Bundessozialgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 132/11 R

4. Senat | REWIS RS 2012, 6329

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse - Einkommenserzielung - Arbeitslosengeld II - Unterkunft und Heizung - Guthaben aus Betriebskostenabrechnung - Aufrechnung mit Mietrückständen durch den Vermieter


Leitsatz

Wird ein Betriebskostenguthaben vom Vermieter in voller Höhe gegen Mietrückstände aufgerechnet, so mindern sich die Aufwendungen für Unterkunftskosten im Folgemonat nicht, wenn der Leistungsberechtigte das Guthaben aus Rechtsgründen nicht realisieren kann.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Unterkunftskosten nach dem [X.] für Dezember 2009.

2

Die laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] beziehenden Kläger zu 1 bis 3 wohnten bis zum 31.10.2008 in einer Wohnung im [X.] in K Am 1.11.2008 zogen sie ohne vorherige Zustimmung des Beklagten in ihre derzeitige Wohnung im [X.] weg um. Für den Zeitraum vom [X.] bis 31.12.2009 bewilligte der Beklagte [X.]-Leistungen in Höhe von 1212 Euro monatlich (Bescheid vom 12.6.2009). Hierin enthalten war nur ein von dem Beklagten für Kosten der Unterkunft als angemessen angesehener Betrag in Höhe von 485 Euro (je Kläger 161,66 Euro), nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 600 Euro monatlich.

3

Aus einer für den Zeitraum 1.1.2008 bis 31.12.2008 erstellten Betriebskostenabrechnung des früheren Vermieters vom [X.], dem Beklagten zugegangen am 6.10.2009, ergab sich ein Guthaben in Höhe von 1006,78 Euro. Der Vermieter informierte den Beklagten am [X.] darüber, dass der Betrag aufgrund diverser Mietschulden nicht ausgezahlt werde. Dem Kläger zu 2 teilte er mit, wegen "aufgelaufener, noch ausstehender Mietrückstände" werde das Guthaben in voller Höhe "verrechnet" (Schreiben vom 11.11.2009).

4

Der Beklagte errechnete ein Betriebskostenguthaben der Kläger für den [X.] vom 1.1.2008 bis 31.10.2008 in Höhe von 838,99 Euro; hiervon entfielen nach seiner Ansicht 785,40 Euro auf die aktuelle Bedarfsgemeinschaft, weil zeitweise auch mehr Personen im Haushalt gelebt hätten. Dies berücksichtigend bewilligte der Beklagte den Klägern für Dezember 2009 lediglich die Regelleistungen in Höhe von 727 Euro, weil hinsichtlich der Kosten der Unterkunft das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung in Höhe von 485 [X.] anzurechnen sei (Bescheid vom 23.11.2009). Gleichzeitig hob er mit weiteren Bescheiden vom 23.11.2009 die [X.] ab 1.12.2009 teilweise in Höhe von 161,66 Euro bei dem Kläger zu 2, gegenüber der Klägerin zu 1 in Höhe von 161,68 Euro und hinsichtlich der Klägerin zu 3 in Höhe von 161,66 Euro (Gesamthöhe von 485 Euro) gemäß § 22 Abs 1 S 4 [X.] auf. Das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung sei im Dezember 2009 in Höhe eines Betrages von 485 Euro und im Januar 2010 in Höhe von 300,40 [X.] auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung anzurechnen, weil nicht nur faktische Rückzahlungen, sondern bereits Guthaben die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstandenen Aufwendungen des [X.] minderten (Bescheide vom 23.11.2009; Widerspruchsbescheid vom [X.]).

5

Das [X.] hat die Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufgehoben (Urteil vom 17.2.2011). Den Klägern stünden auch für Dezember 2009 die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in der festgesetzten Höhe zu, weil keine wesentliche Änderung in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen eingetreten sei. § 22 Abs 1 S 4 [X.] könne nur angewandt werden, wenn dem Hilfebedürftigen eine Rückzahlung oder ein Guthaben zufließe, über das er tatsächlich verfügen könne. Nach dem Wortlaut der Norm sei zwar davon auszugehen, dass eine faktische "Rückzahlung" an den Berechtigten nicht erforderlich sei. Ausreichend sei vielmehr ein positiver Saldo, dh eine Forderung, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden könne, bzw allein eine schriftliche Fixierung bzw Eintragung des Guthabens. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift komme eine Minderung jedoch nur in Betracht, wenn dem Hilfebedürftigen tatsächlich Mittel zur Verfügung stünden, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreiten könne, weil ansonsten eine Bedarfsunterdeckung bestehe. Gerade weil den Klägern die Disposition über das Guthaben entzogen gewesen sei, liege keine Schuldentilgung vor. Die Kläger hätten nicht über das Guthaben verfügen können und auch keinen Einfluss auf die Entscheidung des Vermieters gehabt, das Guthaben mit bestehenden Schulden zu verrechnen.

6

Mit seiner Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung von § 22 Abs 1 S 4 [X.]. Die Vorschrift sei auch anzuwenden, wenn die Gutschrift aus einem Betriebskostenguthaben dem Leistungsempfänger tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, weil das Wort "Gutschrift" keine Zahlung beinhalte, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw Eintragung eines Guthabens als bestehenden Anspruch eines Anderen beinhalte. Der Umstand, dass die Gutschrift als Einkommen des Leistungsberechtigten angesehen werde und nach § 22 Abs 1 S 4 [X.] nur einer besonderen Anrechnungsform auf die Leistung unterliege, spreche ebenfalls dafür, dass auch die Rückerstattung, die zur Schuldentilgung verwandt werde, seinen Leistungsanspruch mindere. Der Sicherungsauftrag des [X.] beinhalte nicht, dass der Leistungsberechtigte in jedem Leistungsmonat auch den vollen Leistungsbetrag zu erhalten habe; vielmehr müssten Leistungsempfänger private Schulden aus der Regelleistung finanzieren. Allerdings ergebe sich - entgegen den Berechnungen in den Bescheiden vom 23.11.2009 - im November ein Minderungsbetrag in Höhe von 485 Euro und - im streitgegenständlichen Monat Dezember 2009 - nur ein solcher in Höhe von 300,40 Euro, weshalb die Bewilligung nur in dieser Höhe aufzuheben sei.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Februar 2011 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

9

Die Kläger machen geltend, das Guthaben dürfe nicht angerechnet werden, weil es nicht zugeflossen sei. Sie hätten auch kein Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Verwendung des Guthabens gehabt. Im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum sei ihr Bedarf gleich geblieben.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.]n ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 [X.] [X.]G). Ob und in welcher Höhe der [X.] die Kosten der Unterkunft der Kläger im Dezember 2009 aufheben durfte, kann nicht abschließend entschieden werden. Hierzu fehlen ausreichende tatsächliche Feststellungen (§ 163 [X.]G) des [X.], die es dem [X.] ermöglichen würden, Grund und Höhe der Aufhebungsentscheidung zu überprüfen.

1. Das beklagte [X.] ist gemäß § 70 [X.] [X.]G beteiligtenfähig. Die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass [X.] (§ 6d [X.]B II idF des [X.], [X.] 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 als Rechtsnachfolgerin kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 S 1 [X.]B II) getreten sind. Dieser kraft Gesetzes eingetretene [X.] wegen der Weiterentwicklung des [X.]B II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b [X.]B II bestehen nicht, weil der Gesetzgeber sich bei der einfach-gesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraum bewegt (B[X.] [X.] 4-4200 § 37 [X.]).

2. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Sprungrevision bestehen nicht. Nachdem der [X.] - nach Zustellung des Urteils am 28.2.2011 bzw 4.3.2011 - am 9.3.2011 die Zulassung der Sprungrevision beantragt und die Kläger mit Schriftsatz vom 24.3.2011, welcher am selben [X.] gelangte, der beantragten Zulassung der Sprungrevision zugestimmt hatten, hat das [X.] diese zugelassen (Beschluss vom [X.]). Eine nach Zustellung des vollständigen Urteils abgegebene Erklärung ist regelmäßig als Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision zu werten ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]G, 10. Aufl 2012, § 161 Rd[X.] 4 mwN). Das B[X.] ist an die Zulassung durch das [X.] gebunden (§ 161 Abs 2 [X.] [X.]G).

3. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des [X.]n vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.], mit denen er die Bewilligung von Leistungen nach dem [X.]B II für den Monat Dezember 2009 teilweise aufgehoben hat. Die Kläger haben die Bescheide zu Recht mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 [X.]G) angegriffen.

Mit ihren in der Vorinstanz gestellten Anträgen, die Bescheide vom 23.11.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom [X.] aufzuheben, haben die Kläger den Streitstoff ausdrücklich auf die Aufhebung der mit Bescheid vom 12.6.2009 (auch) für Dezember 2009 bereits bewilligten Kosten für Unterkunft durch den [X.]n in einer Gesamthöhe von 485 Euro beschränkt. Der Höhe nach ist die Prüfung im Revisionsverfahren darauf begrenzt, ob der [X.] berechtigt war, diese Leistungen aufzuheben. An der Möglichkeit eines isolierten Rechtsstreits allein über die Kosten der Unterkunft und Heizung hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 [X.]B II durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] ([X.] 453), das insofern zum 1.1.2011 in [X.] getreten ist, zumindest für das laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert (zur Zulässigkeit einer derartigen Beschränkung: B[X.] Urteil vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 217 ff = [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]8; B[X.] Urteil vom 24.11.2011 - [X.] AS 15/11 R - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, juris Rd[X.]1). Das [X.] wird allerdings zu berücksichtigen haben, dass der [X.] im Revisionsverfahren anerkannt hat, dass die mit Bescheid vom 12.6.2009 bewilligten Unterkunftskosten (ohnehin) nur in Höhe von 300,40 Euro aufzuheben sind und insofern ein Teilanerkenntnis vorliegt (Schriftsatz vom 6.7.2011; vgl zum Vorrang des normativen Anrechnungszeitraums vor dem sonst geltenden Zuflussprinzip nach § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II: Urteil des [X.]s vom [X.] - B 4 [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]5 ff).

4. Die materielle Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 23.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] beurteilt sich nach § 40 [X.]B II iVm § 48 Abs 1 S 1 [X.]B X. Danach ist ein Verwaltungsakt, hier also der Bescheid vom 12.6.2007, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 [X.] [X.] 3 [X.]B X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Wegen § 40 Abs 1 [X.] [X.] [X.]B II iVm § 330 Abs 3 S 1 [X.]B III ist diese Rechtsfolge zwingend. Bei der Beurteilung der Wesentlichkeit der Änderung durch das [X.] und dessen Berücksichtigung sind hier auch weitere, den Grund und die Höhe der bewilligten Unterkunftskosten beeinflussende [X.] einzubeziehen (siehe hierzu unter 8). Auch insofern sind noch weitere Feststellungen des [X.] erforderlich.

5. Das in der Betriebskostenabrechnung vom 2.10.2009 ausgewiesene Guthaben ist grundsätzlich als Einkommen iS von § 11 Abs 1 [X.]B II iVm mit der Sonderregelung des § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.]B II ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält und Vermögen, was er bereits vor Antragstellung hatte. Dabei ist nach § 11 [X.]B II im Falle der Erfüllung einer (Geld-)Forderung grundsätzlich nicht ihr Schicksal von Bedeutung, sondern es ist allein die Erzielung von Einnahmen in Geld oder Geldeswert maßgebend. Auch für Rückerstattungen von Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen ist nicht von dieser Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses als [X.] zwischen Einkommen und Vermögen abzuweichen (vgl zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]6 mwN; B[X.] [X.] 4-4200 § 9 [X.], Rd[X.] 37; s aber B[X.] [X.] 4-4200 § 11 [X.], Rd[X.]2 zur Stromkostenerstattung und B[X.] [X.] 4-4200 § 11 [X.]6, Rd[X.]7 für den Ausnahmefall, dass mit bereits erlangten Einkünften Vermögen angespart wurde).

Nach der Sonderregelung zur Einkommensanrechnung von Rückzahlungen und Guthaben des § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II (in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung des [X.] vom [X.], [X.] 1706; nunmehr - in geringfügig veränderter Fassung des § 22 Abs 3 [X.]B II idF des Gesetzes zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.]) mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstandenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Mit der unklaren Formulierung "mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" wird zum Ausdruck gebracht, dass eine unmittelbare Anrechnung der Guthaben auf die Kosten der Unterkunft und Heizung und ohne Berücksichtigung der Absetzbeträge des § 11 Abs 2 [X.]B II, nicht jedoch eine abweichende individuelle Bedarfsfestsetzung bei den Kosten der Unterkunft und Heizung des Folgemonats, erfolgen soll. § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II ist eine Sonderregelung zur Anrechnung von Einkommen iS des § 11 [X.]B II, die eingeführt wurde, um den mit der Einkommensberücksichtigung nach § 11 [X.]B II häufig einhergehenden Abzug der [X.] zu vermeiden und zugleich die Anrechnung des Guthabens dem kommunalen Träger zugute kommen zu lassen (BT-Drucks 16/1696 [X.]6). § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II verändert für Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, lediglich die in § 19 S 3 [X.]B II (idF des [X.] vom [X.], [X.] 1706) bestimmte Reihenfolge der Berücksichtigung von Einkommen und modifiziert den Zeitpunkt der Anrechnung in Bezug auf die Zuflusstheorie und - durch die ausdrückliche gesetzliche Zuordnung zu den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung - die Regelungen des § 11 Abs 2 [X.]B II (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7 ff; s auch Urteil des [X.]s vom 16.5.2012 - B 4 AS 159/11 R).

Es handelt sich hier um ein Guthaben, das dem Bedarf für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II zuzuordnen ist. § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II ist auch nicht einschränkend dahin auszulegen, dass ein Guthaben nur dann (im Folgemonat) zu berücksichtigen ist, wenn es sich (aufgrund mietvertraglicher Vereinbarungen [X.]) im Monat der Gutschrift oder später tatsächlich auf die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgewirkt hat (so L[X.] Hamburg Urteil vom 16.7.2009 - L 5 AS 81/08 - NZ[X.]010, 230, juris Rd[X.]6). Zwar könnte hierfür die Fassung des Gesetzes sprechen ("mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung" anstelle "sind als Einkommen bei der Höhe der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen"). Eine derart weitgehende Ankoppelung der Berücksichtigung des [X.]s als Einkommen an Vereinbarungen und ein tatsächliches Handeln des Vermieters und/oder des Leistungsberechtigten ist mit dieser Regelung jedoch nicht verbunden. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber insoweit vom Einkommensbegriff des § 11 [X.]B II abweichen und Einkommen nur dann berücksichtigen wollte, wenn der Vermieter oder der Leistungsberechtigte dieses Guthaben auch für einen bestimmten Zweck tatsächlich verwenden.

Der Anwendung des § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II steht auch nicht entgegen, dass das [X.] aus einem früheren Mietverhältnis stammt. Eine in diesem Sinne einschränkende Auslegung ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II nicht. Insofern gilt der allgemeine Grundsatz, dass während der Hilfebedürftigkeit zugeflossenes Einkommen zur Bedarfsdeckung heranzuziehen ist und bei der Anrechnung von Einkommen regelmäßig auf den Zeitraum des Erzielens von Einkommen in Geld oder Geldeswert und nicht auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem es "erwirtschaftet" wurde (B[X.]E 101, 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.]5, jeweils Rd[X.]8; B[X.] [X.] 4-4200 § 11 [X.]7, Rd[X.]3 ff). Über die in der Literatur diskutierte Frage, ob das Guthaben von vornherein nur teilweise berücksichtigt werden kann, weil die Ansparung aus einer Zeit stammt, in welcher der Leistungsträger nicht die tatsächlichen, sondern nur die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen hat (vgl hierzu zB [X.] in LPK-[X.]B II, 4. Aufl 2011, § 22 Rd[X.]16), musste der [X.] nicht entscheiden, weil der [X.] - nach Aktenlage - im Jahre 2008 die Kosten für Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe übernommen hat.

6. Der [X.] kann aber nicht abschließend beurteilen, ob - wie das [X.] und die Kläger meinen - das [X.] nach Maßgabe des § 11 Abs 1 [X.]B II iVm § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II deshalb nicht zu berücksichtigen ist, weil der Betrag den Klägern nicht direkt zugewandt, sondern von dem früheren Vermieter "wegen [X.], noch ausstehender Mietrückstände verrechnet" worden ist.

Auch insofern handelt es sich - nach den allgemeinen Grundsätzen zum Begriff und zur Berücksichtigung von Einkommen - grundsätzlich um zugeflossenes Einkommen iS von § 11 Abs 1 [X.]B II. Zwar enthält § 11 Abs 1 S 1 [X.]B II keine weitergehende Definition dessen, was als Einkommen gilt. Eine Betriebskostenrückzahlung, die dem Hilfebedürftigen nicht ausgezahlt wird, sondern mit aufgelaufenen oder künftigen Mietforderungen des Vermieters von diesem verrechnet wird, bewirkt aber bei ihm einen "wertmäßigen Zuwachs", weil sie wegen der damit ggf verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (s B[X.]E 74, 287 = [X.] 3-1300 § 48 [X.], [X.] f zur Aufrechnung mit Arbeitsentgeltansprüchen; vgl B[X.]E 108, 144 = [X.] 4-5870 § 6a [X.] zu gepfändeten Einkommensteilen; zu einem von der Vermieterin verrechneten Betriebs- und Heizkostenguthaben mit zukünftigen Mietzahlungen: B[X.] Urteil vom [X.] - B 4 [X.]/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]6).

Handelt es sich demnach um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen, wird das [X.] noch zu prüfen haben, ob die Kläger das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für das [X.] - auch wenn es (zunächst) an einer "tatsächlichen Verfügungsgewalt" fehlte - auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne Weiteres realisieren konnten. Nur wenn dies festgestellt worden ist, standen den Klägern bereite Mittel zur Bedarfsdeckung nicht zur Verfügung und muss - in gleicher Weise wie bei gepfändeten Teilen des [X.] - die mögliche Folge einer Tilgung von Mietschulden aus der Vergangenheit durch Rückzahlungen aus Betriebskostenabrechnungen hingenommen werden (vgl zur Pfändung B[X.]E 108, 144 = [X.] 4-5870 § 6a [X.] mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, § 11 Rd[X.]00 f; Söhngen in jurisPK-[X.]B II, 3. Aufl 2012, § 11 Rd[X.] 41). Diese Prüfung ist erforderlich, obwohl das [X.] mit Kosten der Unterkunft und Heizung "verrechnet" worden ist. Zwar sind Aufwendungen der Kosten der Unterkunft und Heizung von dem [X.]B II-Träger zu übernehmen, wenn sie auf einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung beruhen und tatsächlich gezahlt werden (B[X.]E 104, 179 = [X.] 4-4200 § 22 [X.]4, Rd[X.]6 zum Staffelmietvertrag; B[X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]4). Der hier von dem Vermieter vorgenommenen Einbehaltung des [X.]s liegt jedoch keine Vereinbarung zwischen den Klägern und ihrem Vermieter zugrunde, sondern sie ist als Aufrechnungserklärung iS des § 388 [X.] die bloße Ausübung eines Gestaltungsrechts des Vermieters. Die ungeprüfte Akzeptanz des allein tatsächlichen Vermieterhandelns käme - so der [X.] zu Recht - der im [X.]B II grundsätzlich nicht möglichen "freiwilligen" Schuldentilgung gleich. Insofern haben die beiden für die Grundsicherung nach dem [X.]B II zuständigen [X.]e des B[X.] bereits in anderem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bei der Abgrenzung der als Zuschuss übernahmefähigen Aufwendungen nach § 22 Abs 1 S 1 [X.]B II von den Schulden iS von § 22 Abs 5 [X.]B II ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem [X.]B II danach zu unterscheiden ist, ob es sich um einen tatsächlich eingetretenen, bisher noch nicht von dem [X.]B II-Träger gedeckten Bedarf handelt oder nicht (zur Übernahme einer Heizkostennachforderung des Vermieters nach § 22 Abs 1 [X.]B II: B[X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]7; B[X.] Urteil vom 24.11.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.]5, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die Regelung des § 22 Abs 5 [X.]B II verdeutlicht, dass - auch im Bereich der Unterkunftskosten - Schulden nur dann und auch nur als Darlehen übernommen werden sollen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

7. Bei den vor diesem Hintergrund noch erforderlichen Feststellungen zur Realisierbarkeit des Einkommens aus der Betriebskostenabrechnung des ehemaligen Vermieters wird zu berücksichtigen sein, dass eine Aufrechnungserklärung nach § 388 [X.] ein Erlöschen der Forderung des [X.] aus der Betriebskostenabrechnung bewirken kann (§ 389 [X.]). Ihre Wirksamkeit setzt jedoch ua die hinreichende Bestimmtheit auch der Gegen- bzw [X.], dh hier der vom Vermieter behaupteten Mietrückstände (vgl allgemein zB [X.] in [X.], [X.], 67. Aufl 2008, § 388 Rd[X.]; [X.] in [X.] Kommentar, [X.], 5. Aufl 2007, § 366 [X.] Rd[X.], 10; [X.] Urteil vom 6.11.1990 - XI ZR 262/89 - NJW-RR 1991, 169 f; [X.] Urteil vom 17.9.2001 - [X.] - NJW 2001, 3781 f; vgl zu Verrechnungsregelungen in Mietverträgen zB [X.] Urteil vom [X.] - NJW 1984, 2404 ff) sowie deren Fälligkeit (vgl zB B[X.]E 74, 287 = [X.] 3-1300 § 48 [X.] S 67) voraus.

Allerdings dürfen an die Realisierungsmöglichkeiten zur Auszahlung des Guthabens keine überhöhten Anforderungen gestellt werden, ein Zusammenwirken von Vermieter und Leistungsberechtigten zum Ausgleich von Mietschulden ist aber zu vermeiden. [X.] hat der [X.]B II-Träger den Leistungsberechtigten bei der Verfolgung berechtigter Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Vermieter zu unterstützen (vgl hierzu Urteil des 14. [X.]s vom 24.11.2011 - [X.] AS 15/11 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]3, Rd[X.]6 ff). Besteht kein (zivilrechtlicher) Anspruch des [X.] gegen den früheren Vermieter auf Auszahlung des Guthabens an ihn oder ist dieser nicht ohne weiteres zu realisieren, kann der Bewilligungsbescheid vom 12.6.2009 nicht aus diesem Grund aufgehoben werden. Entgegen der Ansicht des [X.]n rechtfertigt § 22 Abs 1 S 4 [X.]B II und das mögliche Ergebnis einer Schuldentilgung dann keine - die Grundsätze der Berücksichtigung von Einkommen und den [X.] außer [X.] lassende - Kürzung der existenznotwendigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

8. Kommt das [X.] zu einer Berücksichtigung des [X.]s als Einkommen, wird es ggf auch die - von seinem rechtlichen Standpunkt nachvollziehbar - bisher unterlassenen Feststellungen zum Anteil des in dem Guthaben enthaltenen Betrags für Haushaltsenergie nachzuholen haben, die nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung zählen (§ 22 Abs 1 S 4, 2. Halbs [X.]B II).

Wesentlich iS des § 48 Abs 1 [X.]B X sind weiter nur Änderungen, die dazu führen, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt - hier den Bescheid vom 12.6.2009 nicht hätte erlassen dürfen (vgl zB B[X.] [X.] 1300 § 48 [X.]2, [X.]; vgl auch B[X.]E 102, 295 ff = [X.] 4-4200 § 11 [X.]4, Rd[X.]0; B[X.] [X.] 4-4200 § 22 [X.], Rd[X.]5). Grundsätzlich sind daher bei der Prüfung, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der bindende Ursprungsbescheid - hier also der Bescheid vom 12.6.2009 - in der festgesetzten Höhe zu Lasten des Leistungsberechtigten aufgehoben werden durfte, neben der Berücksichtigung des [X.]s auch die weiteren, den Grund und die Höhe beeinflussenden [X.] der bereits bewilligten Leistungen - unter Berücksichtigung des § 44 [X.]B X - einzubeziehen, soweit Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit dargetan oder ersichtlich sind (vgl auch B[X.] [X.] 3-4100 § 119 [X.]3; vgl [X.] in [X.] Komm § 48 [X.]B X Rd[X.]8). Insofern wird das [X.] auch zu beachten haben, dass der [X.] im [X.] nicht die tatsächlichen Unterkunftskosten, sondern nur deutlich geringere, von ihm als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft übernommen und seine damalige Praxis nach eigenen Angaben im Verhandlungstermin vor dem [X.] zwischenzeitlich geändert hat.

Das [X.] wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 132/11 R

16.05.2012

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Altenburg, 17. Februar 2011, Az: S 27 AS 838/10, Urteil

§ 48 Abs 1 S 1 SGB 10, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10, § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 vom 30.07.2004, § 22 Abs 1 S 4 Halbs 1 SGB 2 vom 20.07.2006, § 389 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 132/11 R (REWIS RS 2012, 6329)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6329

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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