Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2011, Az. VII ZR 163/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 1897

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Gegenstand

Honorarklage des Tragwerksplaners: Ausnahmefall in Form enger wirtschaftlicher Beziehung bei Pauschalhonorarvereinbarung unter dem Mindestsatz; Treuwidrigkeit einer Abrechnung nach Mindestsätzen


Leitsatz

1. Ein Ausnahmefall in Form enger wirtschaftlicher Beziehung kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass ein Ingenieur als Nachunternehmer über längere Zeit eine Vielzahl von Aufträgen zu einem unter dem Mindestsatz liegenden Pauschalhonorar ausführt.

2. Einem Ingenieur kann es in Ausnahmefällen nach Treu und Glauben untersagt sein, nach Mindestsätzen abzurechnen, wenn er durch sein Verhalten ein besonderes Vertrauen des Auftraggebers dahin erweckt hat, er werde sich an die unter dem Mindestsatz liegende Pauschalvereinbarung halten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 21. September 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine [X.] Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Niederlassung in der [X.], verlangt von den Beklagten mit der Behauptung restliches Honorar für die Erbringung von Leistungen der Tragwerksplanung, das vereinbarte Pauschalhonorar unterschreite das ihr nach den Mindestsätzen der [X.] zustehende Honorar.

2

Die [X.], deren Gesellschafter die Beklagten sind, schloss mit der Klägerin im Jahr 2005 einen Vertrag, wonach dieser Leistungen der Tragwerksplanung/Baustatik für ein in der [X.] gelegenes Objekt in M. zum Pauschalpreis von 35.000 € übertragen wurden.

3

Im Juli 2007 stellte die Klägerin unter Berücksichtigung einer Zahlung von [X.] Schlussrechnung über einen noch offenen Betrag von 52.140,97 €, nachdem sie in einem Schreiben vom 14. Juni 2007 die Beklagten zur Zahlung weiterer Abschlagsrechnungen bezüglich des Bauvorhabens aufgefordert und unter anderem darauf hingewiesen hatte, den Anspruch auf eine Abrechnung ihrer Leistung nach der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ([X.]) rechtlich zu überprüfen und gegebenenfalls geltend zu machen. Sie rechnet das Honorar auf der Grundlage der Mindestsätze der [X.] ab.

4

Das [X.] hat der nach teilweiser Klagerücknahme zuletzt noch auf Zahlung von 30.879,14 € gerichteten Klage in Höhe von 21.468,10 € stattgegeben.

5

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagten unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils als Gesamtschuldner zur Zahlung von noch 7.891,84 € verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

6

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der Beklagte zu 2 hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Der Beklagte zu 1 hat keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht erkennt unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlung von [X.] nur noch ein Resthonorar von 7.891,84 € zu, weil das vertraglich vereinbarte [X.] von 35.000 € wegen des Vorliegens einer Ausnahme nach § 4 Abs. 2 [X.] wirksam vereinbart worden sei und die Klägerin ihre Leistungen vollständig und mangelfrei erbracht habe.

9

Auf die Leistung der Klägerin fänden die Bestimmungen der [X.] (in der Fassung vom 21. September 1995) Anwendung. Die Klägerin sei eine parteifähige [X.] Gesellschaft mit einer Niederlassung in der [X.]. Auf das Bauvorhaben im Inland sei das [X.] der [X.] anwendbar, weil § 4 [X.] eine zwingende öffentlich-rechtliche Regelung im Sinne von Artikel 34 EGBGB darstelle.

Die Auslegung des Vertrags ergebe, dass die Auftragnehmerin die Leistungen habe erbringen sollen, die den Leistungsphasen 4 und 5 des § 64 [X.] entsprächen. Diese Leistungen seien vollständig und mangelfrei erbracht worden, so dass sich hierfür ein nach [X.] berechnetes Honorar von netto 35.292,67 € ergebe, zu dem noch das Honorar für Leistungen des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes in Höhe von 3.763,09 € hinzukäme.

Obwohl das vereinbarte Pauschalhonorar das nach [X.] berechnete Honorar unterschreite, sei die schriftliche Honorarvereinbarung wirksam. Die [X.] könnten sich erfolgreich auf das Vorliegen einer Ausnahme gemäß § 4 Abs. 2 [X.] berufen. Es lägen erhebliche Umstände vor, die es rechtfertigten, von einer Ausnahme zugunsten der [X.] auszugehen. Unstreitig hätten die Parteien seit dem Jahre 2003 [X.] zusammengearbeitet und das Angebot auf laufende Zusammenarbeit zu 3,25 €/m³ [X.] (= Bruttorauminhalt) sei von der Klägerin gekommen. Es habe keinen Wettbewerb zwischen der Klägerin und anderen Anbietern gegeben, weil die Klägerin jeweils direkt beauftragt worden sei. Zudem hätten die [X.] ihrerseits mit ihren Auftraggebern ein Pauschalhonorar vereinbart und ein Teil der Planungsleistungen sei kostengünstig in [X.] erbracht worden. Die Zusammenarbeit zwischen den Parteien sei sehr intensiv gewesen und das Pauschalhonorar betrage ca. 77 % des Honorars nach [X.].

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im wesentlichen Punkt nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Klägerin als rechtsfähige [X.] Gesellschaft mit Niederlassung in [X.] parteifähig ist (vgl. [X.], Urteil vom 5. November 2002 - [X.]/00, [X.]. 2002, [X.] = NJW 2002, 3614 - Überseering; [X.], Urteil vom 30. September 2003 - [X.], [X.]. 2003, [X.] = NJW 2003, 3331 - [X.]; [X.], Urteil vom 14. März 2005 - [X.], [X.], 1648).

2. Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht einen Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 [X.] a.F. annimmt.

a) Die Anwendung des § 4 Abs. 2 [X.] a.F. beurteilt das Berufungsgericht im Ansatzpunkt zutreffend nach den Grundsätzen des [X.] vom 22. Mai 1997 ([X.], [X.]Z 136, 1, 7 f.). Danach sind bei der Bestimmung dieses Ausnahmefalls der Zweck der Norm und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen. Die zulässigen Ausnahmefälle dürfen einerseits nicht dazu führen, dass der Zweck der Mindestsatzregelung gefährdet wird, einen "ruinösen Preiswettbewerb" unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern. Andererseits können alle die Umstände eine Unterschreitung der [X.] rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinn deutlich von den übrigen Vertragsverhältnissen unterscheiden, dass ein unter den [X.] liegendes Honorar angemessen ist. Das kann der Fall sein, wenn die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert, sofern dieser Umstand nicht schon bei den Bemessungsmerkmalen der [X.] zu berücksichtigen ist. Ein Ausnahmefall kann ferner beispielsweise bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, [X.] oder persönlicher Art oder sonstigen besonderen Umständen gegeben sein. Solche besonderen Umstände können etwa in der mehrfachen Verwendung einer Planung liegen. Auf der Basis der Entscheidung des [X.] vom 20. Oktober 1981 (2 BvR 201/80, [X.] 58, 283) ist ferner die gesetzgeberische Zielsetzung zu beachten sowie eine grundrechtsgeleitete Interpretation der Norm vorzunehmen ([X.], [X.], 1946 = NZBau 2006, 121).

b) Auf dieser Grundlage liegt kein Ausnahmefall im Sinne von § 4 Abs. 2 [X.] a.F. vor.

Es ist nicht erkennbar, dass der Vertrag zwischen den Parteien sich signifikant von den üblichen Vertragsverhältnissen unterscheidet. Die vom Berufungsgericht angeführten Umstände legen zum Teil die Prüfung nahe, ob die Klägerin gegen [X.] und Glauben verstößt, wenn sie das nach den [X.] der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure berechnete Honorar verlangt (dazu unten III.). Es sind jedoch keine Umstände, die einen Ausnahmefall belegen.

Ein solcher Ausnahmefall lässt sich nicht daraus herleiten, dass die Parteien seit 2003 bereits [X.] zusammengearbeitet und jeweils auf der Basis einer Pauschalhonorarvereinbarung abgerechnet haben. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass das Angebot pauschaler Abrechnung von der Klägerin kam und diese mit ihrem Angebot auf laufende Zusammenarbeit ein Honorar vorgeschlagen hat, das sich nicht an den Berechnungsparametern der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure orientierte, sondern die Möglichkeit, wenn nicht sogar die Wahrscheinlichkeit, einer Mindestsatzunterschreitung barg. Die wiederkehrende Zusammenarbeit von Ingenieuren in der Weise, dass der eine Ingenieur einen anderen als Nachunternehmer beauftragt, ist keine ungewöhnliche Zusammenarbeit, sondern eine übliche Vertragsgestaltung. Auch in diesen Fällen verdient der als Nachunternehmer eingesetzte Ingenieur den Schutz, den ihm die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure dadurch verschafft, dass eine Honorarvereinbarung grundsätzlich nur dann wirksam ist, wenn sie schriftlich bei Auftragserteilung im Rahmen der durch die Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze getroffen wird, § 4 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.]/Koeble/Frik, [X.], 10. Aufl., § 7 Rn. 120 a.E.). Auch der als Nachunternehmer tätige Ingenieur muss davor geschützt werden, dass er unter dem Druck des [X.] einen nicht auskömmlichen Preis anbietet. Das ist die gesetzgeberische Intention (vgl. [X.], [X.], 1946, 1948 = NZBau 2006, 121), wobei es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob das Honorar im konkreten Fall noch auskömmlich ist oder wie hoch die Mindestsatzunterschreitung ist. Ob etwas anderes gilt, wenn der als Nachunternehmer eingesetzte Ingenieur aufgrund eines Rahmenvertrages arbeitet, der ihm sonstige Vorteile bringt, muss nicht entschieden werden. Einen solchen Vertrag haben die Parteien nicht geschlossen.

Zu Unrecht stellt das Berufungsgericht darauf ab, es habe kein Wettbewerb stattgefunden. Diese Sicht verstellt den Blick darauf, dass die Zusammenarbeit zwischen den Parteien auf einem von vornherein niedrigen, nicht an den Berechnungsparametern der [X.] orientierten Angebot der Klägerin beruhte. Der Wettbewerb ist an sich für jeden Auftrag eröffnet gewesen, den die [X.] an die Klägerin erteilt hat. Er wurde nur von vornherein durch das niedrige Angebot der Klägerin beeinflusst und gesteuert. Ingenieure, die eine dauerhafte Zusammenarbeit auf der Basis von zu niedrigen Honorarsätzen anbieten und sodann - auch wenn, wie hier, kein förmlicher Rahmenvertrag geschlossen wird - praktizieren, setzen sich in gesteigertem Maße der Gefahr unauskömmlicher Honorierung aus. Das birgt nach Wertung des Gesetzgebers die zu unterbindende Gefahr minderwertiger Leistung (vgl. [X.], aaO, m.w.N.). Es geht nicht an, eine Zusammenarbeit dieser Art dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 [X.] zu entziehen und die gegen die gesetzgeberische Intention gerichtete Vereinbarung von vornherein als wirksam anzusehen.

Allerdings kann eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die auch in einer engen Beziehung rechtlicher oder wirtschaftlicher Art liegen können. Solche Umstände liegen jedoch nicht vor. Die Beziehung zwischen den Parteien geht nicht über die jeweils geschlossenen Verträge hinaus. Diese stellen keine besondere, enge Beziehung zwischen den Parteien her. Der Umstand, dass die Arbeiten der Klägerin bis zu 20 % ihres Jahresumsatzes ausgemacht haben, reicht nicht, eine solche Beziehung zu bejahen. Eine enge wirtschaftliche Beziehung wird auch nicht dadurch hergestellt, dass die Klägerin möglicherweise Leistungen teilweise kostengünstig in [X.] hat erbringen können. Eine in Teilbereichen günstige Kostenstruktur des Ingenieurbüros rechtfertigt grundsätzlich nicht die Unterschreitung der [X.]. Dieser Fall ist nicht vergleichbar mit dem vom Senat erwähnten Fall, dass die Leistung des Architekten oder Ingenieurs nur einen besonders geringen Aufwand erfordert (vgl. [X.], Urteil vom 22. Mai 1997 - [X.], [X.]Z 136, 1, 8).

c) Eine unzulässige Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit ist mit dieser Anwendung des § 4 Abs. 2 [X.] nicht verbunden. Gegen die Regelung des § 4 Abs. 1 [X.] bestehen keine grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Planungstätigkeit stellt ein legitimes Ziel des Gesetzgebers dar. Zu seiner Herbeiführung sind verbindliche Mindesthonorarsätze geeignet, da sie den Architekten jenseits von [X.] den Freiraum schaffen, hochwertige Arbeit zu erbringen, die sich im Leistungswettbewerb der Architekten bewähren muss ([X.], [X.], 1946, 1948 = NZBau 2006, 121). Nichts anderes gilt für Ingenieure. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass die Verordnung auch in den Fällen, in denen ein Ingenieur einen anderen Ingenieur mit Teilleistungen als Nachunternehmer beauftragt, den mit ihr legitim verfolgten Zweck, die Qualität der Leistung zu schützen, nur dann erfüllen kann, wenn sie auch in diesem Verhältnis anwendbar ist.

III.

Da kein Ausnahmefall im Sinne von § 4 Abs. 2 [X.] vorliegt, hat das Urteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Die weitere Verhandlung gibt dem Berufungsgericht zunächst die Möglichkeit, sich erneut mit der Frage zu beschäftigen, ob tatsächlich eine Mindestsatzunterschreitung vorliegt. Es wird sich dabei mit den von der Revisionserwiderung erhobenen [X.] zu beschäftigen haben. Sollte erneut eine Mindestsatzunterschreitung festgestellt werden, so wird sich das Berufungsgericht mit dem Einwand der [X.] befassen müssen, die Klägerin sei nach [X.] und Glauben, § 242 BGB, gehindert, eine Abrechnung nach [X.] vorzunehmen. Der Senat weist insoweit auf Folgendes hin:

1. Auszugehen ist zunächst von der ständigen Rechtsprechung des [X.], wonach sich der Auftragnehmer widersprüchlich verhält, wenn er eine Pauschalvereinbarung unterhalb der [X.] abschließt und später nach den [X.] abrechnen will. Ein [X.] der [X.] kann dann nach [X.] und Glauben ausgeschlossen sein. Das ist namentlich der Fall, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut und vertrauen durfte und er sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des [X.] zwischen dem vereinbarten Honorar und den [X.] nach [X.] und Glauben nicht zugemutet werden kann ([X.], Urteile vom 22. April 2010 - [X.], [X.], 1249 = NZBau 2010, 443 = [X.] 2010, 568; vom 23. Oktober 2008 - [X.], [X.], 262 = NZBau 2009, 33 = [X.] 2009, 146; vom 22. Mai 1997 - [X.], [X.]Z 136, 1, 9). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass allein der Umstand, dass dem Auftraggeber das zwingende [X.] der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure bekannt ist, nicht zwingend zu der Annahme führt, er habe kein schützenswertes Vertrauen darauf entwickeln dürfen, dass die Preisvereinbarung wirksam ist. [X.] Vertrauen in die Wirksamkeit einer Honorarvereinbarung kann ein der Honorarordnung kundiger Vertragspartner entwickeln, wenn er auf der Grundlage einer vertretbaren Rechtsauffassung davon ausgeht, die Preisvereinbarung sei wirksam ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 - [X.], [X.], 523, 526 = NZBau 2009, 255 = [X.] 2009, 346). Ein Rechtsirrtum über die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 [X.] zwingt nicht ohne Weiteres zu der Annahme, der Vertragspartner habe kein schützenswertes Vertrauen in die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung entwickeln können. Ein schützenswertes Vertrauen kann aber auch dann entwickelt worden sein, wenn der Auftraggeber in vertretbarer Weise Voraussetzungen für gegeben hält, die eine Mindestsatzunterschreitung ausschließen. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn er die vertretbare Auffassung entwickelt hat, der erteilte Auftrag enthalte nicht alle vollständigen Grundleistungen, so dass eine Kürzung des Honorars gemäß § 5 Abs. 2 [X.] geboten ist.

2. Darüber hinaus ist dem Architekten und Ingenieur in Ausnahmefällen aber auch dann nach [X.] und Glauben die Abrechnung nach [X.] untersagt, wenn er durch sein Verhalten ein besonderes Vertrauen des Auftraggebers dahin erweckt hat, er werde sich an die Pauschalvereinbarung halten. Ein solches besonderes Vertrauen wird nicht allein dadurch begründet, dass ein Architekt oder Ingenieur bereit ist, einen Vertrag unterhalb der [X.] abzuschließen oder er diesen Vertrag schließlich auch nach der getroffenen Pauschalvereinbarung abrechnet. Es kann aber dadurch entstehen, dass der Architekt oder Ingenieur nicht nur einen, sondern in einer ständigen Geschäftsbeziehung eine Vielzahl von Verträgen mit dem Auftraggeber mit Preisvereinbarungen unter den [X.] abgeschlossen hat und ihm bei verständiger Sichtweise nicht verborgen bleiben kann, dass sich der Auftraggeber aufgrund dieser Geschäftspraxis bei der Gestaltung seiner Verträge mit seinen Auftraggebern auf die Einhaltung der [X.] verlässt. Denn es macht einen Unterschied, ob ein Auftragnehmer nur gelegentlich mit dem Auftraggeber einen Vertrag unterhalb der [X.] abschließt oder er in ständiger Geschäftsbeziehung so verfährt. Diese Beständigkeit kann einen eigenen Vertrauenstatbestand begründen, der hier in Betracht kommt. Allerdings fehlen Feststellungen dazu, dass auch in den anderen Verträgen die [X.] der [X.] unterschritten worden sind oder eine solche Unterschreitung jedenfalls in Kauf genommen worden ist, was ausreichen könnte.

3. Für die weitere Beurteilung, ob sich die [X.] darauf eingerichtet haben, dass von ihnen die Zahlung des Differenzbetrages nicht mehr verlangt werden kann, kommt es entgegen der Revision sowie den landgerichtlichen Feststellungen nicht darauf an, dass die Klägerin in einem Schreiben vom 14. Juni 2007 nach Vertragsschluss gegenüber den [X.] darauf hingewiesen hat, sie beabsichtige, den Anspruch auf Abrechnung der Leistungen nach der [X.] rechtlich überprüfen zu lassen und gegebenenfalls geltend zu machen. Denn nach ihrer Behauptung hat sich die [X.] bereits zuvor bei der Vertragsgestaltung mit ihrem Auftraggeber darauf verlassen, nicht mehr zahlen zu müssen.

4. Für die Beurteilung, ob für die [X.] eine zusätzliche, unter Berücksichtigung aller Umstände nicht mehr zumutbare Belastung entsteht, kann dem vom Berufungsgericht - allerdings in anderem Zusammenhang - festgestellten Umstand Bedeutung beigemessen werden, dass die [X.], die ihre wirtschaftliche Dispositionen auf die in einer Vielzahl von Fällen vereinbarten Honorare aufbauten, befürchten müssen, bei einer (schlagartigen) Geltendmachung der [X.] durch die Klägerin wirtschaftlich unzumutbar hart getroffen zu werden. Da die Parteien in einer Vielzahl von Projekten zusammengearbeitet haben und die Klägerin bereits eine weitere Klage gleicher Art erhoben hat, kann in der nachträglichen Geltendmachung der Mindesthonorare für die in Anspruch genommenen [X.] eine besondere Härte liegen.

[X.]                                               [X.]

                           Safari                                        Chabestari Eick

Meta

VII ZR 163/10

27.10.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 21. September 2010, Az: 10 U 50/10, Urteil

§ 4 Abs 2 AIHonO vom 04.03.1991, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 27.10.2011, Az. VII ZR 163/10 (REWIS RS 2011, 1897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1897

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