Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2020, Az. 4 StR 670/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2025

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Gegenstand

Unterbringung in einer Entziehungsanstalt: Erneute Anordnung der Unterbringung bei Verurteilung wegen der vor einer früheren Verurteilung begangenen Tat


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2019, soweit es ihn betrifft,

a) wegen eines offensichtlichen Fassungsversehens dahin berichtigt, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 12. September 2018 - 26 [X.] - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt ist;

b) im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aufgehoben; der Ausspruch entfällt;

c) dahin ergänzt, dass die im Urteil des [X.] vom 12. September 2018 angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aufrechterhalten wird;

d) aufgehoben, soweit der [X.] der Strafe angeordnet worden ist;

e) im Adhäsionsausspruch aufgehoben, soweit der Angeklagte verpflichtet worden ist, den Nebenkläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten freizustellen; insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen besonders schweren Raubes unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 12. September 2018 - 26 [X.] - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Jahre der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Schließlich hat das [X.] eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der [X.] hat den [X.] - der Anregung des [X.] folgend - im Hinblick auf das Datum des Urteils des [X.]s Wuppertal berichtigt, das vom 12. September 2018 und nicht vom 12. März 2018 datiert.

3

2. Darüber hinaus hat der [X.] - in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die im Urteil des [X.]s Wuppertal vom 12. August 2018 angeordnete und noch nicht erledigte Maßregel nach § 64 StPO aufrecht erhalten und die (erneute) Maßregelanordnung aufgehoben.

4

Das [X.] hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegen. Bei dieser Sachlage war, weil der Angeklagte die dem hiesigen Verfahren zugrundeliegende Tat am 12. November 2017 und damit vor der Vorverurteilung durch das [X.] Wuppertal begangen hat, die in jenem Urteil angeordnete und derzeit vollzogene Maßregel gemäß § 55 Abs. 2 StGB aufrecht zu erhalten. Für eine - erneute ‒ Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bestand kein Raum, weil die jetzt abgeurteilte Tat vor der früheren, die Maßregel anordnenden Verurteilung des Angeklagten begangen wurde. In diesem Fall haben die Grundsätze der nachträglichen Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 23. November 2017 - 4 StR 477/17, [X.], 526; vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17, [X.], 272, 273; vom 27. September 2016 - 5 [X.], [X.], 575, und vom 25. November 2010 - 3 [X.], NStZ-RR 2011, 105; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, [X.]St 30, 305).

5

3. Auch die Anordnung des [X.] eines Teils der Strafe gemäß § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB kann nicht bestehen bleiben. Das [X.] hat nicht geprüft, ob entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB auf eine Anordnung des [X.] verzichtet werden kann, obwohl hierzu Anlass bestand.

6

In Fällen, in denen nachträglich eine so hohe Gesamtfreiheitsstrafe gebildet wird, dass eine nach § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3 StGB bemessene, am [X.] orientierte Anordnung des [X.] - wie hier - zu einer Herausnahme des Angeklagten aus dem Maßregelvollzug führen müsste, kann entgegen der Regel des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB auf eine Entscheidung über einen [X.] verzichtet werden ([X.], Beschlüsse vom 23. November 2017 - 4 StR 477/17, [X.], 526, 527; vom 2. August 2017 - 4 StR 261/17, [X.], 271 und vom 13. November 2018 - 3 [X.], NStZ-RR 2019, 208 f.).

7

Da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt, bedarf es der Aufhebung der Feststellungen nicht. Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen insbesondere zum Stand der Therapie treffen.

8

4. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers begegnet rechtlichen Bedenken, soweit das [X.] den Angeklagten verurteilt hat, den Nebenkläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Betrages von 1.029,35 € freizustellen. Zur Begründung hat das [X.] lediglich ausgeführt, dass die Höhe des aus § 823 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs sich nach der Höhe der Schmerzensgeldforderung richte. Diese knappen Ausführungen erlauben dem [X.] nicht die Nachprüfung, ob der insoweit zuerkannte Anspruch auf Freistellung dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei bestimmt worden ist. Der [X.] hat daher insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen.

Sost-Scheible     

        

Quentin     

        

Bartel

        

Sturm     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 670/19

27.08.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 27. August 2020, Az: 4 StR 670/19, Beschluss

§ 55 Abs 2 StGB, § 64 StGB, § 67f StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2020, Az. 4 StR 670/19 (REWIS RS 2020, 2025)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2025


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 4 StR 670/19

Bundesgerichtshof, 4 StR 670/19, 27.08.2020.

Bundesgerichtshof, 4 StR 670/19, 27.08.2020.


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