Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. V ZB 143/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1727

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB
143/12
vom

23. Oktober 2013

in dem Kostenfestsetzungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
RVG §§ 2, 13 i.V.m. Nr. 3200 VV; ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO
Wird der Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels bereits vor Zustellung der Rechtsmittelbegründung gestellt, das Rechtsmittel aber dann begründet, ist eine 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG unabhängig davon erstattungsfähig, ob das Verfahren später durch Rücknahme, durch Sachentscheidung oder in [X.] beendet wird (Abweichung von [X.], Beschluss vom 3. Juli 2007 -
VI [X.], [X.], 3723).
[X.], Beschluss vom 23. Oktober 2013 -
V [X.] -
OLG Hamm

[X.]

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 23. Oktober 2013 durch die Vorsitzende Richterin [X.],
die Richter
Prof.
Dr.
Schmidtäntsch
und Dr.
[X.] und die Richterinnen Dr. Brückner und
Weinland
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 25. Zivilsenats des [X.] vom 13. Juli 2012
wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird

Gründe:

I.
Die Klägerin legte gegen das ihre Klage abweisende Urteil des [X.]s Berufung ein. Der [X.] der Beklagten zeigte deren Vertretung im Berufungsverfahren an und kündigte den Antrag auf Zurückwei-sung der Berufung an. Nach Eingang der Berufungsbegründung wies das [X.] gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hin, dass es beabsichtige, die Berufung zurückzuweisen. Daraufhin nahm die Klägerin die Berufung zurück.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das [X.] die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten für die [X.] aus einer 1,6-fachen Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV
RVG 1
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sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen [X.] möchte die Klägerin erreichen, dass dem festzusetzenden [X.] nur eine 1,1-fache Verfahrensgebühr wegen vorzeitiger Beendigung des Auftrags (Nr. 3201 VV RVG)
zugrunde gelegt wird.

II.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätte ein nach Zugang der [X.] eingereichter Zurückweisungsantrag eine erstattungsfähige
1,6-fache Gebühr ausgelöst. Davon ausgehend müsse auch der verfrühte Zu-rückweisungsantrag der Beklagten auf diesen späteren Zeitpunkt fortwirken; denn es liefe auf eine unnötige [X.] hinaus, von dem [X.] zu erwarten, dass er nach Eingang der Rechtsmittelbegründung nochmals ei-nen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einreicht, um die Erstat-tungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr herbeizuführen.

III.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zu-lässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen für die Vertretung der Beklagten in dem Berufungsverfahren die 1,6-fache [X.] nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200
VV RVG
als erstattungsfähig
angesehen.

1. Durch die Einreichung des Schriftsatzes, mit dem die Zurückweisung der Berufung beantragt wurde, ist nach §§ 2, 13 RVG i.V.m. Nr. 3200 VV RVG i.V.m. Teil 3 Vorbem. 3 Abs. 2 RVG eine 1,6-fache Verfahrensgebühr entstan-den.
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Nach Nr. 3201 Nr. 1 VV RVG ermäßigt sich die Verfahrensgebühr zwar bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags, wozu auch die Beendigung durch Rücknahme der Berufung gehört, auf eine 1,1-fache Gebühr. Hat der Rechtsanwalt aber

wie hier

bereits einen Schriftsatz eingereicht, der die [X.] oder einen Sachvortrag enthält, kommt eine vorzeitige [X.] und damit eine Ermäßigung der Gebühr nicht mehr in [X.] ([X.], Beschluss vom 1. April 2009

[X.], NJW 2009, 2220, 2221; Beschluss vom 2. Oktober 2008

I
ZB 111/07, NJW-RR 2009, 859, 860).

2. Hiervon ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob die Beklagte diese Kosten von der Klägerin als der unterliegenden Rechtsmittelführerin erstattet verlangen kann. Dies setzt nach § 91 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 ZPO voraus, dass der Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Die Erstattung der aufgewendeten Kosten kann eine [X.] dabei nur insoweit erwarten, als sie der ihr aus dem Prozess-rechtsverhältnis obliegenden Pflicht nachgekommen ist, die Kosten möglichst niedrig zu halten ([X.], Beschluss vom 1. April 2009

[X.], NJW 2009, 2220, 2221; Beschluss vom 3. Juli 2007 -
VI [X.], [X.], 3723).

a) Die mit einem Rechtsmittel überzogene [X.] darf bereits vor dessen Begründung einen Rechtsanwalt beauftragen und die entstandenen Kosten im Falle ihres Obsiegens nach § 91 Abs. 1 ZPO vom Gegner erstattet verlangen. Allerdings ist ein die 1,6-fache Verfahrensgebühr auslösender Antrag auf Zu-rückweisung des Rechtsmittels grundsätzlich nicht notwendig, sofern der Rechtsmittelführer noch keinen Antrag und keine Rechtsmittelbegründung ein-gereicht hat. Denn im Normalfall besteht kein Anlass für den Rechtsmittelgeg-ner, mit der Verteidigungsanzeige seines Prozessbevollmächtigten zugleich den Sachantrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels anzukündigen. Der Rechts-6
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mittelgegner kann sich erst nach Vorliegen der Rechtsmittelbegründung mit In-halt und Umfang des Angriffs auf die Entscheidung der Vorinstanz sachlich auseinandersetzen und durch einen entsprechenden Gegenantrag sowie des-sen Begründung das Verfahren fördern. Es ist nicht ersichtlich, welche Prozess-förderung von einem Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels ausgehen könnte, solange mangels einer Rechtsmittelbegründung eine sachgerechte Prü-fung des Rechtsmittels nicht möglich ist ([X.], Beschluss vom 1. April 2009

[X.], NJW 2009, 2220, 2221; Senat, Beschluss vom 2. Juli 2009

V
ZB 54/09, NJW
2009, 3102, 3103; jeweils mwN).

b) Hier ist jedoch

wie das Beschwerdegericht zu Recht annimmt

eine andere Beurteilung deshalb geboten, weil die Klägerin ihre Berufung noch be-gründet hat.

aa) Die Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zu einer [X.] Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren, bestimmt sich zwar grundsätzlich danach, ob eine verständige und wirt-schaftlich vernünftige [X.] eine die Kosten auslösende Maßnahme im Zeit-punkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Nach Einreichung der Rechtsmittelbegründung kann dem [X.] aber ein berechtig-tes Interesse nicht abgesprochen werden, mit anwaltlicher Hilfe eine Zurück-weisung des Rechtsmittels anzustreben und einen entsprechenden Antrag an-zukündigen. In diesem Zeitpunkt, auf den der verfrühte Zurückweisungsantrag fortwirkt, war eine Verteidigung somit notwendig und wäre mit Kosten in der geltend gemachten Höhe verbunden gewesen. Diese wären bei einer Antrag-stellung nach Eingang der Rechtsmittelbegründung zweifellos auch erstattungs-fähig gewesen ([X.], Beschluss vom 9. Oktober 2003

[X.], [X.], 73; Beschluss vom 2. Oktober 2008

[X.], NJW-RR 2009, 859, 860).
Unter solchen Umständen kommt es für die Frage der Erstattungsfähig-9
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keit nicht auf die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge
an. Vielmehr ist bei wertender Betrachtung davon
auszugehen, dass die dem Rechtsmittelgeg-ner tatsächlich entstandenen Anwaltskosten als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich geworden sind. Es würde
auf eine unnötige [X.] hinauslaufen, von dem [X.] zu erwarten, dass er nach Eingang der Rechtsmittelbegründung nochmals einen Schriftsatz mit einem Gegenantrag bei Gericht einreicht, um die Erstattungsfähigkeit der vollen [X.]
herbeizuführen
([X.], Beschluss vom 1. April 2009

[X.], NJW 2009, 2220, 2221; Beschluss vom 13. Juli 2010

[X.], Rpfleger 2011, 47, 48).

bb) Der Umstand, dass das Berufungsgericht aufgrund der [X.] durch die Klägerin nicht in der Sache entschieden hat, ändert an der Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen Verfahrensgebühr nichts.

Die Erstattungsfähigkeit der vollen Verfahrensgebühr kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob das Rechtsmittelverfahren durch eine gerichtli-che Sachentscheidung, durch eine Rücknahme oder auf sonstige Weise been-det wird (so zutreffend [X.], NJW-RR 2011, 1222, 1224). Erkennt man nämlich zutreffend die Notwendigkeit der Verteidigung durch den Rechts-mittelgegner bereits zu dem Zeitpunkt an, in dem die Rechtsmittelbegründung eingereicht wird, und kommt es unter solchen Umständen für die Frage der Er-stattungsfähigkeit nicht auf die zeitliche Reihenfolge der jeweiligen Anträge an, kann es keinen Unterschied machen, auf welche Weise das Verfahren später beendet wird.

Dieser rechtlichen Beurteilung steht, wie der [X.]. Zivilsenat auf Anfrage
mitgeteilt hat, dessen Entscheidung vom 1.
April 2009 ([X.], NJW 2009, 2220, 2221) nicht entgegen.
Soweit der Senat von der Entscheidung des 11
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VI. Zivilsenats vom 3. Juli 2007 (VI [X.], [X.], 3723) abweicht, hat dieser mitgeteilt, dass an der gegenteiligen Auffassung nicht
festgehalten wird.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97
Abs. 1 ZPO.

Stresemann

Schmidt-Räntsch

[X.]

Brückner

Weinland
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 19.04.2012 -
I-2 [X.]/10 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 13.07.2012 -
I-25 W 172/12 -

14

Meta

V ZB 143/12

23.10.2013

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. V ZB 143/12 (REWIS RS 2013, 1727)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1727

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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