Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VIII ZB 56/02

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 4472

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[X.]/02vom11. Februar 2003in dem [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] §§ 568, 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1Im Beschwerdeverfahren (§ 568 ZPO) findet die Vorschrift des § 348 Abs. 1 Satz 2Nr. 1 ZPO, die den Einsatz des [X.]s auf Probe als sogenannter originärer Einzel-richter beschränkt, keine entsprechende Anwendung.[X.], Beschluß vom 11. Februar 2003 - [X.]/02 -LG [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 11. Februar 2003 durch [X.] [X.]in [X.] und die [X.] [X.], [X.], [X.] und [X.]:Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß der24. Zivilkammer des [X.] vom 15. Mai 2002aufgehoben.Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an den [X.] zuständigen Einzelrichter des [X.] zurückverwiesen.Wert des [X.]: 1.104,85 Gründe:[X.] Beklagte begehrt Prozeßkostenhilfe zur Verteidigung gegen eineKlage, mit der sie von der Klägerin auf Zahlung rückständiger [X.] Anspruch genommen wird. Sie beruft sich auf Mietminderung wegen [X.] durch ein im Erdgeschoß des Hauses gelegenes Internet-Cafe unddessen Besucher. Das Amtsgericht hat den Antrag der Beklagten zurückgewie-sen, weil die beabsichtigte Rechtsverteidigung mangels hinreichend [X.] Vortrags zu der Lärmbelästigung keine Aussicht auf Erfolg biete. Mit dergleichen Begründung hat das [X.] die sofortige Beschwerde der [X.] zurückgewiesen. Diesen Beschluß hat das Beschwerdegericht unter- 3 -Hinweis darauf, daß das nach § 568 Satz 1 ZPO zur Entscheidung als Einzel-richter zuständige Mitglied [X.] auf Probe sei und noch nicht über einen Zeit-raum von einem Jahr geschäftsverteilungsplanmäßig Rechtsprechungsaufga-ben in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wahrzunehmen gehabt habe, in ent-sprechender Anwendung von § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO durch die Kammergetroffen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der - zugelassenen - Rechts-beschwerde.I[X.] Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft [X.] übrigen zulässig; insbesondere ist sie gemäß § 575 ZPO frist- und formge-recht eingelegt und begründet worden, nachdem der Beklagten durch [X.] vom 31. Juli 2002 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen [X.] der Beschwerdefrist gewährt worden ist. Die Rechtsbeschwerdeist auch begründet. Die Beklagte beanstandet zu Recht, daß das Beschwerde-gericht entgegen § 568 Satz 1 ZPO nicht durch den Einzelrichter, sondern inentsprechender Anwendung von § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO durch dieKammer entschieden hat.1. Gemäß § 568 Satz 1 ZPO entscheidet das Beschwerdegericht durcheines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidungvon einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Hier hatüber das [X.] der Beklagten in erster Instanz der Amts-richter entschieden. Daher war nach § 568 Satz 1 ZPO auch in der Beschwer-deinstanz der Einzelrichter zur Entscheidung berufen. Im erstinstanzlichenVerfahren vor den [X.]en entscheidet gemäß § 348 Abs. 1 Satz 1 [X.] Zivilkammer ebenfalls durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter. Dies gilt- 4 -nach Satz 2 Nr. 1 jedoch nicht, wenn das Mitglied [X.] auf Probe ist [X.] nicht über einen Zeitraum von einem Jahr geschäftsverteilungsplanmäßigRechtsprechungsaufgaben in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wahrzunehmenhatte. Eine solche Ausnahme sieht § 568 ZPO nicht vor. Danach verbleibt esinsoweit bei der Entscheidung durch den Einzelrichter, selbst wenn dieser - wiehier - Proberichter ist und noch nicht über einen Zeitraum von einem Jahr ge-schäftsverteilungsplanmäßig Rechtsprechungsaufgaben in bürgerlichen Re-chtsstreitigkeiten wahrzunehmen hatte ([X.]/[X.], ZPO, 23. Aufl., § 568Rdnr. 2).2. Entgegen der Auffassung des [X.] kommt eine ent-sprechende Anwendung des § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO im Rahmen des§ 568 ZPO nicht in Betracht. Die vom Gesetzgeber mit diesen beiden [X.] jeweils verfolgten Zwecke sind nicht miteinander zu vereinbaren.a) Mit § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO wird nach der amtlichen Begrün-dung "an die Intentionen zur Regelung eines eingeschränkten Proberichterein-satzes im familiengerichtlichen Verfahren (§ 23 b Abs. 3 Satz 2 GVG) und inSchöffensachen (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GVG) angeknüpft und gewährleistet, [X.] ein schon ausreichend in die Praxis bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten einge-übter [X.] von vornherein mit der Alleinzuständigkeit betraut wird. [X.] damit der Befürchtung vorgebeugt, daß ein Berufsanfänger aus Angst oderUnsicherheit vor einer sich im Einzelfall als erforderlich erweisenden Rücküber-tragungsentscheidung nach Absatz 3 zurückschrecken könnte" ([X.]/4722 S. 87). Daraus wird folgendes deutlich: Wie der Hinweis auf das famili-engerichtliche Verfahren und die Schöffensachen zeigt, mißt der Gesetzgeberdem erstinstanzlichen Verfahren vor den [X.]en besondere [X.]. In diesen Verfahren soll durch § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO jedoch nichtgenerell ausgeschlossen werden, daß der dort genannte Proberichter als Ein-- 5 -zelrichter entscheidet. Vielmehr soll dieser - zu seinem Schutz - lediglich nicht"von vornherein" mit der Alleinzuständigkeit betraut werden. Demgemäß be-stimmt § 348 a Abs. 1 ZPO gerade auch für den Fall, daß eine originäre [X.] nach § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht begründet ist,daß die Zivilkammer die Sache unter näher angeführten Voraussetzungen ei-nem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung überträgt. Das kannauch der in § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO bezeichnete Proberichter sein.b) Nach der amtlichen Begründung des § 568 ZPO steht bei der Ent-scheidung durch die Kammer der personelle Aufwand in der [X.] "außer Verhältnis zur Bedeutung der Verfahren, die überwiegend [X.] zum Inhalt haben. Bei Beschwerden in [X.] sowie im einstweiligen Rechtsschutz ist [X.] Entscheidung geboten, die bei Beibehaltung des Kollegialprinzips [X.] gewährleistet werden kann" (BT-Drucks. 14/4722 S. 111). Der [X.] hat die originäre Einzelrichter-Zuständigkeit demgemäß eingeführt, "umgerade auch in den weniger bedeutsamen Nebenverfahren einen spürbarenVereinfachungseffekt und in den eilbedürftigen [X.], [X.] und einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine beschleunigende Wir-kung zu erzielen ... . Eine vorhergehende Kollegialentscheidung über die [X.] würde das Verfahren nur unnötig komplizieren und diebeabsichtigte Vereinfachungs- und Beschleunigungswirkung aufheben. [X.] die meisten Beschwerden wird fast überwiegend im schriftlichen [X.]. Müßte der kollegiale Spruchkörper sich vor einer Übertragung aufden Einzelrichter mit der Sache befassen, um abzuklären, ob sie besondereSchwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist oder grundsätzlicheBedeutung hat, könnte er auch ohne merklichen Mehraufwand gleich in der [X.] selbst entscheiden" (BT-Drucks. aaO).- 6 -c) Danach ist eine entsprechende Anwendung des § 348 Abs. 1 Satz 2Nr. 1 ZPO schon wegen der unterschiedlichen Bedeutung der erstinstanzlichenVerfahren vor den [X.]en nicht gerechtfertigt, weil es im Beschwerde-verfahren um ein Nebenverfahren im Sinne der gesetzgeberischen Vorstellun-gen geht. Darüber hinaus würde der völlige Ausschluß des betreffenden [X.] als originärer Einzelrichter bei einer entsprechenden Anwendung des§ 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO nicht nur über die (oben dargelegte) beschränkteWirkung dieser Vorschrift im erstinstanzlichen Verfahren vor den [X.]enhinausgehen, sondern auch den vom Gesetzgeber mit § 568 ZPO verfolgtenVereinfachungseffekt verhindern. Eine ergänzende Heranziehung des § 348 aAbs. 1 ZPO (oder § 526 Abs. 1 ZPO) hätte wegen der danach [X.] der Kammer die gleiche Folge. In den eilbedürftigen [X.],Zwangsvollstreckungs- und einstweiligen Rechtsschutzverfahren würde zudemder vom Gesetzgeber bezweckten Beschleunigung entgegengewirkt, sofern dieKammer nicht gleich selbst entscheiden würde, was aber wiederum den [X.] ausschließen würde. Nach alledem ist für eine [X.] Anwendung des § 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO im Rahmen des § 568 [X.] Raum.3. Der Beklagten ist es nicht durch § 568 Satz 3 ZPO verwehrt, mit ihrerRechtsbeschwerde zu beanstanden, daß anstelle des Einzelrichters die Kam-mer entschieden hat. Nach dieser Vorschrift kann ein Rechtsmittel auf eine er-folgte oder unterlassene Übertragung nicht gestützt werden. § 568 Satz 3 [X.] insoweit an den vorangehenden Satz 2 an, wonach der gemäß Satz 1originär zuständige Einzelrichter das Verfahren unter bestimmten Vorausset-zungen dem Beschwerdegericht überträgt. Darum geht es hier nicht. Streit [X.] nicht darüber, ob der Einzelrichter das Verfahren zu Recht nach § 568Satz 2 ZPO dem Beschwerdegericht übertragen hat. Im vorliegenden Fall hatder Einzelrichter insoweit überhaupt keine Entscheidung getroffen. Vielmehr hat- 7 -die Kammer aus grundsätzlichen Erwägungen (entsprechende Anwendung von§ 348 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO) von vornherein entgegen § 568 Satz 1 [X.] des Einzelrichters entschieden. Dieser Fall wird von § 568 Satz 3 [X.] erfaßt.4. Da das Beschwerdegericht nach alledem zu Unrecht entgegen § 568Satz 1 ZPO nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die [X.] hat, war es nicht vorschriftsmäßig besetzt (§§ 576 Abs. 3, 547 Nr. 1 ZPO).Angesichts dieses absoluten [X.] ist unerheblich, obsich der angefochtene Beschluß aus anderen Gründen als richtig darstellt(§ 577 Abs. 3 ZPO), insbesondere ob das Beschwerdegericht zu Recht ange-nommen hat, daß die beabsichtigte Rechtsverteidigung der Beklagten mangelshinreichend substantiierten Vortrags zu der Lärmbelästigung keine Aussicht [X.] habe, oder ob es nicht die Anforderungen an die [X.] hat. Unabhängig davon sind gemäß § 577 Abs. 4 ZPO der [X.] ergangene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entschei-dung an den zuständigen Einzelrichter zurückzuverweisen (vgl. [X.], [X.] 21. April 1993, [X.], [X.], 1656 unter 2 b m.w.Nachw.; fernerUrteil vom 25. Januar 2000 - [X.], [X.], 790 unter 2).[X.] [X.] [X.]Dr. [X.]

Meta

VIII ZB 56/02

11.02.2003

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.02.2003, Az. VIII ZB 56/02 (REWIS RS 2003, 4472)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 4472

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