Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 28.09.2017, Az. V R 6/15

5. Senat | REWIS RS 2017, 4605

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Gegenstand

EuGH-Vorlage zur Steuerfreiheit im Bankbereich


Leitsatz

Sind technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei, wenn gleichartige technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt, gemäß dem EuGH-Urteil Bookit vom 26. Mai 2016 C-607/14 (EU:C:2016:355) nach dieser Bestimmung nicht steuerfrei sind?

Tenor

I. Dem [X.] wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt, nach Art. 13 Teil [X.]. d Nr. 3 der [X.]/[X.] steuerfrei, wenn gleichartige technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt, gemäß dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] vom 26. Mai 2016 C 607/14 ([X.]:C:2016:355) nach dieser Bestimmung nicht steuerfrei sind?

[X.] Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der [X.] ausgesetzt.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbringt für ihren Auftraggeber, eine Bank, auf vertraglicher Grundlage Leistungen beim Betrieb von [X.]en.

2

Die Klägerin stellte funktionsfähige [X.]en mit Soft- und Hardware, die mit dem Logo der Bank versehen waren, an den vorgesehenen Standorten auf und war für den ordnungsgemäßen Betrieb verantwortlich. Die Klägerin transportierte das Bargeld, das sich im Eigentum der Bank befand und das der Klägerin zum Transport zu den [X.]en zur Verfügung gestellt wurde, und übernahm die Bargeldbefüllung der [X.]en. Sie installierte und pflegte die für den ordnungsgemäßen Betrieb der [X.]en notwendige Software. Sie beriet zum laufenden [X.]en-Betrieb.

3

Benutzte ein Kunde den [X.] mit seiner Geldkarte zum Geldabheben, wurden bestimmte Daten von dieser Karte mittels einer speziellen Software gelesen. Die Klägerin prüfte diese Daten und versandte auf elektronischem Weg eine Autorisierungsnachricht über die vom Karteninhaber gewünschte Transaktion an den Bankverlag. Der Bankverlag leitete die Autorisierungsanfrage weiter an den betroffenen Bankenverbund, dieser dann an die Bank, die dem Kunden die Geldkarte ausgegeben hatte. Diese Bank prüfte die Deckung des Kundenkontos und leitete eine entsprechende Genehmigung oder Ablehnung der Anfrage über dieselbe Kette zurück. Die Klägerin erhielt daraufhin innerhalb von Sekunden von dem Bankverlag das Ergebnis der Genehmigungsanfrage. Nach Erhalt dieser Nachricht generierte die Klägerin einen Datensatz über die Geldausgabe und führte im Genehmigungsfall die Geldausgabe am Geldautomaten durch. Im [X.] erzeugte die Klägerin zudem einen Datensatz über die Geldausgabe. Den Datensatz übersandte die Klägerin an ihren Auftraggeber, die Bank, als [X.]. Diese Bank spielte die Datensätze unverändert in das System der [X.] ([X.]) ein. Ein von der Klägerin zudem generierter unveränderbarer ([X.] enthielt alle Transaktionen des jeweiligen Tages und wurde bei der [X.] eingereicht. Die "Einspielung" in das System der [X.] erfolgte durch die Bank selbst, da nur Banken Zahlungsverkehrskonten bei der [X.] unterhalten können. Aufgrund dieser Einspielung wurden der Erstattungsanspruch des Auftraggebers der Klägerin, der Bank, gegenüber der jeweiligen [X.] auf Erstattung des ausgezahlten Geldbetrages sowie die hierfür angefallenen Gebühren rechtlich bindend festgeschrieben. Mit der Einspielung der Daten wurde darüber hinaus unmittelbar die Verrechnung über die Auszahlung zuzüglich eventuell anfallender Nutzungsgebühren des Geldautomaten zwischen dem Auftraggeber der Klägerin, der Bank, und der die Karten herausgebenden Bank des Kunden gebucht.

4

Die Klägerin, die ihre Leistungen zunächst als steuerpflichtig angesehen hatte, reichte am 7. Februar 2007 eine geänderte Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2005 ein und beantragte eine Änderung der bestehenden Steuerfestsetzung nach § 164 der Abgabenordnung. Sie machte geltend, dass ihre Leistungen steuerfrei seien.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt) folgte dem nicht und lehnte den Antrag ab. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Demgegenüber gab das Finanzgericht der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2015, 588 veröffentlichten Urteil statt.

6

Im Revisionsverfahren hatte der erkennende Senat das Verfahren im Hinblick auf die beim [X.] ([X.]) anhängige Rechtssache [X.] [X.]/14 entsprechend § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt und das Verfahren nach dem Ergehen des [X.]-Urteils [X.] vom 26. Mai 2016 [X.]/14 ([X.]:C:2016:355) wiederaufgenommen.

Entscheidungsgründe

II.

7

1. Rechtlicher Rahmen

8

a) Unionsrecht

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der [X.]/[X.] des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Amtsblatt der Europäischen Union --[X.]-- L 145, 1, im Folgenden: Richtlinie 77/388/[X.]) ordnete eine Steuerfreiheit an für

        

die Umsätze --einschließlich der Vermittlung-- im Einlagengeschäft und [X.], im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der [Einziehung] von Forderungen.

        

Diese Steuerfreiheit wurde ab 1. Januar 2007 durch Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ([X.] 2006, L 347, 1, im Folgenden: MwStSystRL) ersetzt. Steuerfrei sind danach

        

Umsätze --einschließlich der Vermittlung-- im Einlagengeschäft und [X.], im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen.

9

b) Nationales Recht

Nach § 4 Nr. 8 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind steuerfrei

        

die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im [X.], im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren.

2. Zur Vorlagefrage

a) [X.]-Rechtsprechung

Der [X.] hat im Urteil [X.] ([X.]:C:2016:355) entschieden:

        

Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass die dort für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr vorgesehene Befreiung von der Mehrwertsteuer nicht für eine als "Abwicklung von Debit- oder Kreditkartenzahlungen" bezeichnete Dienstleistung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gilt, die von einem Steuerpflichtigen erbracht wird, wenn eine Person über ihn mittels Debit- oder Kreditkarte eine Kinokarte erwirbt, die er im Namen und für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft.

Somit gilt die Steuerfreiheit für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr nicht für eine als "Abwicklung von Debit- oder Kreditkartenzahlungen" bezeichnete Dienstleistung, die von einem Steuerpflichtigen erbracht wird, wenn eine Person über ihn mittels Debit- oder Kreditkarte eine Kinokarte erwirbt, die er im Namen und für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft.

Nach dem Urteil des [X.] reicht die Unerlässlichkeit einer Dienstleistung für die Bewirkung des steuerfreien Umsatzes nicht aus ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 45). Der [X.] sieht zudem den Erhalt der Daten der zu verwendenden Zahlungskarte, die Datenübermittlung durch den Dienstleistungserbringer an die [X.], die Entgegennahme des von der ausgebenden Bank gelieferten [X.] und die Übermittlung der [X.] mit den [X.] weder für sich noch zusammen genommen als hinreichend wesentlich und spezifisch an, um eine Steuerfreiheit zu rechtfertigen ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 46). Es fehle an der Vornahme von Belastungen oder Gutschriften oder Umbuchungen auf den Konten wie auch an einer hierdurch vom Dienstleistenden stammenden Anordnung, da diese vom Käufer der Kinokarten getroffen werde ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 47). Die [X.] sei nur eine Zahlungsaufforderung in elektronischer Form und diene nur Informationszwecken, so dass sie gleichfalls weder wesentlich noch spezifisch sei ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 48). Zudem gehe es nur um die Autorisierung des Verkaufs, nicht aber um eine für die Eigentumsübertragung an dem Geld spezifische und wesentliche Funktion ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 49). Es fehle auch an einer Übernahme der Haftung für die Vornahme der rechtlichen und finanziellen Änderung ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 50).

b) Bedeutung der Vorlagefrage
Mit der Vorlagefrage soll geklärt werden, ob technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für eine einen Geldautomaten betreibende Bank und deren Bargeldauszahlungen mit Geldautomaten erbringt, nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/[X.] steuerfrei sind, wenn gleichartige technische und administrative Schritte, die ein Dienstleistungserbringer für Kartenzahlungen beim Verkauf von Kinokarten erbringt, gemäß dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:C:2016:355) nach dieser Bestimmung nicht steuerfrei sind.

Die Vorlagefrage beruht darauf, dass der erkennende Senat Zweifel hat, ob nach den Maßstäben des [X.]-Urteils [X.] ([X.]:C:2016:355) Unterstützungsleistungen für eine Bank beim Betrieb von Geldautomaten gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei sind, wenn der Unternehmer die in einem Autorisierungscode enthaltenen Weisungen nur technisch umsetzt.

c) Bedeutung für den Streitfall
aa) Ebenso wie in der Rechtssache [X.] ([X.]:C:2016:355) erhob die Klägerin Daten von der Geldkarte des jeweiligen Benutzers der Geldausgabeautomaten als Kunde und veranlasste die Weiterleitung dieser Daten an die Bank, die die Geldkarte ausgegeben hat. Ebenso wie in der Rechtssache [X.] ([X.]:C:2016:355) führte die Klägerin die vom jeweiligen Benutzer angestrebte Transaktion nur durch, wenn sie einen von der ausgebenden Bank erteilten Autorisierungscode erhielt. Damit fehlt es an der erforderlichen Prüfung und Freigabe einzelner Aufträge.

bb) Die Tätigkeit der Klägerin unterscheidet sich nur insoweit von der, die [X.] ausübte, als bei [X.] die angestrebte Transaktion im Erwerb einer Kinokarte bestand, während im [X.] über Geldausgabeautomaten vorgenommen wurden. Dieser Unterschied im Hinblick auf die Verwendung der --von [X.] und von der [X.] bezogenen Leistung durch den jeweiligen Auftraggeber, bei dem es sich wie bei [X.] um einen Kinobetreiber oder wie im Streitfall um eine Bank handeln kann, rechtfertigt aber möglicherweise keine unterschiedliche Beurteilung der Leistung.

Der Gegenstand der Leistung bestand in beiden Fällen "im Wesentlichen aus einem Austausch von Informationen" und genügt nicht den Voraussetzungen, die für eine Steuerfreiheit zu erfüllen sind. Unerheblich dürfte auch sein, dass in einem Fall Geld vom Kunden vereinnahmt werden soll, während es im anderen Fall um eine Auszahlung an den Kunden geht.

Fraglich ist somit, ob sich ein wesentlicher Unterschied daraus ergibt, dass in der Rechtssache [X.] ([X.]:C:2016:355) ein gesonderter Kinokartenkaufvertrag vorliegt, an dem es hier fehlt. Allerdings stellt der [X.] in seinem Urteil [X.] ([X.]:C:2016:355, Rz 45 ff.) nicht darauf ab, ob die technischen Unterstützungsdienstleistungen für den Verkauf einer Sachleistung (Kinobesuch) oder für eine steuerfreie Leistung durch eine Bank verwendet werden.

cc) Die weiteren Umstände sprechen eher gegen eine Steuerfreiheit.

(1) Gegen die Steuerfreiheit könnte in beiden Fällen die leichte Bestimmbarkeit des Entgelts anzuführen sein ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2016:355, Rz 56).

(2) Gegen eine Steuerfreiheit könnte auch sprechen, dass die Klägerin Datensätze zum einen erstellt und diese dann zum anderen direkt in das Bankensystem als [X.] überspielt. Denn dies betrifft nur die Aufbereitung von Daten, ohne am Charakter einer bloßen Informationsaustauschleistung mit Vollzug der von der Bank getroffenen Freigabeentscheidung etwas zu ändern. Soweit die Klägerin eine unterschiedliche Beurteilung daraus ableitet, dass sie weitergehende "Aktivitäten" übernommen hat, dürfte es sich auch insoweit nur um Unterstützungsleistungen technischer Art handeln.

3. Zur Rechtsgrundlage der Vorlage
Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens an den [X.] beruht auf Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Der erkennende Senat hält es für angebracht, dass der [X.] die durch sein Urteil [X.] ([X.]:C:2016:355) ausgelösten Zweifelfragen zur Auslegung des Unionsrechts selbst klärt. Nationalen Gerichten ist bei Zweifeln wie im Streitfall die "Auslegung" und die Bestimmung des [X.] von [X.]-Urteilen verwehrt.

4. Zur Verfahrensaussetzung
Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 FGO.

Meta

V R 6/15

28.09.2017

Bundesfinanzhof 5. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 23. Oktober 2014, Az: 6 K 1465/12, Urteil

§ 4 Nr 8 Buchst d UStG 2005, Art 13 Teil B Buchst d Nr 3 EWGRL 388/77, Art 135 Abs 1 Buchst d EGRL 112/2006, UStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 28.09.2017, Az. V R 6/15 (REWIS RS 2017, 4605)

Papier­fundstellen: WM2020,1153 REWIS RS 2017, 4605

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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