Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2020, Az. 4 StR 670/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 2024

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Gegenstand

Strafverfahren: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung und Maßregelanordnung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. April 2019, soweit es ihn betrifft, aufgehoben

a) soweit eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung unterblieben und die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 28. Mai 2018 aufrechterhalten worden ist;

b) im Ausspruch über die Maßregel sowie im Ausspruch über den Vorwegvollzug;

c) im Adhäsionsausspruch, soweit der Angeklagte verpflichtet worden ist, den Nebenkläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten freizustellen; insoweit wird von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]  wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt; von einer nachträglichen Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 28. Mai 2018 hat es abgesehen. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass drei Jahre der Freiheitsstrafe vorweg zu vollziehen sind. Schließlich hat das [X.] eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die auf die ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg hat. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

2

1. Der Strafausspruch weist zur Gesamtstrafenbildung durchgreifende Rechtsfehler auf.

3

a) Das [X.] hat dem noch nicht erledigten Strafbefehl des [X.] vom 28. Mai 2018 zwar zu Recht Zäsurwirkung beigemessen. Es hat jedoch verkannt, dass nicht nur die verfahrensgegenständliche Tat (Tatzeit: 11. November 2017), sondern auch die dem ‒ nach den Feststellungen ebenfalls noch nicht erledigten ‒ Urteil des [X.]s Wuppertal vom 12. September 2018 zugrundeliegende Tat (Tatzeit: 22. Oktober 2017) vor Erlass des Strafbefehls des [X.] vom 28. Mai 2018 begangen wurde. Damit lag hinsichtlich aller Strafen aus allen drei Verurteilungen eine Gesamtstrafenlage vor; das [X.] wäre daher gemäß § 55 StGB zur nachträglichen Bildung einer Gesamtstrafe verpflichtet gewesen.

4

b) Auch die Erwägungen, mit denen das [X.] die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 28. Mai 2018 gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert hat bestehen lassen, halten aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

5

c) Da es sich um reine Wertungsfehler handelt, können die zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende, den bisherigen nicht widersprechende Feststellungen bleiben möglich.

6

2. Der Rechtsfehler bei der Gesamtstrafenbildung zieht die Aufhebung der [X.] (§ 64 StGB) sowie die Anordnung des [X.] (§ 67 Abs. 2 Satz 2 StGB) nach sich.

7

Gegen den Angeklagten wurde bereits in dem - gesamtstrafenfähigen - Urteil des [X.]s Wuppertal vom 12. September 2018 neben der Freiheitsstrafe eine Maßregel gemäß § 64 StGB verhängt, die - soweit ersichtlich - noch nicht erledigt ist.

8

Ist - wie hier - die [X.] vor der früheren Verurteilung des Angeklagten begangen, haben die Grundsätze nachträglicher Gesamtstrafenbildung (§ 55 Abs. 2 StGB) Vorrang vor der Regelung des § 67f StGB (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 23. November 2017 - 4 StR 477/17, [X.], 526, 527; vom 9. November 2017 - 1 StR 456/17, [X.], 272, 273; vom 27. September 2016 - 5 [X.], [X.], 575, und vom 25. November 2010 - 3 [X.], NStZ-RR 2011, 105, 106; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 4 StR 622/81, [X.]St 30, 305). Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird daher zu prüfen haben, ob die in dem Urteil des [X.]s Wuppertal vom 12. September 2018 getroffene [X.] aufrechtzuerhalten ist.

9

3. Die Entscheidung über den Adhäsionsantrag des Neben- und Adhäsionsklägers begegnet rechtlichen Bedenken, soweit das [X.] den Angeklagten verurteilt hat, den Nebenkläger von der Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe eines Betrages von 1.171,76 € freizustellen. Zur Begründung hat das [X.] lediglich ausgeführt, dass die Höhe des aus § 823 Abs. 1 BGB folgenden Anspruchs sich nach der Höhe der Schmerzensgeldforderung richte. Diese knappen Ausführungen erlauben dem [X.] nicht die Nachprüfung, ob der insoweit zuerkannte Anspruch auf Freistellung dem Grunde und der Höhe nach rechtsfehlerfrei bestimmt worden ist. Der [X.] hat daher insoweit gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3 StPO von einer Entscheidung abgesehen.

Sost-Scheible     

        

Quentin     

        

Bartel

        

Sturm     

        

[X.]     

        

Meta

4 StR 670/19

27.08.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 27. August 2020, Az: 4 StR 670/19, Beschluss

§ 55 StGB, § 64 StGB, § 67f StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.08.2020, Az. 4 StR 670/19 (REWIS RS 2020, 2024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2024


Verfahrensgang

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Az. 4 StR 670/19

Bundesgerichtshof, 4 StR 670/19, 27.08.2020.

Bundesgerichtshof, 4 StR 670/19, 27.08.2020.


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