Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2015, Az. 6 B 31/15

6. Senat | REWIS RS 2015, 4854

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Gegenstand

Kriegsdienstverweigerung; Parteivernehmung


Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil kann auf der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO beruhen. Der [X.] macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.

2

1. Die Aufklärungsrüge genügt den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

3

Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] (vgl. jeweils m.w.[X.] etwa: Urteile vom 26. Juni 1981 - 6 C 183.80 - NVwZ 1982, 40 f., vom 3. September 1987 - 6 C 11.86 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 192 S. 4 ff. und vom 29. Januar 1990 - 6 C 4.88 - juris Rn. 8; Beschlüsse vom 29. April 1991 - 6 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 231 S. 59 f., vom 13. September 2010 - 6 B 31.10 - [X.] 448.6 § 2 [X.] Rn. 3 und vom 2. Dezember 2013 - 6 B 30.13 - juris Rn. 3) gehört es in gerichtlichen Verfahren, deren Gegenstand die Berechtigung des [X.] zur Verweigerung des [X.] ist, unter der Geltung des [X.]verweigerungsgesetzes jedenfalls dann, wenn die Ablehnung des [X.] in Frage steht, regelmäßig zur Erforschung des Sachverhalts im Sinne des § 86 Abs. 1 VwGO, dass sich das Gericht einen persönlichen Eindruck von dem Kläger verschafft und ihn zu diesem Zweck förmlich als Partei vernimmt. Die Förmlichkeit einer Parteivernehmung in Verbindung mit der ihr vorausgehenden Belehrung ist ein sachgerechtes Mittel, nicht nur dem Kläger und den sonstigen Verfahrensbeteiligten, sondern auch dem Gericht selbst die Bedeutung und die Gewichtigkeit der Bekundungen des [X.]verweigerers vor Augen zu führen. Dies ist umso bedeutsamer, als nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] für die Beurteilung des Vorliegens einer ernsthaften Gewissensentscheidung gegen den [X.] mit der Waffe das Verhalten, die Bekundungen und der Gesamteindruck des Wehrpflichtigen entscheidende Bedeutung haben (BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1981 - 6 C 183.80 - NVwZ 1982 S. 41 m.w.[X.]). Das Erfordernis der Parteivernehmung besteht auch bei Fehlen eines dahingehenden Antrags des Betroffenen. Es entfällt nicht durch eine formlose Anhörung (BVerwG, Urteile vom 26. Juni 1981 a.a.[X.] und vom 29. Januar 1990 - 6 C 4.88 - juris Rn. 10).

4

Ausnahmen von dieser Regel kommen nur in sehr seltenen Konstellationen in Betracht. Das [X.] hat sie in seiner Rechtsprechung im Wesentlichen dann angenommen, wenn die gesamten Umstände des Falles den Schluss rechtfertigten, dass der Kläger sein Anerkennungsbegehren nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgte, oder wenn sein bisheriges Vorbringen unschlüssig war, weil sich daraus ergab, dass er sich aus anderen als Gewissensgründen um die Anerkennung als [X.]verweigerer bemühte bzw. sich nicht der Beteiligung an jeder Waffenanwendung zwischen den [X.] widersetzte.

5

Im vorliegenden Fall sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger sein Anerkennungsbegehren nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit verfolgt. Dass sich der Kläger aus anderen als Gewissensgründen um die Anerkennung als [X.]verweigerer bemüht, erscheint zwar nach den Ausführungen des [X.] möglich, aber nicht zwingend. Sonstige Gründe, die eine Parteivernehmung des [X.] entbehrlich machten, sind nicht ersichtlich.

6

Das Urteil kann auf dem Aufklärungsmangel beruhen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung einer im Rahmen der Parteivernehmung abgegebenen Darstellung die Gewissensgründe des [X.] anders als geschehen bewertet hätte.

7

2. Liegt bereits in Gestalt der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO ein Verfahrensmangel vor, auf dem die vorinstanzliche Entscheidung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beruhen kann, kann dahinstehen, ob der Kläger die weitere Verfahrensrügen zu Recht erhebt.

8

3. Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

6 B 31/15

24.09.2015

Bundesverwaltungsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Koblenz, 10. Juni 2015, Az: 2 K 980/14.KO, Urteil

§ 86 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 24.09.2015, Az. 6 B 31/15 (REWIS RS 2015, 4854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4854

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