Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2018, Az. V ZB 138/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 10849

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:120418BVZB138.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 138/17
vom

12. April 2018

in dem Rechtsstreit

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2
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. April 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterin Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch, [X.]
Kazele, die Richterin [X.] und [X.]
Hamdorf

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22.

Zivilsenats des [X.] vom 27. April 2017 wird auf Kosten der Kläger als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Gegen das ihnen am 8. November 2016 zugestellte Urteil des Landge-richts haben die Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Das [X.] hat mit Beschluss vom 9. März 2017 die Berufung als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 8. Februar 2017 verlängerten
Berufungsbe-gründungsfrist begründet worden war. Die Kläger haben unter Vorlage der Be-rufungsbegründung am 13. März 2017 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur [X.] haben sie vorgetragen, in der Kanzlei ihres damaligen [X.] habe die sonst zuverlässige und regelmäßig kontrollierte Mitarbeite-rin, der die Fristenerfassung obliege, irrtümlich anstelle des 8.
Februar 2017 1
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den 8.
Februar 2018 als Tag des Fristablaufs in den
elektronisch geführten Fris-tenkalender notiert. Deswegen sei ihrem Prozessbevollmächtigten die Akte nicht vor Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung vorgelegt und die [X.] worden.

Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegrün-det zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

Das Berufungsgericht meint, die Voraussetzungen für eine Wiederein-setzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO lägen nicht vor. Die Kläger hätten ein Verschulden ihres damaligen Prozessbevollmächtigten, das ihnen gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei, nicht ausgeräumt. Sie hätten nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass eine konkrete Wiedervorlage der Akte verfügt worden sei oder die allgemeine Anweisung bestanden habe, eine an-gemessene Vorfrist einzutragen. Beides hätte jeweils gesondert dazu geführt, dass die Frist zur Berufungsbegründung eingehalten worden wäre. Dass die Vorfrist ebenfalls
irrtümlich unzutreffend eingetragen worden wäre, könne nicht unterstellt werden. Ein Verschulden des damaligen Prozessbevollmächtigten der Kläger bestehe auch darin, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht in der Handakte notiert worden sei.

III.

Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

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4
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1. Sie ist zwar gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 238 Abs. 2 Satz
1 ZPO statthaft.
Zulässig ist sie aber gemäß § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch die dort bestimmten weiteren Voraussetzungen gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr.
1 ZPO) noch ist eine Entscheidung des [X.] zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§
574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat den Wiederein-setzungsantrag der Kläger
jedenfalls im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen.
2. Ob das Berufungsgericht das von den Klägern als übergangen gerügte Vorbringen in dem Wiedereinsetzungsantrag zur Kenntnis genommen hat, in der Kanzlei ihres damaligen Prozessbevollmächtigten seien bei Eintragung der
Rechtsmittelbegründungsfrist auf den 8.
Februar 2018 in dem
elektronischen Fristenkalender automatisch Wiedervorlagefristen für Januar 2018 notiert [X.], kann offen bleiben. Es fehlt nämlich bereits an der [X.] dieses Vorbringens. Auch unter Berücksichtigung des
Vortrags, dass sich der Fehler der Kanzleimitarbeiterin zugleich auf die [X.] ausgewirkt habe, beruht die Fristversäumung auf einem den Klägern gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden (§ 233 Satz 1 ZPO) ihres [X.]. Das Verschulden liegt in
einer unzureichenden Organisation der Kontrolle von [X.] in den elektronischen Fristenkalender.
Die Kläger haben weder dargetan noch glaubhaft gemacht, dass ihr Prozessbevollmächtig-ter bei der elektronischen Kalenderführung durch eine ordnungsgemäße Orga-nisation dafür Sorge getragen hat, dass [X.] nicht versäumt werden.
a) aa) Die Verwendung einer elektronischen Kalenderführung darf keine hinter der manuellen Führung zurückbleibende Überprüfungssicherheit bieten 5
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5
-
(vgl. Senat,
Beschluss vom 2. März 2000 -
V [X.], [X.], 1957 mwN; [X.], Beschluss vom 27. Januar 2015 -
II
ZB 23/13, [X.], 780 Rn. 9; [X.] vom 4. November 2014 -
VIII ZB 38/14, [X.], 2388 Rn. 10; [X.] vom 17. April 2012 -
VI [X.]/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; [X.] vom 21. Dezember 2010 -
IX [X.], [X.] 2011, 706 Rn. 9; [X.] vom 2. Februar 2010 -
XI [X.] und [X.], NJW 2010, 1363 Rn. 12).
Bei der Eingabe von Fristen in den elektronischen Fristenkalender [X.] spezifische Fehlermöglichkeiten. Dazu zählen nicht nur [X.] der EDV, sondern auch Eingabefehler, insbesondere durch [X.]. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt, der laufende Fristen in einem elekt-ronischen Fristenkalender erfasst,
durch geeignete
Organisationsmaßnahmen die Kontrolle der [X.] gewährleisten
muss.

bb)
Das Notieren einer Vorfrist in dem
elektronischen Fristenkalender ist zur Kontrolle der Richtigkeit der eingegebenen Berufungsbegründungsfrist nicht geeignet. Sie
unterliegt derselben spezifischen Fehleranfälligkeit wie die Einga-be des Fristablaufs
selbst.
Das gilt auch und gerade dann, wenn die Vorfrist
von dem [X.] automatisch notiert
wird, da sie dann
zwangsläufig
falsch ist, wenn auch das Ende der Berufungsbegründungsfrist falsch eingegeben wurde. Ebensowenig gewährleistet das
Notieren des Fristablaufs in der Hand-akte, dass der
Prozessbevollmächtigte
Fehler bei der Eingabe der Fristen in den elektronischen Fristenkalender rechtzeitig erkennt,
da er sich grundsätzlich auf die Prüfung der Vermerke in den Handakten beschränken darf (vgl. [X.], Beschluss vom 18. März 2014 -
VIII [X.]/13, juris Rn. 7; Beschluss vom 27.
November 2013 -
XII [X.], [X.], 284 Rn. 7; Beschluss vom 12. November 2013 -
II ZB 17/12, [X.], 422 Rn. 15; Beschluss vom 22.
Januar 2008 -
VI [X.], [X.], 1670 Rn. 6).

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cc)
Die Kontrolle der [X.] in den elektronischen Fristenkalender kann durch einen Ausdruck der eingegebenen Einzelvorgänge oder eines Fehlerprotokolls erfolgen. Werden die Eingaben in den [X.] nicht durch Ausgabe der eingegebenen Einzelvorgänge über den Drucker oder durch Ausgabe eines Fehlerprotokolls durch das Programm kontrolliert, ist darin nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs
ein anwaltliches Organisati-onsverschulden zu sehen. Die Fertigung eines Kontrollausdrucks ist erforder-lich, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des [X.]s, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig zu erken-nen und zu beseitigen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Juni 2009 -
V [X.], [X.], 3036 Rn. 13 mwN; [X.],
Beschluss vom 17. April 2012

VI
ZB
55/11, NJW-RR 2012, 1085 Rn. 8; Beschluss vom 2. Februar 2010

XI
[X.] und [X.], [X.], 567 Rn. 12).
[X.]) Dass in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Kläger
eine entsprechende Anweisung bestand, lässt sich
der Begründung des [X.] nicht entnehmen.

b)
Die Fristversäumnis beruht auch auf dem Verschulden des
Prozess-bevollmächtigten der Kläger. Hätte in seiner Kanzlei
-
wie geboten
-
die Anwei-sung bestanden, durch Fertigung eines Kontrollausdrucks die korrekte Eintra-gung des Fristablaufs und der Vorfrist zu prüfen, wäre der
Tippfehler bei der Eingabe der Jahreszahl (2018 statt 2017)
festgestellt
worden.
c) Eines vorherigen Hinweises an die anwaltlich vertretenen Kläger auf den
vorerwähnten Mangel des [X.] bedurfte es nicht. Eine Hinweispflicht besteht nur bezogen auf erkennbar unklare oder ergän-zungsbedürftige Angaben (Senat, Beschluss vom 12. Mai 2016 -
V [X.], NJW 2016, 3789 Rn. 31; Beschluss vom 30. September 2010 -
V [X.], juris Rn. 7 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Anforderungen, 9
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7
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die die Rechtsprechung an die organisatorischen Maßnahmen bei der elektro-nischen Kalenderführung stellt, sind bekannt und müssen einem Rechtsanwalt auch ohne richterliche Hinweise geläufig sein. Wenn der Vortrag in dem Wie-dereinsetzungsgesuch dem nicht Rechnung trägt, gibt dies keinen Hinweis auf Unklarheiten oder Lücken, die aufzuklären bzw. zu füllen wären, sondern [X.] den Schluss darauf, dass entsprechende organisatorische Maßnahmen gefehlt haben (Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 -
V ZB
28/03, [X.], 367, 369 mwN).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele

[X.] Hamdorf
Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 04.11.2016 -
9 [X.]/16 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 27.04.2017 -
I-22 [X.]/16 -

13

Meta

V ZB 138/17

12.04.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.04.2018, Az. V ZB 138/17 (REWIS RS 2018, 10849)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10849

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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