Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.08.2023, Az. VII ZR 102/22

7. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 5274

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Gegenstand

Anspruch auf Zahlung restlichen Architektenhonorars: treuwidrige Abrechnung nach Mindestsätzen der HOAI


Leitsatz

Erweist sich eine Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ausnahmsweise als treuwidrig, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist (Vergleiche BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 - VII ZR 174/19 Rn. 15 m.w.N., BGHZ 225, 297), liegen nicht zugleich die Voraussetzungen vor, unter denen der Architekt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 HOAI) zu berufen. Hierzu bedarf es Feststellungen dazu, dass dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde und es daher gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen (Ständige Rechsprechung; Vergleiche BGH, Urteil vom 26. Februar 2020 - XII ZR 51/19 Rn. 27, BGHZ 224, 370).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 27. April 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin fordert von der [X.] die Zahlung restlichen Architektenhonorars.

2

Die Beklagte wurde von der [X.]           am 28. Mai 2013 mit Planungsleistungen für eine Flutbrücke und deren Errichtung beauftragt. Sie beauftragte ihrerseits die Klägerin mit den Planungsleistungen. Vor Beginn ihrer Arbeiten unterbreitete die Klägerin der [X.] mit Schreiben vom 4. Juni 2013 ein Angebot über die Planungsleistungen für ein Honorar in Höhe von 310.623 € netto, welches die Beklagte nicht annahm. Die Klägerin begann dennoch mit den Planungen. In der Folge unterbreitete sie der [X.] ein weiteres Angebot über ein Pauschalhonorar in Höhe von 400.000 €, in dem die letztlich beauftragten Leistungen mit einem Betrag in Höhe von 170.000 € bewertet wurden. Die Beklagte unterzeichnete diesen Vertrag nicht, sondern übersandte ihrerseits unter dem 18. Juli 2014 der Klägerin einen Vertragsentwurf, in dem das Honorar mit 161.713,27 € angegeben wurde. Dieser Entwurf wurde von der Klägerin nicht unterzeichnet.

3

Die Klägerin stellte während der Leistungserbringung mehrere Abschlagsrechnungen, die von der [X.] bezahlt wurden. Darin wurde jeweils auf "bestehende Vereinbarungen" Bezug genommen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 übersandte die Klägerin der [X.] eine 6. Abschlagsrechnung, mit der sie ihre Leistungen bis auf eine Bestandsunterlage als vollständig erbracht mit 170.000 € netto abzüglich eines Betrags in Höhe von 1.000 € für die fehlende Unterlage in Rechnung stellte. Die Beklagte kürzte den Betrag auf 161.713,27 €. Dieser Kürzung widersprach die Klägerin unter Hinweis auf die getroffenen Vereinbarungen.

4

Nachdem die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 161.713,27 € geleistet und die Bezahlung eines weiteren Honorars auf der Grundlage eines Nettohonorars in Höhe von 170.000 € verweigert hatte, rechnete die Klägerin ihre Leistungen auf der Basis der Mindestsätze der [X.] (2013) ab. Mit der Klage hat sie ein über die erfolgte Zahlung der [X.] hinausgehendes weiteres Honorar in Höhe von 114.285,75 € geltend gemacht.

5

Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision will die Klägerin weiterhin die Verurteilung der [X.] auf ihren Klageantrag hin erreichen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in [X.], 1792 veröffentlicht ist, hat zur Begründung - soweit für die Revision von Interesse - ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten [X.] in Höhe von 114.285,75 €. Zwischen den [X.]en sei konkludent ein Pauschalpreis in Höhe von 161.713,27 € vereinbart worden, auf dessen Gültigkeit sich die Beklagte gemäß § 242 BGB berufen könne. Diesen Betrag habe die Beklagte bereits gezahlt.

8

Die weitere [X.] stehe der Klägerin gemäß § 242 BGB nicht zu; ihre Geltendmachung erweise sich als rechtsmissbräuchlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] verhalte sich der Auftragnehmer widersprüchlich, wenn er eine Pauschalvereinbarung unterhalb der [X.] der [X.] abschließe und später nach den [X.]n abrechnen wolle. Eine Geltendmachung der [X.] könne nach [X.] und Glauben ausgeschlossen sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen und er sich darauf in einer Weise eingerichtet habe, dass ihm die Zahlung des [X.] zwischen dem Honorar und den [X.]n nach [X.] und Glauben nicht zugemutet werden könne. Erforderlich sei eine Gesamtabwägung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls.

9

Diese Voraussetzungen, die es der Klägerin verwehrten, ihr Honorar nachträglich und entgegen der [X.] nach [X.]n abzurechnen, seien hier erfüllt, so dass auch dahinstehen könne, ob der vereinbarte Pauschalpreis tatsächlich mindestsatzunterschreitend gewesen sei. Die Klägerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nunmehr nach [X.]n abrechne. Die Beklagte habe auf die Wirksamkeit der geschlossenen Pauschalpreisvereinbarung vertrauen dürfen. Die Klägerin habe einen Vertrauenstatbestand begründet, indem sie sich bewusst dazu entschieden habe, der Beklagten eine mindestsatzunterschreitende Pauschalhonorarvereinbarung anzubieten, obwohl sie Kenntnis von der Gültigkeit der [X.] gehabt habe. Das zwischen den [X.]en vereinbarte Leistungsverzeichnis und der Umstand, dass die Klägerin bis zur 6. Abschlagsrechnung im Jahr 2015 immer auf "bestehende Vereinbarungen" Bezug genommen und nach diesen abgerechnet habe, habe den Vertrauenstatbestand noch vertieft. Noch in der Mahnung vom 27. November 2015 habe die Klägerin die Zahlung des Restbetrags zu der von ihr behaupteten Pauschale in Höhe von 170.000 € verlangt. Die Klägerin habe seit Beginn der Vertragsbeziehung in keinem Schreiben darauf hingewiesen, dass das verlangte Honorar mindestsatzunterschreitend gewesen sei, sondern habe die [X.] erst im Rahmen von Meinungsverschiedenheiten als "Drohinstrument" benutzt, um die Zahlung des von ihr geforderten Betrags durchzusetzen. Die [X.] stelle aber kein Preisrecht dar, um Druck auf den Auftraggeber auszuüben, sollte es zwischen den [X.]en im Verlauf der Vertragsbeziehung zu Unstimmigkeiten kommen. Zu Lasten der Klägerin wiege schwer, dass sie - nach eigenen Angaben - der Beklagten einen Pauschalpreis angeboten habe in der Absicht, sich nicht an die geschlossene Vereinbarung halten zu wollen.

Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie nicht von einer Mindestsatzunterschreitung habe ausgehen müssen. Sie habe sich auch auf die Zahlung des [X.] eingerichtet und mit diesem kalkuliert. Nach dem gesetzlichen Leitbild der Vertragstreue sei dieses Vertrauen besonders schützenswert. Die Zahlung des [X.] sei der Beklagten auch nicht zumutbar. Die Erhöhung der klägerischen Forderung liege bei 50 %.

Selbst wenn die Pauschalhonorarvereinbarung gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 7 Abs. 3 [X.] (2013) verstieße, bliebe die Klägerin an die getroffene Vereinbarung gebunden. Die Berufung der Klägerin auf die [X.] verstoße gegen [X.] und Glauben, da dies unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde (vgl. [X.], Urteil vom 23. November 2010 - 23 U 215/09, [X.], 284).

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Beklagte kann sich nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen nicht mit Erfolg darauf berufen, der Klägerin sei es nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, ihren Honoraranspruch auf der Basis der [X.] der [X.] zu berechnen. Insoweit kann für die Beurteilung, ob der Einwand der [X.]widrigkeit durchgreift, dahinstehen, ob sich die [X.] nach der [X.] (2009) richtet, wie die Beklagte geltend macht, oder ob die [X.] (2013) Anwendung findet, wovon das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Klägerin ausgeht, da die maßgeblichen Vorschriften in § 7 Abs. 1, 3 [X.] in beiden Fassungen wortgleich sind.

1. Das Berufungsgericht ist unter Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des [X.] zu den Voraussetzungen, unter denen sich der Architekt ausnahmsweise nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Berechnung seiner Vergütung nach den [X.]n der [X.] berufen kann (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 15, [X.]Z 225, 297; Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.] Rn. 24, [X.], 271 = NZBau 2012, 174; Urteil vom 23. Oktober 2008 - [X.]/07 Rn. 17 m.w.[X.], [X.] 2009, 262 = NZBau 2009, 33), rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ohne weiteres auch eine Berufung auf die [X.] der Honorarvereinbarung ausscheidet.

a) Entgegen der Auffassung der Revision leidet das angefochtene Urteil allerdings nicht an dem absoluten Revisionsgrund der mangelnden Begründung, § 547 Nr. 6 ZPO, soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, eine Berufung auf die [X.] des Vertrags komme nach § 242 BGB ebenfalls nicht in Betracht. § 547 Nr. 6 ZPO erfasst in erster Linie den Fall, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Gründe enthält oder einer von mehreren von der Entscheidung erfassten selbständigen Ansprüche in den Entscheidungsgründen nicht behandelt wird (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juli 2021 - [X.] Rn. 66, [X.], 114; Versäumnisurteil vom 10. Januar 2008 - [X.] Rn. 37, [X.] 2008, 392; Urteil vom 15. Oktober 1998 - [X.], [X.]Z 140, 84, juris Rn. 41 m.w.[X.]). § 547 Nr. 6 ZPO ist dagegen nicht schon dann anwendbar, wenn Urteilsgründe unrichtig, unzureichend oder unvollständig sind (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 2019 - [X.]/17 Rn. 47, [X.], 882; Urteil vom 26. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2761, juris Rn. 22; Urteil vom 3. Oktober 1980 - [X.], NJW 1981, 1045, juris Rn. 16).

Nach diesen Maßstäben ist § 547 Nr. 6 ZPO nicht verletzt. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die Klägerin sei nach [X.] und Glauben gehindert, sich auf die fehlende Formwirksamkeit der Honorarvereinbarung zu berufen, damit begründet, dass zugunsten der Beklagten nach den Umständen ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei und diese sich darauf eingerichtet habe, nur den konkludent vereinbarten Pauschalpreis zahlen zu müssen. Unabhängig davon, ob sich diese Begründung rechtlich als tragfähig erweist oder nicht, fehlt es jedenfalls nicht überhaupt an Gründen im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO.

b) Das Berufungsgericht geht jedoch rechtsfehlerhaft davon aus, dass für den Fall, dass sich unter Berücksichtigung der vom [X.] aufgestellten Grundsätze (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Mai 2020 - [X.] Rn. 15, [X.]Z 225, 297; Urteil vom 27. Oktober 2011 - [X.] Rn. 24, [X.], 271 = NZBau 2012, 174; Urteil vom 23. Oktober 2008 - [X.]/07 Rn. 17 m.w.[X.], [X.] 2009, 262 = NZBau 2009, 33) eine Abrechnung nach den [X.]n der [X.] ausnahmsweise als treuwidrig darstellt, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist, zugleich die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Architekt nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 [X.] 2009/2013) zu berufen.

aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die [X.]en hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen, für die die Klägerin noch ein restliches Honorar in Höhe von 114.285,75 € begehrt, konkludent eine Pauschalhonorarvereinbarung in Höhe von 161.713,27 € netto geschlossen haben. Ob hierdurch die maßgeblichen [X.] unterschritten wurden, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Dies ist entsprechend dem Vortrag der Klägerin revisionsrechtlich zu unterstellen.

Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht aufgrund einer rechtsfehlerhaften Würdigung der festgestellten tatsächlichen Umstände unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis gelangt ist, die [X.]en hätten sich konkludent auf einen Pauschalpreis in Höhe von 161.713,27 € netto für die Leistungen geeinigt, die Gegenstand der streitgegenständlichen [X.] der Klägerin sind. Die Auslegung von Willenserklärungen ist Angelegenheit des Tatrichters. Eine Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht ([X.], Urteil vom 27. April 2023 - [X.] Rn. 35, NJW-RR 2023, 901; Urteil vom 17. Mai 2018 - [X.] Rn. 19, [X.], 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom 31. August 2017 - [X.] Rn. 24 m.w.[X.], [X.], 99 = NZBau 2017, 718).

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder anerkannte Auslegungsgrundsätze liegt nicht darin, dass das Berufungsgericht dem Umstand, dass die Klägerin unmittelbar nach Erhalt des [X.] vom 18. Juli 2014, in dem ein Pauschalpreis von 161.713,27 € genannt gewesen als auch auf Verhandlungen am 15. Juli 2014 Bezug genommen worden ist, mit ihrer 4. Abschlagsrechnung vom 13. August 2014 auf "bestehende Vereinbarungen" verwiesen hat, eine erhebliche Bedeutung für die Annahme beigemessen hat, die Klägerin habe sich konkludent mit dem von der Beklagten vorgeschlagenen Pauschalpreis einverstanden erklärt. Diese Auslegung ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin zuvor bereits Leistungen erbracht und hierfür Abschlagsrechnungen erteilt hatte, eine im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Würdigung.

bb) Es kann offenbleiben, ob nach den getroffenen Feststellungen die Annahme des Berufungsgerichts gerechtfertigt ist, die Abrechnung der Klägerin nach den [X.]n der [X.] (2013) stelle sich unter den strengen Voraussetzungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise als treuwidrig dar, weil das Vertrauen der Beklagten auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig sei. Denn es fehlt jedenfalls an Feststellungen dazu, dass die Klägerin nach [X.] und Glauben (§ 242 BGB) im vorliegenden Fall auch gehindert war, sich auf die [X.] der konkludent geschlossenen Pauschalhonorarvereinbarung zu berufen.

(1) Ob der Vertragspartner darauf vertrauen darf, der andere Vertragsteil werde sich nicht auf die [X.] berufen, richtet sich nach anderen Kriterien als denen, unter denen ausnahmsweise eine Unterschreitung der [X.] nach [X.] und Glauben gerechtfertigt sein kann. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung darf sich grundsätzlich jede [X.] darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf die [X.] zu berufen. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren [X.]epflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn als Folge der [X.] die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 26. Februar 2020 - [X.]/19 Rn. 27, [X.]Z 224, 370; Urteil vom 27. September 2017 - [X.] Rn. 24, [X.]Z 216, 68; Urteil vom 3. November 2016 - [X.] Rn. 12, [X.], 18; jeweils m.w.[X.]). Diese Rechtsprechung findet auch Anwendung, soweit es um die gemäß § 7 Abs. 1 [X.] (2009/2013) für eine wirksame Honorarvereinbarung erforderliche Schriftform bei Auftragserteilung geht (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 2022 - 11 U 231/21, [X.] 2023, 560, juris Rn. 25 ff.; [X.], Urteil vom 28. Mai 2013 - 2 [X.], juris Rn. 65 ff.; [X.], Urteil vom 23. November 2010 - 23 U 215/09, [X.], 284, juris Rn. 78).

(2) Dass diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Berufungsgericht nicht hinreichend festgestellt. Die in Bezug genommene Entscheidung des [X.] (Urteil vom 23. November 2010 - 23 U 215/09, [X.], 284) betrifft einen anderen Sachverhalt. Gegenstand des dortigen Verfahrens war eine schriftlich niedergelegte Honorarvereinbarung über einen Pauschalpreis, der die [X.] der [X.] unterschritt. Der Architekt hatte dem Auftraggeber ein von ihm nicht unterzeichnetes Vertragsangebot mit vorbereitetem [X.] für den Auftraggeber übersandt und damit den Eindruck erweckt, es bedürfe nur noch der Unterschrift des Auftraggebers. Vergleichbare Umstände hat das Berufungsgericht im Streitfall nicht festgestellt.

Für die Annahme der [X.]widrigkeit der Berufung auf die [X.] genügt es nicht, dass die Klägerin der Beklagten überhaupt im Rahmen der Vertragsverhandlungen einen Pauschalpreis angeboten hat, den die Beklagte letztlich jedoch nicht akzeptiert hat. Ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin in Bezug auf den Abschluss einer formwirksamen Honorarvereinbarung liegt nicht vor. Die Klägerin hat der Beklagten vielmehr mehrfach ein schriftliches Angebot über die von ihr für angemessen gehaltene Summe von 170.000 € unterbreitet, welches die Beklagte nicht angenommen hat. Dass der Klägerin, wie vom Berufungsgericht festgestellt, bewusst gewesen ist, dass die von ihr angebotene Pauschalvergütung die [X.] der [X.] unterschreiten würde, hat nicht zur Folge, dass die Berufung auf die [X.] treuwidrig wäre. Die auch für die Beklagte als Fachunternehmerin offenkundige [X.] der Vereinbarung hat die Klägerin hierdurch nicht treuwidrig herbeigeführt oder auch nur zu vertreten. Eine Berufung auf die [X.] der Honorarvereinbarung ist daher nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin ein unterhalb der [X.] liegendes Angebot überhaupt abgegeben hatte. Gleiches gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Beklagten von vornherein einen Pauschalpreis in der Absicht angeboten, sich später nicht an eine entsprechende Vereinbarung halten zu wollen.

Diese Annahme hat in der im angefochtenen Urteil hierfür als Beleg angeführten Passage des schriftsätzlichen Vortrags der Klägerin bereits keine tragfähige Stütze. Dass die Klägerin sich nach ihrem Vortrag durch die [X.] der [X.] gegen "Bemühungen" ihrer Vertragspartnerin geschützt sah, "ein der Aufgabenstellung nicht angemessenes Honorar durchzusetzen", lässt schon nicht erkennen, inwiefern sie hierdurch die "Absicht" erklärt haben soll, sich an eine etwa tatsächlich zustande gekommene Honorarvereinbarung später nicht halten zu wollen. Das Berufungsgericht übersieht außerdem, dass der referierte Vortrag der Klägerin im Zusammenhang mit ihren Ausführungen steht, wonach die Auftragsbearbeitung bei Übersendung des [X.] der Beklagten vom 18. Juli 2014 bereits weit fortgeschritten gewesen sei. Der Hinweis der Klägerin auf die Schutzfunktion der [X.]-[X.] kann daher auch deshalb nicht in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinn verstanden werden.

Auch der Umstand, dass die Klägerin erst zu einem Zeitpunkt, als sich unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit der Beklagten über die [X.] ergeben hatten, eine Honorarabrechnung nach den [X.]n der [X.] vorgelegt hat, ist nicht geeignet, den Vorwurf zu rechtfertigen, sie habe die formunwirksame Vereinbarung mit der Beklagten unter Verletzung der Gebote von [X.] und Glauben bewusst herbeigeführt. Dass es nicht zu einer schriftlichen Honorarabrede zwischen den [X.]en gekommen ist, ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass das jeweilige schriftliche Angebot der einen Vertragspartei von der Gegenseite nicht schriftlich angenommen wurde. Für die Beklagte war als Fachunternehmerin auch erkennbar, dass eine schriftliche Honorarvereinbarung wegen der unterschiedlichen Honorarvorstellungen der [X.]en im Zuge der Vertragsverhandlungen nicht geschlossen worden ist.

2. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der [X.] von der Möglichkeit gemäß § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. Der [X.] kann in der Sache nicht selbst gemäß § 563 Abs. 3 ZPO entscheiden, weil die Sache nach den getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist.

III.

Für das weitere Verfahren weist der [X.] vorsorglich auf folgendes hin:

Die Klägerin kann ihr Honorar nicht auf der Grundlage der erst zum 17. Juli 2013 in [X.] getretenen [X.] (2013) berechnen, soweit Grundleistungen vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar, § 57 [X.] (2013). Das Berufungsgericht hat zu dem Zeitpunkt, zu dem die Grundleistungen vertraglich vereinbart worden sind, keine Feststellungen getroffen. Lag dieser vor dem 17. Juli 2013, richtet sich die Honorarberechnung der Klägerin nach den Bestimmungen der [X.] (2009). Insoweit ist den [X.]en noch Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und der Klägerin gegebenenfalls zur Neuberechnung des Honorars nach den Bestimmungen der [X.] (2009) zu geben.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Graßnack

      

Sacher     

      

Brenneisen     

      

Meta

VII ZR 102/22

03.08.2023

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 27. April 2022, Az: 14 U 156/21, Urteil

§ 125 BGB, § 242 BGB, § 7 Abs 1 HOAI 2013, § 7 Abs 3 HOAI 2013, § 7 Abs 1 HOAI 2009, § 7 Abs 3 HOAI 2009

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 03.08.2023, Az. VII ZR 102/22 (REWIS RS 2023, 5274)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5274

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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