Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2013, Az. VII ZR 47/11

7. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8703

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Gegenstand

Haftung wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeld: Anwendbarkeit der Neufassung des Bauforderungssicherungsgesetzes auf die Herstellung oder den Umbau eines Gebäudes oder Bauwerks


Leitsatz

1. Das Bauforderungssicherungsgesetz in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung ist anwendbar, wenn die pflichtwidrige Tathandlung nach dem 31. Dezember 2008 erfolgt.

2. Der Begriff der Herstellung oder des Umbaus eines Baues im Sinne von § 1 BauFordSiG ist nicht auf Gebäude beschränkt, sondern mit der Herstellung oder dem Umbau eines Bauwerks gleichbedeutend.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 3. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Gegenstandswert: 92.587 €

Gründe

I.

1

[X.]ie Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen zweckwidriger Verwendung von Baugeld in Anspruch. [X.]er Beklagte war Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer Kommanditgesellschaft (künftig nur: [X.]). [X.]iese nahm im Auftrag von drei Kommunen im Jahr 2008 Tiefbau- und Straßenbauarbeiten vor. [X.]ie [X.] bestellte und erhielt von der Klägerin, mit der sie in ständiger Geschäftsverbindung stand, im Jahr 2008 Baustoffe, unter anderem Pumpschächte, [X.], Stahlbetonrohre, Pflaster- und Bordsteine. [X.]iese wurden im Straßenkörper zu Entwässerungsanlagen und nach Verfüllung der Baugruben zu einem geschlossenen Straßenkörper verarbeitet. [X.]ie [X.] erhielt im Januar und Februar 2009 Werklohn von den Auftraggebern. [X.]er Beklagte beglich damit Steuerverbindlichkeiten der [X.] und von ihr geschuldete Sozialversicherungsbeiträge. Über das Vermögen der [X.] wurde am 1. April 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet.

2

[X.]ie Klägerin hat den Beklagten gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 1 BauFordSiG auf Schadensersatz in Anspruch genommen. [X.]ie Klage hatte Erfolg. [X.]as Berufungsgericht ([X.], BeckRS 2011, 02787) hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt er seinen Klageabweisungsantrag weiter.

II.

3

[X.]ie Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

4

1. [X.]as Berufungsgericht hat zutreffend das Gesetz über die Sicherung der [X.] (Bauforderungssicherungsgesetz - BauFordSiG) vom 23. Oktober 2008 ([X.] I 2022, 2582) in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung angewandt. [X.]as Berufungsurteil weicht entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht von den Grundsätzen des [X.] vom 19. August 2010 ([X.], [X.], 2107 = NZBau 2010, 746) ab. Entsprechend dem in Art. 170 EGBGB zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsgedanken ist danach davon auszugehen, dass Inhalt und Wirkung eines Rechtsverhältnisses nach dem Recht zu beurteilen sind, das zur [X.] der Verwirklichung seines [X.] galt ([X.], Urteil vom 19. August 2010 - [X.], aaO Rn. 6; siehe bereits [X.], Urteil vom 22. Januar 1987 - [X.], [X.]Z 99, 363, 369). [X.]em hat das Berufungsgericht Rechnung getragen. Im Rahmen eines auf das Bauforderungssicherungsgesetz gestützten Schadensersatzanspruchs kommt es für die [X.] auf den [X.]punkt der pflichtwidrigen Tathandlung an ([X.], Bauforderungssicherungsgesetz, 3. Aufl., [X.] Rn. 9, [X.]; [X.] in: [X.]/[X.], Privates Baurecht, 2. Aufl., § 1 BauFordSiG Rn. 88; [X.], NZBau 2011, 713, 714; [X.] in: [X.]/[X.], Handbuch des Fachanwalts Bau- und Architektenrecht, 3. Aufl., 2. Kapitel Teil [X.] Rn. 165). [X.]iese fand hier nach dem 1. Januar 2009 statt. [X.]as Baugeld, welches der Beklagte zweckwidrig verwendet hat, hat die [X.] Anfang 2009 erhalten.

5

2. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauFordSiG in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung sind Baugeld auch solche Beträge, die der Empfänger von einem [X.]ritten für eine im Zusammenhang mit der Herstellung eines Baues oder Umbaues stehende Leistung, die der Empfänger dem [X.]ritten versprochen hat, erhalten hat, wenn an dieser Leistung andere Unternehmer auf Grund eines Werk-, [X.]ienst- oder Kaufvertrags beteiligt waren. [X.]ie Absicherung der Ansprüche des Geldgebers durch Grundpfandrechte ist ab dem 1. Januar 2009 weggefallen. [X.]ie Erweiterung des Baugeldbegriffs durch Abkopplung von der dinglichen Sicherung war eine wesentliche Änderung durch das BauFordSiG (näher [X.] in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], VOB, 18. Aufl., Anhang 1: Sicherung von Vergütungsansprüchen der Bauunternehmer, Rn. 256 f., 276, 280 zu § 1 BauFordSiG; [X.], aaO, vor § 1 BauFordSiG Rn. 7).

6

a) Als "Bau" im Sinne des § 1 BauFordSiG sind nicht nur Gebäude zu verstehen, vielmehr ist der Begriff gleichbedeutend mit dem Begriff des Bauwerks. Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Gesetzesmaterialien zum Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Sicherung der [X.] vom 29. Juli 2009 ([X.] I 2436; zu diesem Änderungsgesetz siehe [X.], [X.] 2009, 1521). [X.]anach war beabsichtigt, die Begriffe "Bau oder Umbau" umzuformulieren in "Herstellung oder Umbau von Bauwerken". [X.]amit war keine inhaltliche Änderung verbunden. Es sollte lediglich klargestellt werden, dass mit der Ausweitung des Baugeldbegriffs auch eine Ausweitung der vom Anwendungsbereich des Gesetzes betroffenen Baumaßnahmen einhergeht. Baugeld waren früher nur solche Gelder, zu deren Kreditabsicherung eine Hypothek oder Grundschuld eingetragen war. Faktisch betraf das Gesetz daher nur Gebäude. Mit der Ausdehnung des Baugeldbegriffs war diese Einschränkung auf Gebäude nicht mehr aus dem Gesetzeszweck ableitbar. [X.]ie allgemeiner gehaltene Bezeichnung "Bauwerk" sollte dem Rechnung tragen (BT-[X.]rucks. 16/13159, [X.]). [X.]iese Formulierung ist zwar nicht Gesetz geworden, vielmehr verblieb es bei dem Begriff "Bau". [X.]ies ist jedoch unschädlich, weil der Gesetzgeber ohnehin nur eine Klarstellung beabsichtigt hatte (vgl. auch [X.], aaO Rn. 280 zu § 1 BauFordSiG). Insbesondere bieten weder das Gesetz noch die Gesetzesmaterialien einen Anhaltspunkt für eine etwa vom Gesetzgeber gewollte Beschränkung auf den Begriff des Gebäudes.

7

b) Für die Vorläuferregelung, das Gesetz über die Sicherung von [X.] vom 1. Juni 1909 ([X.]), hat der [X.] zwar entschieden, dass der Herstellung eines Baues nur solche Leistungen dienen, die sich auf wesentliche Teile des Gebäudes beziehen ([X.], Urteil vom 6. Juni 1989 - [X.], [X.], 758; siehe auch [X.]/[X.], 6. Aufl., § 94 Rn. 38). Ziel dieser Entscheidung, die die Lieferung von Mobiliar für ein Wohnhaus betraf, war es, die [X.] auf wesentliche Bestandteile eines Gebäudes zu begrenzen (vgl. auch [X.], Urteile vom 12. [X.]ezember 1989 - [X.], [X.], 241 unter II 2 a; vom 11. April 2001 - 3 [X.], [X.]St 46, 373, 377; Beschluss vom 14. Januar 2003 - 4 StR 336/02, [X.], 284 Rn. 8). [X.]iese Begrenzung beansprucht nach wie vor Geltung ([X.], aaO § 1 BauFordSiG Rn. 32; [X.] in: [X.]/von [X.], [X.] Bau- und Architektenrecht 2011, § 1 BauFordSiG Rn. 13). Es ging jedoch nicht darum, Bauwerke, die keine Gebäude sind, dem Geltungsbereich des Gesetzes zu entziehen.

8

c) [X.]emgemäß entspricht es in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht nahezu geschlossener Ansicht im Schrifttum, dass sich der Anwendungsbereich des [X.] jedenfalls in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung nicht auf Gebäude beschränkt, sondern allgemein Bauwerke umfasst ([X.], aaO Rn. 280 zu § 1 BauFordSiG; [X.], aaO § 1 BauFordSiG Rn. 10; [X.], aaO § 1 BauFordSiG Rn. 32; [X.], [X.], 142; zur Vorläuferregelung siehe bereits Koeble in: [X.]/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., Teil 10 Rn. 176). [X.]er Begriff des Bauwerks wiederum erfasst, wie der [X.] bereits entschieden hat, auch Maßnahmen des Tief- und Straßenbaus ([X.], Urteile vom 12. März 1992 - [X.], [X.], 502 unter [X.]; vom 12. November 1992 - [X.], [X.], 217 unter [X.]; jeweils zu § 638 BGB a.F.).

9

d) [X.]ie Beschwerde zeigt nur eine Stimme im Schrifttum auf, wonach die Neuregelung des [X.] keine Tiefbaumaßnahmen umfasse, weil sich der Geltungsbereich des Gesetzes auf Gebäude beschränke ([X.], [X.] 2009, 418 [X.]. 37). [X.]iese vereinzelt gebliebene abweichende Literaturauffassung gebietet die Zulassung der Revision jedoch nicht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 978 Rn. 3; vom 8. Februar 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1047 Rn. 3; vom 20. [X.]ezember 2012 - [X.], juris, Rn. 2; Musielak/Ball, ZPO, 9. Aufl., § 543 Rn. 5a; Hk-ZPO/[X.]/[X.], 5. Aufl., § 543 Rn. 9).

3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO).

[X.]                        Halfmeier                            Kosziol

                [X.]

Meta

VII ZR 47/11

24.01.2013

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Koblenz, 3. Februar 2011, Az: 5 U 631/10, Urteil

§ 1 BauFordSiG vom 23.10.2008, § 823 Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.01.2013, Az. VII ZR 47/11 (REWIS RS 2013, 8703)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8703

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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