Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.05.2012, Az. 8 B 27/12

8. Senat | REWIS RS 2012, 6626

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Gegenstand

Bürgermeister- oder Beigeordnetenäußerung als Wahlfehler; Anforderungen an Wahlungültigkeitsgrund


Leitsatz

Es bleibt offen, ob eine amtliche Äußerung eines Bürgermeisters oder Beigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die auf der Grundlage der dem Bürgermeister oder Beigeordneten im Zeitpunkt der Äußerung verfügbaren Daten objektiv unrichtig war, als Wahlfehler schon dann in Betracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder erst dann, wenn sie im Sinne einer manipulativen Einwirkung dazu auch bestimmt war.

Gründe

1

Die Kläger wurden bei der Kommunalwahl vom 30. August 2009 als Direktkandidaten in den Rat der beklagten [X.] gewählt. Mit ihrer Klage wenden sie sich gegen den [X.]eschluss des Rates der [X.]eklagten, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten zu wiederholen. Das Verwaltungsgericht hat den [X.]eschluss des Rates aufgehoben. Auf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen. Es hat die Revision gegen seine Entscheidung nicht zugelassen.

2

Die dagegen erhobene [X.]eschwerde hat keinen Erfolg. Die Annahme des [X.], die Klage richte sich gegen die [X.] und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht (1.). Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (2.) und eines [X.] (3.) liegen nicht vor.

3

1. Die Annahme des [X.], die Klage richte sich gegen die [X.] und nicht gegen deren Rat, steht im Einklang mit dem Prozessrecht.

4

Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Klagen von Organen oder Organteilen, mit denen deren [X.]efugnisse oder Kompetenzen gegenüber einem anderen Organ oder Organteil desselben öffentlichen Rechtsträgers geltend gemacht werden (sog. Innenrechtsstreit oder Kommunalverfassungsstreit), gegenüber diesem anderen Organ oder Organteil selbst und nicht gegenüber dem Rechtsträger zu erheben (etwa [X.], Urteil vom 24. April 2009 - 15 A 981/06 - [X.] 52, 82 = NVwZ-RR 2009, 819 m.w.N.; vgl. allgemein [X.], in: [X.], [X.], 13. Auflage 2010, Rn. 15 f. zu § 40 VwGO m.w.N.). Das Oberverwaltungsgericht hat aber den vorliegenden Rechtsstreit, der der gerichtlichen Überprüfung einer Entscheidung des [X.] im Wahlprüfungsverfahren dient, nicht als Organstreitigkeit in diesem Sinne angesehen. Es hat hierfür angeführt, dass die [X.]eteiligten nicht um Rechte und Pflichten von Kommunalverfassungsorganen im Verhältnis zu anderen Organen oder Organteilen streiten, sondern darum, ob die Kläger überhaupt Mitglied eines Kommunalorgans geworden sind. Das lässt einen Verstoß gegen Prozessrecht nicht erkennen.

5

Ohne Erfolg berufen sich die Kläger demgegenüber auf den Kammerbeschluss des [X.] vom 2. Juli 1993 - 2 [X.]vR 1130/03 - (NVwZ 1994, 56). Dieser Entscheidung lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort ging es um die Vorverlegung eines Wahltermins und die damit verbundene Verkürzung der Wahlperiode; die dortigen Kläger verteidigten den Fortbestand ihrer Rechte als Mandatsträger. Hier hingegen verteidigen die Kläger ihre Rechte aus der Wahl, also ihre Rechte auf das Mandat. Sie leiten ihre Rechte mittelbar aus ihrem passiven Wahlrecht her, das ein subjektives Recht eines jeden [X.]ürgers ist, das gegenüber seiner Gemeinde besteht.

6

2. Der Rechtssache kommt die von den Klägern behauptete grundsätzliche [X.]edeutung nicht zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer [X.]edeutung über den der [X.]eschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Das ist hier nicht der Fall.

7

a) Das [X.]erufungsgericht hat die Wahl des Rates wegen einer unzulässigen amtlichen Wahlbeeinflussung durch den damaligen Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der [X.]eklagten für fehlerhaft gehalten. Es ist hierbei in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass ein [X.] nach [X.] Kommunalwahlrecht auch im Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann, ohne dass es einer bewussten, zielgerichteten Täuschung bedürfe; schon die objektiv unrichtige Information sei eine unzulässige Wahlbeeinflussung ([X.], 19).

8

Die Kläger werfen in diesem Zusammenhang in erster Linie die Frage auf, ob ein solcher Fehler schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige Angaben über die seiner [X.]eurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob sich der informierende [X.] der Unrichtigkeit seiner Angaben bewusst ist. Das verleiht dem Rechtsstreit keine grundsätzliche [X.]edeutung. Die Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen; denn auch wenn sie - gemäß der Ansicht der Kläger - zu verneinen sein sollte, könnte die Revision keinen Erfolg haben. Das [X.]erufungsgericht hat festgestellt, dass der damalige Oberbürgermeister und die Kämmerin der [X.]eklagten auf eine Anfrage eines Ratsmitglieds das Vorliegen von Auffälligkeiten beim [X.] am 24. und am 26. August 2009 verneint haben, obwohl sie bereits zwei Wochen zuvor - am 11. August 2009 - den Erlass einer Haushaltssperre mit Wirkung vom 1. September 2009 intern beschlossen und die nötigen Schritte zu deren Vorbereitung eingeleitet hatten. Das [X.]erufungsgericht hat damit Umstände festgestellt, die zu dem Schluss zwingen, dass dem damaligen Oberbürgermeister und der Kämmerin die Unrichtigkeit ihrer [X.] vom 24. bzw. 26. August 2009 bewusst war. Dass es diesen Schluss auch selbst gezogen hat, wird zusätzlich dadurch belegt, dass es die gegenteiligen [X.]ekundungen des Oberbürgermeisters und der Kämmerin bei ihrer Zeugenvernehmung vor dem Verwaltungsgericht als bloße Schutzbehauptungen gewürdigt hat.

9

[X.]ei dieser Sachlage aber kann offen bleiben, ob eine amtliche Äußerung eines [X.]ürgermeisters oder [X.]eigeordneten einer Gemeinde im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Kommunalwahl, die auf der Grundlage der dem [X.]ürgermeister oder [X.]eigeordneten im Zeitpunkt der Äußerung verfügbaren Daten objektiv unrichtig war, als [X.] schon dann in [X.]etracht kommt, wenn sie geeignet war, die Wählerentscheidung zu beeinflussen, oder erst dann, wenn sie im Sinne einer manipulativen Einwirkung dazu auch bestimmt war. Zur Klarstellung sei lediglich darauf hingewiesen, dass die Frage - entgegen der Ansicht der Kläger - in der Rechtsprechung des [X.] bislang nicht in ihrem Sinne geklärt ist. Zwar hat der [X.] in seinem Urteil vom 8. April 2003 - [X.]VerwG 8 C 14.02 - ([X.]VerwGE 118, 101 = [X.] 160 [X.]) ausgesprochen, dass eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung auch in einer bewussten Täuschung durch Vorenthalten von wahlkampfrelevanten Informationen liegen kann (a.a.[X.]). Damit ist jedoch nicht entschieden, ob und ggf. unter welchen weiteren Voraussetzungen auch eine unbewusst unrichtige amtliche Äußerung einen [X.] begründen kann. Über eine solche Fallgestaltung hatte der [X.] nicht zu befinden. Die dortige Vorinstanz hatte eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit durch hauptamtliche Magistratsmitglieder festgestellt (a.a.[X.]), weshalb der [X.] vom Tatbestand einer manipulativen Einwirkung ausgehen musste (vgl. a.a.[X.] 108).

b) Mit ihrer zweiten Frage möchten die Kläger geklärt wissen, ob eine unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung schon dann vorliegt, wenn der Wähler durch objektiv unrichtige amtliche Angaben über die seiner [X.]eurteilung unterliegenden und für seine Entscheidung maßgeblichen Verhältnisse unzutreffend informiert wird, ohne dass es darauf ankommt, ob der informierende [X.] gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten verstoßen hat.

Auch diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. In der gestellten allgemeinen Form ist sie in sich widersprüchlich; eine amtliche Information kann nur dann eine unzulässige Wahlbeeinflussung sein, wenn der informierende Amtsträger gegen ihm obliegende gesetzliche Pflichten, nämlich gegen die Pflicht zur Wahrung der Neutralität verstoßen hat. Allerdings haben die Kläger zusätzliche spezifische gesetzliche Informationspflichten des [X.]ürgermeisters gegenüber dem Rat der Gemeinde im Auge, mit denen sich das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil des Näheren auseinandergesetzt und deren Verletzung es im vorliegenden Fall verneint hat. In dieser konkreteren Form war die Frage jedoch für das [X.]erufungsgericht nicht entscheidungserheblich. Ihm kam es auf das [X.]estehen einer besonderen gesetzlichen Offenbarungspflicht nur für den Fall an, dass die unzulässige amtliche Wahlbeeinflussung in einem Unterlassen des Amtsträgers zu sehen sein soll. Im vorliegenden Fall aber steht eine aktive Information durch den Amtsträger in Rede (UA S. 19).

c) Schließlich werfen die Kläger die Frage auf, ob eine Gemeinderatswahl wegen eines [X.]s schon dann für ungültig erklärt werden darf, wenn die reale Möglichkeit einer anderen Sitzverteilung bei ordnungsgemäßem Ablauf der Wahl besteht, oder erst dann, wenn ein Forbestand der fehlerhaft gewählten Vertretung unerträglich erschiene.

Auch diese Frage begründet keine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache; denn sie ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt.

Das [X.] hat mit [X.]lick auf eine [X.] entschieden, dass Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern an die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats bindet. Dieses sog. Homogenitätsprinzip gibt den Ländern kraft des Demokratiegebots auf, ein Verfahren zur Prüfung ihrer Parlamentswahlen einzurichten; auch hierfür sind die in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG aufgeführten Wahlrechtsgrundsätze verbindlich. Innerhalb dieses Rahmens genießen die Länder jedoch Autonomie. Einem Land, das sich entschließt, das materielle Wahlprüfungsrecht gesetzlich zu regeln, steht dementsprechend eine umfangreiche Gestaltungsfreiheit zu. Deren Grenzen wären auf der einen Seite überschritten, wenn schwerwiegende Verstöße gegen die Grundsätze der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl wie fortlaufende gravierende Verletzungen des Verbots der amtlichen Wahlbeeinflussung als mögliche [X.] von vornherein außer [X.]etracht blieben. Andererseits schließt das Erfordernis des [X.]estandsschutzes einer gewählten Volksvertretung, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet, es zumindest aus, Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht schlechthin zum [X.] zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem [X.]estandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der [X.] wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird ([X.], Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 [X.]vF 1/00 - [X.]E 103, 111 <134 f.>).

Das [X.] hat bislang offen gelassen, ob diese Grundsätze für das kommunale Wahlprüfungsverfahren übernommen werden müssen; besonders bei der Direktwahl des [X.]ürgermeisters komme dem Gesichtspunkt des [X.]estandsschutzes der durchgeführten Wahl eine andere - geringere - [X.]edeutung zu als bei der Wahl der Gemeindevertretung (Urteil vom 8. April 2003 a.a.[X.] 104 f.). Auch der vorliegende Rechtsstreit nötigt nicht zu einer abschließenden Stellungnahme. Selbst wenn die Grundsätze, die das [X.] für die Wahlprüfung bei Landtagen aufgestellt hat, auf die Wahlprüfung bei Gemeindevertretungen zu übertragen sind, so ist der Regelungsspielraum, den das [X.]undesverfassungsrecht dem Landesgesetzgeber lässt, hier doch keinesfalls geringer als bei [X.]en. Auch hier muss der Eingriff in die Zusammensetzung der gewählten Gemeindevertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung mithin vor dem [X.]estandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden, das seine rechtliche Grundlage im Demokratiegebot findet; je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der [X.] wiegen, auf den der Eingriff gestützt wird (vgl. Urteil vom 8. April 2003 a.a.[X.] 105). Weitergehende Anforderungen lassen sich dem [X.]undesverfassungsrecht nicht entnehmen. Namentlich lässt sich ihm nicht entnehmen, dass eine Gemeinderatswahl erst dann für ungültig erklärt werden dürfte, wenn ein erheblicher [X.] von solchem Gewicht vorliegt, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Vertretung unerträglich erschiene. Das [X.] hat diesen Rechtssatz im Wege der Auslegung lediglich dem [X.] Landesverfassungsrecht, nämlich Art. 78 Abs. 2 HV entnommen (Urteil vom 8. Februar 2001 a.a.[X.] 133, 134 unter 1.), nicht jedoch dem [X.]undesverfassungsrecht (ebd. S. 134 ff. unter 2.).

Das [X.]erufungsgericht hat sich von den vorstehenden Grundsätzen leiten lassen. Es ist fraglos davon ausgegangen, dass die von ihm festgestellte Unregelmäßigkeit wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der unmittelbar bevorstehenden Wahl und wegen der besonderen Relevanz von [X.] im Wahlkampf für die Willensbildung der Wähler von gravierender, wenn nicht gar herausragender [X.]edeutung war. Insofern hat es sich von der Überzeugung leiten lassen, dass nicht jede derartige Unregelmäßigkeit eine Ungültigerklärung der Wahl rechtfertigen kann, sondern nur eine von hinlänglichem Gewicht. Die Kläger zeigen nicht auf, inwiefern diese Grundsätze aus Anlass des vorliegenden Falles einer Überprüfung oder weitergehenden Klärung bedürften.

3. Die geltend gemachten Verfahrensmängel (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor. Die Kläger meinen, das [X.]erufungsgericht habe bei seiner Überzeugungsbildung weder die Ergebnisse der vom Verwaltungsgericht durchgeführten [X.]eweisaufnahme noch das Ergebnis der wiederholten [X.]ürgermeisterwahl berücksichtigt und seine Entscheidung damit entgegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnen. Dieser Vortrag lässt einen Verfahrensmangel nicht erkennen.

Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es gehört hiernach zur Aufgabe des Tatsachengerichts, sich im Wege der freien [X.]eweiswürdigung seine Überzeugung von dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden. Dem hat es das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Wie es seine Überzeugung bildet, wie es also die ihm vorliegenden Tatsachen und [X.]eweise würdigt, unterliegt seiner "Freiheit". Die Einhaltung der daraus entstehenden verfahrensrechtlichen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein [X.]eteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigen oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Die "Freiheit" des Gerichts ist erst dann überschritten, wenn es entweder seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen; diese Verstöße gegen den Überzeugungsgrundsatz können als Verfahrensmängel gerügt werden (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 17. Mai 2011 - [X.]VerwG 8 [X.] 88.10 - juris und vom 28. März 2012 - [X.]VerwG 8 [X.] 76.11 - m.w.N.).

Dass das [X.]erufungsgericht Schlüsse gezogen habe, die gegen die Denkgesetze verstoßen, behaupten die Kläger nicht; es ist auch nicht ersichtlich. Ebenso wenig aber ergibt sich aus ihrem [X.]eschwerdevorbringen ein Anhaltspunkt für die Annahme, das [X.]erufungsgericht habe Akteninhalt, der nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserhebliche Umstände betrifft, übergangen oder umgekehrt aktenwidrige Tatsachen angenommen.

[X.]ei seiner Sachwürdigung, der damalige Oberbürgermeister und die damalige Kämmerin der [X.]eklagten hätten bei ihren amtlichen Äußerungen vom 24. bzw. 26. August 2009 objektiv unrichtige Angaben gemacht, die zudem im Widerspruch zu ihrem bereits gefassten Entschluss gestanden hätten, unmittelbar nach der Wahl eine Haushaltssperre zu verhängen, hat das [X.]erufungsgericht durchaus das Ergebnis der vom Verwaltungsgericht durchgeführten [X.]eweisaufnahme berücksichtigt (vgl. [X.], 23 ff.). Dabei ist es auch auf die von den Klägern in den Vordergrund gerückten Prognoseungenauigkeiten eingegangen und hat betont, dass es den Zeugen unbenommen gewesen wäre, das vorzulegende Datenmaterial zu kommentieren und auf entsprechende Unsicherheiten hinzuweisen ([X.]). Damit ist das [X.]erufungsgericht der Rechtsauffassung des [X.] nicht gefolgt, das eine Verletzung der von ihm angenommenen Wahrheitspflicht auskunftspflichtiger [X.] erst dann annehmen wollte, wenn die erteilte [X.] auch bei [X.]erücksichtigung bestehender Prognoseungenauigkeiten keinesfalls mehr als vertretbar erscheine; es hat dem die Auffassung entgegengestellt, die Wahrheitspflicht gebiete, dass der [X.] auf bestehende Prognoseungenauigkeiten als solche hinweise. Die Kläger wenden sich im Gewande einer Verfahrensrüge eigentlich gegen die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung. Damit aber kann eine Verfahrensrüge nicht begründet werden.

Ebenso wenig hat das [X.]erufungsgericht bei seiner Annahme, der von ihm angenommene [X.] sei für das Wahlergebnis erheblich gewesen, aktenwidrig Tatsachen übergangen oder angenommen. Es hat ausführlich dargelegt, weshalb es zu der Überzeugung gelangt ist, dass bei voller Kenntnis der Haushaltslage der Stadt die [X.] und die Wahlentscheidung einer nicht bestimmbaren Zahl von [X.] möglicherweise anders ausgefallen wäre und dass dies jedenfalls auf die Sitzzuteilung aus der Reserveliste möglicherweise von Einfluss gewesen wäre ([X.] ff.). Inwiefern dies auf aktenwidrigen Annahmen beruht, legen die Kläger nicht dar. Ebenso wenig machen sie deutlich, inwiefern sich die Sachwürdigung des [X.]erufungsgerichts bei [X.]erücksichtigung ihres Hinweises, dass der Kandidat ihrer [X.] bei der bereits aus demselben Grund wiederholten Oberbürgermeisterwahl erneut gewählt wurde, hätte verbieten sollen. Der [X.]ürgermeister wird durch Mehrheitswahl gewählt. Dem ließe sich bei der Wahl des Stadtrats allenfalls die Wahl der [X.] in den Wahlkreisen vergleichen. Das [X.]erufungsgericht hat seine Annahme, dass der festgestellte [X.] mandatsrelevant sei, aber ausdrücklich auf die Sitzzuteilung aus den Reservelisten gestützt.

Meta

8 B 27/12

09.05.2012

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 15. Dezember 2011, Az: 15 A 876/11, Urteil

Art 28 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.05.2012, Az. 8 B 27/12 (REWIS RS 2012, 6626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6626

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Referenzen
Wird zitiert von

2 BvR 1672/12

1 K 1157/21

Zitiert

2 BvF 1/00

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