Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.12.2013, Az. 6 B 30/13

6. Senat | REWIS RS 2013, 662

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Gegenstand

Aufklärungsrüge; Anerkennungsverfahren; Verweigerung des Kriegsdienstes


Gründe

1

Die [X.]eschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil kann auf dem ordnungsgemäß dargelegten Verfahrensfehler einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO beruhen (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2

1. Die Aufklärungsrüge ist ordnungsgemäß erhoben, insbesondere entsprechend dem in § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO enthaltenen Erfordernis dargelegt worden. Der Kläger trägt sinngemäß vor, das Verwaltungsgericht habe seine auf die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer gerichtete Klage nicht ohne seine - von ihm beantragte - vorherige förmliche Vernehmung als Partei abweisen dürfen. Durch eine solche Vernehmung wäre der Entwicklungsprozess, den er ausgehend von ethischen [X.]edenken gegen eine Dienstleistung als Sanitätsoffizier hin zu einer Gewissensentscheidung im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG durchlaufen habe, nachvollziehbar geworden.

3

2. Die Rüge hat auch in der Sache Erfolg. Nach der Rechtsprechung des [X.] (vgl. jeweils m.w.[X.] etwa: Urteile vom 3. September 1987 - [X.]VerwG 6 C 11.86 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 192 S. 4 ff. und vom 29. Januar 1990 - [X.]VerwG 6 C 4.88 - juris Rn. 8; [X.]eschlüsse vom 29. April 1991 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 231 S. 59 f. und vom 13. September 2010 - [X.]VerwG 6 [X.] 31.10 - [X.] 448.6 § 2 [X.] Nr. 6 Rn. 3) gehört es in gerichtlichen Verfahren, deren Gegenstand die [X.]erechtigung des [X.] zur Verweigerung des [X.] ist, unter der Geltung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes jedenfalls dann, wenn die Ablehnung des [X.] in Frage steht, regelmäßig zur Erforschung des Sachverhalts im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO, dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von dem Kläger verschafft und ihn zu diesem Zweck förmlich als Partei vernimmt. Ausnahmen von dieser Regel, die der besonderen [X.]edeutung des Vorbringens des seine Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erstrebenden [X.] Rechnung trägt, kommen nur in sehr seltenen Konstellationen in [X.]etracht. Das [X.] hat sie in seiner Rechtsprechung im Wesentlichen dann angenommen, wenn die gesamten Umstände des Falles - unter anderem ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Termin - den Schluss rechtfertigten, dass der Kläger sein Anerkennungsbegehren nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgte, oder wenn sein bisheriges Vorbringen unschlüssig war, weil sich daraus ergab, dass er sich aus anderen als Gewissensgründen um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bemühte bzw. sich nicht der [X.]eteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den [X.] widersetzte.

4

Das Verwaltungsgericht hat sich zwar formal auf eine nach diesen Maßstäben mögliche Ausnahme von der regelmäßig gebotenen Vernehmung eines Kriegsdienstverweigerers als Partei berufen. Denn es hat den entsprechenden [X.]eweisantrag des [X.] als Ausforschungsbeweisantrag abgelehnt (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. April 2013 S. 4, [X.]. 933 der Gerichtsakte) und das Fehlen einer schlüssigen Darlegung der [X.]eweggründe für das in Anspruch genommene Recht auf Kriegsdienstverweigerung beanstandet ([X.]). Jedoch lag der Sache nach klar zu Tage, dass sich der bis zu der Entscheidung des [X.] angebrachte Vortrag des [X.] nicht in die Fallgruppe der Unschlüssigkeit im Sinne der beschriebenen Rechtsprechungsgrundsätze des [X.] einordnen ließ.

5

So mochte zwar mit dem Verwaltungsgericht ([X.] f.) einer dienstlichen [X.]eurteilung des [X.] vom Dezember 2009 und einem von diesem im selben Monat geäußerten [X.] ebenso eine [X.]ejahung des Militärischen durch den Kläger zu entnehmen sein wie dessen militärischem Werdegang generell. Auch war der von dem Verwaltungsgericht hervorgehobene geringe zeitliche Abstand des Anerkennungsantrags des [X.] vom Januar 2010 von den beiden zuerst genannten Umständen nicht zu vernachlässigen. Alle diese Gesichtspunkte hätten jedoch - nicht zuletzt in Anbetracht der inzwischen vergangenen [X.] - vor dem Hintergrund aktueller Darlegungen des [X.] im Rahmen einer gebotenen förmlichen Parteivernehmung gewürdigt und in [X.]eziehung zu der umfänglichen Antragsbegründung des [X.] vom Januar 2010 gesetzt werden müssen.

6

Das Urteil kann auf diesem Aufklärungsmangel beruhen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht unter [X.]erücksichtigung einer im Rahmen der Parteivernehmung abgegebenen Darstellung die Gewissensgründe des [X.] anders als geschehen bewertet hätte.

7

3. Liegt bereits in Gestalt der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO ein Verfahrensmangel vor, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann, kann dahinstehen, ob der Kläger die weitere Rüge eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu Recht erhebt.

8

4. Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

9

Dieser Verfahrensweise steht nicht entgegen, dass die [X.]eschwerde nicht nur auf den Revisionszulassungsgrund des [X.], sondern auch auf denjenigen der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (§ 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 [X.], § 135 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützt ist. Denn der hier vorliegende Verfahrensmangel der nicht hinreichenden Aufklärung würde selbst bei Annahme einer grundsätzlichen [X.]edeutung und bei Zulassung der Revision voraussichtlich zur Zurückverweisung führen (vgl. dazu allgemein: [X.]eschlüsse vom 3. Februar 1993 - [X.]VerwG 11 [X.] 12.92 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 10 und vom 29. August 2011 - [X.]VerwG 6 [X.] 28.11 - juris Rn. 2).

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das [X.]eschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 30/13

02.12.2013

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Koblenz, 9. April 2013, Az: 7 K 332/12.KO, Urteil

§ 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 86 Abs 1 VwGO, Art 4 Abs 3 GG, § 10 Abs 2 S 1 KDVG 2003, § 10 Abs 2 S 2 KDVG 2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.12.2013, Az. 6 B 30/13 (REWIS RS 2013, 662)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 662

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