Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.05.2020, Az. 8 B 61/19

8. Senat | REWIS RS 2020, 3889

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Gegenstand

Verpflichtung von Gemeinderatsmitgliedern durch Handschlag des Bürgermeisters


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 3. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die [X.]eteiligten streiten über die Frage, ob die beklagte Oberbürgermeisterin der [X.] dem Kläger anlässlich seiner Verpflichtung als Mitglied des Stadtrates den Handschlag vorenthalten durfte.

2

Der Kläger ist Mitglied der [X.] und wurde bei der Kommunalwahl 2014 in den Rat der [X.] gewählt. In der ersten Stadtratssitzung nach dieser Wahl verpflichtete die [X.]eklagte die Stadtratsmitglieder dazu, ihre Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Sie reichte dabei allen Stadtratsmitgliedern mit Ausnahme des Klägers und zweier weiterer über den Wahlvorschlag der [X.] gewählter Stadträte jeweils die Hand. Die Klage auf Feststellung, dass die Verweigerung des [X.] durch die [X.]eklagte rechtswidrig war, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und die vom Kläger begehrte Feststellung getroffen. Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 24 Abs. 2 [X.] Kommunalordnung ([X.]) seien die Gemeinderatsmitglieder in der ersten nach ihrer Wahl stattfindenden öffentlichen Sitzung des Gemeinderates vom [X.]ürgermeister auf die gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten durch Handschlag zu verpflichten. Diese Anforderung habe die [X.]eklagte nicht erfüllt. Der Handschlag sei zwar nicht konstitutiv für die [X.]egründung des Amtes des Stadtrates. Den [X.]ürgermeister treffe aber die Rechtspflicht, im Rahmen des formellen Verpflichtungsaktes dem neu gewählten Stadtratsmitglied die Hand zu reichen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3

Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde der [X.]eklagten, die sich allein auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft, hat keinen Erfolg.

4

Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung zukommt (stRspr, vgl. nur [X.], [X.]eschluss vom 19. August 1997 - 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

5

Die von der [X.]eklagten aufgeworfene Frage,

ob das in Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Demokratieprinzip direkt gewählten Amtsträgern bei dem Umgang mit Mitgliedern bzw. gewählten Repräsentanten einer [X.], welche durch das [X.] als verfassungswidrige Ziele verfolgende [X.] eingestuft, jedoch nicht verboten worden ist, einen Entscheidungs- und Handlungsspielraum hinsichtlich des Unterlassens bzw. der Modifikation der Vornahme von gesetzlich vorgeschriebenen Organ- bzw. Symbolhandlungen gegenüber [X.]mitgliedern bzw. gewählten Repräsentanten einer solchen [X.] eröffnet,

lässt keine revisibles Recht betreffende grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache erkennen. Das [X.]erufungsgericht hat die Frage, ob ein [X.]ürgermeister verpflichtet ist, einem neu gewählten Stadtratsmitglied im Rahmen des [X.] zu reichen, nach Maßgabe der landesrechtlichen [X.]estimmung des § 24 Abs. 2 [X.] beurteilt, die nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein kann (§ 137 Abs. 1 VwGO).

6

Revisionsrechtlichen Klärungsbedarf bezeichnet die aufgeworfene Frage auch nicht schon, weil die [X.]eklagte geklärt wissen möchte, ob § 24 Abs. 2 [X.] mit Rücksicht auf das Demokratiegebot verfassungskonform so ausgelegt werden müsste, dass er die Verweigerung des [X.] gegenüber Stadträten zulässt, die Mitglieder einer vom [X.] als verfassungsfeindlich eingestuften [X.] sind. Damit zeigt die [X.]eklagte keinen Klärungsbedarf zum Demokratiegebot auf, sondern rügt der Sache nach, das [X.]erufungsgericht habe die [X.]edeutung des Demokratiegebots bei der Auslegung des Landesrechts verkannt. Die Rüge der Nichtbeachtung von [X.]undesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nur dann zu begründen, wenn die Auslegung und Anwendung der - gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführten - bundesrechtlichen Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft. Die angeblichen bundesrechtlichen Maßgaben, deren Tragweite und Klärungsbedürftigkeit im Hinblick auf die einschlägigen landesrechtlichen Regelungen sowie die Entscheidungserheblichkeit ihrer Klärung in dem anhängigen Verfahren sind in der [X.]eschwerdebegründung darzulegen (stRspr, vgl. etwa [X.], [X.]eschlüsse vom 17. März 2008 - 6 [X.] 7.08 - [X.] 451.20 § 12 GewO Nr. 1 Rn. 9, vom 8. Mai 2008 - 6 [X.] - [X.] 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 132 Rn. 5 und vom 30. Mai 2017 - 10 [X.] 4.16 - juris Rn. 8). Dazu hätte sich die [X.]eschwerdebegründung mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ungleichbehandlung kommunaler Mandatsträger wegen ihrer [X.]zugehörigkeit (vgl. [X.], Urteil vom 27. Juni 2018 - 10 CN 1.17 - [X.]E 162, 284 Rn. 39 f., 42 ff.) auseinandersetzen und darlegen müssen, inwieweit deren Auslegung der einschlägigen verfassungsrechtlichen Grundsätze nicht genügt, um einen Maßstab für das Landesrecht abzugeben (vgl. dazu u.a. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. August 2013 - 9 [X.] 1.13 - [X.] 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 56 Rn. 4 und vom 29. Juni 2015 - 10 [X.] 66.14 - juris Rn. 15). Das ist hier nicht geschehen. Die Kritik an der unterbliebenen Anwendung des Demokratiegebots bei der Auslegung des einschlägigen Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht genügt dafür nicht.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

8 B 61/19

04.05.2020

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 3. Mai 2019, Az: 3 KO 620/18, Urteil

Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 28 Abs 1 S 1 GG, § 24 Abs 2 KomO TH 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.05.2020, Az. 8 B 61/19 (REWIS RS 2020, 3889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3889

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