB 12. Aufl. Bd. 2 § 315 Rn. 44). Der konkretisierte Anspruch ist danach erst ab Rechtskraft des richterlichen Gestaltungsakts fällig und durchsetzbar. Deshalb sind in den Fällen des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB regelmäßig, sofern die Parteien keine abweichenden Vereinbarungen getroffen haben, Zinsen erst ab Rechtskraft der Entscheidung zuzusprechen ([X.] 18. März 2014 - 3 [X.] 249/12 - Rn. 34 [X.]; [X.] 4. April 2006 - [X.]/05 - Rn. 22, [X.]Z 167, 139). Allerdings muss nicht stets die gerichtliche Leistungsbestimmung beantragt werden. Der Antrag kann sich auf die Feststellung der Unbilligkeit beschränken (vgl. etwa [X.] 13. Juni 2007 - [X.]/06 - Rn. 10, [X.]Z 172, 315).

(2) Greift ein Arbeitnehmer mit seiner Klage die Billigkeit einer nur vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit iSd. tarifvertraglichen Regelungen an, begehrt er regelmäßig die bloße Kassation des Merkmals „vorübergehend“. Das hat zur Folge, dass die höherwertige Tätigkeit als von Anfang an, dh. ex tunc als „dauerhaft“ übertragen gilt. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Tarifautomatik und dem Regel-/Ausnahmeverhältnis zwischen dauerhafter und vorübergehender Tätigkeitsübertragung.

(a) Die Tarifautomatik wird durch eine „nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit“ ausgelöst. Die dauerhafte Tätigkeitszuweisung ist der Regelfall, die vorübergehende die Ausnahme (vgl. dazu [X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 20). Ihr folgen die Ein- oder Höhergruppierung als bloße Akte der Rechtsanwendung unmittelbar nach. Diesen kommt keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Aus der Erfüllung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale folgt unmittelbar ein entsprechender tariflicher Vergütungsanspruch, ohne dass es einer weiteren Maßnahme des Arbeitgebers bedürfte ([X.] 14. November 2007 - 4 [X.] 946/06 - Rn. 21). Ohne das einschränkende Merkmal „nur vorübergehend“ würde die Zuweisung der (neuen) höher zu bewertenden Tätigkeit automatisch eine Höhergruppierung bewirken (vgl. [X.]/Neffke BAT/[X.] 2. Aufl. § 24 Rn. 11). Danach genügt die bloße - ggf. inzidente - Kassation der die Ausnahme begründenden Entscheidung des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB, um die Regel - die Tarifautomatik - wiederherzustellen. Es bedarf deshalb keiner gesonderten gerichtlichen Gestaltung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB in Form einer dauerhaften Zuweisung, wenn deren Ausschluss nicht wirksam erfolgt ist.

(b) Das entspricht auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen. Dem öffentlichen Arbeitgeber soll bei einem vorübergehenden Bedarf an der Entgegennahme der höherwertigen Leistungen ausnahmsweise eine nur zeitlich beschränkte Aufgabenübertragung ermöglicht werden. Auf diese Weise muss bei Wegfall der Aufgabe keine Herabgruppierung erfolgen, die zumeist nicht ohne Änderungskündigung möglich ist (vgl. [X.]/[X.]/[X.] Arbeits- und Tarifrecht öffentlicher Dienst 4. Aufl. Herabgruppierung Rn. 1644). Dabei soll aber der betroffene Arbeitnehmer gemäß § 24 [X.] bzw. § 14 [X.]/[X.] nach dem Willen der Tarifvertragsparteien vergütungsrechtlich nicht schlechter gestellt werden als der Arbeitnehmer, dem diese Tätigkeit dauerhaft übertragen ist (vgl. zu § 24 BAT [X.] 11. September 2003 - 6 [X.] 424/02 - Rn. 23, [X.]E 107, 286).

(3) Die Befugnis des Arbeitgebers, Arbeitnehmern vorübergehend höherwertige Aufgaben zu übertragen, ist zwar durch explizite tarifliche Regelungen grundsätzlich zeitlich nicht begrenzt ([X.] 17. Januar 2006 - 9 [X.] 226/05 - Rn. 46; 14. Dezember 2005 - 4 [X.] 474/04 - Rn. 20, [X.]E 116, 319; 17. April 2002 - 4 [X.] 174/01 - zu II 3 e der Gründe, [X.]E 101, 91). Als Ausnahme vom Grundsatz der Tarifautomatik bedarf sie aber eines hinreichenden Grundes, um billigem Ermessen zu entsprechen. Dabei ist die bloße Unsicherheit über die Dauer der höherwertigen Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausreichend. Die tariflichen Regelungen können nicht dafür herangezogen werden, das Risiko der Ungewissheit über die Dauer des weiteren Beschäftigungsbedarfs auf den Arbeitnehmer zu übertragen ([X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 20).

[X.]) Das [X.] hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei angenommen, die von der Klägerin an sich nicht beanstandete Übertragung der höherwertigen Tätigkeit als nur vorübergehende habe jedenfalls ab 1. Januar 2007 nicht mehr billigem Ermessen entsprochen.

(1) Bei dem billigen Ermessen iSv. § 106 Satz 1 [X.] (§ 315 Abs. 3 BGB) handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Dessen Anwendung kann durch das Revisionsgericht grundsätzlich nur daraufhin überprüft werden, ob das [X.] ihn rechtsfehlerfrei angewandt hat und ob die Abwägung der Besonderheiten des Einzelfalls vollständig, ohne inneren Widerspruch und frei von Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erfolgt ist ([X.] 18. April 2012 - 10 [X.] 134/11 - Rn. 23; 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 21 [X.]).

(2) Diesem Maßstab wird die Würdigung des [X.]s gerecht. Die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit entsprach jedenfalls ab 1. Januar 2007 nicht mehr billigem Ermessen. Ob die mit Schreiben vom 20. Dezember 2004 erfolgte, auf den [X.]raum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2009 beschränkte Tätigkeitsübertragung auch schon für den [X.]raum vor dem 1. Januar 2007 ermessensfehlerhaft war, hatte der [X.] nicht zu entscheiden. Das [X.] hat durch rechtskräftiges Urteil einen weitergehenden Anspruch verneint.

(a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das [X.] seiner Prüfung keinen fehlerhaften Maßstab zugrunde gelegt. Es hat nicht - wie die Revision meint - eine befristungsrechtliche Sachgrundprüfung anstelle der Billigkeitsprüfung gemäß § 315 BGB vorgenommen. Es hat lediglich die rechtlichen Erwägungen des Siebten [X.]s aus dessen Entscheidung vom 11. September 2013 (- 7 [X.] 107/12 -) zur Wirksamkeit der Befristungsregelung im Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin einer sogenannten Optionskommune (vgl. § 6a [X.] aF) im Rahmen der anzustellenden Ermessensentscheidung aufgegriffen und fallbezogen bei der Prüfung von § 24 [X.] berücksichtigt. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

(b) In der Sache hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, allein eine Unsicherheit über die Dauer der Beschäftigungsmöglichkeit mit den übertragenen höherwertigen Tätigkeiten könne eine nur vorübergehende Übertragung nicht rechtfertigen. Die [X.] hat keine hinreichenden Tatsachen für eine Prognose dargetan, eine dauerhafte Beschäftigung des Arbeitnehmers mit der übertragenen höherwertigen Tätigkeit werde in Zukunft ab einem bestimmten [X.]punkt nicht mehr möglich sein (vgl. [X.] 4. Juli 2012 - 4 [X.] 759/10 - Rn. 24).

(aa) Entgegen der Auffassung der [X.]n drohte im Streitfall konkret keine Auflösung der [X.], die ggf. zu einem Aufgabenwegfall bei der [X.]n zum 31. Dezember 2009 hätte führen können. Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist keine Aufgabe von nur begrenzter Dauer. In einem steuerfinanzierten staatlichen Fürsorgesystem, das für erwerbsfähige Hilfebedürftige vorrangig Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. eine Beschäftigung erbringt, handelt es sich um eine sozialstaatliche Daueraufgabe ([X.] 11. September 2013 - 7 [X.] 107/12 - Rn. 27). § 44b Abs. 3 Satz 2 [X.] aF enthielt als Regelfall eine Verpflichtung der kommunalen Träger, ihre Aufgaben (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]) der Arbeitsgemeinschaft zu übertragen (ausführlich [X.] 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - Rn. 111 f., [X.]E 119, 331). Unerheblich ist deshalb, dass in der Vereinbarung zwischen der [X.]n und der [X.] über die Errichtung der [X.] M GmbH eine Befristungsregelung (§ 15 Abs. 2) sowie eine Kündigungsmöglichkeit vereinbart waren (§ 15 Abs. 3 und Abs. 4). Die in § 15 Abs. 5 der Vereinbarung angesprochene Auflösung der [X.] hätte es nach dem Regelungskonzept des [X.] grundsätzlich nur dann geben können, wenn die [X.] als Optionskommune nach § 6a [X.] nach dem 31. Dezember 2009 anerkannt worden wäre. Hiermit wäre jedoch gerade kein Aufgabenwegfall auf Seiten der [X.]n, sondern im Gegenteil ein Aufgabenzuwachs verbunden gewesen.

([X.]) Auch die von der [X.]n behauptete Antizipation der Verfassungswidrigkeit dieses Regelungsmodells zum [X.]punkt der Zuweisung im Dezember 2004 rechtfertigt die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit iSv. § 24 [X.] nicht. Eine Verwerfung der gesetzlichen Regelung durch das [X.] (zum Verwerfungsmonopol vgl. Art. 100 GG) war - trotz aller anfänglicher Kritik in der Literatur - nicht, insbesondere nicht bis spätestens 31. Dezember 2009, dh. bis zum Ende der zunächst erfolgten vorübergehenden Zuweisung, mit hinreichender Sicherheit zu erwarten.

([X.]) Die - von der Revision nicht mehr angegriffenen - Ausführungen des [X.]s zu dem mit dem Personalrat vereinbarten Rückkehrrecht begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Da das Rückkehrrecht nach den Feststellungen des [X.]s nicht die dauerhafte Beschäftigung mit einer höherwertigen Tätigkeit in der Kernverwaltung der [X.]n umfasste, vermochte es die lediglich vorübergehende Aufgabenzuweisung in der [X.] nicht zu rechtfertigen.

4. Den Ansprüchen der Klägerin stehen weder Einwendungen noch Einreden entgegen.

a) Die Klägerin hat die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 [X.]/[X.] gewahrt. Sie hat mit ihrer am 11. Juli 2011 zugestellten Klage Ansprüche erst ab Januar 2011 geltend macht. Selbst zum [X.]punkt der Klagezustellung waren sechs Monate nach Fälligkeit (§ 37 Abs. 1, § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.]) noch nicht vergangen.

b) Die Ansprüche sind auch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist nach § 195 BGB war nicht abgelaufen.

c) Schließlich kann die von der [X.]n angeführte [X.] der Klägerin im Hinblick auf ihr Angebot auf rückwirkende Höhergruppierung zum 1. Januar 2007 bei gleichzeitiger Rückzahlung eines beträchtlichen Teils der erhaltenen Zulage keine Treuwidrigkeit iSv. § 242 BGB begründen.

5. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm. § 24 Abs. 1 Satz 2 [X.]/[X.], § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

III. Die [X.] hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck    

        

        

        

    Klotz    

        

    Lippok    

                 

Meta

4 AZR 468/14

27.01.2016

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Magdeburg, 14. Mai 2012, Az: 3 Ca 1926/11 E, Urteil

§ 22 Abs 2 UAbs 1 BAT-O, § 24 BAT-O, § 315 Abs 3 S 2 BGB, § 315 Abs 3 S 1 BGB, § 106 GewO, § 14 TVöD-V

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az. 4 AZR 468/14 (REWIS RS 2016, 17091)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17091

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

6 AZR 1067/12 (Bundesarbeitsgericht)

Stufenzuordnung bei Höhergruppierung im Anschluss an eine vorübergehende Übertragung derselben höherwertigen Tätigkeit


17 Sa 906/09 (Landesarbeitsgericht Hamm)


4 AZR 759/10 (Bundesarbeitsgericht)

Tarifliche Eingruppierung - vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit


4 AZR 440/21 (Bundesarbeitsgericht)

Eingruppierung eines Sozialarbeiters - Heraushebungsmerkmal - Darlegungslast


6 AZR 382/09 (Bundesarbeitsgericht)

Stufenzuordnung bei der Einstellung - Anwendbarkeit des TVÜ-VKA


Referenzen
Wird zitiert von

3 Sa 196/17

5 Sa 7/17

5 Sa 161/17

2 A 2/14

3 ZB 14.536

11 Sa 555/20

18 Ca 398/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.