Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.12.2013, Az. 2 B 65/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 642

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Gegenstand

Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 12. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 290 € festgesetzt.

Gründe

1

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

Der Kläger ist Polizeiobermeister ([X.]esoldungsgruppe A 8) im Dienst des beklagten [X.]. Im Februar 2008 kam es bei einer von ihm zusammen mit einem Kollegen durchgeführten Verkehrskontrolle zu einer Auseinandersetzung mit einem Fahrzeugführer. Dabei wurde der Fahrzeugführer am Kopf verletzt. Er erstattete Strafanzeige gegen den Kläger wegen Körperverletzung im Amt. Der Kläger beauftragte einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung, der Akteneinsicht beantragte und eine Stellungnahme ankündigte. Nachdem das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts im Juli 2008 eingestellt worden war, beantragte der Kläger die Übernahme seiner Rechtsanwaltskosten. Sein [X.]egehren blieb beim [X.]eklagten und in den Vorinstanzen erfolglos. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

3

Zur Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 99 [X.] a.F. und § 45 [X.]eamtStG gehöre zwar auch eine [X.]eistandspflicht bei dienstlichen und außerdienstlichen Sonderbelastungen des [X.]eamten. Der [X.]eklagte habe aber in Anwendung der zur näheren Ausgestaltung dieser [X.]eistandspflicht erlassenen [X.] die Übernahme der Kosten der Rechtsverteidigung des [X.] rechtsfehlerfrei abgelehnt. Zwar bestehe nach der [X.] bei auf Veranlassung eines [X.] geführten Verfahren gegen Polizeivollzugsbeamte ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Die [X.]estellung eines Verteidigers erscheine wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage aber nicht geboten. Nach der Verwaltungspraxis des [X.]eklagten werde dies nur angenommen, wenn eine schwierige und komplexe Sachlage vorliege. Eine Sachlage sei dann schwierig, wenn eine Verteidigung ohne anwaltliche Hilfe nicht umfassend vorbereitet werden könne. Hier handele es sich jedoch um einen einfachen, überschaubaren und häufig vorkommenden Standardfall. Daran ändere auch die Ladung zu einer [X.]eschuldigtenvernehmung nichts, denn diese gehöre in aller Regel zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und lasse nicht zwingend auf eine bevorstehende Anklageerhebung schließen. Ein Rückgriff auf die Fürsorgepflicht außerhalb der zu ihrer Konkretisierung ergangenen [X.]en sei nicht geboten, weil die Versagung der Kostenübernahme nicht die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletze.

4

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.

5

Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen [X.]edeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Rechtssache eine konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr; vgl. [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 und vom 2. Februar 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 37.10 - NVwZ 2011, 507). Daran fehlt es hier.

6

Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,

„Erfordert die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem [X.]eamten, um nicht in ihrem Wesenskern verletzt zu werden, dass der Dienstherr unter [X.]erücksichtigung des Alimentationsgrundsatzes bei Strafverfahren gegen Polizeivollzugsbeamte, die sich jedenfalls bei fehlendem Verschulden aus einer im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit und seiner Stellung als [X.]eamter ergeben, sich dann aber als ungerechtfertigte Strafverfolgung herausstellen, die Übernahme der wirtschaftlichen [X.]elastungen des [X.]eamten, die sich aus seiner Verteidigerbestellung ergeben?"

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie ist auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts zu beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

7

Das [X.]eamtenverhältnis ist ein umfassendes gegenseitiges Treueverhältnis. Der besonderen Treuepflicht des [X.]eamten steht die besondere Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem einzelnen [X.]eamten als nach Art. 33 Abs. 5 GG zu beachtender Grundsatz gegenüber ([X.]eschluss vom 18. Februar 2013 - [X.]VerwG 2 [X.] 51.12 - NVwZ 2013, 797 Rn. 13 m.w.N.).

8

Der [X.]eklagte hat mit der [X.] des [X.] über den Rechtsschutz für [X.]edienstete des [X.] in Straf- und anderen Verfahren (VwV Rechtsschutz) vom 11. Januar 2007 (SächsA[X.]l 2007, [X.]) die ihm gemäß § 45 [X.]eamtStG und § 99 [X.] in der damaligen Fassung obliegende Fürsorgepflicht gegenüber den [X.]eamten, gegen die wegen einer dienstlichen Tätigkeit oder eines mit einer dienstlichen Tätigkeit in Zusammenhang stehenden Verhaltens staatsanwaltschaftlich ermittelt wird, hinsichtlich des zu gewährenden Rechtsschutzes konkretisiert ([X.]eschluss vom 9. Juli 1984 - [X.]VerwG 2 [X.] 45.84 - [X.] 237.7 § 85 L[X.]G Nordrhein-Westfalen Nr. 4 S. 1).

9

Das [X.]undesverwaltungsgericht hat schon wiederholt ausgesprochen, dass der Dienstherr befugt ist, die ihm durch das Gesetz eingeräumte Gestaltungsfreiheit in der Ausübung der Fürsorgepflicht durch [X.]en für bestimmte Fallgruppen nach generellen Gesichtspunkten zu binden, sofern die zugrundeliegenden Erwägungen der Zielsetzung der vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung entsprechen. Derartige, im Interesse einer einheitlichen Ausübung der Fürsorgepflicht erlassene [X.]en haben zur Folge, dass der Dienstherr alle in ihnen angesprochenen Fälle hiernach behandeln muss und nur davon abweichen darf, wenn wesentliche [X.]esonderheiten dies rechtfertigen ([X.]eschluss vom 9. Juli 1984 a.a.[X.] m.w.N.).

Die [X.] Rechtsschutz sieht die Gewährung eines Zuschusses zur [X.]estreitung der notwendigen Kosten der Rechtsverteidigung nicht in allen Fällen eines auf Veranlassung eines [X.] durchgeführten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen einen [X.]eamten im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit vor, sondern macht sie u.a. davon abhängig, dass die Verteidigungsmaßnahme - wie die [X.]estellung eines Verteidigers oder die Einholung eines Gutachtens - wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage geboten erscheint (Ziff. I[X.] 2. [X.]uchst. b VwV Rechtsschutz). Auch bei Polizeivollzugsbeamten ist mithin eine Prüfung der Erforderlichkeit der Verteidigerbestellung im Einzelfall erforderlich.

Ein über die in Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn erlassene [X.] hinausgehendes Zurückgreifen auf die allgemeine gesetzlich geregelte Fürsorgepflicht kommt nur in den Fällen in [X.]etracht, in denen sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt würde ([X.]eschluss vom 9. Juli 1984 a.a.[X.] m.w.N.; vgl. zum [X.]eihilferecht zuletzt Urteil vom 24. Januar 2013 - [X.]VerwG 5 C 12.12 - [X.]VerwGE 145, 315 Rn. 26 m.w.N.). Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts können aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn keine Ansprüche hergeleitet werden, die über die Ansprüche hinausgehen, die im Gesetz selbst speziell und abschließend geregelt sind. Nur dann, wenn ohne Fürsorgeleistung eine unerträgliche [X.]elastung der amtsangemessenen Lebensführung des [X.]eamten eintreten und dadurch die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern beeinträchtigt würde, kommen unmittelbar auf die Fürsorgepflicht gestützte Ansprüche in [X.]etracht (Urteil vom 25. August 2011 - [X.]VerwG 2 C 43.10 - [X.] 245 [X.]besoldungsrecht Nr. 2 Rn. 8 m.w.N.).

Die Fürsorgepflicht ist jedoch nicht und schon gar nicht in ihrem Wesenskern verletzt, wenn der Dienstherr die Gewährung eines Zuschusses zur [X.]estreitung notwendiger Kosten der Rechtsverteidigung von der Erforderlichkeit der Verteidigungsmaßnahme wegen der Eigenart der Sach- oder Rechtslage im Einzelfall abhängig macht. Ist die [X.]estellung eines Verteidigers im konkreten Fall nicht erforderlich, erfordert die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch nicht die Gewährung eines Zuschusses für die durch eine solche [X.]estellung entstehenden Kosten. Gerade angesichts der nicht seltenen Fälle von vornherein haltloser [X.]eschuldigungen gegen [X.]eamte und insbesondere gegen Polizeivollzugsbeamte kann der Dienstherr mit der [X.]eschränkung der Zuschussgewährung auf Fälle der erforderlichen Verteidigungsmaßnahme seine Einstandspflicht sachgerecht begrenzen. Allerdings dürfen bei der Erforderlichkeitsprüfung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden.

Angesichts dessen ergibt sich auch nichts anderes aus der mit der [X.]eschwerde geltend gemachten Abweichung des [X.]erufungsurteils von einem [X.]eschluss des Verwaltungsgerichtshofs [X.]aden-Württemberg vom 27. September 1996 (4 S 3322/94, juris). Auch die jenem Fall zugrunde liegende [X.] des Innenministeriums [X.]aden-Württemberg vom 12. Januar 1990 (GA[X.]l 1990, 98) sah eine Erforderlichkeitsprüfung vor (dort Ziff. [X.] 1.3 [X.]uchst. b); zu ihr verhält sich die von der [X.]eschwerde angeführte Entscheidung mit keinem Wort, weil sie den klägerischen Anspruch schon aus anderen Gründen verneint. Ihr ist daher nichts Gegenteiliges für die Auslegung der hier maßgeblichen [X.] und auch nichts für die [X.]estimmung des [X.] der Fürsorgepflicht zu entnehmen.

Ob im konkreten Fall die [X.]estellung eines Verteidigers erforderlich ist, ist eine Frage des konkreten Einzelfalls und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Meta

2 B 65/12

03.12.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 12. Juni 2012, Az: 2 A 895/11, Urteil

§ 45 BeamtStG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 03.12.2013, Az. 2 B 65/12 (REWIS RS 2013, 642)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 642

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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6 ZB 23.1243

5 K 1761/19

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