Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZB 219/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2812

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB
219/10

vom

29. September 2011

in dem [X.]

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 213, 299, 300 Abs. 1
Schließt der Schuldner mit allen Insolvenzgläubigern, die Forderungen zur Tabelle angemeldet haben, in der Wohlverhaltensperiode einen Vergleich und sind die [X.] dieser Gläubiger danach durch Teilzahlung und Teilerlass erloschen, ist auf seinen Antrag die Wohlverhaltensphase vorzeitig zu beenden und die Restschuldbe-freiung auszusprechen, sofern er belegt, dass die Verfahrenskosten und die sonsti-gen Masseverbindlichkeiten getilgt sind.

[X.], Beschluss vom 29. September 2011 -
IX ZB 219/10 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat durch den Richter [X.] als Vorsit-zender, [X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin Möhring

am
29.
September 2011
beschlossen:

Auf die
Rechtsmittel der Schuldnerin werden der Beschluss der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 28.
September 2010 und der Beschluss des [X.] vom 29.
Juni 2010 auf-gehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.].

Der Beschwerdewert beträgt
5.000

Gründe:

I.

Am 16.
März 2009 hob das Insolvenzgericht das am 1.
März 2007 eröff-nete vereinfachte Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin nach Ankündigung der Restschuldbefreiung mangels Masse analog §
200 [X.] auf. In der Folgezeit einigte sich die Schuldnerin nach Aufnahme eines Verwand-tendarlehens mit ihren drei Gläubigern auf Zahlungen in Höhe von etwa 5
% der angemeldeten Forderungen und auf einen darüber hinausgehenden [X.]
-

3

-
rungsverzicht durch die Gläubiger. Weiter erklärten die Gläubiger ihr [X.], dass das Insolvenzverfahren eingestellt werde.

Die Schuldnerin hat beantragt, das [X.] ge-mäß §
213 [X.] einzustellen und ihr vorzeitig Restschuldbefreiung zu erteilen. Das Amtsgericht hat den Antrag abgelehnt. Das [X.] hat die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin, mit der sie weiter die vorzeitige Beendi-gung des [X.]s und die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung begehrt.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 ZPO, §§
6, 7, §
216 Abs.
2, §
300 Abs.
3 Satz
2 analog [X.] statthaft und auch im Übrigen zulässig, §
574 Abs.
2 ZPO. Sie ist begründet
und führt zur Aufhebung und Zu-rückverweisung.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung ausgeführt, für eine [X.] nach §
213 [X.] sei kein Raum mehr, nachdem das Insolvenzverfah-ren bereits durch den rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts vom 16.
März 2009 aufgehoben worden sei. Vor diesem Hintergrund habe das [X.] den [X.] der Schuldnerin zutreffend als unzuläs-sig angesehen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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4

-

a) Allerdings trifft der Ausgangspunkt des [X.] zu, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin bereits analog §
200 [X.] aufgehoben und für eine Einstellung des Insolvenzverfahrens nach §
213 [X.] kein Raum war. Die Auslegung des Antrags der Schuldnerin in der Fassung vom
25.
März 2010 ergibt jedoch, dass diese nicht die Einstellung des Insolvenzverfahrens, sondern die vorzeitige Beendigung des [X.] und die vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung beantragt. Mit der Ablehnung dieser Anträge unter Hinweis auf §
213 [X.] hat sich das Beschwerdegericht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats gesetzt ([X.], Beschluss vom 17.
März 2005 -
IX
ZB 214/04, [X.], 399, 400
f; [X.] vom 8.
November 2007 -
IX
ZB 115/04, juris Rn.
5; Beschluss vom 29.
Januar 2009 -
IX
ZB 290/08, juris Rn.
2
f) und verkannt, dass der Schuldne-rin nach dieser Rechtsprechung vorzeitig Restschuldbefreiung erteilt
und das [X.] vorzeitig beendet werden kann (analog §§
213,
299,
300 Abs.
1 [X.]).

Der Senat hat entschieden, dass einem
Schuldner die Restschuldbefrei-ung bereits im Schlusstermin erteilt werden kann, wenn keine Insolvenzgläubi-ger
Forderungen zur Tabelle angemeldet
haben, sofern er belegt, dass die [X.] und die sonstigen Masseverbindlichkeiten getilgt sind. Weist der Schuldner erst später nach, dass keine Kosten mehr offen und sämtliche [X.] getilgt sind, ist ihm entsprechend §
299 [X.] auf seinen Antrag die Restschuldbefreiung schon vor Ablauf der Wohlverhaltensperiode zu ertei-len ([X.], jeweils aaO).

Die Schuldnerin hat zwar nur einen Teil der Forderungen beglichen, während
die Gläubiger auf den darüber hinausgehenden Teil ihrer Ansprüche
verzichtet haben. Doch sind mit dem Erlassvertrag (§
397 Abs.
1 BGB)
und der 6
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-
Teilzahlung (§
362 Abs.
1 BGB)
die Forderungen der Gläubiger insgesamt erlo-schen; Ansprüche der Gläubiger gibt es mithin nicht mehr. Deswegen kann [X.] nicht anders entschieden werden, als wenn der Schuldner die [X.] vollständig befriedigt hätte. Auch hier fehlt es nach dem Erlöschen der [X.] an Gläubigern, an die die
Treuhänderin
während der Wohlverhal-tensperiode die von ihr
vereinnahmten Bezüge abführen könnte. Eine [X.] der Restschuldbefreiung nach §§
296
f [X.] kommt mangels antragsbe-fugter Gläubiger nicht mehr in Betracht. Die Durchführung der [X.] wäre daher sinnlos, mithin unverhältnismäßig (vgl. LG
Berlin, Z[X.] 2009, 443, 444; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
299 Rn.
13; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
299 Rn.
11; HK-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
299 Rn.
6
ff).

b) Der vorzeitigen Restschuldbefreiung steht nicht entgegen, dass die Schuldnerin einen [X.] vorgenommen und die Teilbefriedigung ih-rer alten Gläubiger durch eine Kreditaufnahme bei einem [X.] hat
(so aber AG
[X.], NZI
2002, 218; vgl. auch [X.]/[X.],
[X.], 13.
Aufl, §
299 Rn.
13; MünchKomm-[X.]/Ehricke, 2.
Aufl., §
299 Rn.
15).
Sinn und Zweck der Restschuldbefreiung nach Ablauf der Wohlverhal-tensperiode stehen der vorzeitigen Restschuldbefreiung nicht entgegen. Zwar trifft es zu, dass die Restschuldbefreiung dem Schuldner einen Ausstieg aus der lebenslangen Schuldenhaftung und damit einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglichen soll.
Bei einem bloßen [X.] ist dieser Erfolg nicht gesichert.
Bei dem Kreditgeber handelt es sich jedoch um einen Neugläubiger. Dies hat zur Folge, dass, sofern er sich nicht die Forderungen der Altgläubiger hat abtreten lassen und an deren Stelle in das [X.] eingetreten ist, seine Forderung gegen den Schuldner nicht von der Rest-schuldbefreiung nach §
301
Abs.
1 [X.] erfasst ist. Auch werden an ihn die von der Abtretungserklärung erfassten Bezüge, die der Treuhänder während der 9
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Wohlverhaltensperiode erlangt, nicht ausgekehrt, weil er nicht Insolvenzgläubi-ger ist (§
292 Abs.
1 Satz
2 [X.]).
Mithin gibt es keinen Grund, wegen der [X.] das [X.] zu Ende zu [X.], obwohl es Insolvenzgläubiger nicht mehr gibt und die Forderung des [X.] durch das Verfahren nicht betroffen wird ([X.] in Mohrbut-ter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 8.
Aufl., §
17 Rn.
99; vgl. FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
299 Rn.
13; HK-[X.]/[X.], aaO, §
299
Rn.
10).

c) Ob die Schuldnerin sämtliche Verfahrenskosten beglichen hat, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt. Aus der Insolvenzakte ergibt sich lediglich, dass sie die im Eröffnungs-
und im Insolvenzverfahren angefallenen, ihr [X.] Kosten am 22.
April 2010 beglichen hat. Auch hat sie mit der Rechtsbeschwerdebegründung einen Einzahlungsbeleg vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass sie an die Treuhänderin die bis zum 16.
März 2010 [X.] bezahlt hat. Ob weitere Kosten im Restschuldbefrei-ungsverfahren angefallen sind und offen stehen, ist nicht festgestellt und aus den Akten nicht ersichtlich.

3. Der Senat hält es in Anbetracht der noch ausstehenden Feststellun-gen, ob die Schuldnerin die gesamten Verfahrenskosten
beglichen hat, für sachgerecht, das Verfahren an das Insolvenzgericht zurückzuverweisen; §
577

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Abs.
4,
§
572 Abs.
3 ZPO
(vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Juli 2004 -
IX
ZB 161/03, [X.]Z
160, 176, 185
f).

[X.]
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.06.2010 -
74 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 28.09.2010 -
1 T 332/10 -

Meta

IX ZB 219/10

29.09.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.09.2011, Az. IX ZB 219/10 (REWIS RS 2011, 2812)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2812

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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