Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2006, Az. AnwZ (B) 53/05

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2006, 3516

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.][X.] ([X.]) 53/05 vom 15. Mai 2006 in dem Verfahren wegen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - 2 - Der [X.]undesgerichtshof, [X.], hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin Dr. [X.], [X.] sowie die Rechtsanwältinnen [X.], [X.] und [X.] am 15. Mai 2006 beschlossen: Die sofortige [X.]eschwerde des Antragstellers gegen den [X.]eschluss des [X.] [X.]aden-Württemberg vom 3. Juni 2005 wird zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im [X.]eschwerdeverfahren entstande-nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten. Der Geschäftswert für das [X.]eschwerdeverfahren wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Der Antragsteller hat im Jahre 1997 die zweite juristische Staatsprüfung bestanden. Seit 1998 ist er bei der [X.]

(im Folgenden: [X.]) angestellt. Zunächst war er Sachbearbeiter im [X.]ereich Schaden, seit 2001 ist er Mitarbeiter im Vertriebsteam der [X.]. Nach der Stellenbeschreibung obliegt es ihm u. a., über die Annahme und Ab-lehnung von Versicherungsanträgen und Vertragskündigungen zu entscheiden, den Außendienst in Fragen des Rechtsschutzes zu beraten und zu unterstüt-zen, Rahmen- und Gruppenverträge zu erstellen und die in Frage kommenden 1 - 3 - Vertragspartner zu prüfen. Der Antragsteller gibt an, zu seinen Aufgaben [X.] nicht die Akquisition von Versicherungen. Es bestehe bis auf wenige Aus-nahmen kein unmittelbarer Kundenkontakt. Die [X.] werde nicht unmittelbar werbend am Markt tätig, der Vertrieb erfolge vielmehr über die von ihm betreu-ten Außendienstorganisationen der Konsortialpartner der [X.]. 2 Am 25. April 2004 hat der Antragsteller die Zulassung zur Rechtsanwalt-schaft und als Rechtsanwalt beim Amtsgericht und Landgericht M.

be-antragt. Mit [X.]escheid vom 8. Dezember 2004 hat die Antragsgegnerin die [X.] versagt, weil der von ihm ausgeübte [X.]eruf bei der [X.] mit dem eines Rechtsanwalts unvereinbar sei (§ 7 Nr. 8 [X.]RAO). Den dagegen gerichteten [X.] auf gerichtliche Entscheidung hat der [X.] durch [X.]eschluss vom 3. Juni 2005 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen [X.]eschwerde. I[X.] Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 [X.]RAO), bleibt [X.] in der Sache ohne Erfolg. Die vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit in-nerhalb eines Versicherungsunternehmens erfüllt den Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 [X.]RAO. 3 1. Nach § 7 Nr. 8 [X.]RAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu ver-sagen, wenn der [X.]ewerber eine Tätigkeit ausübt, die mit dem [X.]eruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann. Die Vorschrift dient der Sicherung der Anwaltstätigkeit als ei-nes freien und unabhängigen [X.]erufes sowie dem Schutz der notwendigen Ver-trauensgrundlage der Rechtsanwaltschaft. Sie will deshalb Gefahren entge-genwirken, die der Unabhängigkeit und Integrität des Rechtsanwalts sowie [X.] - 4 - sen maßgebende Orientierung am Recht und an den Interessen seiner [X.] durch die erwerbswirtschaftliche Prägung des [X.] drohen. Sol-che Interessenkollisionen liegen insbesondere dann nahe, wenn der ausgeübte kaufmännische [X.]eruf in besonderer Weise die Möglichkeit bietet, Informationen zu nutzen, die aus der rechtsberatenden Tätigkeit stammen (vgl. [X.]VerfGE 87, 287, 329; vgl. [X.]sbeschluss vom 21. Juli 1997 - [X.] ([X.]) 15/97 - [X.]RAK-Mitt. 1997, 253; [X.]sbeschluss vom 18. Oktober 1999 - [X.] ([X.]) 97/98). Die Freiheit der [X.]erufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) beinhaltet grundsätzlich auch das Recht, mehrere [X.]erufe zu wählen und nebeneinander auszuüben. Im Hinblick auf die grundrechtlich gewährleistete Freiheit der [X.]erufswahl ist [X.] eine zurückhaltende Auslegung und Anwendung der die [X.]erufswahl be-schränkenden Vorschrift des § 7 Nr. 8 [X.]RAO geboten. Eine [X.]erufswahlbe-schränkung für einzelne [X.]erufsgruppen ist allenfalls dort erforderlich und zu-mutbar, wo sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichnet und nicht mit Hilfe von [X.]erufsausübungsregelungen beseitigt werden kann; es ist darauf abzustellen, ob die zweitberufliche Tätigkeit bei objektiv vernünftiger [X.]e-trachtungsweise die Wahrscheinlichkeit von Pflichtenkollisionen nahe legt (Se-natsbeschluss vom 11. Dezember 1995 - [X.] ([X.]) 32/95 - [X.]RAK-Mitt. 1996, 78 m.w.[X.]). 5 Eine durch die Tätigkeitsverbote nach § 45 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 Nr. 2 [X.]RAO nicht ausreichend zu bannende Gefahr von Interessenkollisionen hat der [X.] insbesondere dann gesehen, wenn der Rechtsanwalt zweitberuf-lich als Versicherungsmakler ([X.]sbeschluss vom 13. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 79/02; [X.]sbeschluss vom 10. Juli 2000 - [X.] ([X.]) 55/99), auch als [X.] eines Versicherungsmaklerunternehmens ([X.]sbeschluss vom 13. Februar 1995 - [X.] ([X.]) 71/94 - [X.]RAK-Mitt. 1995, 123), als angestellter Niederlassungsleiter ([X.]sbeschluss vom 21. Juli 1996 - [X.] ([X.]) 15/97) 6 - 5 - oder als Geschäftsführer eines Versicherungsmaklerunternehmens ([X.]sbe-schluss vom 18. Oktober 1999 - [X.] ([X.]) 97/98) tätig ist. Dies wird u. a. damit begründet, dass gerade die [X.]erufsgruppe der Versicherungsmakler darauf an-gewiesen ist, Informationen zu erhalten, welche die Vermittlung von [X.] aussichtsreich erscheinen lassen und die bei der Rechtsberatung typischerweise anfallen können. Der [X.] hat allerdings in seiner Entscheidung vom 21. November 1994 - [X.]([X.]) 44/94, die einen Angestellten einer Rechtsschutzversicherung betraf, die Voraussetzungen des § 7 Nr. 8 [X.]RAO verneint. Dort war der Angestellte aber allein mit der [X.]earbeitung von Schadensfällen beschäftigt, insbesondere sollte er dazu Stellung nehmen, ob Mitgliedern von örtlichen Mietervereinen Rechtsschutz zu gewähren ist. Zudem war ihm jede Akquisition vertraglich ver-boten. Auch wollte er die anwaltliche [X.]erufstätigkeit in einem anderen [X.]undes-land ausüben. Dagegen legt die Tätigkeit des Antragstellers bei objektiv ver-nünftiger [X.]etrachtungsweise die Gefahr solcher Interessenkollisionen nahe. 7 Der Antragsteller hat als [X.]etreuer der Außendienstorganisationen der Konsortialpartner der [X.] Gelegenheit, Informationen zu erhalten, die ihm für eine Anwaltstätigkeit von Nutzen sein können, und kann umgekehrt aus einer Anwaltstätigkeit erlangte nützliche Informationen an die Außendienstmitarbeiter weitergeben. Interessenkollisionen, die die anwaltliche Unabhängigkeit gefähr-den, liegen zwar nicht schon dann vor, wenn das Wissen aus der einen [X.] für die jeweils andere von Interesse und ihr vorteilhaft ist. Der Antragsteller als Angestellter eines Versicherungsunternehmens befindet sich aber in einer vergleichbaren Lage wie ein Versicherungsmakler (vgl. hierzu [X.]sbeschluss vom 18. Oktober 1999 aaO). Auch bei ihm besteht die Gefahr einer [X.], weil er bei einer anwaltlichen [X.]eratung gerade typischerweise [X.] erhält, die für seine nichtanwaltliche Tätigkeit von [X.]edeutung ist. So 8 - 6 - wird der Antragsteller als Rechtsanwalt bei der Wahrnehmung von Mandaten, etwa bei der Abwägung des Risikos künftiger Rechtsstreitigkeiten häufig in die Situation kommen, seinen Mandanten auch über den Abschluss einer Rechts-schutzversicherung zu beraten. In einem solchen Fall setzt sich der [X.] dem Konflikt aus, einerseits seinen Mandanten unabhängig zu beraten, an-derseits im Interesse seiner Arbeitgeberin einen solchen Vertragsabschluss und diesen bevorzugt bei der [X.] zu empfehlen. Diese Gefahr ist gerade bei der hier vorliegenden nichtanwaltlichen Tätigkeit konkret gegeben, die Werbung für den Zweitberuf erfolgte hier nicht gleichsam "nebenbei" (vgl. [X.]sbeschluss vom 13. Oktober 2003 - [X.] ([X.]) 79/02). Dass der Antragsteller nicht im eige-nen [X.] handeln und etwaige Vertragsabschlüsse durch die - von ihm betreuten - Außendienstmitarbeiter der Konsortialpartner erfolgen würden, stünde dem nicht entgegen. Der Antragsteller ist als Angestellter der Versicherung gehalten, die Interessen seiner Arbeitgeberin wahrzunehmen, gegebenenfalls auch die Außendienstorganisationen bei ihrer akquisitorischen Tätigkeit zu unterstützen. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass dem Antragsteller von seiner Arbeitgeberin zudem [X.]efugnisse eingeräumt sind, etwa Gewährung von Nachlässen, die er in geeigneten Fällen für einen etwai-gen Versicherungsabschluss durch Mandanten werbend nutzen könnte. Nicht fern liegend ist aber auch die nicht durch Tätigkeitsverbote zu ban-nende Gefahr einer Interessenkollision in dem denkbaren Fall, dass der [X.]steller als Rechtsanwalt Mandanten in Schadensfällen vertritt, die bei seiner Arbeitgeberin rechtsschutzversichert sind. Dass der Antragsteller als Rechts-anwalt mit derartigen Fällen nicht oder nur ausnahmsweise befasst wäre, kann gerade angesichts seiner beruflichen Vorkenntnisse nicht angenommen wer-den, unabhängig davon, ob die Außendienstmitarbeiter der Konsortialpartner der [X.] - die gehalten sind, bei Anfragen von Kunden Rechtsanwälte einer 9 - 7 - bestimmten Liste zu benennen, in die der Antragsteller nicht aufgenommen werden soll - ihn in Schadensfällen empfehlen. Deppert [X.] Ernemann Frellesen Hauger [X.] Martini Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 03.06.2005 - [X.] 2/05 ([X.]) -

Meta

AnwZ (B) 53/05

15.05.2006

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.05.2006, Az. AnwZ (B) 53/05 (REWIS RS 2006, 3516)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3516

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

AnwZ (Brfg) 10/12 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Akquisitorische Tätigkeit des Anwalts im Zweitberuf als Personalvermittler von Juristen


AnwZ (Brfg) 35/15 (Bundesgerichtshof)

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltsschaft: Vereinbarkeit der Tätigkeit eines Immobilienhändlers und -entwicklers mit der Tätigkeit …


AnwZ (B) 111/06 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (B) 41/05 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (B) 79/02 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.