Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. VI ZR 12/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 3368

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] Verkündet am: 19. Juni 2007 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] Art. 2 Abs. 1, 5 Abs. 1; [X.] Art. 8, 10; KunstUrhG §§ 22, 23 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Zur Zulässigkeit einer Bildveröffentlichung in der Presse. [X.], Urteil vom 19. Juni 2007 - [X.] - [X.]

LG Berlin - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] und Zoll für Recht erkannt: Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.]s vom 20. Dezember 2005 wird auf ihre Kosten zu-rückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Klägerin ist die Lebensgefährtin des Musikers [X.]. Die Beklagte verlegt die Illustrierte "[X.]". In deren Ausgabe Nr. 20 vom 6. Mai 2004 veröffentlichte sie ohne Einwilligung der Klägerin u.a. zwei Fotos, die die Klägerin zusammen mit ihrem Lebensgefährten in legerer [X.] in einem Café und beim Bummeln in einer Fußgängerzone zeigen. 1 Auf dem Bild im Café blickt die Klägerin ihren Lebensgefährten an, [X.] sie gerade ihre Kaffeetasse zum Mund hebt. Die Aufnahme ist von außer-halb des Cafés gefertigt worden, wie an unscharf im Vordergrund zu sehenden vorbeilaufenden Passanten zu erkennen ist. Von ihrem Lebensgefährten ist nur ein Teil seines Arms zu sehen. In der [X.] heißt es: "DIE [X.] - 3 - DER LIEBE – [X.] und seine Freundin S. zeigen sich öffentlich in ei-nem [X.] Café". 3 Auf dem anderen Foto bummeln die Klägerin und ihr Lebensgefährte in einer Fußgängerzone. Darunter heißt es: "[X.] "Männer brauchen viel Zärtlichkeit" - das gilt auch für ihn "Das Leben geht weiter", hat er im Radio gesagt, "man kann sich nicht immer rumdrücken." Jetzt hat er das Zitat in einen neuen Frühling umgesetzt: [X.], 48, [X.] mit der Würgestimme, flaniert mit seiner [X.] Liebe S. F., 32, durch [X.]. Der Krebstod seiner Ehefrau und des [X.] 1998 hatte [X.] nach [X.] in die Isolation getrieben. Aber dann hat er sich wohl an einen eigenen Text erinnert: "Der Mensch heißt Mensch, weil er sich anlehnt und vertraut und weil er lacht, weil er lebt." Das Ergebnis ist auf diesen Seiten zu besichtigen." Die Klägerin verlangt von der [X.], es zu unterlassen, diese Auf-nahmen erneut zu veröffentlichen. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr [X.] weiter. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit §§ 22, 23 KUG, § 823 Abs. 1 BGB und Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 [X.] ein Unterlassungsanspruch gegen die [X.] - 4 - klagte zu. Die Veröffentlichung der Fotos habe die Klägerin in ihrem Recht am eigenen Bild und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. 6 Zwar sei der Lebensgefährte der Klägerin eine so genannte "absolute Person der Zeitgeschichte", bei der Bildnisse des vertrauten Begleiters verbrei-tet werden dürften, wenn beide zusammen in der Öffentlichkeit aufträten. [X.] hätten sich beide nicht an einem Ort der Abgeschiedenheit befunden, so dass nach der Rechtsprechung ein Privatsphärenschutz nicht bestehe. Nach den Maßstäben des Urteils des [X.] ([X.]) vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647) sei ein [X.] aber zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des [X.] sei das Grundgesetz nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entstehe. Der Text der [X.] ([X.]) und die Rechtsprechung des [X.] dienten als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reich-weite von Grundrechten. Daher seien hier Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und 10 [X.] (Freiheit der Meinungsäußerung) ebenso wie die Entscheidungen des [X.] als (einfaches) [X.] zu beachten und die Rechtsprechung des [X.] bei der Abwägung kollidierender Grundrechte zu berücksichtigen. Dabei sei allerdings an [X.] verfassungsrechtlichen Grundsätzen festzuhalten. 7 Danach könne eine bildliche Darstellung von privaten und alltäglichen Lebensvorgängen nicht nur bei Politikern und Inhabern eines öffentlichen [X.], sondern auch bei anderen Prominenten zulässig sein. Andererseits sei dem [X.] darin beizupflichten, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit beein-trächtigt werde, wenn ein Betroffener in alltäglichen Lebenssituationen der Me-dienöffentlichkeit präsentiert werde. Daher sei es mit der Meinungs- und [X.] - 5 - sefreiheit (Art. 5 Abs. 1 [X.]) vereinbar, das Recht Prominenter und ihrer ver-trauten Begleiter auf Achtung ihres Privatlebens im Einzelfall über Orte der Ab-geschiedenheit hinaus zu erstrecken und ihrem Recht am eigenen Bild Vorrang einzuräumen. 9 Bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Belange im Rahmen von § 23 Abs. 2 KUG überwiege das Interesse der Klägerin und ihres Lebens-gefährten, unbeobachtet von der Medienöffentlichkeit miteinander Urlaub verbringen zu können. Zwar sei die Klägerin seit [X.] 2003 bei offiziellen [X.] an der Seite ihres Lebensgefährten aufgetreten. Sie habe sich aber stets gegen eine Berichterstattung über ihr Privatleben gewandt und sei dagegen auch rechtlich vorgegangen. Die Fotos zeigten die Klägerin bei privater Gelegenheit. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass Herr [X.] den Tod seiner Ehefrau in seinem künstlerischen Schaffen und in öffentlichen Äußerungen thematisiert habe. Es trage nicht maßgeblich zur öffentlichen Diskussion bei, immer weiter Fotos zu verbreiten, welche die Klägerin in privaten Alltagssituationen als Begleiterin ihres Lebensgefährten zeigten. Die Beklagte könne sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie die Fotos in Bezug zu [X.]s Song-texten und Äußerungen gestellt habe. Hierzu hätte sie auf verfügbare Fotos von offiziellen Anlässen zurückgreifen können. 10 I[X.] Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. 11 1. Das Berufungsurteil entspricht im Ergebnis dem abgestuften Schutz-konzept, das die Rechtsprechung aus §§ 22, 23 KUG entwickelt hat (vgl. 12 - 6 - [X.], [X.]E 101, 361 ff.; NJW 2001, 1921, 1923 ff.; [X.], 2835 f.; [X.], 2836 ff.; Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - [X.], 84 ff.; vom 15. November 2005 - [X.] ZR 286/04 - [X.], 274 ff.; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 698 f. und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 9 ff., zum Abdruck in [X.] bestimmt). Das gilt insbesondere unter Berücksichtigung der in den Entscheidungen des [X.] vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647 ff. - von [X.] gegen [X.]) und vom 16. November 2004 ([X.], 591 ff. - [X.] und [X.] gegen [X.]) dargelegten Grundsätze. Danach gilt Folgendes: a) Nach § 22 KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet werden; hiervon besteht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG). 13 Aus § 23 KUG hat die Rechtsprechung den abkürzenden Begriff der "Person der Zeitgeschichte" entwickelt. Als "relative" Person der Zeitgeschichte ist eine Person anzusehen, die durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereig-nis das Interesse auf sich gezogen hat. Deshalb darf sie ohne ihre Einwilligung nur im Zusammenhang mit diesem Ereignis abgebildet werden. Demgegenüber gilt als "absolute" Person der Zeitgeschichte eine Person, die aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemein öffentliche Aufmerksamkeit findet, so dass sie selbst Gegenstand der Zeitgeschichte ist und deshalb über sie berich-tet werden darf. Auch sie hat jedoch ein Recht auf Privatsphäre, das nicht auf den häuslichen Bereich beschränkt ist. Vielmehr muss sie die Möglichkeit ha-ben, sich an anderen, erkennbar abgeschiedenen Orten unbehelligt von [X.] zu bewegen (vgl. Senat, [X.] 131, 332 ff., bestätigt von [X.], [X.]E 101, 361 ff.). 14 - 7 - b) Gegen diese Beschränkung des Schutzes der Privatsphäre bei den so genannten absoluten Personen der Zeitgeschichte hat der [X.] in seiner Ent-scheidung vom 24. Juni 2004 grundsätzliche Bedenken geäußert, denen der erkennende Senat bereits in mehreren in der Folgezeit ergangenen Entschei-dungen Rechnung getragen hat (vgl. Urteile vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - [X.], 84; vom 15. November 2005 - [X.] ZR 286/04 - [X.], 274; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697 und - [X.] ZR 51/06). 15 Hiernach nimmt die Vorschrift des § 23 Abs. 1 KUG nach der Intention des Gesetzgebers und nach Sinn und Zweck der Regelung in Ausnahme von dem [X.] des § 22 KUG Rücksicht auf das [X.] der Allgemeinheit und auf die Pressefreiheit. Die Belange der [X.] sind gerade bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "aus dem Be-reich der Zeitgeschichte" zu beachten (vgl. [X.], [X.], 3406, 3407 f.). 16 c) Eine Abwägung der widerstreitenden Rechte und Grundrechte der ab-gebildeten Person aus Art. 8 [X.] sowie aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 [X.] einer-seits und der Presse aus Art. 10 [X.] und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 [X.] anderer-seits ist mithin schon bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte erfor-derlich. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, welcher der Pressefreiheit und zugleich dem Schutz der Persönlichkeit und ih-rer Privatsphäre ausreichend Rechnung trägt (vgl. Senat, Urteile vom 12. Dezember 1995 - [X.] ZR 223/94 - [X.], 341 f.; vom 9. März 2004 - [X.] ZR 217/03 - VersR 2004, 863; vom 28. September 2004 - [X.] ZR 305/03 - [X.], 83, 84; vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - [X.], 84, 85 vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 698 und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 14). Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens 17 - 8 - in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit zwar in einem weiten Sinn zu verstehen, doch ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. [X.] wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung keineswegs immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte [X.] der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu zie-hen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des [X.] entscheiden. Nach diesem Schutzkonzept ist auch bei Personen, die unter dem Blick-punkt des zeitgeschichtlichen Ereignisses im Sinn des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG an sich ohne ihre Einwilligung die Verbreitung ihres Bildnisses dulden müssten, eine Verbreitung der Abbildung unabhängig davon, ob sie sich an Orten der Abgeschiedenheit aufgehalten haben, nicht zulässig, wenn hierdurch berechtig-te Interessen des Abgebildeten verletzt werden, § 23 Abs. 2 KUG (vgl. Senat, Urteile vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 698 und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 15 f.). 18 Mithin kommt eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung grund-sätzlich nur in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitge-schichtlicher Bedeutung betrifft (so schon Senatsurteile [X.] 158, 218, 222 f.; vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - aaO; vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2006 - [X.] - Rn. 15, zum Abdruck in [X.] bestimmt). Dabei darf [X.] der Begriff der Zeitgeschichte nicht zu eng verstanden werden. Nach [X.] Entstehungsgeschichte, vor allem aber im Hinblick auf den Informationsbe-darf der Öffentlichkeit, umfasst er nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, und wird mithin vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt. Auch durch unterhaltende Beiträge kann nämlich [X.] - 9 - nungsbildung stattfinden; solche Beiträge können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen und beeinflussen als sachbezogene Informationen (vgl. Senat, Urteile vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 523 mit Anmerkung von [X.] JZ 2004, 625; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 698 f. und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 17; [X.], [X.]E 101, 361, 389 f.; [X.], 2836, 2837). Zum [X.] der Presse- und der Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse in den gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum be-sitzt, innerhalb dessen sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im [X.] herausstellt, was eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ist ([X.]E 101, 361, 392; Senat, Urteil vom 15. November 2005 - [X.] ZR 286/04 - [X.], 274, 275; [X.] [X.], 591, 592 f.). Deshalb muss die Presse zur Wahrnehmung ihrer meinungsbildenden Aufgaben nach publizis-tischen Kriterien selbst entscheiden dürfen, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält (vgl. [X.]E 101, 361, 392; Senat, Urteile vom 14. März 1995 - [X.] ZR 52/94 - [X.], 667, 668 f., bestätigt durch [X.], [X.], 1026; vom 15. November 2005 - [X.] ZR 286/04 - aaO; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 699 und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 18). Die Bedeutung der Pressefreiheit wird unter Hinweis auf Art. 10 [X.] auch in der Entscheidung des [X.] vom 24. Juni 2004 (NJW 2004, 2647, 2649) hervorgehoben, wenn dort ausgeführt wird, dass die Presse in einer [X.] Gesellschaft eine wesentliche Rolle spiele und es ihre Aufgabe sei, Informationen und Ideen zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben, was letztlich mit dem oben dargelegten Begriff der Zeitgeschichte in Einklang steht. 20 d) Soweit der [X.] (NJW 2004, 2647, 2649) der Presse dieses Recht nur in bestimmten Grenzen zugesteht, betrifft diese Einschränkung ersichtlich 21 - 10 - die Abwägung zwischen Pressefreiheit und Informationsrecht der Öffentlichkeit einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits, mithin eine Abwä-gung, wie sie auch nach dem oben dargestellten Schutzkonzept geboten ist. Auch wenn die Presse zur Wahrung der Pressefreiheit und zur Vermeidung [X.] untersagten Zensur selbst nach publizistischen Kriterien entscheiden darf, worüber sie berichten will, kann sie sich damit nicht der Ab-wägung mit der geschützten Privatsphäre derjenigen entziehen, über die sie berichten will. Deshalb muss eine Interessenabwägung zwischen dem [X.] der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits stattfinden. Die Bedeutung des [X.] für die Interessenabwägung hat der erkennende Senat schon in früheren Entscheidungen hervorgehoben (Senat, [X.] 151, 26, 31; Urteil vom 9. Dezember 2003 - [X.] ZR 404/02 - VersR 2004, 525 m.w.N.). Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den [X.] der [X.] zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persön-lichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist (vgl. [X.]E 101, 361, 391; Senat, [X.] 131, 332, 342 m.w.N.). Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht (vgl. [X.]E 34, 269, 283; Senat, [X.] 131, 332, 342 m.w.N.). Dies hat das Bundesverfas-sungsgericht im Beschluss vom 21. August 2006 ([X.], 3406, 3407) [X.]. Das schließt es freilich nicht aus, dass je nach Lage des Falles für den Informationswert einer Berichterstattung auch der Bekanntheitsgrad des Betrof-fenen von Bedeutung sein kann. In jedem Fall ist bei der Beurteilung des [X.] bzw. der Frage, ob es sich um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinn des allgemein interessierenden Zeitgeschehens handelt, ein weites [X.] - 11 - ständnis geboten, damit die Presse ihren meinungsbildenden Aufgaben gerecht werden kann, die nach wie vor von größter Bedeutung sind. 23 Eine solche Gewichtung bei der Interessenabwägung trägt nach [X.] des erkennenden Senats den Anforderungen des [X.] (NJW 2004, 2647, 2651) an einen wirksamen Schutz der Privatsphäre ebenso Rechnung wie dem Schutz der Grundrechte aus Art. 5 [X.]. Ihr steht auch eine Bindungs-wirkung des § 31 [X.]G nicht entgegen. Das [X.] hat zwar die Entscheidung des erkennenden Senats insoweit bestätigt, als dort der Schutz der Privatsphäre gegen unerwünschte Aufnahmen auf die Fälle erkenn-barer räumlicher Abgeschiedenheit beschränkt worden ist. Das schließt es [X.] nicht aus, bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen [X.] und Schutz der Privatsphäre den im Einzelfall geringeren oder höheren Informationswert für die Öffentlichkeit stärker zu berücksichtigen. Im Übrigen hat das [X.] eine diesen Grundsätzen entsprechende Interessenabwägung bereits gebilligt ([X.], [X.], 2835). e) Kommt es mithin für die Abwägung maßgeblich auf den [X.] der Abbildung an, so kann - da die beanstandeten Abbildungen im Zu-sammenhang mit einer Wortberichterstattung verbreitet worden sind - bei der Beurteilung diese zugehörige Wortberichterstattung nicht unberücksichtigt blei-ben (so auch [X.] NJW 2004, 2647, 2650). Dies entspricht gefestigter Recht-sprechung des erkennenden Senats (vgl. [X.] 158, 218, 223; Urteile vom 30. September 2003 - [X.] ZR 89/02 - VersR 2004, 205, 206; vom 28. September 2004 - [X.] ZR 305/03 - [X.], 83 f.; vom 19. Oktober 2004 - [X.] ZR 292/03 - [X.], 84 f.; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 13/06 - [X.], 697, 699 und - [X.] ZR 51/06 - Rn. 23; jeweils m.w.N.). 24 2. Diese Grundsätze führen im Streitfall zu folgender Abwägung: 25 - 12 - Die beanstandeten Aufnahmen zeigen die Klägerin im Urlaub bzw. in der Freizeit in [X.], während sie und ihr Lebenspartner leger gekleidet in einem Café sitzen und durch eine Fußgängerzone spazieren gehen. Sie zeigen die Abgebildeten daher in ihrem Alltagsleben bei Tätigkeiten, die grundsätzlich dem privaten Bereich zuzurechnen sind. Ein Beitrag zu einer Diskussion von allge-meinem Interesse oder eine Information über ein zeitgeschichtliches Ereignis sind den Abbildungen nicht zu entnehmen. 26 Ein solches allgemeines Interesse oder zeitgeschichtliches Ereignis er-gibt sich auch nicht aus der den Bildern beigefügten Wortberichterstattung. [X.] nimmt auf den Krebstod der Ehefrau und des [X.] des Lebensgefährten der Klägerin im Jahre 1998 Bezug und knüpft an dessen danach folgender Iso-lation und Verarbeitung der Ereignisse mit Hilfe seiner Songtexte an. Selbst wenn man - was nach Lage des Falles offen bleiben kann - im Hinblick auf den Bekanntheitsgrad des Lebensgefährten die Ereignisse im Jahre 1998 und deren nachfolgende Verarbeitung als Vorgang von allgemeinem Interesse und zeitge-schichtliches Ereignis ansehen wollte, zeigen die veröffentlichten Bilder die Klä-gerin in einer erkennbar privaten Situation, die in keinem Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis steht. 27 Bei der erforderlichen Abwägung zwischen der Pressefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin ist nach den oben wiedergege-benen Grundsätzen der Rechtsprechung zu beachten, dass es eine entschei-dende Rolle spielt, ob die Presse eine neue und wahre Information von allge-meinem Interesse für die öffentliche Meinungsbildung mitteilt oder ob der [X.] für die Öffentlichkeit wesentlich in der Unterhaltung ohne gesell-schaftliche Relevanz besteht (vgl. [X.], [X.]E 34, 269, 283 f.; 101, 361, 390 f.; Senat, [X.] 131, 332, 342 f.; vom 6. März 2007 - [X.] ZR 51/06 - Rn. 28). Im letzten Fall besteht kein berücksichtigungswertes [X.] - 13 - resse der Öffentlichkeit, das eine Bildveröffentlichung entgegen dem Willen des Abgebildeten erlaubte (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG); die abgebildete Person muss die in einer Bildveröffentlichung ohne ihre Einwilligung regelmäßig liegende Be-einträchtigung ihrer Privatsphäre und damit ihres allgemeinen Persönlichkeits-rechts nicht hinnehmen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stets gegen eine Berichterstattung über ihr Privatleben gewandt hatte und auch ihr Lebensgefährte Bilder aus seiner Privatsphäre nicht öffentlich verbreiten ließ. Dass dieser Teile seines [X.] im Rahmen seiner Songtexte künstlerisch verarbeitet hat, kann nicht zur Folge haben, dass die Klägerin eine Berichterstattung über ihre Privatsphäre hinnehmen müsste. 3. [X.] folgt aus § 97 ZPO. 29 [X.] [X.] [X.]

[X.]

Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 19.05.2005 - 27 O 73/05 - [X.], Entscheidung vom 20.12.2005 - 9 U 130/05 -

Meta

VI ZR 12/06

19.06.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2007, Az. VI ZR 12/06 (REWIS RS 2007, 3368)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 3368

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